Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.01.2000, Az.: 1 L 4615/99

Diaprojektionswerbeanlage; Diaprojektionswerbeanlage; Streitwert; Verkehrsgefährdung; Werbeanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.01.2000
Aktenzeichen
1 L 4615/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 4 A 2027/98

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Verkehrsgefährdung durch eine Diaprojektionswerbeanlage nahe einem verkehrsreichen, mehrspurigen Kreisel mit Fuß- und Radwegübergängen.

2. Streitwert für Diaprojektionswerbeanlage: 500,-- DM/m² Projektionsfläche, mindestens 20.000,-- DM.

Gründe

1

Die Klägerin erstrebt die Baugenehmigung für eine Anlage, mit der für jeweils etwa 10 Sekunden bei kürzerem Dunkelintervall großflächig Werbemotive auf die Westwand des Gebäudes G. 15 in H. projiziert werden sollen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Ortsbesichtigung mit der Begründung abgewiesen, diese Anlage beeinträchtige die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

2

Dagegen richtet sich der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte, rechtzeitig gestellte Zulassungsantrag der Klägerin. Dieser hat keinen Erfolg.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung bestehen nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses, nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es an - "die besseren Gründe sprechen", d.h. wenn sein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

4

Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist dann beeinträchtigt, wenn nach den konkreten Umständen die erkennbare Möglichkeit besteht, dass der Verkehrsablauf gefährdet wird. Von einer konkreten Gefährdung ist auszugehen, wenn die Verkehrsverhältnisse am geplanten Standort vom - durchschnittlichen - Verkehrsteilnehmer erhöhte Aufmerksamkeit fordern und die geplante Werbeanlage geeignet ist, diesen - durchschnittlichen - Verkehrsteilnehmer in seiner Aufmerksamkeit durch Ablenkung zu beeinträchtigen (vgl. u.a. BVerwG, Urt. vom 13.12.1967 - IV C 146.65 -, BRS 18 Nr. 94, S. 167; OVG Lüneburg, Urt. vom 4.6.1987 - 1 A 108/86 -, Die Gemeinde 1989, 51; Urt. vom. 22.10.1992 - 1 L 2651/91 -, BRS 54 Nr. 133, S. 379; OVG Koblenz, Urt. vom 22.7.1987 - 1 A 128/85 -, BRS 48 Nr. 120). Dabei ist nicht davon auszugehen, dass Werbeanlagen generell die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Es ist im Gegenteil wegen der Vielzahl von Werbung, der auch der Verkehrsteilnehmer begegnet, eine gewisse Gewöhnung vorauszusetzen, die den Grad der Aufmerksamkeit, die der Werbung gewidmet ist, herabsetzt. Geklärt ist allerdings auch, dass neuartige Werbung wie etwa Prismenwendeanlagen, die durch ihre Betriebsweise zusätzlich Aufmerksamkeit absorbieren, wegen des insoweit fehlenden Gewöhnungseffektes anders zu beurteilen sind als die lange bekannten Plakatanschlagtafeln (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 22.10.1992, a.a.O.; OVG Münster, Urt. vom 18.9.1992 - 11 A 149/91 -, BRS 54 Nr. 132). Ist (noch dazu) die Verkehrssituation so angelegt, dass ein Kraftfahrer nur mit erhöhter Aufmerksamkeit alle notwendigen Informationen rechtzeitig aufnehmen und verarbeiten kann, kann auch die geringe Ablenkung durch eine Werbeanlage ausreichen, um eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu bewirken.

5

Gemessen an diesen Grundsätzen spricht nicht Überwiegendes für einen Prozesserfolg der Klägerin. Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 6 f. des Urteilsabdrucks eine ganze Reihe von Indizien zusammengetragen, welche für die Annahme einer Verkehrsgefährdung sprechen. Diese werden durch das Zulassungsantragsvorbringen nicht entkräftet. Das gilt namentlich für die Annahme, das komplizierte Gefüge der Fahrspuren des Kreisels in Verbindung mit mehreren kreuzenden Fußgänger- und Radwegen verlange dem Kraftfahrer in einem Umfang erhöhte Aufmerksamkeit ab, dass jedenfalls die durch den Motivwechsel der streitigen Anlage bewirkte Absorption der Konzentration das Verkehrsgeschehen gefährde. Die Klägerin räumt auf Seite 2 der Zulassungsantragsschrift selbst ein, dass Autofahrer gerade zur Nachtzeit mit besonderer Aufmerksamkeit, d.h. aber nichts anderes als nur mit einem besonders hohen Grad an erforderlicher Konzentration die Verkehrsprobleme bewältigen kann, welche der Kreisel, in dessen unmittelbarer Nähe die Anlage installiert werden soll, aufwirft. Diese Probleme werden unter anderem durch ein nicht sogleich durchschaubares und zu bewältigendes Gefüge von Spuren sowie durch die Querung mehrerer Fußgänger- und Radwege aufgeworfen. Die streitige Anlage projiziert großflächige Bilder auf eine andere, höhere Wahrnehmungsebene als die, auf der sich die beschriebenen Verkehrsprobleme abspielen, und beeinträchtigt damit in nicht mehr hinzunehmendem Umfang das Maß an Konzentration, derer es zur Bewältigung dieser vergleichsweise komplizierten Verkehrssituation bedarf. Der Hinweis der Klägerin auf andere Leuchtwerbung verfängt demgegenüber nicht. Denn diese ist teils zu "statisch", teils zu klein und von zu geringem Informationsgehalt, um den durchschnittlichen Kraftfahrer zu mehr als zu einem unbedeutend kurzen "Seitenblick" zu veranlassen. Das ist bei der ungewohnt neuen Werbeanlage der Klägerin grundsätzlich anders. Deren - möglicherweise auch durch die Art der verwandten Bildvorlagen bedingte - Eigenheit besteht gerade darin, alle 10 Sekunden ein neues Motiv zu offerieren. Es besteht daher mehr als nur die ganz entfernte Möglichkeit, dass ein Kraftfahrer auch das nächste Motiv optisch noch zu erhaschen trachtet und dadurch dem Verkehrsgeschehen auf und um den Kreisel nicht die geschuldete Aufmerksamkeit schenkt. Das ist gerade zur Nachtzeit, zu der allein die streitige Anlage voll funktionsfähig ist, besonders von Nachteil, weil jedenfalls Fußgänger, zuweilen gilt dies trotz eingeschalteter Beleuchtungsanlage auch für Radfahrer, nicht "beleuchtet", d.h. ohne verschärfte Aufmerksamkeit nicht zu erkennen sind.

6

Nach den vorstehenden Ausführungen kann die Berufung auch nicht auf der Grundlage des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Denn eine der Klägerin günstige Anwendung dieser Vorschrift kommt nach der Senatsrechtsprechung (Beschl. vom 31.8.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44) nur dann in Betracht, wenn ihr Zulassungsvorbringen Fragen aufwürfe, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ausreichend beantworten lassen. Das Gegenteil ist nach den vorstehenden Ausführungen der Fall.

7

Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert ist gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG zu korrigieren. Zur gleichmäßigen Ausübung des nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG unter anderem maßgeblichen Ermessen orientiert sich der Senat an seinem Streitwertkatalog, der in den Nds. Verwaltungsblättern 1995, Seite 80, veröffentlicht worden ist. Nach dessen Nummer 4 ist schon für Prisma-Visionsanlagen ein Streitwert von 15.000,-- DM anzunehmen. Die hier streitige Anlage geht in ihrer Werbewirksamkeit (das ist das für § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG unter anderem maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin an einem ihr günstigen Klageausgang) deutlich über die Wirkungen einer Prismen-Wechselanlage hinaus. Denn sie ist - erstens - größer als diese und kann - zweitens - eine erheblich größere Anzahl von Motiven zu Werbezwecken ausstrahlen, als dies einer Prismenwendeanlage konstruktionsbedingt möglich ist. Vergleicht man den Umfang, in dem eine Prismenwerbeanlage (Wert: 15.000,-- DM) über eine "normale" Werbeanlage im Euro-Format (Wert: 6.500,-- DM) hinausgeht, ist es zur ausreichenden Berücksichtigung des deutlich größeren Werbeerfolgs sowie zur Wahrung einer gewissen Gleichmäßigkeit der Streitwerte angezeigt, den Streitwert für Diaprojektionswerbeanlagen auf 500,-- DM/m² Projektionsfläche, mindestens 20.000,-- DM festzusetzen.