Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.01.2000, Az.: 4 M 25/00

Hilfe zum Lebensunterhalt; Schulranzen; Schultasche; Sozialhilfe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.01.2000
Aktenzeichen
4 M 25/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 42048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.12.1999 - AZ: 13 B 3800/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach den Maßstäben des § 12 BSHG muss ein Hilfesuchender sich nicht auf das jeweils allerbilligste Produkt zur Deckung seines notwendigen Bedarfs verweisen lassen; es ist daher sicherzustellen, dass eine Schülerin mit ihrem neuen Ranzen in ihrer schulischen Umgebung nicht aus dem üblichen Rahmen fällt.

Gründe

1

Auf den Antrag der Antragstellerin ist gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss zuzulassen, weil ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit dieser Entscheidung aus den im Folgenden dargelegten Gründen bestehen, aus denen die Beschwerde auch begründet ist.

2

Die von der Antragstellerin beantragte Beihilfe zur Beschaffung eines neuen Schulranzens ist ihr durch Erhöhen des ihr durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. September 1999 bewilligten Betrages von 50,-- DM auf das günstigste der von ihr glaubhaften gemachten sonstigen Angebote (109,-- DM bei der Firma Karstadt in Delmenhorst) zu gewähren. Der als notwendig anzuerkennende Bedarf der Antragstellerin wird durch den von der Antragsgegnerin für 49,-- DM beschafften und im Erörterungstermin am 3. Dezember 1999 überreichten Ranzen nicht gedeckt. Dieser Ranzen entspricht zwar der einschlägigen DIN 58124 und ist auch (fast) gleich groß wie die Alternativangebote. Nach Einschätzung des Senats handelt es sich bei diesem Produkt der untersten Preisklasse aber schon nach dem äußeren Erscheinungsbild um einen besonders schlichten Ranzen, der an einigen Stellen (z.B. den drei Außentaschen) aus nicht stabilem Material (dünnem, weichem Plastik) hergestellt ist. Nach den Maßstäben des § 12 BSHG muss ein Hilfesuchender sich nicht auf das jeweils allerbilligste Produkt zur Deckung seines notwendigen Bedarfs verweisen lassen (Senatsbeschl. v. 15.6.1988 -- 4 OVG B 229/88 --). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist es nämlich Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Dazu gehört es, der Gefahr der Ausgrenzung des Hilfebedürftigen aus der Gemeinschaft entgegen zu wirken. Der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG umfasst deshalb nicht nur das physiologisch Notwendige, sondern soll Hilfeempfängern ermöglichen, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Im Falle der Antragstellerin ist daher sicher zu stellen, dass sie mit dem neuen Ranzen in ihrer schulischen Umgebung nicht "aus dem Rahmen fällt" und mit dem Billigprodukt als Sozialhilfeempfängerin erkannt wird. Diese Gefahr ist durch den von der Antragsgegnerin beschafften Ranzen nicht, aber durch gängige Alternativprodukte wie den von der Firma Karstadt zu einem mittleren Preis angebotenen Ranzen ausgeschlossen.

3

Auf den Antrag der Antragstellerin war ihr dementsprechend gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Prozessbevollmächtigter beizuordnen.

4

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

5

Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.