Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.02.2023, Az.: 16 U 415/22

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.02.2023
Aktenzeichen
16 U 415/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 12775
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 29.06.2022 - AZ: 5 O 63/22

Tenor:

  1. 1.

    Der Verhandlungstermin für den 24. August 2023 um 11:30 Uhr vor dem Oberlandesgericht Celle wird aufgehoben.

  2. 2.

    Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf bis 30.000,00 EUR festzusetzen.

  3. 3.

    Es wird erwogen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 29. Juni 2022 durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

  4. 4.

    Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme - und zur evtl. Rücknahme der Berufung aus Kostengründen - binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

Gründe

Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Zudem hat die Berufung nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung, die angegriffen wird, auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Zur Überzeugung des Senats liegen solche Berufungsgründe nicht vor. Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewiesen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Die hiergegen von dem Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Im Einzelnen:

1. Es wird zunächst darauf hingewiesen, dass der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegensteht, dass bereits Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden war. Denn die Bestimmung eines Verhandlungstermins ist nicht als "Sperre" für Entscheidungen nach § 522 Abs. 1, 2 ZPO zu verstehen (vgl. OLG Celle, OLGR 2009, 650; OLG Düsseldorf, NJW 2005, 833 f. [OLG Düsseldorf 03.02.2005 - II-4 UF 150/04]; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 522 Rn. 31 mwN).

2. Es kommt zwar, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungs-verfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jew. juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris).

Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sittenwidrige Schädigung. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn.29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19.Januar 2021 - VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020,1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).

Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.).

Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19).

Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).

3. Diesen Maßstab zugrunde gelegt lassen sich dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Dabei kann die Unzulässigkeit der von ihm behaupteten Abschalteinrichtungen (Fahrkurvenerkennung; Thermofenster) zu seinen Gunsten unterstellt werden. Eine sittenwidrige Schadenszufügung durch die Beklagte von dem Kläger durch das Inverkehrbringen bzw. den Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich.

a) Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nur dann erforderlich, wenn die Einzelheiten für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2015 - V ZR 107/13, juris Rn. 18; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 20; jew. mwN).

Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Gemäß § 403 ZPO hat die Partei, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 mwN).

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch den Kläger, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen, und damit objektiv sittenwidrig, zu verneinen.

aa) Der Kläger hat zwar das Vorhandensein verschiedener Abschalteinrichtungen, namentlich eine Zykluserkennung mittels Fahrkurve und daran anknüpfende Manipulation des SCR-Katalysators sowie ein sog. Thermofenster behauptet. Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) hat den hier betroffenen Motortyp EA 288 mit SCR-Katalysator bereits (nachträglich) überprüft und keine Beanstandungen gehabt.

(1) Dies ergibt sich zunächst aus dem von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 23. Mai 2022 vorgelegten Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" (Anlage B1 = Anlagenband Beklagte). Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der streitgegenständliche Motortyp EA 288 Euro 6 mit SCR-Katalysator durch das KBA auf die Ausstattung mit unzulässigen Abschalteinrichtungen hin untersucht wurde, solche aber nicht festgestellt werden konnten.

(2) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Feststellungen des KBA aus dem Jahr 2016 in Bezug auf den streitgegenständlichen Motortyp überholt wären. Vielmehr bestätigen die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte vom 21. September 2021 gegenüber dem Landgericht Oldenburg (Anlage B6 = ebd.), vom 26. Oktober 2021 gegenüber dem Landgericht Fulda (Anlage B7 = ebd.), vom 26. Februar 2020 gegenüber dem Landgericht Berlin (Anlagekonvolut B5 = ebd.), vom 16. März 2020 gegenüber dem Landgericht Bielefeld (ebd.), vom 13. November 2020 gegenüber dem Oberlandesgericht Stuttgart (ebd.), vom 14. Dezember 2020 gegenüber dem Oberlandesgericht Celle (ebd.), vom 15. Dezember 2020 gegenüber dem Landgericht Erfurt (ebd.), vom 11. Februar 2021 gegenüber dem Oberlandesgericht Oldenburg (ebd.), vom 8. März 2021 gegenüber dem Landgericht Aschaffenburg (Anlagenkonvolut B8 = ebd.), vom 25. Januar und 23. Februar 2021 gegenüber dem Oberlandesgericht München (ebd.), vom 1. Februar 2021 gegenüber dem Landgericht Berlin (ebd.), vom 15. Dezember 2021 gegenüber dem Landgericht Bayreuth (ebd.), vom 11. November 2020 gegenüber dem Landgericht Bonn (ebd.) und vom 12. Oktober 2020 gegenüber dem Landgericht Freiburg i. Br. (ebd.), dass das KBA auch weiterhin an seiner Beurteilung festhält, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden.

(3) Dies deckt sich schließlich auch mit den Erkenntnissen des Senats in entsprechenden Parallelverfahren, in denen amtliche Auskünfte des KBA in Bezug auf den Dieselmotor EA 288 eingeholt worden sind; auch darin hält das KBA weiterhin an seiner Beurteilung fest, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden. So heißt es beispielsweise in einer Auskunft des KBA, die dem Oberlandesgericht Celle im Verfahren 7 U 180/19 am 9. März 2021 zu einem VW Tiguan mit dem - wie auch hier - Motortyp EA 288 Euro 6 und SCR-Katalysator erteilt worden ist:

"Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des Entwicklungsauftrages (EA) 288 durch.

Im Fokus der Untersuchungen des KBA standen die Analyse des Abgasnachbehandlungssystems und seiner Komponenten sowie der Software der Motorsteuerung. . . .

Es wurde bei keinem Fahrzeug, welches ein Aggregat des EA 288 aufweist und durch das KBA untersucht wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. . . .

Die Funktion "Umschaltlogik" in der Motorsteuerung der Aggregate des EA 288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

Unter dem technisch nicht definierten umgangssprachlichen Begriff "Thermofenster" versteht man die außenlufttemperaturgeführte Korrektur der Abgasrückführungs-Rate (AGR-Rate) des Motorengrundkennfeldes. Eine Reduzierung dieser Rate führt in der Regel zu erhöhten Stickoxid- (NOx-) Emissionen des Motors bei zu niedrigen oder hohen Außentemperaturen. Die Korrektur kann aus Gründen des Motorschutzes gerechtfertigt sein, wenn dadurch u. a. übermäßige temperaturbedingte Ablagerungen oder Kondensation vermieden werden, die zur Beschädigung des Motors inklusive einzelner Bauteile führen. Eine Unzulässigkeit einer entsprechenden Funktion wurde von dem KBA in Bezug auf die EA 288 Aggregate nicht festgestellt."

(Hervorhebungen durch den Senat)

(4) Danach bewertet das KBA die Fahrkurvenerkennung - und eine etwaige daran anknüpfende geänderte Abgasrückführung bzw. Funktionsweise des SCR-Katalysators - sowie ein Thermofenster nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen und hat auch keine sonstigen unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 aaO Rn. 82).

Es kann jedoch an dieser Stelle dahinstehen, ob im konkreten Fall ein Grundmangel vorliegt und das Fahrzeug deshalb wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV; vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 357/20, juris Rn. 30 für das Kaufrecht; Urteil vom 27. Juli 2021 - VI ZR 151/20, juris Rn. 13 mwN für das Deliktsrecht). Denn unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Vorstellungsbild der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben. In diesem Zusammenhang stellt die Rechtsauffassung des KBA wiederum ein gewichtiges Indiz dar.

(5) Das KBA mag zwar im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens möglicherweise zunächst "arglos" gewesen sein, weil vor Bekanntwerden des "Dieselabgasskandals" das erforderliche Bewusstsein für die Problematik "unzulässiger Abschalteinrichtungen" noch nicht in so ausgeprägter Form wie nunmehr vorhanden war. Das KBA ist allerdings nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals und im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen anlassbezogenen Überprüfung - wie z.B. im Rahmen des Berichts der Untersuchungskommission "Volkswagen" und erneut im Zusammenhang mit den zahlreichen, gegenüber verschiedenen mit Schadensersatzansprüchen von vermeintlich geschädigten Fahrzeugerwerbern befassten Gerichten abgegebenen amtlichen Auskünften - zu der Überzeugung gelangt, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Einsatz kämen. Somit ist das mittlerweile durch den Abgasskandal vollumfänglich "sensibilisierte" KBA auch nach erfolgter Prüfung und umfänglicher Kenntnis der Einzelheiten der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motorsteuerungssoftware bei seiner Beurteilung geblieben, unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht vorhanden.

Das ist - unabhängig vom Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung - nach den vorangehenden Ausführungen jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen das erforderliche Vorstellungsbild der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben.

cc) Der Bewertung des KBA könnte allerdings dann kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden, wenn der Kläger substantiiert darlegte, dass die Überprüfung des KBA auf einer falschen Grundlage erfolgt oder dem KBA nicht bekannte (unzulässige) Abschalteinrichtungen implementiert wären und die Beklagte diese in dem Typgenehmigungsverfahren bewusst verschwiegen oder - etwa durch eine Prüfstandserkennung - verschleiert hätte. Dafür hat der Kläger jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.

(1) Die klägerischen Ausführungen zum NEFZ und zu zwei SCR-Betriebsstrategien im Zusammenhang mit dem NEFZ (vgl. zB Bl. 354 ff. Bd. II d.A.) sind für den Senat nicht nachvollziehbar und liegen hier neben der Sache. Die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug wurde - wie der Kläger selbst vorträgt - nicht nach dem NEFZ, sondern nach dem (neuen) WLTP erteilt, so dass Umschaltstrategien im NEFZ ohne Bedeutung sind.

Die klägerischen Ausführungen zu Einwirkungsmöglichkeiten der Beklagten im Rahmen des WLTP sind spekulativ und für die hier relevante Frage eines sittenwidrigen Handelns der Beklagten nicht von Relevanz. Soweit der Kläger behauptet, dass die gleichen Zyklus-Erkennungsmechanismen genutzt werden könnten, die bereits im NEFZ-Verfahren bestanden hätten, so überzeugt das nicht, vergleicht man den (inner- und außerstädtischen) Zyklus nach dem NEFZ und den WLTP-Prüfzyklus, wie ihn beispielsweise die Beklagte ausführlich dargestellt hat und wie ihn auch der Kläger darstellt (zB Bl. 370 Bd. II d.A.). Beweisantritte lässt das willkürliche (erst- und zweitinstanzliche) Vorbringen des Klägers "ins Blaue hinein" zudem auch vermissen. Dass die DUH oder andere Institutionen auch solche, nach diesem neuen Prüfzyklus WLTP typgenehmigte Fahrzeuge mit eingebautem Motor EA288 überprüft hat, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen. Es wird nicht schlüssig dargelegt, dass Prüfungen auf dem Rollenprüfstand und im Realverkehr (RDE) hier Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung bieten würden. Im Übrigen lässt die strukturierte Beschreibung der Emissionsstrategien (vgl. dazu die VO (EG) Nr. 692/2008) Abschalteinrichtungen im Emissionskontrollsystem gut und sicher beurteilen. Gleichwohl hat das KBA solche nicht festzustellen vermocht.

(2) Der Kläger behauptet, das KBA folge bei seiner Einschätzung einer falschen Schilderung der Funktionsweise durch die Beklagte. Nachdem die Beklagte zunächst die Verwendung einer Schalterfunktion geleugnet habe, sei sie zu einem späteren Zeitpunkt an das KBA herangetreten und habe versichert, es würde zu keinen unterschiedlichen Emissionen zwischen den Strategien 1 und 2 kommen (etwa Bl. 349 ff. Bd. II d.A.).

(a) Die Behauptung, das KBA folge bei seiner Einschätzung einer falschen Schilderung der Funktionsweise durch die Beklagte, findet bereits keine Grundlage in der vorangehend zitierten Auskunft des KBA und in den von der Beklagten vorgelegten Auskünften. In der vorangehend zitierten Auskunft heißt es vielmehr: "Prüfungen des KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt." Danach hat sich das KBA nicht auf Angaben der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war.

Die Art der Prüfungen - namentlich das Durchführen von Real-Driving-Tests (RDE) mit und ohne Aktivierung der Fahrkurve - wird zudem in der zitierten Auskunft in dem Verfahren 7 U 665/20 näher dargestellt:

olg_celle_20230216_16u41522_beschluss_as1
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Ein Einfluss der Fahrkurve auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs war dabei gerade nicht feststellbar. Danach hat sich das KBA nicht auf Angaben der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war.

(b) Nach den von dem Kläger in Bezug genommenen Unterlagen der Beklagten, insbesondere der "Applikationsanweisung Diesel" ist die Fahrkurvenerkennung nach dem Modellwechsel in der 22. Kalenderwoche 2016 nicht mehr vorhanden. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde erst im Anschluss daran erstmals zugelassen (vgl. Anlage K1 = Anlagenband Kläger). Eine Fahrkurve ist folglich im Fahrzeug nicht (mehr) hinterlegt. Dem diesbezüglichen Vortrag der Beklagten ist der Kläger nicht erheblich entgegengetreten und hat sich damit nicht konkret auseinandergesetzt.

(c) Selbst wenn die Beklagte aber - nach den einschlägigen Vorschriften auch erforderliche - Angaben zu den Einzelheiten der Abgasnachbehandlung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 322/20, juris Rn. 26 und Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, n.v., Rn. 20; OLG München, Beschluss vom 1. März 2021 - 8 U 4122/20, juris Rn. 63; OLG Nürnberg, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 5 U 4765/19, BeckRS 2020, 17693 Rn. 17).

(d) An dieser Bewertung ändert es nichts, dass der Kläger vorträgt, bei der Fahrkurve handele es sich nur um einen Teil einer Zykluserkennung, die Beklagte habe zahlreiche weitere Parameter zur Zykluserkennung sensiert (BB S. 27 ff. = Bl. 364 ff. Bd. II d.A.).

Auch bei Unterstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hilft dies dem Kläger nicht weiter. Er trägt hierzu vor, dass die Fahrkurvenerkennung ab Oktober 2015 Gegenstand diverser von Mitteilungen der Beklagten an das KBA war. War die Funktion der Behörde aber - wie hier - vor dem Erwerb des Fahrzeugs (Mai 2020, vgl. Anlage K1 = Anlagenband Kläger) mitgeteilt worden, ohne dass es diese seitdem beanstandet hat, bezieht sich deren Einverständnis hierauf ohne Weiteres. War die Fahrkurvenerkennung der Behörde - wie hier - vor dem Erwerb des Fahrzeugs mitgeteilt worden, fehlt es in diesem Fall selbst dann an einer (fortwirkenden) Täuschung des KBA im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, der erst 2020 erfolgte, wenn die Beklagte ursprünglich mit der Fahrkurve eine Prüfstandserkennung implementiert haben sollte.

(2) Für eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung und deren Verschweigen im EG-Typgenehmigungsverfahren hat der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen.

(a) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA 288" Bezug nimmt, kann er hieraus nichts zu seinen Gunsten herleiten.

Durch die darin enthaltene Anordnung wurde lediglich festgelegt - wie dem Senat mittlerweile aus anderen, gleichgelagerten Verfahren bekannt ist -, dass die an sich zulässige und dem KBA unstreitig bekannt gemachte Fahrkurvenerkennung nach dem Modellwechsel in der 22. Kalenderwoche 2016 nicht mehr zur Anwendung gelangen sollte. Da dem KBA dieser Umstand bekannt war, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass auf diese Weise eine zuvor installierte unzulässige Abschalteinrichtung "heimlich" beseitigt werden sollte. Bezüglich des Vorhandenseins einer manipulativen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware hat die genannte Richtlinie keine Aussagekraft.

(b) Weiter soll es in der "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA288" auf Seite 5 heißen:

"Anwendungsbeschreibung:

SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Erkennung des Precon und NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR-High/Low) streckengesteuert auszulösen (bis Erreichung SCR-Arbeitstemperatur und OBD-Schwellwert)."

Hieraus meint der Kläger ableiten zu können, dass auch Fahrzeuge mit einem Motor der Baureihe EA 288 mit einer Manipulationssoftware ausgerüstet seien, durch die sich auf dem Prüfstand andere Abgaswerte ergäben als im realen Betrieb auf der Straße. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der zitierten Passage der Anwendungsbeschreibung indes nicht. Die zitierte Applikationsanweisung enthält lediglich Anweisungen bezüglich der Durchführung der Fahrzyklen Precon und NEFZ. Es geht um die Steuerung der Abgasrückführung ("AGR High/low"). Bezüglich des Vorhandenseins einer manipulativen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware im Sinne einer Prüfstandserkennung mit Einfluss auf das Emissionsverhalten von Fahrzeugen, hat die zitierte Passage keine Aussagekraft (vgl. OLG München, Urteil vom 30. Juli 2021 - 24 U 5540/20, juris Rn. 26; OLG Hamm, Urteil vom 29. Juni 2021 - 13 U 434/20, juris Rn. 76 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Mai 2021 - 16a U 1576/20, juris Rn. 33 ff.; jew. mwN).

Im Übrigen sei auch an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht nach dem NEFZ erteilt wurde, sondern das Grundlage der WLTP war.

(c) Die nicht datierte "Vorgabe für Freigaben EA189 EU 3/4/5/6" (Bl. 6R Bd. I d.A.) betrifft schon nach ihrem Wortlaut den hier nicht streitgegenständlichen Motortyp EA189, der Gegenstand der BGH-Entscheidungen vom 25. Mai 2020 war. Der Motortyp EA288 wird nur am Rande erwähnt mit der auch ihn betreffenden "Zusage, dass bei Modellpflegen oder Programmpunkten, bei denen künftig das MSG angefasst wird, die Funktion auch ausgebaut wird." Das reine "Ausbedaten" der Funktion sei vom KBA bestätigt worden. Welche Funktion damit gemeint ist, ergibt sich daraus nicht. Für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung oder gar für das Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung beim Motor EA288 ergibt sich weder aus den "Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA288" noch aus der "Vorgabe für Freigaben EA189 EU 3/4/5/6" ein konkreter Anhaltspunkt.

(d) Selbst wenn dies anders zu sehen sein sollte, genügen die von dem Kläger vorgetragenen Anhaltspunkte nicht, um einen Schluss auf die von ihm behauptete "Manipulation" des Abgasreinigungssystems zu tragen. In der vorstehend auszugsweise wiedergegebenen amtlichen Auskunft des KBA heißt es, dass die Grenzwerte nach den Untersuchungen des KBA auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennungsfunktion nicht überschritten werden. Da nicht einmal aus der Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb auf eine Prüfstandserkennung geschlossen werden kann, weil der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße keinen greifbaren Anhaltspunkt für die Verwendung einer solchen Steuerungsstrategie darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23), gilt dies erst recht, wenn im Straßenbetrieb die Emissionen zwar höher als auf dem Prüfstand sind, die Grenzwerte aber sogar eingehalten werden.

(e) Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine (oder mehrere) im EG-Typgenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung vorhanden ist, auf die sich die Beurteilung des KBA folgerichtig nicht beziehen könnte.

(aa) Die behauptete Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ (vgl. zB Bl. 63 ff. Bd. I d.A.) ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30; s. auch OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris Rn. 42). Im konkreten Fall kommt es auf eine solche Abweichung der Messwerte zwischen Realbetrieb und NEFZ auch deshalb überhaupt nicht an, weil die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht nach dem NEFZ erteilt wurde, sondern Grundlage der WLTP war. Die klägerischen Ausführungen zu Messwertabweichungen vom NEFZ liegen deshalb neben der Sache.

(bb) Erst Recht hilft dem Kläger der Umstand nicht weiter, dass für eine geringe Anzahl von Fahrzeugen der Beklagten mit einem Motor des Typs EA 288 - nämlich beispielsweise einen VW T6 EA 288 Euro 6 - ein verpflichtender Rückruf durch das KBA angeordnet wurde. Denn dieser Rückruf erfolgte, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, nicht wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, sondern wegen technischer Konformitätsabweichungen während der Regeneration des Diesel-Partikelfilters und zur Sicherstellung eines für die Ki-Familie des streitgegenständlichen Fahrzeugs repräsentativen Ki-Werts (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. April 2021 - 7 U 851/20, n.v.).

Entsprechendes gilt für "freiwillige Servicemaßnahmen". Derartige Maßnahmen sind mit einem Rückruf nicht vergleichbar. Dem Senat ist vielmehr aus diversen Parallelverfahren bekannt, dass sich eine Gleichsetzung insoweit verbietet. Vielmehr betont das KBA in Auskünften regelmäßig, dass derartige Maßnahmen nur getroffen werden, wenn gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde und dass diese der Verbesserung der Luftqualität dienen.

(cc) Ein entsprechendes Indiz für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen trotz einer Überprüfung durch das KBA begründet sich auch nicht aus einer Manipulation des OBD-Systems.

(1.1) Dass das OBD-System die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems selbst aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert und somit seinerseits als Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG zu bewerten wäre, macht der Kläger nicht geltend (verneinend insoweit OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 - 17 U 296/19, juris Rn. 72; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 - 18 U 526/19, juris Rn. 38 f.; OLG Dresden, Urteil vom 1. Juli 2021 - 11a U 1085/20, juris Rn. 41).

(1.2) Darüber hinaus handelt es sich bei dem OBD-System nach Art. 3 Nr. 9 VO 715/2007/EG um ein System für die Emissionsüberwachung, das in der Lage ist, mit Hilfe rechnergespeicherter Fehlercodes den Bereich von Fehlfunktionen anzuzeigen. Der Begriff der "Fehlfunktion" bezeichnet nach Art. 2 Nr. 20 der Verordnung 692/2008/EG der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008) den Ausfall oder das fehlerhafte Arbeiten eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems, der beziehungsweise das ein Überschreiten der in Anhang XI Absatz 3.3.2 genannten Emissionsgrenzwerte zur Folge hätte, oder den Fall, dass das OBD-System nicht in der Lage ist, die grundlegenden Anforderungen von Anhang XI an die Überwachungsfunktionen zu erfüllen.

Nach dieser Maßgabe ist es ersichtlich nicht Aufgabe des OBD-Systems, zwischen einer rechtlich zulässigen und einer rechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung zu unterscheiden. Arbeitet eine Abschalteinrichtung - sei sie rechtlich zulässig oder unzulässig - mithin technisch so, wie sie programmiert ist, liegt eine Fehlfunktion nicht vor, so dass die Anzeige einer Fehlfunktion nicht veranlasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 91; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7. Juli 2021 - 17 U 63/19, juris Rn. 54; OLG Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2021 - 1 U 104/19, juris Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2021 - 8 U 14/20, juris Rn. 77; OLG Hamm, Urteil vom 28. Januar 2021 - 18 U 21/20, juris Rn. 164). Da das Diagnosesystem mit der elektronischen Steuerung des Motor- und Abgassystems verknüpft ist und daher keine Betriebszustände als fehlerhaft anzeigt, die von der Motorsteuerung vorgegeben werden, liegt es auf der Hand, dass ein Unterbleiben eines "Alarm-Schlagens" des OBD-Systems unter diesen Voraussetzungen kein Indiz für eine Software-Manipulation ist. Dies ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt.

(3) Es lässt sich darüber hinaus auch im Zusammenhang mit der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters keine arglistige Täuschung des KBA durch die Beklagte feststellen.

(a) Insoweit ist bereits fraglich, ob ein im Fahrzeug vorhandenes Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist.

Zwar führt ein sog. Thermofenster dazu, dass die volle Abgasrückführung nach Vornahme des Updates lediglich in bestimmten Temperaturbereichen stattfindet. Indes ist der Einsatz von Thermofenstern in Dieselmotoren bislang üblich und wird von den Herstellern allgemein als Stand der Technik angesehen.

An dieser Beurteilung ändert auch die Entscheidung des EuGH vom 17. Dezember 2020 in der Rechtssache C-693/18 nichts. Danach ist zwar der Einbau einer Abschalteinrichtung, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert, nur dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden schützen soll, nicht hingegen, um den Motor lediglich vor Verschmutzung und Verschleiß zu bewahren. Dass nach der Rechtsprechung des EuGH vom 17. Dezember 2020 die Zulässigkeit der sog. Thermofenster nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen für zulässig erachtet wird, führt aber lediglich dazu, dass die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben, ob und inwiefern dies zukünftig Berücksichtigung finden muss. Denn die Beklagte musste in Bezug auf die Auslegung und Befolgung des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 gegenüber sich selbst nicht strenger sein, als es die zuständigen Behörden ihr gegenüber waren. Geht mithin nicht einmal die Zulassungsbehörde von der Erforderlichkeit der Einhaltung der vom EuGH aufgestellten Anforderungen aus, kann ein entsprechendes Wissen von der Beklagten, das für den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung denknotwendig ist, erst recht nicht verlangt werden.

(b) Selbst wenn aber eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung in Form eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Der Aspekt der Gesetzkonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Dies gilt dabei sogar dann, wenn dieser Verstoß seitens des Herstellers aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung getroffen und mit der Entwicklung und dem Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 13). Denn die Applikation einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 27).

Aus diesem Grund setzte eine deliktische Haftung der Beklagten als Fahrzeug- und Motorherstellerin gem. §§ 826, 31 BGB voraus, dass diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA, hierüber arglistig getäuscht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris).

Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation des Thermofensters darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28).

Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen. Ihn trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 aaO Rn. 19). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, lediglich zu bestreiten, dass die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren die erforderlichen Angaben gemacht habe. Die Beklagte muss sich auch nicht im Rahmen einer sekundären Darlegungslast dazu entlasten, keine unzureichenden oder fehlerhaften Informationen gegenüber Genehmigungsbehörde bezüglich der Eigenschaften und Funktionsweise der von ihr verwendeten Motorsteuerungssoftware abgegeben zu haben. Sich zu den Einzelheiten der von ihr erfolgten Angaben im Typengenehmigungsverfahren zu erklären, obläge der Beklagten erst dann, wenn der Kläger seinerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

dd) Auch die Gesamtschau aller von dem Kläger vorgetragenen Umstände reicht nicht aus, um auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der für die Beklagten verantwortlichen Personen schließen zu können oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Zwar bietet die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie die Abweichung der Abgaswerte zwischen Prüfstand und Realbetrieb einen gewissen Anhalt; für die Vermutung, eine Prüfstandserkennung könne Verwendung finden, genügt dies aber nicht. Ausschlaggebende Bedeutung kommt daher der Bewertung durch das KBA zu, nach dessen Vorgaben sich die Beklagte richten durfte.

ee) Mangels Täuschung des KBA bzw. Erschleichung der Typengenehmigung fehlt es an einer Täuschung aller potentiellen Erwerber und damit an einer deliktischen Handlung der Beklagten, die als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen wäre.

4. Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 iVm Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 kommt nicht in Betracht.

a) Es kann dahinstehen, ob diese Vorschriften - entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 72 ff.; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris, Rn. 10 ff.; vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris, Rn. 15; Beschluss vom 4. Mai 2022 - VII ZR 656/21, juris Rn. 1; jew. mwN) - auch den Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers bezwecken bzw. ob Generalanwalt R. in dem Verfahren C-100/21 (juris Rn. 50) dahin zu verstehen ist, soweit er ausführt, dass die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen seien, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist.

b) Selbst wenn dies der Fall wäre, würde eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 scheitern, weil die Beklagte gegen die Vorschriften in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht selbst verstoßen konnte. Die Beklagte ist nämlich nicht die Herstellerin des Fahrzeugs bzw. Fahrzeugherstellerin, sondern sie hat ausschließlich den - in dem hier streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten - Motor vom Typ EA288 entwickelt und gebaut (vgl. ebenso OLG Oldenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2022 - 8 U 160/22, n.v. = BA S. 11 f.).

aa) Das Verbot der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen aus Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 richtet sich unmittelbar an den Hersteller des jeweiligen Fahrzeugs (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2022 - 8 U 160/22, n.v. = BA S. 11 f.; Helmig, EuZW 2023, 61 ff.: Röhl, EuZW 2022, 933 ff.).

(1) Das ergibt sich zunächst unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1, wonach "der Hersteller (...) das Fahrzeug so aus[rüstet], dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht". Es folgt auch aus dem Standort der Vorschrift in dem Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Überschrift "Pflichten des Herstellers für die Typgenehmigung". So heißt es denn auch in Art. 4 Abs. 1, dass "der Hersteller nach[weist], dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft in Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen". Die weiteren Regelungen nennen ebenfalls ausschließlich den Fahrzeughersteller als den Verpflichteten und auch die Erwägungsgründe der Verordnung sprechen vom "Hersteller" und "Automobilhersteller".

(2) Dementsprechend heißt es auch in den Schlussanträgen des Generalanwalts R. vom 2. Juni 2022, dass die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nur die Hersteller bzw. Fahrzeughersteller betreffen (aaO Rn. 40 ff.):

"(...) Über diese Pflichten hinaus schafft die Verordnung keine ausdrückliche Verbindung zwischen dem Kraftfahrzeughersteller und dem individuellen Erwerber eines Fahrzeugs zum Schutz seiner Interessen.

In diesem Sinne bestimmt Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007, dass der Hersteller das Fahrzeug so ausrüstet, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht, und dass, außer in Ausnahmefällen, die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig ist. Somit betreffen diese Bestimmungen nur die Hersteller. (...)

Außerdem, wie Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 bestimmt, "[ist d]er Hersteller ... gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Genehmigungsverfahrens und für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich, und zwar auch dann, wenn er nicht an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit unmittelbar beteiligt ist". Folglich hat der Hersteller, wenn er die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge beantragt, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 einzuhalten.

(...) Folglich stellt die Richtlinie 2007/46, anders als die Verordnung Nr. 715/2007, eine ausdrückliche Verbindung zwischen dem Kraftfahrzeughersteller und dem individuellen Erwerber eines Fahrzeugs her, um dem Fahrzeugkäufer zu versichern, dass das von ihm erworbene Fahrzeug mit der geltenden Unionsregelung übereinstimmt."

(3) Der Hersteller des Fahrzeugs ist zudem Adressat der sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV ergebenden Verpflichtung, eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.

"Hersteller" in diesem Sinne ist nach Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46/EG die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist. Gemäß Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46/EG handelt es sich bei der Übereinstimmungsbescheinigung um das in Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht.

bb) Die Beklagte ist jedoch im Streitfall nicht die Fahrzeugherstellerin, sondern lediglich die Herstellerin des Motors, der von der Fahrzeugherstellerin in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut wird. Das steht zwischen den Parteien nicht im Streit und folgt im Übrigen aus der EG-Übereinstimmungsbescheinigung (bzw. "Certificate of Conformity").

c) Darüber hinaus lässt sich eine solche Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 iVm Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 auch nicht unter Heranziehung der Regelung des § 830 Abs. 2 BGB begründen.

aa) Die Voraussetzungen einer Teilnehmerhaftung gem. § 830 Abs. 2 BGB richten sich prinzipiell nach strafrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juli 2021 - II ZR 152/20, BeckRS 2021, 22759 Rn. 16 und vom 25. Juli 2005 - II ZR 390/03, NJW 2005, 3137; BeckOGK BGB/Förster, BGB § 830 Rn. 15 [Stand: 1. Januar 2023]; Staudinger/Eberl-Borges, BGB, Neubearb. 2022, § 830 Rn. 28, 38; jew. mwN). Erforderlich ist daher die Teilnahme an der vorsätzlichen Haupttat eines anderen für eine Teilnehmerhaftung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 390/03, NJW 2005, 3137; BeckOGK BGB/Förster, aaO § 830 Rn. 28; BeckOK BGB/Spindler, BGB § 830 Rn. 10 [Stand: 1. November 2022]; Staudinger/Eberl-Borges, aaO § 830 Rn. 28 ff., 38 ff.; jew. mwN). Als Teilnehmer an einer rechtswidrigen Verhaltensweise eines anderen haftet nur derjenige, der diese Verhaltensweise zumindest mit bedingtem Vorsatz gefördert oder dazu angestiftet hat. Zum Teilnehmervorsatz gehört dabei neben der Kenntnis der objektiven Tatumstände auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (vgl. BGH, Urteile vom 11. März 2009 - I ZR 114/06, juris Rn. 14; vom 3. Juli 2008 - I ZR 145/05, juris Rn. 15 und vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, juris Rn. 31; Staudinger/Eberl-Borges, aaO § 830 Rn. 28 ff., 46; jew. mwN). Folglich muss der Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) vorsätzlich handeln und die unterstützte Haupttat vorsätzlich begangen werden. Nicht ausreichend ist die vorsätzliche Förderung einer Fahrlässigkeitstat oder die fahrlässige Förderung einer vorsätzlich oder fahrlässig begangenen unerlaubten Handlung (vgl. MüKoBGB/Wagner, aaO § 830 Rn. 43 ff.; Staudinger/Eberl-Borges, aaO § 830, jew. mwN).

bb) Diesen Maßstab zugrunde gelegt hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass die Herstellerin des Fahrzeuges beziehungsweise Personen, für deren Handeln die Fahrzeugherstellerin gemäß § 31 BGB einzustehen hätte, vorsätzlich gegen die Vorschriften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verstoßen hätten. Es fehlt damit an einer vorsätzlich begangenen Haupttat. Das klägerische Vorbringen enthält keine greifbaren Anhaltspunkte, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass - sein Vorbringen zu unzulässigen Abschalteinrichtungen als zutreffend unterstellt - die für die Fahrzeugherstellerin handelnden Personen wussten, dass die von der Volkswagen AG gelieferten Motoren mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet waren und gleichwohl die mit derlei Motoren ausgestatteten Fahrzeuge auf den Markt brachten.

Insbesondere der Einbau des Motors allein spricht - auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte für den Automobilhersteller und der mit dem Einsatz der rechtswidrigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 18 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 39) - noch nicht für die Annahme, die Unternehmensleitung der Beklagten sei in eine diesbezügliche strategische Entscheidung ihrer Schwestergesellschaft eingebunden gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 30; OLG Celle, Urteil vom 5. Mai 2021 - 7 U 430/20, juris Rn. 32).

5. Schadensersatzsprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage kommen für den Kläger nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH schon von Vorherein nicht in Betracht.

a) Insbesondere haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 24).

b) Schließlich stehen dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch gemäß § 280, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3 BGB wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens oder Zusicherung einer Beschaffenheit im Zusammenhang mit der Übereinstimmungsbescheinigung zu. Dass der Hersteller des Fahrzeuges über die gesetzliche Pflichterfüllung nach §§ 6, 27 Abs. 1, 37 Abs. 1 EG-FGV und Art. 18 der Richtlinie 2007/46 hinaus in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch nimmt oder eine Zusicherung abgeben will, erschließt sich weder nach dem Text der Bescheinigung noch nach deren Zweck. Eine irgendwie geartete Garantiezusage ist damit nicht verbunden. Insofern ist die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH (Urteil vom 15. Juni 2016 - VIII ZR 134/15, juris), in der es um eine Herstellergarantie ging, schon nicht einschlägig. Aus demselben Grund kann der Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch nicht auf einen selbständigen Garantievertrag gemäß § 443 BGB stützen.

6. Mangels Anspruchsgrundlage steht dem Kläger somit weder der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch zu, noch kann infolgedessen ein Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und diese zur Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers verurteilt werden.

7. Nach alledem hat die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg, weshalb er erwägen sollte, diese zurückzunehmen.