Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.2000, Az.: 9 L 2396/99

Abfallbeseitigung; Abfallbeseitigungsgebühr; Abfallvermeidung; Abfallvermeidungsgebot; Benutzungsgebühr; Bioabfall; Biotonne; Biotonnengebühr; Gebühr; Grundgebühr; Quersubventionierung; Restabfall

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.01.2000
Aktenzeichen
9 L 2396/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.03.1999 - AZ: 2 A 4832/96

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Festlegung einer einheitlichen Grund- und Litergebühr für die Entsorgung von Rest- und Bioabfall begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 NAbfG über die Zulässigkeit der sog. Quersubventionierung erfasst neben den Fällen der getrennten Aufwandsermittlung für verschiedene Teilleistungsbereiche jede Form der Kostenverlagerung auf Benutzergruppen, die diese Teilleistung nicht in Anspruch nehmen.

2. Die in § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG normierten Ziele der Abfallvermeidung und Abfallverwertung stehen gleichrangig nebeneinander. Zur Verwirklichung dieser Ziele bei der Gebührengestaltung ist eine Einschränkung des gebührenrechtlichen Grundsatzes der Leistungsproportionalität sachgerecht und mit höherrangigem Recht, insb. mit Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar.

3. Betreibt eine Gemeinde neben der Restabfallentsorgung eine getrennte Entsorgung von Bioabfällen, so liegt ein zur Rechtswidrigkeit der Abfallbeseitigungsgebühr führendes Missverhältnis zwischen Grundgebühr und Zusatzgebühr (vgl. Urteile des Senats v. 26.11.1997 - 9 L 234/96 -, NSt-N 1998, 138 = ZKF 1998, 204 u. v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 -, NdsVBl. 1998, 289 = Kommunalpraxis 1998, 280 = KStZ 1999, 172 = NdsRspfl. 1999, 26) nicht schon deshalb vor, weil die einheitliche Grundgebühr für die Restabfall- und die Bioabfall-Entsorgung 50 v.H. der gesamten Gebührenbelastung des Gebührenpflichtigen übersteigt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abfallgebühren für das Jahr 1996 durch die Beklagte.

2

Die Beklagte betreibt nach §§ 1, 3 Satz 1 ihrer "Satzung über die Abfallwirtschaft in der Stadt O." vom 27. November 1995 (AWS) die Abfallwirtschaft (Abfallberatung und Abfallentsorgung) als eine öffentliche Einrichtung. Sie führt eine getrennte Entsorgung von Altpapier, Altglas, kompostierbaren Abfällen, Baurestmassen, Holzabfällen, Verpackungsabfällen, Altmetall, Sperrmüll, Problemabfällen aus Haushaltungen sowie sonstigem Hausmüll und hausmüllähnlichem Gewerbeabfall (Restabfall) durch. Durch § 5 Abs. 1 AWS werden die Eigentümer bewohnter oder bebauter Grundstücke sowie diesen in Satz 2 gleichgestellte andere Abfallbesitzer verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentliche Abfallentsorgung anzuschließen. Eine Befreiung vom Anschlusszwang hinsichtlich des Einsammelns und Beförderns von Restabfällen sowie von kompostierbaren Abfällen kann im Einzelfall auf schriftlichen Antrag widerruflich erteilt werden, wenn das Einsammeln und Befördern durch die Stadt auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls für den Anschlusspflichtigen eine unzumutbare Härte bedeuten würde (§ 5 Abs. 2 AWS). Eine Befreiung vom Anschlusszwang für kompostierbare Abfälle kann ferner widerruflich erteilt werden, wenn der Grundstückseigentümer erklärt, dass alle im Haushalt, Garten oder in sonstiger Weise anfallenden Kompostierbaren Abfälle einer Eigenkompostierung auf dem Grundstück zugeführt werden; die Stadt behält sich eine Überprüfung auf dem Grundstück vor (§ 5 Abs. 3 AWS). Die Anschlusspflichtigen sind nach § 5 Abs. 4 AWS verpflichtet, die auf dem Grundstück oder sonst bei ihnen anfallenden Abfälle der öffentlichen Abfallentsorgung getrennt zu überlassen (Benutzungszwang). Der Benutzungszwang für kompostierbare Abfälle gilt nur soweit, als nicht im Rahmen der Verordnung über die Entsorgung von Abfällen außerhalb von Abfallentsorgungsanlagen (KompostVO) eigenkompostiert wird.

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Nach § 2 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung vom 18. Dezember 1995 (AGS) ist für jedes an die Abfallentsorgung angeschlossene Grundstück eine Grundgebühr zu entrichten. Daneben wird eine behälterbezogene Litergebühr erhoben, die sich nach dem Volumen und der Anzahl der Entleerungen der bereitgestellten Restabfall- und Bioabfallbehälter bemisst. Für die ersten 60 I Bioabfall ist je angeschlossenes Grundstück keine Litergebühr zu leisten. Im Übrigen wird für Bioabfall und Restabfall eine einheitliche Litergebühr erhoben. Für mehrere benachbarte anschlusspflichtige Grundstücke oder für Wohnungseigentum auf einem Grundstück können auf schriftlichen Antrag der betroffenen Anschlusspflichtigen ein oder mehrere gemeinsame Abfallbehälter mit entsprechend größerer ausreichender Kapazität zugelassen werden (§ 17 Abs. 7 AWS). Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so gelten die zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossenen Grundstücke für die Erhebung der Grundgebühr als ein angeschlossenes Grundstück. Für die Restabfallentsorgung werden Behälter mit Volumen von 35 I, 50 I, 60 I, 80 I, 120 I, 240 I und 1.100 I sowie Säcke mit 20 I Füllraum angeboten. Die Entsorgung des Bioabfalls kann mit Behältern von 60 I, 80 I, 120 I und 240 I erfolgen.

4

Die Klägerin ist Eigentümerin eines im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen bebauten Grundstücks. Sie nimmt die Entsorgung von Bioabfall nicht in Anspruch, sondern kompostiert den in ihrem Haushalt anfallenden Bioabfall selbst auf ihrem Grundstück. Mit Abgabenbescheid vom 12. Januar 1996 zog die Beklagte sie für das Jahr 1996 u.a. zu Abfallgebühren in einer Gesamthöhe von 406,20 DM heran. Dabei legte sie eine Grundgebühr von 129,00 DM und eine Zusatzgebühr für das 14-tägliche Einsammeln von Restabfall für einen Abfallbehälter mit einem Füllraum von 120 I von 277,20 DM zugrunde.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

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Der Senat hat dem Zulassungsantrag der Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache entsprochen.

Entscheidungsgründe

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Die zugelassene Berufung ist nicht begründet. Der Senat tritt der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei, dass die Beklagte über ein wirksames Satzungsrecht für die Heranziehung der Klägerin zu Abfallgebühren verfügt.

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1. Die Festsetzung einer Grundgebühr für jedes angeschlossene Grundstück durch § 2 Abs. 1 Satz 1 AGS und die Zugrundelegung einer einheitlichen Litergebühr für die Entsorgung von Restabfall und - soweit mehr als die Freimenge anfällt - Bioabfall begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Durch die Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 24.6.1998 - 9 K 6907/95 - und Urt. ebenfalls v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 -, Nds.VBl. 1998, 289 = Kommunalpraxis 1998, 280 = KStZ 1999, 172 = NdsRpfl. 1999, 26) ist bereits geklärt, dass die durch § 12 Abs. 5 Satz 3 NAbfG ausdrücklich zugelassene Erhebung einer Grundgebühr vom Grundsatz her mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Diese führt zwar dazu, dass die Erzeuger geringer Abfallmengen für den Liter erzeugten Abfalls im Ergebnis mehr bezahlen müssen als die Erzeuger durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Abfallmengen. Doch ist die darin liegende Benachteiligung sachlich gerechtfertigt. Durch die Aufspaltung der Gesamtgebühr in eine verbrauchsunabhängige Grundgebühr und eine verbrauchsabhängige Zusatzgebühr wird vermieden, dass die weitgehend gleichermaßen durch jede Benutzergruppe verursachten Vorhaltekosten ausschließlich nach dem Maß der jeweiligen Inanspruchnahme und damit unterschiedlich verteilt werden. Durch die Grundgebühr sollen die Bezieher geringer Leistungsmengen stärker an den invariablen Kosten (Fixkosten) der Leistungserstellung beteiligt werden als bei einer strikt mengenbezogenen Gebührenbemessung. Hierfür spricht der Gesichtspunkt, dass der Anteil der Verursachung der Vorhaltekosten nicht entsprechend der Verringerung der tatsächlichen Abfallmenge abnimmt. Außerdem gebietet eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise nicht, alle Kosten nach dem Maß der Inanspruchnahme zu verteilen und unberücksichtigt zu lassen, dass bestimmte Kosten gleichermaßen von allen Benutzern verursacht werden (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.8.1981 - 8 B 20.81 -, KStZ 1982, 31; Dahmen in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 1999, § 6 RdNr. 487 ff.).

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Ebenfalls nicht zu beanstanden ist es, dass die Beklagte für die Bemessung der Grundgebühr an das angeschlossene Grundstück anknüpft. Der Maßstab für die Grundgebühr muss - verbrauchsunabhängig - im Wesentlichen an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung ausgerichtet sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.8.1986 - 8 C 112.84 -, KStZ 1987, 11; Lohmann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 1998, § 6 RdNr. 693a; Dahmen, aaO, § 6 RdNr. 497). Hierzu darf die Grundgebühr - bei Beachtung der Verwaltungspraktikabilität und der besonderen örtlichen Verhältnisse - nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Da Abfälle typischerweise auf bewohnten Grundstücken und Gewerbegrundstücken anfallen und von diesen entsorgt werden, besteht ein hinreichend enger Bezug zwischen dem Anknüpfungskriterium Grundstück und den durch das Abfallbeseitigungssystem vermittelten Vorteilen. Insbesondere wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Bewirtschaftung eines Grundstücks erfahrungsgemäß zu einem Mehranfall von Müll führt und es daher im besonderem Maße erforderlich macht, ein betriebsbereites Abfallbeseitigungssystem vorzuhalten (vgl. Lohmann, aaO, § 6 RdNr. 693b).

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Die Beklagte war nicht aufgrund des Gleichheitssatzes verpflichtet, für die Grundgebühr einen genaueren Maßstab als denjenigen des Grundstücks zu wählen, also z.B. zusätzlich nach der Anzahl der sich auf dem Grundstück aufhaltenden Personen zu differenzieren. Zwar führt die Erhebung einer gleich hohen Grundgebühr für alle angeschlossenen Grundstücke zu einer Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Denn Ein-Personen-Haushalte werden ebenso behandelt wie Mehr-Personen-Haushalte, obwohl Letztere das Abfallbeseitigungssystem typischerweise stärker in Anspruch nehmen. Auch werden Wohngrundstücke wie Gewerbegrundstücke behandelt, wobei unberücksichtigt bleibt, dass die Art und Menge des Abfalls bei beiden Gruppen unterschiedlich sein kann. Auch werden gewerblich genutzte Grundstücke im Verhältnis zueinander gleich behandelt, obwohl sie bezüglich der Größe, der Zahl der im Betrieb Beschäftigten und/oder der Art der gewerblichen Betätigung erhebliche Unterschiede aufweisen können. Auch fehlen Sonderregelungen für sonstige Gewerbegrundstücke selbst in den Fällen, in denen bei solchen erheblich mehr Abfall anfällt als durchschnittlich bei gewerblich genutzten Grundstücken und Wohngrundstücken. Diese Gleichbehandlung aller Grundstücke durch die Erhebung einer pauschalen Grundgebühr ist indes gleichwohl grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Vorhaltekosten für die Abfallentsorgung sind unabhängig von der jeweils zu entsorgenden Menge an Abfall zu einem ganz wesentlichen Teil durch invariable Kosten für das Vorhalten des Abfallbeseitigungssystems bedingt. So hat die Beklagte bei ihrer Gebührenkalkulation für 1996 Fixkosten in einer Gesamthöhe von 8.651.749 DM ermittelt. Hiervon entfielen allein 5.653.700 DM, d.h. 65 % aller Fixkosten auf die Beschäftigung von Personal. Die nächst höheren Fixkostenanteile betrafen Verwaltungskostenbeiträge (1.152.600 DM), kalkulatorische Kosten (697.400 DM) sowie Fahrzeugkosten (410.100 DM). Alle diese Kostenpositionen sind indes zu einem erheblichen Teil unabhängig von dem konkret auf dem Grundstück angefallenen Müll dadurch bedingt, dass das einzelne Grundstück mit dem Müllwagen angefahren wird und die Abfallbehälter entleert werden müssen. Bezogen auf die Fixkosten ist es daher relativ unerheblich, welches Volumen die auf den angeschlossenen Grundstücken bereitgehaltenen Abfallbehälter haben. Erst wenn die Vorhaltekosten (Fixkosten) deshalb steigen, weil das verstärkte Aufkommen von Abfall größere Vorhalteleistungen erfordert, so dass mehr Fahrzeuge eingesetzt und mehr Beschäftigte angestellt werden müssen, kann die sachliche Rechtfertigung dafür, auch die Erzeuger von wenig Abfall gleichermaßen über die Grundgebühr zu den Vorhaltekosten heranzuziehen, in Zweifel gezogen werden, weil die Vorhaltekosten dann nur bestimmten Gruppen zuzuordnen sind. Dieser Grenzbereich ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 -, aaO) regelmäßig nicht überschritten, wenn über die Grundgebühr nicht mehr als 30 % der Gesamtkosten der Abfallbeseitigung abgedeckt werden. Diese Grenze hat die Beklagte bei der Erhebung der Grundgebühr für das Haushaltsjahr 1996 eingehalten. Denn von den Gesamtkosten der Müllabfuhr in Höhe von 16.744.927 DM hat sie lediglich 44,8 % der Fixkosten (3.895.800 DM) in die Ermittlung der Grundgebühr eingestellt; dieser Betrag macht lediglich einen Anteil von 23 % an den Gesamtkosten der Abfallbeseitigung aus.

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Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 3 AGS, wonach mehrere gemäß § 17 Abs. 7 AWS zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossene Grundstücke als ein angeschlossenes Grundstück im Sinne dieser Satzung gelten, mithin auch nur einmal die Grundgebühr zu zahlen haben, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn die Vorhaltekosten der Abfallbeseitigung sind - wie vorstehend dargelegt - im Wesentlichen geprägt durch die mit dem Einsammeln der Abfälle verbundenen (Personal-)Kosten. Werden mehrere Grundstücke zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossen, so verfügen sie über einen gemeinsamen Abfallbehälter und ein mehrfaches Anfahren und Transportieren von Mülltonnen entfällt. Bezogen auf die in die Grundgebühr nur einfließenden Fixkosten der Abfallbeseitigung kann die zur gemeinsamen Abfallentsorgung zusammengeschlossene Grundstückseinheit deshalb ebenso betrachtet werden wie das einzelne Grundstück. Dieser Umstand rechtfertigt es, für zusammengeschlossene Grundstücke die Grundgebühr nur einmal zu erheben.

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2. Der Festlegung einer einheitlichen Grundgebühr sowie einer identischen Litergebühr für Restabfall und - soweit die Freimenge überschritten wird - Bioabfall steht auch nicht entgegen, dass in den Kosten, die deren Ermittlung zugrunde gelegt werden, Anteile für die Bioabfallentsorgung eingestellt werden mit der Folge, dass auch diejenigen Abfallbesitzer, die keinen Abfallbehälter für Bioabfall besitzen, an den Kosten der Bioabfallentsorgung beteiligt werden. Denn die damit beabsichtigte "Quersubventionierung" der Entsorgung von Bioabfall über die Grundgebühr (Gleiches gilt für die Quersubventionierung über die Zusatzgebühr für Restabfall) ist durch die Vorschrift des § 12 Abs. 4 NAbfG gedeckt, wonach bei der Ermittlung der Aufwendungen für die Entsorgung ungetrennt überlassener Abfälle (d.h. der Restabfälle) die Aufwendungen für die Entsorgung getrennt überlassener Abfälle einbezogen werden können. § 12 Abs. 4 NAbfG enthält eine Durchbrechung des - wegen der Erforderlichkeit der Leistungsproportionalität - an sich gebührenrechtlich bestehenden Grundsatzes, dass bei der Bildung von Teilleistungsbereichen mit getrennten Gebührensätzen und Gebührenmaßstäben die jeweils in einem Teilbereich anfallenden Kosten nur diesem Bereich zugerechnet werden dürfen, dass also Kosten in einem Teilleistungsbereich nicht durch eine Erhöhung der Gebühr für einen anderen Teilleistungsbereich refinanziert werden können. Diese Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf Fragen der Kostenzuordnung, indem sie es gestattet, Aufwendungen aus einem Teilleistungsbereich (hier u.a. der Bioabfall-Entsorgung) einem anderen Teilleistungsbereich (hier der Restabfall-Entsorgung) zuzuordnen. Sie erfasst indes nicht nur die Fälle getrennter Aufwandsermittlung für verschiedene Teilleistungsbereiche, sondern - über den Wortlaut hinaus - jede Form der Kostenverlagerung auf Benutzergruppen, die eine Teilleistung nicht in Anspruch nehmen. Die dadurch ermöglichte Abweichung von gebührenrechtlichen Grundsätzen ist sachgerecht und daher mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar. Hierzu hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 30. April 1996 (9 K 526/96) ausgeführt:

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Auslegung zugänglichen Wortlaut den Kommunalen Satzungsgeber, für die
Abfuhr und Entsorgung getrennt überlassener Abfälle - u.a. getrennt
überlassener kompostierbarer Stoffe, die der Besitzer nicht selbst
kompostieren will - keine gesonderten Gebühren zu erheben und die
hierdurch entstehenden Kosten den auf die Anschlusspflichtigen zu
verteilenden Kosten der Restabfallentsorgung zuzuschlagen. Mit diesem
Regelungsinhalt stellt § 12 Abs. 4 NAbfG eine spezielle Ausformung der
Grundnorm des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG dar, wonach die Gebühren so zu
gestalten sind, dass die Vermeidung und die Verwertung von Abfällen
gefördert werden. Denn es liegt auf der Hand, dass eine
Gebührenfreistellung bzw. mindestens herabgestufte Gebührensätze einen
nachhaltigen (finanziellen) Anreiz dafür schaffen, Abfälle getrennt zu
überlassen, wodurch nicht nur die Verwertung der - getrennt überlassenen
- Abfälle gefördert, sondern zugleich das anfallende - in der Regel nicht
verwertbare - Restabfallvolumen reduziert wird. Dieses Normverständnis
entspricht der vom Landesgesetzgeber erklärtermaßen verfolgten Zielsetzung.
Hierzu heißt es im schriftlichen Bericht zum - Gesetz gewordenen -
Entwurf des Änderungsgesetzes 1991 (LT-Drucks. 12/2222, S. 12 f.) -
zusammengefasst -: Der Rechtsgrundsatz des (damals vorgeschlagenen) § 3a
Abs. 2 Satz 2 rechtfertige es, diejenigen Abfallbesitzer, die sich diesem
Grundsatz entsprechend verhielten und Abfälle getrennt abgäben, nicht -
oder jedenfalls nicht in vollem Umfange - mit den dafür entstehenden
Entsorgungskosten zu belasten und stattdessen die Aufwendungen für die
Entsorgung sortierter Abfälle anderweit abzurechnen, wofür sich allein der
"Restmüllmaßstab" anbiete".
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An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Die durch § 12 Abs. 4 NAbfG ermöglichte Abweichung von gebührenrechtlichen Grundsätzen dient den in § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG gleichrangig normierten Zielen der Abfallvermeidung und der Abfalltrennung. Denn der Anreiz zur Sortierung von Abfällen nimmt zu, wenn dem Gebührenpflichtigen für die Entsorgung des getrennten Abfalls keine oder niedrige Kosten entstehen. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte eine "Quersubventionierung" der Bioabfallentsorgung durch die Ausgestaltung des Gebührensystems für die (Rest)Abfallbeseitigung für unzulässig gehalten wird (vgl. OVG NW, Urt. v. 17.3.1998 - 9 A 3871/96 -, KStZ 1999, 37, und ebenfalls v. 17.3.1998 - 9 A 1430/96 -, NVwZ-RR 1998, 775 =ZKF 1998, 257; Hess. VGH, Urt. v. 27.4.1999 - 5 N 3909/98-, DWW 1999, 387 = DVBl. 1999, 1669 <LS>; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.6.1999 - 2 S 782/98 -, NVwZ-RR 2000, 51 = VBlBW 1999, 425 [VGH Baden-Württemberg 16.06.1999 - 2 S 782/98]; derselbe noch anders zu mengenunabhängigen Vorhaltekosten im Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 -, VBlBW 1999, 219 = ZKF 1999, 231 = KStZ 1999, 168; vgl. auch Quaas, Rechtliche Vorgaben der Abfallgebühr, KStZ 1999, 142, 153) beruht dies darauf, dass in den von ihnen anzuwendenden Landesabfallgesetzen eine dem § 12 Abs. 4 NAbfG entsprechende Bestimmung fehlt.

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3. Die Heranziehung der Klägerin zu Abfallbeseitigungsgebühren für 1996 ist schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die AGS-Höhe für das Jahr 1996 zur Folge hat, dass Abfallbesitzer, die einen Restabfallbehälter mit einem Füllraum von 35 I bzw. 50 I bereit halten, hierfür zu jährlichen Gebühren von 80,85 DM bzw. 115, 50 DM herangezogen werden (§ 3 Abs. 2 AGS-Höhe), während die Grundgebühr in beiden Fällen nur 129,00 DM jährlich beträgt (§ 3 Abs. 1 AGS-Höhe). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile v. 26.11.1997 - 9 L 234/96 - NSt-N 1998, 138 = ZKF 1998, 204 und v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 -, aaO) entspricht zwar eine Grundgebühr für die (Rest-)Abfallentsorgung, deren Höhe 50 v.H. der gesamten Gebührenbelastung des Gebührenpflichtigen übersteigt, nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG, insbesondere nicht dem Gebot, bei der Gebührengestaltung einen Anreiz zur Abfallvermeidung zu schaffen, wenn dieses "Missverhältnis" zwischen Grundgebühr und Zusatzgebühr im Regelfall bei einer durchschnittlichen Restabfallmenge von 10 I pro Person und Woche auftritt. Würde man diese Rechtsprechung uneingeschränkt auf die hier zu beurteilende Gebührensatzung übertragen, wäre diese allerdings - entgegen der insoweit abweichenden Begründung des Verwaltungsgerichts - als nichtig anzusehen, weil bei 14-täglichem Einsammeln von Restabfall ein Zwei-Personen-Haushalt lediglich über eine 50-Liter-Tonne verfügen müsste. Da jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die an die Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstücke im Stadtgebiet der Beklagten in nicht mehr als 10 % der Heranziehungsfälle von nur zwei Personen bewohnt werden, so dass diese Fallkonstellation nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit vernachlässigt werden könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.8.1986 - 8 C 112.84 -, KStZ 1987, 11; Beschl. v. 31.3.1998 - 8 B 43.98 -) wird dieses durch die Rechtsprechung des Senats aufgestellte Gebot für eine zur Abfallvermeidung anreizende Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes hier auf den ersten Blick verletzt. Doch bedarf die zur reinen Restabfallentsorgung ergangene Rechtsprechung des Senats der Modifizierung, wenn und soweit die Kommune neben der Restabfallentsorgung - wie hier - eine getrennte Entsorgung von Bioabfällen durchführt. Denn § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG beschränkt sich nicht auf das Gebot, durch die Gebührengestaltung die Vermeidung von Abfällen zur fördern. Die abfallbeseitigungspflichtige Körperschaft ist vielmehr gleichermaßen aufgefordert, die Gebühren so zu gestalten, dass (auch) die Verwertung von Abfällen gefördert wird. Dabei steht es in ihrem Ermessen, wie sie beiden Zielen des Gesetzgebers durch die Gestaltung des Gebührenmaßstabs Rechnung tragen will. Ein Ermessensfehler der Beklagten ist insoweit nicht feststellbar. Die Beklagte will durch die Einräumung der Bioabfallfreimenge von 60 Liter in 14 Tagen und die Erhebung gleicher Litergebühren für die Entsorgung von Restabfall einerseits, von Bioabfall andererseits, einen Anreiz schaffen, die Biotonne zu nutzen, dadurch das Restabfallvolumen verringern und Fehlwürfe in die Restabfalltonne verhindern. Nach den Angaben der Beklagten verfügen mittlerweile 94,4 % der angeschlossenen Grundstücke über eine Biotonne, und das Restabfallaufkommen ist seit Einführung der Biotonne nach dem Ergebnis der "Hausmüllanalyse für die Stadt O." von 33.000 t Restabfall in dem Jahre 1995 auf 16.700 t Restabfall im Jahre 1996, also um die Hälfte, zurückgegangen. Die Biotonne erfreut sich danach hoher Akzeptanz, obwohl die Bioabfallbehälter nicht von der Beklagten gestellt werden, sondern diese von den Abfallpflichtigen selbst angeschafft werden müssen. Da andererseits die Behauptung der Beklagten nachvollziehbar ist, dass ohne die "Quersubventionierung" der Biomüllentsorgung und zusätzliche Anreize zur Abfallverwertung ein derart hoher Anschlussgrad nicht erreichbar wäre, bedarf die 50 %-Regel des Senats der Modifizierung für die Fälle, in denen neben der Restabfallentsorgung auch eine Bioabfallentsorgung durchgeführt wird. Für das Gebührensystem der Beklagten ist diese Modifizierung dergestalt vorzunehmen, dass fiktiv errechnet wird, wie hoch die auf die Abfallpflichtigen jährlich entfallende Grundgebühr wäre, wenn der Berechnung der Grundgebühr nur die anteiligen Fixkosten für die Restabfallentsorgung zugrunde gelegt würden. Nach den vom Kläger nicht bestrittenen Angaben der Beklagten im Parallelverfahren ist davon auszugehen, dass sich die Grundgebühr um etwa 30 % bzw. in absoluten Beträgen um 38, 16 DM auf aufgerundet 91, 00 DM reduziert, wenn der Fixkostenanteil für die Bioabfallentsorgung aus ihr herausgerechnet wird. Diese fiktive Grundgebühr wird lediglich bei Nutzung eines Restabfallbehälters von 35 Liter (80,85 DM Jahresgebühr) überschritten. Ein Tonnenvolumen von lediglich 35 Liter kann indes nach der Rechtsprechung des Senats auch bei umweltbewusstem Verhalten im Regelfall (Restabfallaufkommen von 10 Liter pro Person und Woche) selbst für einen Zwei-Personen-Haushalt bei - wie hier - zweiwöchiger Leerung des Restabfallbehälters nicht ausreichen.