Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.1999, Az.: XIII 223/98 Ki

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.06.1999
Aktenzeichen
XIII 223/98 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 34577
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0630.XIII223.98KI.0A

Amtlicher Leitsatz

Zu den anzusetzenden Bezügen im Sinne der §§ 32 Abs. 4 Satz 2, 3, 5, 6 sowie 33 a Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 EStG 1996 gehören nicht die nach § 19 Abs. 2 EStG (Versorgungsfreibetrag) und § 20 Abs. 4 EStG (Sparerfreibetrag) steuerfrei bleibenden Einnahmen (Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BFH u.a. mit Urteil vom 05.08.1977 VI R 187/74, BStBl II 1977, 832, und die "Amtlichen Handbücher" 1993, 1994, 1995 R 190 gegen die "Amtlichen Handbücher" 1996, 1997, 1998 R 190 und R 180 e).

Tenor:

  1. Unter Aufhebung des Bescheids vom. März 1998 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom. April 1998 wird der Beklagte verpflichtet, ab 1. Januar 1997 Kindergeld in gesetzlicher Höhe für A zu zahlen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab Januar 1997 Anspruch auf Kindergeld hat durch Berücksichtigung seiner Pflegetochter A (A) oder ob die Berücksichtigung wegen Erhalts einer Waisenrente entfallen ist.

2

Der Kläger, im Ruhestand lebender Lehrer, nahm A im Dezember 1988 als Pflegekind in seinen Haushalt auf. Annemarie ist am. Juli 1976 geboren. Ihre Eltern sind verstorben. Sie bestand am. Mai 1996 das Abitur.

3

Der Kläger bezog seit 1989 Kindergeld für A. Er stellte am. Juni 1996 auf entsprechendem Formular unter Beifügung von Bescheinigungen einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld. Darin heißt es u.a., A leiste vom. Juli 1996 bis ca. September 1997 ein freiwilliges soziales Jahr bei der "I Christen ." (I) im Rahmen "Freiwillige Soziale Dienste Europa" (FSDE). In dem Antragsformular wurde bemerkt, A beziehe vom Schulverein des. Gymnasiums e.V. eine Waisenrente in Höhe von 1.135,99 DM, aus der ihr Unterhalt teilweise bestritten worden sei. Diese Waisenrente sei abhängig von der Zahlung des Kindergeldes.

4

In einem Aktenvermerk vom. Juni 1996 ist u.a. niedergelegt,gem. "DA 63.226" sei in den Fällen, in denen bisher Kindergeld für ein Pflegekind gezahlt worden sei, nach Inkrafttreten des neuen Rechts keine Überprüfung nötig. Das Kindergeld sei weiterzuzahlen. In "DA 78. 1 Abs. 5" werde ausgesagt, wenn bis einschließlich Dezember 1995 das Pflegekind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) a.F. zu berücksichtigen gewesen sei, könne davon ausgegangen werden, dass auch ab Januar 1996 im Sinne von § 32 (1) Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) das Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil auf Kosten der Pflegeperson unterhalten werde. Auf weitere Rückfrage des Beklagten (Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung - Landesamt) übersandte der Kläger eine ausgefüllte "Erklärung zur Prüfung des Anspruchs aufkindbezogene Leistungen nach § 32 Abs. 4 EStG". Darin heißt es u.a., bis zu A 18. Geburtstag sei die Waisenrente von dem vom Amtsgericht O bestallten Vormund verwaltetworden. Seit Erreichen des 18. Lebensjahres beziehe A ihre Rente selbst und zahle einen monatlichen Unterhaltsanteil an den Kläger. Nach Auskunft von Herrn H, Gymnasium, e.V., werde diese Waisenrente an A nur dann weitergezahlt werden, wenn auch das Kindergeld weiterhin gewährt werde. Nach der beigefügten Gehaltsmitteilung für Januar 1996 betrug das Waisengeld monatlich 1.135,99 DM. Laut Bescheinigung der I hatte A sich verpflichtet, in der Zeit vom 1. September 1996 bis 31. August 1997 ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland abzuleisten. Der Kläger bat nochmals um Weitergewährung des Kindergeldes, da ansonsten die Zahlung des Waisengeldes gefährdet sei.

5

Das Landesamt erließ am. Juli 1996 eine "Entscheidung über Kindergeld und Kinderanteil im Ortszuschlag" für A. Darin heißt es u.a., die zu berücksichtigenden Einkünfte und Bezüge seien voraussichtlich niedriger als 12. 000 DM im Kalenderjahr (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Solange die genannten Voraussetzungen erfüllt seien, werde dem Kläger ab 1. August 1996 das Kindergeld nach dem EStG und der steuerpflichtige Kinderanteil im Ortszuschlag weitergezahlt, und zwar vorläufig bis zum 30. September 1997. Die Einkünfte und Bezüge könnten z.Zt. nur vorläufig veranschlagt werden, da eine endgültige Festsetzung erst nach Abschluss des jeweiligen Kalenderjahres - ggf. erst nach Steuerfestsetzung durch das FA - erfolgen könne. Die Entscheidung ergehe daher unter dem Vorbehalt, dass nach endgültiger Festsetzung die Einkünfte und Bezüge nicht mehr als 12. 000 DM im Kalenderjahr betragen. Diesem Bescheid war als Anlage gleichen Datums der eine Berechnung von Einkünften und Bezügen enthaltende "Vordruck 125" beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 58 der Verwaltungsakte verwiesen.

6

Nach neuerlicher Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung kindbezogener Leistungen für 1996 teilte das Landesamt dem Kläger mit Schreiben vom. April 1997 mit, A Einkünfte und Bezüge hätten die maßgebliche Einkommensgrenzenach § 32 Abs. 4 Satz 2-4 EStG nicht überschritten. Die Entscheidung über die Zahlung der Leistungen sei in dieser Hinsicht nunmehr endgültig.

7

Auf Anfrage des Landesamts erklärte der Kläger auf entsprechendem Formular am. Juli 1997, A beginne voraussichtlich am 1. Oktober 1997 ein Studium der Psychologie. Auf weitere Rückfrage übersandte der Kläger eine Bescheinigung des Schulvereins des. Gymnasiums W e.V.. Darin heißt es, das Waisengeld für A betrage seit dem 1. März 1997 1.149,51 DM; es habe sich am 1. Juli 1997 nicht erhöht.

8

In einem Bescheid vom. August 1997 heißt es u.a., die zu berücksichtigenden Einkünfte und Bezüge seien voraussichtlich niedriger als 12. 000 DM im Kalenderjahr. Solange die genannten Voraussetzungen erfüllt seien, werde dem Kläger ab 1. Oktober1997 das Kindergeld und der steuerpflichtige Anteil im Ortszuschlag weitergewährt, und zwar vorläufig bis zum 30. September 2000. Die Entscheidung ergehe unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abgabenordnung (AO). Die beamtenrechtlichen Leistungen würden unter dem Vorbehalt gewährt, dass die Voraussetzungen für die Kindergeldzahlung nach dem EStG vorlägen. Wegen der Berechnung der "Einkünfte und Bezüge für das Kalenderjahr 1997" wird auf den "Vordruck 125" Bl. B 82 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

9

Der Kläger übersandte eine am. Februar 1998 unterschriebene "Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes für das abgelaufene Kalenderjahr 1997 und ggf. für das laufende Kalenderjahr 1998". Insoweit wird auf Bl. B 97 der Verwaltungsakte verwiesen.

10

Das Landesamt erließ am .März 1998 einen "Bescheid über geänderte Kindergeldfestsetzung gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO" mit dem Hinweis, dieser Bescheid ändere die Kindergeldfestsetzungvom. August 1997. Darin wurde das Kindergeld auf monatlich 0 DM ab 1. Januar 1997 festgesetzt mit der Begründung, die Einkünfte und Bezüge überschritten ab 1. Januar 1997 die maßgebliche Einkommensgrenze von 12. 000 DM bzw. ab 1998 von12. 360 DM. Der Bescheid verweist zur Erläuterung der Einkünfte/Bezüge sowie der Werbungskosten auf die gesonderten Anlagen Einkünfte- und Bezügeberechnung (Vordruck 125 für 1997 und 1998 auf Bl. B 100 und B 101 der Verwaltungsakte). Zugleich wurde in einer Aufrechnungserklärung der sich aus der Versorgungsabrechnung für den Zahlmonat April 1998 ergebende Betrag der Überzahlung von Kindergeld und Kinderanteil im Familienzuschlag gem. § 226 (1) AO, § 52 (2), BeamtVG i.V.m. § 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in monatlichen Raten von 1. 000 DM mit dem Anspruch des Klägers auf Versorgungsbezüge aufgerechnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Bescheids nebst Anlagen wird auf Bl. B 97, B 98, B 99, B 100, B 101 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

11

Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Er machte geltend, ihm sei mit dem Bescheid vom. März 1998 erstmalig zur Kenntnis gebracht worden, dass ab dem Kalenderjahr 1997 die nach § 19 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einnahmen nunmehr als Bezüge nach R 180 e Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) anzusehen seien. Von dieser Gesetzesänderung habe er keine Kenntnis gehabt, zumal auch in dem Bescheid vom. August 1997 ein entsprechender Hinweis nicht enthalten gewesen sei. Dadurch sei bei ihm ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Durch die darin enthaltene Formulierung sei verdeutlicht worden, dass ihm auf jeden Fall ab dem 1. Oktober 1997 das Kindergeld bis zum 30. September 2000 weitergewährt würde. Im übrigen berufe er sich auf Entreicherung und mache zusätzliche Werbungskosten geltend. Für letztere wird auf eine"Erklärung zu den Werbungskosten eines über 18 Jahre alten Kindes" nebst Anlagen auf Bl. B 115 bis Bl. B 118 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

12

Das Landesamt wies den Einspruch mit der Maßgabe zurück, dass die Bescheide vom. Juli 1996 und vom. August 1997 nach § 164 Abs. 2 AO insoweit geändert würden, dass mit Wirkung vom 1. Januar 1997 eine "Nullfestsetzung" erfolge und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben werde. Da die Vorschriften der AO maßgeblich seien, könnten die Vorschriften des BGB keine Anwendung finden. Die Einrede der Entreicherung und die Einwände gegen die Aufrechnung gingen daher fehl.

13

Dagegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung das Vorbringen im Vorverfahren wiederholt und zusätzlich geltend gemacht wird: Für 1997 seien 269,60 DM und für 1998 911,80 DM Krankenkassenbeiträge sowie Spenden vom Einkommen abzusetzen.

14

Der Kläger beantragt,

das Landesamt zu verpflichten, seinen Bescheid vom. März1998 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom. April 1998 aufzuheben und dem Kläger für A ab dem 1. Januar 1997 das gesetzliche Kindergeld zu zahlen,

15

für den Fall seines Unterliegens die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

16

Das Landesamt beantragt,

die Klage abzuweisen,

17

für den Fall seines Unterliegens die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

18

Es bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt des Einspruchsbescheids und meint ergänzend, Einkünfte seien solche i.S. der §§ 2 Abs. 1 und 22 EStG, Bezüge seien alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerlichen Einkunftsermittlung erfaßt würden. Das ergebe sich aus einer Dienstanweisung 63.4.2.3 des Bundesamtes für Finanzen zu § 63 EStG. Unter diesem Gesichtspunkt seien Spenden und Krankenkassenbeiträge keine Ausgaben, um die die Einkünfte und Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu mindern wären. Im übrigenmüßten noch Sachbezüge für Unterkunft und Verpflegung als Einnahmen bei A angesetzt werden.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie der bei dem Landesamt geführten Verwaltungsakte F Bezug genommen.

Gründe

20

Die Klage mußte Erfolg haben.

21

Der Kläger hat auch ab Januar 1997 Anspruch auf Kindergeld für A. Denn A war als Kind zu berücksichtigen. Sie hatte Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12. 000 DM (1997) bzw. 12. 360 DM (1998).

22

Gem. § 31 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch den Kinderfreibetrag nach § 32 oder durch Kindergeld nach dem X. Abschnittbewirkt. Für Kinder i.S.d. § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG u.a., wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG werden als Kinder berücksichtigt Kinder i.S.d. § 32 Abs. 1 EStG. Das sind u.a. Pflegekinder. Pflegekinder sind Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige sie mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger und seiner Pflegetochter A erfüllt. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

23

Bei der Anwendung der vorgenannten Bestimmungen gilt § 32 Abs. 3 bis 5 entsprechend (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG). Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und u.a. für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG) oder u.a. ein freiwilliges soziales Jahr i.S.d. Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leistet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG). Gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird nach § 32 Abs. 4 Satz 1 u.a. Nr. 2 a und 2 d ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12. 000 DM (1997) bzw. 12. 360 DM (1998) im Kalenderjahr hat. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz; entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden (§ 32 Abs. 4 Satz 3 Halbsätze 1 und 2 EStG).

24

A hatte in den Streitjahren 1997 und 1998 das 18.,jedoch nicht das 27. Lebensjahr vollendet. Sie leistete in der Zeit von Juli 1996 bis September 1997 ein freiwilliges soziales Jahr. Ab Oktober 1997 wurde sie durch ein Studium der P für einen Beruf ausgebildet. Auch darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Entgegen der Ansicht des Landesamtes überschritten A Einkünfte und Bezüge weder 1997 noch 1998 die maßgebenden Beträge von 12. 000 DM bzw. 12. 360 DM.

25

Das Kindergeld wird lt. § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt. Als Steuervergütungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), nämlich steuerrechtssystematisch um einen Einkommensteuerüberschuß oder, wenn man so will, um eine negative Einkommensteuer -ESt - (zu ähnlicher Rechtslage bei negativer Umsatzsteuer Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. April 1994 VII B 278/93, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 174, 8;BFH-Urteil vom 24. Januar 1995 VII R 144/92, Betriebsberater -BB 1995, 1277 [BFH 24.01.1995 - VII R 144/92]). Wie sich den Verrechnungsbestimmungen der §§ 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 entnehmen läßt, ist das Kindergeld Bestandteil der festzusetzenden EStG (Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/1558 vom 31. Mai 1995 Seite 152). Als Besonderheit ergibt sich, dass nach Maßgabe des § 32 Abs. 4 EStG die Besteuerungsgrundlagen eines Dritten, nämlich des zu berücksichtigenden Kindes (hier: A), in die Besteuerungsgrundlagen des Berechtigten, d.h. des Steuerpflichtigen (hier: Kläger) eingehen. Der Umfang der Besteuerung des Berechtigten richtet sich folglich auch insoweit nach den§§ 2 ff. EStG. Danach gilt im Streitfall unter Zugrundelegung der in den Anlagen (Bl. B 100 und Bl. B 101 der Verwaltungsakte) zu dem Bescheid vom 5. März 1998 genannten Beträge für die Annemarie betreffenden Besteuerungsgrundlagen des Klägers:

26

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a, § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG):

27

1997

Einnahmen:

Versorgungsbezüge

13.794,- DM

./. 40% Freibetrag

5.517,60 DM

8.276,40 DM

Taschengeld I

1.360,00 DM

9.636,40 DM

./. Arbeitnehmerpauschbetrag

2.000,00 DM

Einkünfte = Summe der Einkünfte

= Gesamtbetrag der Einkünfte

(§ 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3+4 EStG

7.636,40 DM

28

1998

Einnahmen:

Versorgungsbezüge

14.872,14 DM

./. 40% Freibetrag

5.948,85 DM

8.923,29 DM

8.923,29 DM

./. Arbeitnehmerpauschbetrag

2.000,00 DM

Einkünfte = Summe der Einkünfte

= Gesamtbetrag der Einkünfte

(§ 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3+4 EStG)

6.923,29 DM

29

Die von dem Kläger im Einspruchsverfahren geltend gemachten Werbungskosten stellen solche nur zum Teil dar und überschreiten insgesamt nicht den vorstehend abgezogenen Arbeitnehmerpauschbetrag von 2. 000 DM. Bei den von dem Kläger angeführten Krankenkassenbeiträgen und Spenden würde es sich, wenn überhaupt, um beschränkt bzw. unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben handeln (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 a Abs. 3, § 10 b EStG), die erst von dem Gesamtbetrag der Einkünfte, nicht aber bei dessen Ermittlung abgezogen werden könnten (§ 2 Abs. 4 EStG), obwohl die steuerliche Leistungsfähigkeit des zu berücksichtigenden Kindes an dem Betrag des steuerlichen Existenzminimums orientiert sein soll (Schmidt/Glanegger, § 32 EStG Anm. 28; Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/1558 vom 31. Mai 1995 Seite 139, 140).

30

Die vorstehend ermittelten Einkünfte überschreiten nicht die für die Streitjahre 1997 und 1998 maßgebenden Beträge der eigenen Einkünfte und Bezüge von 12. 000 DM bzw.12. 360 DM. Denn A hatte in beiden Jahren nur Einkünfte, nicht auch Bezüge. Das EStG i.d.F. des JStG 1996 verwendet das Begriffspaar "Einkünfte und/oder Bezüge "an mehreren Stellen, u.a. in § 32 Abs. 4 Sätze 2, 3, 5 und 6 als "Einkünfte und Bezüge" bzw. "zustehende Einkünfte und Bezüge", in § 33 a Abs. 1 Satz 4 als "andere Einkünfte oder Bezüge" und in § 33 a Abs. 2 Satz 2 als "eigene Einkünfte und Bezüge". Diese Begriffspaar ist im Laufe der Zeitvon Rechtsprechung, Finanzverwaltungsbehörden und Steuerrechtsliteratur unterschiedlich ausgelegt worden.

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Bereits zu § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 hat der BFH angemerkt, die Aufführung von Einkünften und Bezügen nebeneinander sei nicht eindeutig. "Einkünfte" seien "Nettoeinkünfte" i.S.d. sieben Einkunftsarten (§ 2 EStG); als "Bezüge" kämen alle anderen nicht einkommensteuerpflichtigen "Roheinnahmen" in Betracht (BFH-Urteil vom 22. März 1957 VI 206/56 u, BStBl III, 1957, 228). Im BFH-Urteil vom 31. Januar 1958 VI 207/57 u, BStBl III 1958, 108 wird einerseits erneut darauf hingewiesen, der Wortlaut des Gesetzes sei mehrdeutig und bringe nicht klar zum Ausdruck, was der Gesetzgeber in Wirklichkeit wolle. Da andererseits "Einkünfte und Bezüge" nebeneinander erwähnt wurden, und der daran anknüpfende Relativsatz sich wohl auf beide Begriffe beziehe, das Gesetz also "Einkünfte und Bezüge" gleichsetze, dürfte der Ausdruck Einkünfte nicht i.S.d. § 2 EStGzu verstehen sein. Das Begriffspaar "Einkünfte" oder "Bezüge" sei - abweichend von dem Urteil vom 22. März 1957 VI 206/56 u - ein Pleonasmus, so dass es nicht darauf ankomme, ob es sich bei den "bezogenen Mitteln" um steuerbare oder steuerbefreite Einkünfte i.S.d. EStG handele oder ob die "bezogenen Mittel" überhaupt unter eine Einkunftsart fielen. Hinsichtlich Kinderermäßigung und Kinderfreibetrag i.S.d. § 32 EStG in den Fassungen vor 1965 gab es einen Betrag schädlicher Einkünfte und Bezüge eines in der Berufsausbildung befindlichen Kindes im Gesetz nicht. Das Kind mußte auf Kosten des Steuerpflichtigen unterhalten und für einen Beruf ausgebildet worden sein. In diesem Zusammenhang sollte es nach Meinung der Finanzverwaltungsbehörden und teilweise auch der Rechtsprechung auf eigene mehr oder weniger große Einkünfte und eigenes mehr oder weniger großes Vermögen des in der Berufsausbildung befindlichen Kindes ankommen. Die Finanzverwaltungsbehörden wiesen in ihren Einkommensteuerrichtlinien (EStR) und Lohnsteuerrichtlinien (LStR) teils absolute Beträge, teils "Nichtbeanstandungsgrenzen" zur Beachtung an. Die Rechtsprechung folgte dem teilweise, teilweise verweigerte sie die Anwendung solcher Richtlinien als mit dem Gesetz nicht vereinbar (u.a.m. BFH-Urteile vom 25. Juni 1953 IV 503/52 u., BStBl III 1953, 281; 11. Mai 1962 VI 231/61 u, BStBl III 1962, 340; 13. Juli 1962 VI 277/61 u, BStBl III 1962, 417; 12. Dezember 1962 VI 220/62 u, BStBl III 1963, 136). Das BFH-Urteil vom 10. Januar 1964 VI 72/63 u, BStBl III 1964, 237 lehnte die in den EStR damaliger Fassung zum Ausdruck gebrachte Auffassung ab. Vielmehr stand danach den Eltern, auch wenn ein Kind erhebliche eigene Einkünfte oder erhebliches eigenes Vermögen hatte, aus denen es die Kosten seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung selbst bestreiten könnte, trotzdem ein Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 a bb damaliger Fassungzu, wenn sie nur die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung tatsächlich im wesentlichen aus ihren eigenen Mitteln bestritten hatten.

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Dies veranlaßte den Gesetzgeber, mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1965 das wirtschaftliche Bedürfnis für die Gewährung eines Kinderfreibetrags in typisierender Weise von der Höhe des Jahresbetrags der "Einkünfte und Bezüge" des Kindes abhängig zu machen (seinerzeit zusammengerechnet 7. 200 DM - § 32 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1964). Nunmehr war auch in diesem Zusammenhang zu unterscheiden, was mit "Einkünften", was mit "Bezügen" gemeint sei und worauf sich der anschließende Relativsatz beziehen sollte. Dies gelang der Rechtsprechung dadurch, dass sie den Begriff "Einkünfte" mit demin § 2 EStG verwendeten Begriff "Einkünfte" bzw. "Gesamtbetrag der Einkünfte" gleichsetzte, weil dieser Grundbegriff des ESt-Rechts in ein und demselben Gesetz nicht unterschiedlichausgelegt werden dürfe, und dabei streng auf die einkommensteuerrechtliche Systematik abstellte. Aus letzterem ergab sich, dass die einkommensteuerrechtssystematisch zu ermittelnden Einkünfte des Kindes nicht zu dessen Ungunsten um dabei zu berücksichtigende Freibeträge, Pauschbeträge oder sonstige Steuervergünstigungen erhöht werden durften. Daraus folgte ferner zwingend, dass unter "Bezügen" solche Einnahmen verstanden werden mußten, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, nämlich nicht steuerbare oder im einzelnen für steuerfrei erklärte Einnahmen. Als dritte Konsequenz ergab sich, dass, wenn auch sprachlich nicht eindeutig, "und" - "oder" -siehe BFH-Urteil vom 8. November 1972 VI R 257/71 -, der anschließende Relativsatz allein an den Begriff "Bezüge" anknüpft (BFH-Urteile vom 8. November 1972 VI R 8/71, BStBl II 1973, 142; 8. November 1972 VI R 257/71, BStBl II 1973, 143; 8.November 1972 VI R 24/72, BStBl II 1973, 145; 10. November 1972, VI R 314/70, BStBl II 1973, 147; BFH-Beschluss vom 20. Juni 1974 VI b 29/74, BStBl II 1974, 682).

33

In konsequenter Fortführung dieser Rechtsprechung hat das BFH-Urteil vom 5. August 1977 VI R 187/74, BStBl II 1977, 832 zutreffend erkannt, dass der von Versorgungsbezügen nach § 19 Abs. 3 EStG 1974 steuerfrei bleibende Betrag, der Versorgungsfreibetrag, nicht zu den Bezügen eines Kindes gehört, die bei Berechnung der Grenze von 7. 200 DM nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1974 zu berücksichtigen sind, und diesen Grundsatz zugleich auf die Anwendung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 sowie Abs. 2 Satz 3 EStG 1974 ausgedehnt. Wenn in diesem Zusammenhang Einkünfte solche gem. § 2 Abs. 4 EStG seien, so seien unter Bezügen solche Einnahmen zu verstehen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, nämlich nicht steuerbare oder im einzelnen für steuerfrei erklärte Einnahmen. Der Versorgungsfreibetrag als der Teil der Versorgungsbezüge, der nach § 19 Abs. 3 EStG 1974 steuerfrei bleibt, werde in diesem Sinne im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt. Entscheidend sei, dass Versorgungsbezüge dem Grunde nach zu den steuerpflichtigen Einnahmen gehören und dass der Versorgungsfreibetrag erst bei der Einkunftsermittlung berücksichtigt wird. Es obliege der Entscheidung des Gesetz - gebers, an welchem Punkte der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens er Freibeträge berücksichtigt wissen will. Erklärt der Gesetzgeber eine bestimmte Einnahme für steuerfrei, so scheidet diese Einnahme bei der Einkunftsermittlung (§ 2 Abs. 4 i.V.m. z.B. § 19 EStG und, wie hinzuzufügen ist, § 20 EStG) aus. Insoweit liegen i.S.d. § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1974 keine "Einkünfte", sondern "Bezüge" vor, bei denen zu prüfen ist, ob sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Der Versorgungsfreibetrag dagegen ist ebenso wie z.B. der Arbeitnehmerfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG 1974 - heute Arbeitnehmerpauschbetrag gem. § 9 a Abs. 1 Nr. 1 a EStG - und - wie hinzuzufügen ist, der Sparerfreibetrag gem. § 20 Abs. 4 EStG einschließlich Werbungskostenpauschbetrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 b EStG) erst bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigen. Dass dies eindeutig nach dem Gesetz so ist, ergibt sich daraus, dass diese Freibeträge im Zusammenhang mit der Einkunftsermittlung geregelt sind. Da es, wie dieses Urteil zutreffend besonders hervorhebt, der Entscheidung des Gesetzgebers obliegt, an welchem Punkt der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (zvE) er Freibeträge berücksichtigt wissen will, war bereits damals einer sich auseinem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 19. November 1973 IV B 3-S2281 -44/73 II BStBl I 1973, 690 ergebenden gegenteiligen Meinung nicht zu folgen.

34

In der Zeit von 1975 bis 1982 entfiel im Rahmen der Tarifvorschrift des § 32 EStG die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen, an deren Stelle Kindergeld trat (Einkommensteuerreformgesetz - EStRG vom 5. August 1974 BStBl I 1974, 530). Nach Wiedereinfügung eines Kinderfreibetrages bzw. von Kinderfreibeträgen in den § 32 EStG ab Veranlagungszeitraum1983 (Haushaltsbegleitgesetz 1983, BStBl I 1982, 972 sowie Steuersenkungsgesetz 86/88 vom 26. Juni 1985, BStBl I 1985, 391) entfiel die Berücksichtigung eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes im Rahmen der Tarifvorschrift des § 32 EStG. Dies galt bis zum Inkrafttreten des JStG 1996 am 1. Januar 1996. Naturgemäß fehlt es für diesen Zeitraum an entsprechender Rechtsprechung. Sie fiel indes an zu den anderen bereits erwähnten und nahezu wortgleichen Tarifvorschriften des § 33 a Abs. 1 und Abs. 2 EStG. Auch insoweit hat die Rechtsprechung ständig daran festgehalten, dass unter dem dort verwendeten Begriff "Einkünfte" diejenigen der Einkunftsarten des § 2 EStG zu verstehen sind, während unter den Begriff "Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", alle Einnahmen fallen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, d.h. nicht steuerbare oder für steuerfrei erklärte Einnahmen (u.a.m. BFH-Urteile vom 23. September 1980 VI 53/79, BStBl II 1981, 92 [BFH 23.09.1980 - VI R 53/79]; 17. Oktober 1980 VI R 98/77, BStBl II 1981, 158; 31. Juli 1981 VI R 67/78, BStBl II 1981, 805; 7. März 1986 III R 177/80, BStBl II 1986, 554; 11. Juli 1990 III R 111/86, BStBl II 1991, 62).

35

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat zu § 33 a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG 1990 unter Bezugnahme auf das bereits erwähnte, zum Versorgungsfreibetrag gem. § 19 Abs. 3 EStG ergangene BFH-Urteil vom 5. August 1977 VI R 187/74 erkannt, dass auch nach der Erhöhung des Sparerfreibetrags von 600/1. 200 DM auf 6.000/12. 000 DM ab dem Veranlagungszeitraum 1993 Einnahmen der unterhaltenen Person aus Kapitalvermögen, soweit sie durch den Sparerfreibetrag von der Besteuerung freigestellt werden, nicht zu den anrechenbaren Bezügen i.S.v. § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1990 gehören (Urteil des FG Düsseldorf vom 27. Oktober 1995 14 K 2060/95 E, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1996, 59). Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, wie nunmehr das FG Nürnberg im Urteil vom 10. Februar 1999 V 130/98, mit Leitsatz veröffentlicht in Steuer-Eildienst - StED 1999, 528 auch zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 ausgeführt hat, in Höhe des Sparerfreibetrags gem. § 20 Abs. 4 EStG nicht zu den Bezügen i.S. dieser Vorschrift. Die Steuerrechtsliteratur ist unter der Geltung der Tarifvorschrift des § 32 EStG i.d.F. des JStG 1996 zutreffend einhellig der Auffassung, dass die steuerfrei bleibenden Teile von Versorgungsbezügen (§ 19 Abs. 2 EStG sowie der Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) keine Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind, weil sie bereits im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittelung erfaßt werden (Kanzler in Hermann-Heuer- Raupach § 32 EStG Anm. 135; § 33 a EStG Anm. 113 ff.; Arndt in Kirchhoff/Söhn EStG § 33 a Anm. B 128; Schmidt/Glanegger EStG 1997, 1998, 1999, 16., 17., 18. Auflage jeweils § 32 Anm. 28, § 33 a Anm. 32 bis 36; Bilsdorfer Die Information - Inf 1997, 519; Zeitler Deutsche Steuerzeitung - DStZ - 1998, 705).

36

Die Finanzverwaltungsbehörden wollen das ab dem Veranlagungszeitraum 1997 anders sehen. Freilich heißt es noch in dem "Amtlichen ESt-Handbuch 1993" unter R 190 zu § 33 a EStG, zu den nicht anrechenbaren eigenen Bezügen gehörten insbesondere die durch Abzug des Versorgungsfreibetrages (§ 19 Abs. 2 EStG) unddes Sparerfreibetrages (§ 20 Abs. 4 EStG) steuerfrei bleibenden Einnahmen.

37

Diese Anweisung wurde wörtlich an derselben Stelle in den "Amtlichen ESt-Handbüchern 1994 und 1995" wiederholt. Erst in den "Amtlichen Handbüchern 1996, 1997 und 1998" wird unter R 190 zu § 33 a EStG auf R 180 e verwiesen. Dort heißt es nunmehr - zuvor gab es in den "Handbüchern" bzw. Richtlinien (EStR) keine R 180 e - u.a., zu den anzusetzenden Bezügen gehörten insbesondere die nach § 19 Abs. 2, 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte. Darauf scheint die "Neufassung der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs, Kindergeld-Merkblatt "des Bundesamtes für Finanzen vom 9. April 1998 (BStBl I 1998, 386 ff. - dort: "DA 63.4.21 Abs. 3 Nr. 2" auf Seite 426 sowie "DA 63.4.2.3. Abs. 2 Nr. 4" auf Seite 428 zu beruhen.

38

Der Sinneswandel der Finanzverwaltungsbehörden von den "Handbüchern" 1993, 1994 und 1995 zu den "Handbüchern" 1996, 1997 und1998 ist begrifflich und steuerrechtssystematisch nicht nachvollziehbar. Denn das Gesetz (§§ 33 a, 32, 19 und 20 EStG) istvon 1996 auf 1997/98 nicht geändert worden. Die Finanzverwaltungsbehörden scheinen ab "Handbuch" 1996 mit Wirkung ab 1997 die einschlägigen Steuerrechtsbegriffe zu verwechseln. Denn wenn die "nach § 19 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte", d.h. der Versorgungsfreibetrag und der Sparerfreibetrag, Einkünfte sind, dann können es keine Bezüge sein. Sollen es aber Bezüge sein, dann sind es keine Einkünfte. Zutreffend ist daher in den "Handbüchern" bis 1995 unter R 190 zu § 33 a EStG die Rede davon, dass zu den nicht anrechenbaren eigenen Bezügen insbesondere die durch Abzug des Versorgungsfreibetrages (§ 19 Abs. 2 EStG) und des Sparerfreibetrages (§ 20 Abs. 4 EStG) steuerfrei bleibenden Einnahmen gehören. Es obliegt indes der Entscheidung des Gesetzgebers ,an welchem Punkte der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens er Freibeträge berücksichtigt wissen will (BFH-Urteil vom 5. August 1977 VI R 187/74). Das gilt im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) umso mehr für die Abweichung von der Terminologie und Begrifflichkeit des Gesetzes.

39

Es war nach allem, wie geschehen, zu erkennen.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. den §§ 710, 711 Zivilprozessordnung.

41

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, weil die Finanzverwaltungsbehörden das von dem Gestzgeber nicht geänderte Gesetz unter Abweichung von ständiger Rechtsprechung und eigener langjähriger Auslegung handhaben.