Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 31.10.2002, Az.: 4 A 28/01
Bauschutzbereich: Fortsetzungsfeststellungsklage; Windenergieanlage
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 31.10.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 28/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 3 BBauG
- § 12 LuftVG
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Windenergieanlage. Am 14. Mai 1999 beantragte sie die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Flurstück ../.. der Flur .. der Gemarkung ... . Das Grundstück liegt im Außenbereich. Gegenstand des Antrages war zunächst eine Anlage des Typs Enercon E-66 mit einer Nennleistung von 1500 kW, einer Nabenhöhe von 66,8 m und einem Rotordurchmesser von 66 m.
Unter dem 10. Mai 1999 hatte die Beigeladene zu 1) ihr Einvernehmen für das Vorhaben versagt. Der vorgesehene Standort liege in einem Bereich von 750 m zu einer Wohnsiedlung und in einem Bauschutzbereich zum Militärflugplatz ..., in dem Bauhöhen zwischen 45 bis maximal 100 m zulässig seien. Derzeit sei die 33. Flächennutzungsplanänderung im Verfahren, mit der beabsichtigt sei, Sonderbauflächen für Windenergienutzung auszuweisen und die Errichtung von Windenergieanlagen in anderen Bereichen des Gemeindegebietes auszuschließen. Parallel sei die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes vorgesehen. Für beantragte Windenergieanlagen außerhalb möglicher Konzentrationsflächen werde das Einvernehmen versagt.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 teilte die Beigeladene zu 2) mit, dass aus Gründen der militärischen Flugsicherung nur dann keine Bedenken gegen das Vorhaben bestünden, sofern eine maximale Bauhöhe von 80 m über NN nicht überschritten werde. Die Klägerin änderte mit Schreiben vom 21. Januar 2000 das Vorhaben. Geplant sei nunmehr die Errichtung einer insgesamt 92 m hohen Anlage (59 m Nabenhöhe).
Unter dem 27. Januar 2000 beschlos der Rat der Beigeladenen zu 1), die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 68 „Windkraftanlagen“ Teilbereiche d bis f. Gleichzeitig wurde eine Veränderungssperre für die Bereiche 5 d bis 5 f beschlossen. In dem Geltungsbereich der Veränderungssperre Nr. 5 d liegt das Baugrundstück.
Nach Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. März 2000 die Erteilung des Bauvorbescheides ab, da die am 4. Februar 2000 im Amtsblatt bekannt gemachte Veränderungssperre entgegenstehe. Für eine Ausnahme von der Veränderungssperre habe die Beigeladene zu 1) das Einvernehmen nicht erteilt. Gründe für eine Ausnahme seien auch nicht ersichtlich.
Am 03. April 2000 erhob die Klägerin Widerspruch, der nicht weiter begründet wurde.
Am 18. Mai 2000 beschloss der Rat der Beigeladenen zu 1) die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 68 Teilbereiche a – g und gleichzeitig die Satzung über die Veränderungssperre Nr. 5 a – g. Die Satzung über die Veränderungssperre wurde am 19. Mai 2000 im Amtsblatt veröffentlicht.
Die Bezirksregierung Weser-Ems wies mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2000 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die aus Gründen der Flugsicherheit maximal zulässige Bauhöhe von 80 m werde durch das Vorhaben überschritten. Für eine geänderte Ausführung der Anlage sei ein neues Antragsverfahren durchzuführen.
Die Klägerin hat am 04. Januar 2001 Klage erhoben.
Am 1. Juni 2001 wurde die 33. Flächennutzungsplanänderung der Beigeladenen zu 1) im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems bekannt gemacht. Ausgewiesen sind 2 Sonderbauflächen Windenergie im nordöstlichen Gemeindegebiet (Teilbereich A „westlich ...“ und Teilbereich B „...“). Nach Ziff. 1 der textlichen Darstellungen sind Windenergieanlagen außerhalb der dargestellten Sonderbauflächen im Stadtgebiet nicht zulässig. Das Baugrundstück liegt außerhalb der Sonderbauflächen. Am 29. Juni 2001 ist der Bebauungsplan Nr. 68 „Windenergie und Modellflugplatz“ der Beigeladenen zu 1) in Kraft getreten. In den beplanten Sonderbauflächen sind demnach jeweils 3 Windenergieanlagen zulässig.
Aufgrund der Konzentrationsplanung erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Hauptsache insoweit für erledigt, als die Erteilung eines Bauvorbescheides beantragt wurde.
Das Klageverfahren werde nach Inkrafttreten der 33. Flächennutzungsplanänderung als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgesetzt, da wegen der rechtswidrigen Versagung des Bauvorbescheides Amtshaftungsansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht würden. Die Satzung über die Veränderungssperre sei rechtswidrig gewesen. Öffentliche Belange hätten der Errichtung der Anlage nicht entgegengestanden. Eine Höhenbeschränkung auf 80 m sei aus Gründen der Flugsicherheit nicht erforderlich gewesen, wenn die Anlage z.B. mit Signalbefeuerung hinreichend kenntlich gemacht worden wäre. Sie hätte zumindest Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung einer Anlage bis 80 m Höhe gehabt. Ein entsprechender Änderungsantrag sei mündlich gegenüber der Bezirksregierung Weser - Ems auch angekündigt und lediglich aufgrund eines Übertragungsfehlers nicht schriftlich eingereicht worden.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 13. März 2000 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung an und beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Sie führt aus, für den Planungszeitraum sei eine Veränderungssperre erlassen worden, da die Zurückstellungsmöglichkeiten für Bauanträge gem. § 245 b BauGB (bis zum 31. Dezember 1998) abgelaufen gewesen seien. Zwar sei die versehentlich für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan erlassene Veränderungssperre nichtig gewesen. Dieser Fehler sei jedoch durch die Veränderungssperren vom 19. Mai 2000, 26. Oktober 2000 und spätestens vom 15. Dezember 2000 geheilt worden. Es sei immer beabsichtigt gewesen, Windenergieanlagen im nördlichen Stadtgebiet außerhalb des Bauschutzbereiches zu konzentrieren, so dass dieser Bereich mit einer Veränderungssperre belegt worden sei.
Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und im Klageverfahren 4 A 1777/01 vorgelegten Planunterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entsprach es billigem Ermessen, der Klägerin gem. § 161 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit die Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Aufgrund des dem Vorhaben entgegenstehenden öffentlichen Belanges der militärischen Flugsicherheit hätte die Klage unabhängig von dem Inkrafttreten der 33. Flächennutzungsplanänderung keinen Erfolg gehabt.
Soweit über die Klage noch zu entscheiden ist, ist diese unbegründet.
Der zulässige Antrag, die Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheides vom 13. März 2000 festzustellen, hat keinen Erfolg. Die 33. Flächennutzungsplanänderung ist nach Klageerhebung in Kraft getreten. Im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes festgestellt werden, wenn die Klägerin daran ein berechtigtes Interesse hat (sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse). Dieses liegt hier vor, nachdem die Klägerin angekündigt hat, Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB aufgrund rechtswidriger Nichterteilung des Bauvorbescheides geltend zu machen. Sollte die Entscheidung über den Antrag der Klägerin schuldhaft rechtswidrig verzögert worden sein, sind derartige Ansprüche wegen eines Verzögerungsschadens nicht offensichtlich ausgeschlossen. Auch kommen Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht, so dass ein berechtigtes Interesse der Klägerin iSv. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu bejahen ist.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat indes keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 13. März 2000 verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Seinerzeit hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides. Zwar war die bei Erlass des Bescheides vom 13. März 2000 geltende Veränderungssperre Nr. 5 d vom 4. Februar 2000 nichtig. Die Beigeladene zu 1) hat die Veränderungssperre für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan erlassen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. BauGB sind die §§ 14 – 28 BauGB für vorhabenbezogene Bebauungspläne nicht anwendbar. Dementsprechend wurde die Satzung im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens durch die Beigeladene zu 1) aufgehoben und neue Veränderungssperren erlassen.
Dem Vorhaben stand jedoch ein öffentlicher Belang iSv. § 35 Abs. 3 BauGB entgegen, da die Flugsicherheit als sonstiger öffentlicher Belang i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB gefährdet wurde. Die Privilegierung nach Abs. 1 bewirkt, anders als bei nicht privilegierten Vorhaben, die bereits dann unzulässig sind, wenn öffentliche Belange „nicht beeinträchtigt“ werden, ein grundsätzlich stärkeres Durchsetzungsvermögen gegenüber den von privilegierten Vorhaben berührten öffentlichen Belangen. Durch die generelle Verweisung dieser Vorhaben in den Außenbereich hat der Gesetzgeber selbst eine planerische Entscheidung zugunsten dieser Vorhaben getroffen und damit auch Fälle negativer Berührung mit öffentlichen Belangen im Einzelfall in Kauf genommen. Erforderlich ist eine Abwägung zwischen den jeweils berührten öffentlichen Belangen und dem Vorhaben, wobei zu dessen Gunsten die Privilegierung ins Gewicht fällt (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauGB, Kommentar, § 35 Rz. 60 m.w.N.). Da in § 35 Abs. 3 BauGB öffentliche Belange lediglich beispielhaft aufgeführt sind („insbesondere“) ist die Gewährleistung der (militärischen) Flugsicherheit als sonstiger öffentlicher Belang entsprechend § 35 Abs. 3 BauGB zu berücksichtigen. Das Vorhaben soll in dem Bauschutzbereich um den militärischen Flughafen ... verwirklicht werden, in dem Bauhöhen von 45 m (ab 4 km Bauschutzbereich) bis 100 m (bis 6 km Bauschutzbereich) aus Gründen der Flugsicherheit zulässig sind (§ 12 Abs. 3 Ziff. 1 b LuftVG). Die Beigeladene zu 2) hat für den vorgesehenen Standort eine maximal zulässige Bauhöhe von 80 m ü. NN berechnet, so dass die insgesamt 92 m hohe Anlage die Flugsicherheit gefährdet. Zwar kann nach § 12 Abs. 3 LuftVG mit Zustimmung der Luftfahrtbehörden die aus dem Bauschutzbereich folgende zulässige Bauhöhe überschritten werden. Ggf. sind auch Auflagen zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt und zum Schutz der Allgemeinheit in die Baugenehmigung aufzunehmen (§ 12 Abs. 4 LuftVG). Zuständig für die Erteilung der Zustimmung ist nach § 30 Abs. 2 LuftVG die Bundeswehrverwaltung, d.h. hier die WBV II. Diese hat mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 die Zustimmung für das Vorhaben versagt. Die Beigeladene zu 2) wies zudem darauf hin, dass Kennzeichnungen auch bei einer Bauhöhe von 80 m wahrscheinlich erforderlich seien, über diese Maßnahme jedoch erst nach Kenntnis der endgültigen Standorte mit genauen Koordinaten entschieden werden könne. Gründe für einen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu dem Vorhaben hat diese nicht dargelegt. Denkbar wären insoweit bereits bestehende etwa gleich hohe oder höhere Anlagen in unmittelbarer Umgebung des vorgesehenen Standortes. Diese sind hier nicht vorhanden. Das als Grünland genutzte Baugrundstück ist unbebaut. In der näheren Umgebung ist keine hohe Bebauung vorhanden. Der im Ortskern der Beigeladenen zu 1) vorhandene Funkmast steht ca. 1,5 km entfernt und ist für den Vorhabenstandort somit nicht relevant. Damit ist die Versagung der Zustimmung durch die Beigeladene zu 2) rechtlich nicht zu beanstanden. Auch ist nicht davon auszugehen, dass das im März 2000 geplante Vorhaben unter Auflagen – wie z.B. Signalbefeuerung – zugelassen werden konnte. Die Beigeladene zu 2) hat darauf hingewiesen, dass selbst für eine 80 m hohe Anlage wahrscheinlich eine Kennzeichnung erforderlich werden würde. Im Zeitpunkt des ablehnenden Bescheides vom 13. März 2000 war die Errichtung einer 92 m hohen Anlage geplant und somit eine erheblich höheres Bauwerk als aus Gründen der militärischen Flugsicherheit zulässig. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe zumindest einen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung einer bis zu 80 m hohen Windenergieanlage gehabt, greift dieses Vorbringen nicht durch. Es ist nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde bzw. des Gerichts festzustellen, welches Vorhaben (noch) genehmigungsfähig sein könnte. Zu beurteilen ist nur das konkret zur Entscheidung gestellte Vorhaben, dessen Umfang und Art der Ausführung allein durch den Bauherrn bestimmt werden.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag hat somit keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich keinem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt haben.