Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.06.1999, Az.: VI 27/96
Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges bei der Körperschaftsteuer; Abgrenzung von Eigenkapital und Darlehen der Trägerkörperschaft bei Betrieben gewerblicher Art; Gemeindliche Wasserversorgung in Form eines Eigenbetriebs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.06.1999
- Aktenzeichen
- VI 27/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20455
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0629.VI27.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 4 EStG
- § 4 Abs. 1 KStG
Fundstelle
- ZKF 2000, 18-19
Verfahrensgegenstand
Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges bei der Körperschaftsteuer auf den 31.12.1990
Amtlicher Leitsatz
Zur Abgrenzung von Eigenkapital und Darlehen der Trägerkörperschaft bei Betrieben gewerblicher Art.
In dem Rechtsstreit
...
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 29. Juni 1999,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Tierarzt
ehrenamtlicher Richter ... Kaufmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug der von einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) an die Trägerkörperschaft gezahlten Darlehenszinsen als Betriebsausgaben.
Die Klägerin betreibt die gemeindliche Wasserversorgung in Form eines Eigenbetriebs, der mit einem Stammkapital von 1.750.000 DM ausgestattet ist. Aufgrund eines Ratsbeschlusses vom 1. September 1986 wurde zwischen der Klägerin und ihrer Wasserversorgung am 2. September 1986 ein Darlehensvertrag mit folgendem Inhalt geschlossen:
"§ 1
VerwendungszweckDie Finanzierung der für die Wasserversorgung der Bevölkerung der Gemeinde R notwendigen Investitionen erfolgt, soweit nicht Wasserversorgungsbeiträge gem. der Wasserabgabenordnung vom 1.1.1984 zur Verfügung stehen, aus Mitteln der Gemeinde R .
§ 2
DarlehenshöheDie Darlehenshöhe ergibt sich aus den in der Steuerbilanz der Wasserversorgung R am Anfang des Wirtschaftsjahres ausgewiesenen Ansprüchen der Gemeinde R an die Wasserversorgung abzüglich eines angemessenen Eigenkapitalanteils.
§ 3
EigenkapitalanteilIn Anlehnung an Abschnitt 27 a der Körperschaftsteuerrichtlinien 1985 (BStBl 1986 I, Sondernummer 1) beträgt der Eigenkapitalanteil 30 v.H. des Aktivvermögens der Steuerbilanz am Anfang des Wirtschaftsjahres. Die Buchwerte des Aktivvermögens sind dabei um die Baukostenzuschüsse und die passiven Wertberichtigungsposten zu kürzen.
§ 4
VerzinsungVerzinst wird der Darlehensstand am Anfang des Wirtschaftsjahres. Der Zinssatz ergibt sich aus dem durchschnittlichen Zins der im Jahr vor dem Zinszeitpunkt von der Gemeinde R aufgenommenen Kommunaldarlehen."
In den Bilanzen für die Bilanzstichtage vom 31. Dezember 1986 bis zum 31. Dezember 1990 wies die Wasserversorgung Eigenkapital in Höhe des ihr gewidmeten Stammkapitals aus, das durch auf der Aktivseite ausgewiesene Bilanzverluste gemindert war. Bei der Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Zinsaufwendungen berücksichtigte die Klägerin seit 1986 jedoch nicht mehr nur die Zinsen auf das in der Bilanz ausgewiesene Fremdkapital, sondern zusätzlichen Zinsaufwand für innere Darlehen, deren Höhe sie auf der Grundlage des Darlehensvertrages vom 2. September 1986 wie folgt ermittelte:
Anlagevermögen | |
---|---|
+ | Umlaufvermögen |
./. | Rückstellungen für Baukostenzuschüsse |
= | Aktivvermögen |
x 70 v.H. | |
= | zulässige Fremdkapitalausstattung |
./. | offen ausgewiesenes Fremdkapital |
= | innere Darlehen. |
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die darauf entfallenden Zinsaufwendungen als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen seien. Das Rechtsverhältnis zwischen der Trägerkörperschaft und dem BgA entspreche grundsätzlich dem zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern. Verträge zwischen der Trägerkörperschaft und dem BgA seien der Besteuerung daher - nur - dann zugrundezulegen, wenn sie nach Inhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen. Danach stehe schon das Fehlen eindeutiger Vereinbarungen über die Rückzahlung der inneren Darlehen der Berücksichtigung des darauf entfallenden Zinsaufwands entgegen. Im übrigen fehle es auch an dem aus Gründen der Bilanzklarheit erforderlichen Ausweis der Darlehen in den Bilanzen. Der Prüfer erhöhte die Steuerbilanzgewinne (-verluste) daher um folgende Beträgte:
DM | |
---|---|
1987 | 49.719 |
1988 | 46.594 |
1989 | 52.177 |
1990 | 47.369 |
195.859. |
Aufgrund dieser Prüfungsfeststellungen änderte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1990 und stellte den verbleibenden Verlustabzug auf 52.875 DM fest.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, dass die auf der Grundlage des Darlehensvertrages vom 2. September 1986 verbuchten Zinsaufwendungen in voller Höhe einkommensmindernd zu berücksichtigen seien. Im Rahmen der nach Abschnitt 27 a der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1985 zulässigen Fremdkapitalquote stehe es ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechts frei, ihrem BgA das erforderliche Betriebskapital in Form von Darlehen zur Verfügung zu stellen. Besondere Regelungen über die Rückzahlung und ein gesonderter Ausweis der Darlehen in der Bilanz seien allenfalls für Fremddarlehen erforderlich, die von der Trägerkörperschaft über den außerordentlichen Haushalt mit aufsichtsbehördlicher Genehmigung für Zwecke des BgA aufgenommen und an diesen zu den mit dem Darlehensgeber vereinbarten Bedingungen weitergeleitet würden, nicht jedoch für den hier zu beurteilenden Fall "innerer Darlehen". Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Bescheides vom 18. Januar 1993 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1990 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 14. Dezember 1995 die für die Jahre 1987 bis 1990 verbuchten Zinsen für innere Darlehen in Höhe von 195.859 DM als Betriebsausgaben zu berücksichtigen und die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs entsprechend zu ändern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Beurteilung fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat die Zinsen auf die "inneren Darlehen" zu Recht nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. V. m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -), sondern als verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) beurteilt.
Die von der Klägerin betriebene Wasserversorgung stellt einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) im Sinne des § 4 Abs. 1 und 3 KStG dar, so dass die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts insoweit Subjekt der Körperschaftsteuer ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Auf die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen der Trägerkörperschaft und dem BgA finden die Grundsätze Anwendung, die im Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gelten (BFH-Urteil vom 1. September 1982 I R 52/78, BFHE 137, 8, BStBl II 1983, 147). Obwohl der BgA keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt,wird er für die Zwecke der Ermittlung des körperschaftpflichtigen Einkommens verselbständigt, das heißt, sein Einkommen wird so ermittelt, als ob er im Verhältnis zur Trägerkörperschaft ein selbständiges Rechtssubjekt wäre (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1978 I R 149/75, BFHE 126, 396, BStBl II 1979, 192). Dies schließt die Möglichkeit der steuerlichen Anerkennung zum Beispiel von Pacht- und Darlehensvereinbarungen ein, wenn diese klar und eindeutig im voraus getroffen worden sind (BFH-Urteil vom 29. November 1960 I 145/60 U, BFHE 72, 179, BStBl III 1961, 67) und der Trägerkörperschaft hierdurch keine Vermögensvorteile zugewendet werden, die der BgA einem fremden Dritten bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht gewähren würde (BFH-Urteil in BFHE 137, 8, BStBl II 1983, 147).
Der Betriebsausgabenabzug der für ein von der Trägerkörperschaftgewährtes Darlehen gezahlten Zinsen hängt zudem davon ab, dass der BgA - verglichen mit der Kapitalstruktur gleichartiger Unternehmen in privatrechtlicher Form - mit einem angemessenen Eigenkapital ausgestattet ist (grundlegend BFH-Urteile vom 6. August 1962 I 65/60 U, BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450, und vom 24. Juni 1970 I R 10/69, BFHE 99, 373, BStBl II 1970, 694). Auf diese Weise soll die Gleichbehandlung mit rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaftern sichergestellt werden, die schon aus Gründen der Kreditwürdigkeit mit einem ausreichenden Eigenkapital ausgestattet sein müssen. Soweit das dem BgA zur Verfügung gestellte Eigenkapital unter der angemessenen Höhe liegt, wird das von der Trägerkörperschaft zur Verfügung gestellte Darlehen als Eigenkapital behandelt mit der Folge, dass die dafür anfallenden Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen sind. Nach Abschnitt 27 a Absatz 3 Satz 4 und 5 der für den Streitfall maßgebenden KStR 1985/1990 (nunmehr Abschnitt 28 Abs. 3 Satz 4 und 5 KStR 1995) ist von einer angemessenen Eigenkapitalausstattung auszugehen, wenn das Eigenkapital mindestens 30 v.H. des - um Baukostenzuschüsse und passive Rechnungsabgrenzungskosten verminderten - Aktivvermögens beträgt. Daraus folgt indessen nicht, dass für steuerliche Zwecke stets Fremdkapitalzinsen auf 70 v.H. des Aktivvermögens als Betriebsausgaben verrechnet werden können. Diese Quote stellt lediglich die Obergrenze einer steuerlich anzuerkennenden Fremdfinanzierung dar, deren Ausschöpfung im Einzelfall davon abhängt, inwieweit die Trägerkörperschaft den BgA tatsächlich mit Eigen- bzw. Fremdkapital ausgestattet hat. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Unterscheidung von Eigenund Fremdmitteln kann - da eine Abgrenzung nach zivilrechtlichen Grundsätzen wegen der fehlenden Rechtssubjektivität des BgA unmöglich ist - nur nach Maßgabe der für die Trägerkörperschaft geltendenöffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgen. Das im Streitfall anwendbare Eigenbetriebsrecht der Gemeinden geht - ungeachtet der fehlenden Rechtspersönlichkeit der gemeindlichen Eigenbetriebe - seit jeher davon aus, dass die Gemeinde ihren Eigenbetrieben das erforderliche Kapital sowohl als Eigenwie als Fremdkapital zur Verfügung stellen kann (vgl. die Gliederungsvorschriften für die Jahresbilanz in Anlage 1 zu § 18 Abs. 2 der bis zum 31. Dezember 1989 anwendbaren Eigenbetriebsverordnung vom 21. November 1938 - EigBetrVO 1938 -, Nds. GVBl. Sb. II S. 139, die auf der Passivseite neben dem aus Stammkapital und offenen Rücklagen zusammengesetzten Eigenkapital ausdrücklich auch die von der Gemeinde als solche überlassenen Fremdmittel erwähnen). Zugleich ging schon die EigBetrVO 1938 in ihren §§ 7 und 8 von der Notwendigkeit einer angemessenen Eigenkapitalausstattung des Eigenbetriebs aus. Die zum 1. Januar 1990 an ihre Stelle getretene Verordnung über Eigenbetriebe undandere prüfungspflichtige Einrichtungen (EigBetrVO) vom 15. August 1989 (Nds. GVBl. S. 318) schreibt in § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 S. 1 die Ausstattung des Eigenbetriebs mit einem dem Gegenstand und dem Betriebsumfang angemessenen Stammkapital und ein angemessenes Verhältnis von Eigenkapital und Fremdkapital ausdrücklich vor. Die Rückzahlung von Eigenkapital ist seit jeher nur zulässig, wenn dadurch die Erfüllung der Aufgaben und die zukünftige Entwicklung des Eigenbetriebs nicht beeinträchtigt werden, und bedarf eines entsprechenden Beschlusses des Rates, der zuvor eine schriftliche Stellungnahme der Werksleitung einzuholen hat (§ 8 Abs. 6 EigBetrVO 1938; § 7 Abs. 3 S. 2 und 3 EigBetrVO). Eine solche auf die Herabsetzung des Eigenkapitals gerichtete Beschlussfassung des Ratesunter Beachtung der dafür geltenden materiellen und formellen Voraussetzungen - hat im Streifall nicht stattgefunden. Vielmehr hat die Klägerin das Stammkapital ihres Eigenbetriebes auch in den Bilanzen für die dem Abschluss der Darlehensvereinbarung folgenden Bilanzstichtage in unveränderter Höhe ausgewiesen und die Eigenkapitalquote des Betriebs in den Erläuterungen zu den Jahresabschlüssen ebenfalls auf dieser Grundlage ermittelt. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass die Darlehensvereinbarung vom 2. September 1986 die Rechtsnatur der Kapitalüberlassung nicht verändern, sondern lediglich durch die Fiktion eines Darlehensverhältnisses den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn des BgA auf den sich bei maximaler Ausschöpfung der steuerlich zulässigen Fremdkapitalquote ergebenden Betrag hinunterschleusen sollte.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.