Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 14.10.2002, Az.: 12 A 3247/02
Benachrichtigung über Niederlegung; Frist; Hausbriefkasten; Niederlegung; schuldlose Unkenntnis; Zustellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 14.10.2002
- Aktenzeichen
- 12 A 3247/02
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2002, 43661
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 60 VwGO
- § 74 VwGO
- § 3 Abs 3 VwZG
- § 182 ZPO
- § 418 Abs 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zur Zustellung durch Postzustellungsurkunde: Durch die Einlegung der Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung in den Hausbriefkasten gilt ein Bescheid als ordnungsgemäß zugestellt.
Als Nachweis, dass die Benachrichtigung über die Niederlegung nicht in den Briefkasten gelangt ist, reicht eine bloße Behauptung reicht ebenso wenig aus wie die Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung.
2. Ein Übersehen der Mitteilung oder eine versehentliche Vernichtung begründen wie auch das Verlegen oder Verlieren eines Schriftstücks keine schuldlose Unkenntnis von der Zustellung.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Gewerbeuntersagungsbescheid des Beklagten.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2000 untersagte der Beklagte dem Kläger die selbständige Ausübung des Gewerbes "An- und Verkauf von gebrauchten Elektrogeräten" sowie jede andere selbständige Ausübung aller anderen Gewerbe. Zur Begründung führte der Beklagte an: Es lägen Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit des Klägers als Gewerbetreibender darlegten, da er nicht bereit oder nicht in der Lage sei, seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Am 4. Januar 2000 habe ein Abgabenrückstand in Höhe von über 14.000,00 DM ohne Säumniszuschläge und Kosten bestanden. Seit dem 1. Juli 1999 habe der Kläger keine Zahlungen mehr an das Finanzamt Wilhelmshaven geleistet. Zudem habe er im Februar 1998 die eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Den gegen die Gewerbeuntersagung gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheid vom 29. Mai 2002 zurück und untersagte dem Kläger zusätzlich die Ausübung des Gewerbes "Handel mit gebrauchten Elektrogeräten, Militärbekleidung und Zubehör, Waschsalon, Verkauf von Lederoberbekleidung und gebrauchten Rundfunkgeräten".
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 1. Juni 2002 durch Niederlegung zugestellt.
Der Kläger hat am 26. Juli 2002 Klage erhoben. Zur Begründung führte er an: Er begehre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er sei über die Niederlegung nicht ordnungsgemäß benachrichtigt worden. Über die Existenz des Widerspruchsbescheides habe er erst durch Zufall anlässlich eines Gespräches mit der Sachbearbeiterin für Gewerbeangelegenheiten bei der Stadt Nordenham erfahren.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 29. Mai 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage konnte gemäß § 84 Abs. 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist verfristet und damit unzulässig (dazu unter 1.); im Übrigen wäre sie auch unbegründet (dazu unter 2.).
1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben werden. Der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems ist dem Kläger ausweislich der sich bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde am 1. Juni 2002 zugestellt worden, so dass die Klagefrist zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 26. Juli 2002 abgelaufen war:
Der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 29. Mai 2002 wurde ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen (Bl. 66) abgehefteten Kopie der Postzustellungsurkunde am 1. Juni 2002 beim zuständigen Postamt niedergelegt. Ferner ist in dieser Urkunde durch die Unterschrift des Postbediensteten bestätigt, dass eine Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung - wie bei gewöhnlichen Briefen üblich - in den Hausbriefkasten des Klägers eingelegt wurde. Damit gilt der Widerspruchsbescheid am 1. Juni 2002 als ordnungsgemäß zugestellt (§ 3 Abs. 3 VwZG i.V.m. § 182 ZPO).
Der Kläger trägt zwar vor, dass er eine Benachrichtigung über die Niederlegung des angefochtenen Widerspruchsbescheides nicht in seinem Briefkasten gefunden habe und er deshalb auch keine Kenntnis von der Niederlegung des Bescheides bei der Post habe nehmen können. Dem steht jedoch die Beweiskraft der vom Postbediensteten bestätigten und beurkundeten Einlegung der Benachrichtigung in den Hausbriefkasten des Klägers in der Straße ... in B. entgegen. Gemäß § 418 Abs. 1 ZPO begründet eine Postzustellungsurkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Zur Führung eines Gegenbeweises müssten Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, die den beurkundeten Sachverhalt widerlegen bzw. einen abweichenden Geschehensablauf darlegen. Eine bloße gegenteilige Behauptung reicht ebenso wenig aus wie die Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung. Es müsste der Nachweis geführt werden, dass die Benachrichtigung über die Niederlegung nicht in den Briefkasten gelangt ist (vgl. § 418 Abs. 2 ZPO). Deshalb reicht allein die Behauptung des Klägers, die ordnungsgemäße Benachrichtigung über die Niederlegung sei nicht an ihn gegangen, nicht aus, den erforderlichen Gegenbeweis zu führen.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 60 VwGO liegen nicht vor.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nur dann in Betracht, wenn Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, aus denen sich ergibt, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. An derartigen Tatsachen fehlt es, denn es ist grundsätzlich Sache des Empfängers eines Bescheides, den Posteingang zu kontrollieren, wenn ein Bescheid in seinen Machtbereich gelangt ist, und auf den Ablauf der Rechtsbehelfsfristen zu achten. Ein Übersehen der Mitteilung oder eine versehentliche Vernichtung wie auch das Verlegen oder Verlieren eines Schriftstücks begründen keine schuldlose Unkenntnis von der Zustellung. Deshalb reicht allein das Vorbringen, den Benachrichtigungsschein im Briefkasten nicht vorgefunden zu haben, nicht aus, eine Versäumnis der Rechtsbehelfsfrist als unverschuldet zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 1997 - 6 B 98/96 -, Buchholz 340 § 3 VwZG Nr. 28).
2. Die Klage wäre im übrigen auch bei angenommener Zulässigkeit unbegründet. Die Gewerbeuntersagung stützt sich auf § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung und hinsichtlich aller Gewerbe auf § 35 Abs. 1 Satz 2 Gewerbeordnung. Die Voraussetzungen der Gewerbeuntersagung liegen vor. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht, da der Kläger seine Klage inhaltlich nicht begründet hat.
Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 84 Abs. 1 Satz 2, 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.