Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.06.1999, Az.: V 687/98

Voraussetzungen für die Gewährung von Baukindergeld; Maßgeblichkeit der Sachlage und Rechtslage zu Beginn des Begünstigungszeitraum

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.06.1999
Aktenzeichen
V 687/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19491
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0624.V687.98.0A

Fundstelle

  • SteuerBriefe 2000, 942-943

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1997

Amtlicher Leitsatz

Für die Gewährung von Baukindergeld nach § 34 f Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist nicht die Sach- und Rechtslage zu Beginn des Begünstigungszeitraums nach § 10 e EStG, sondern die des jeweiligen Streitjahres maßgeblich.

Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 24. Juni 1999,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin ... des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Baukindergeld.

2

Die Kläger erhalten für das 1992 angeschaffte Einfamilienhaus die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

3

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1997 gewährte der Beklagte für die am 23.01.1976 geborene Tochter der Kläger kein Baukindergeld. Als Begründung führte er an, dass die Tochter als Auszubildende eigene Einkünfte und Bezüge von mehr als 12.000 DM habe. Daher sei die Tochter nicht als Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen mit der Folge, dass das Baukindergeld nach § 34 f Abs. 2 EStG nicht gewährt werden könne.

4

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

5

Die Kläger tragen vor, nach der bis 1995 geltenden Rechtslage seien die eigenen Einkünfte und Bezüge für die Beurteilung, ob ein Kind in der Ausbildung steuerlich zu berücksichtigen sei, unmaßgeblich gewesen, da es die 12.000 DM-Grenze nicht gegeben habe.

6

Sie meinen, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn über eine gesetzliche Änderung des Kindbegriffes mittelbar in ihre Rechtsposition hinsichtlich der mit dem Hauserwerb zusammenhängenden Steuervergünstigungen eingegriffen werde. Sie hätten auf die Fortgeltung der Rechtslage vertraut und diese in die Kalkulation ihrer Aufwendungen einbezogen.

7

Die Kläger verweisen auf ein gleich gelagertes Verfahren vor dem Finanzgericht Düsseldorf. Dieses hatte mit Beschluss vom 1. Juli 1997 (Az. 15 V 3886/97) die Aussetzung der Vollziehung angeordnet, weil ernstliche Zweifel daran bestünden, dass die Vorschrift des § 32 Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung für die Gewährung des Steuerermäßigungsbetrages nach § 34 f EStG maßgeblich sei.

8

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 8. Mai 1998 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 3. November 1998 aufzuheben und die Einkommensteuer 1997 auf 10.832 DM festzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er trägt vor, dass wegen der für das Streitjahr maßgeblichen gesetzlichen Lage ein Abzugsbetrag wegen Überschreitens der 12.000 DM-Grenze nicht in Betracht käme. Diese Auffassung stehe in Einklang mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. November 1989 (IX R 56/88, BStBl II 1990, 216), wonach nur solche Kinder berücksichtigt werden könnten, die im jeweiligen Veranlagungszeitraum den einkommensteuerlichen Kindbegriff erfüllten.

11

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht hat die Einkommensteuerakte der Kläger zu Steuernummer vorgelegen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet.

13

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Baukindergeld nach § 34 f Abs. 2 EStG, weil ihre Tochter im Streitjahr nicht als Kind im Sinne der einkommensteuerrechtlichen Vorschrift des § 32 Abs. 4 EStG anzusehen ist.

14

Nach § 34 f Abs. 2 EStG ermäßigt sich bei Steuerpflichtigen, die die Steuervergünstigung nach § 10 e EStG in Anspruch nehmen, die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um je 1.000 DM für jedes Kind des Steuerpflichtigen oder seines Ehegatten im Sinne des § 32 Abs. 1 bis 5 oder 6 Satz 6 EStG.

15

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG ist ein Kind zu berücksichtigen, sofern es das 18. Lebensjahr aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildetwird. Dies gilt nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht, wenn es Einkünfte und Bezüge von mehr als 12.000 DM im Kalenderjahr hat.

16

Die Einkünfte der Tochter sind von den Klägern mit 12.062 DM im Veranlagungsverfahren angegeben worden und übersteigen die genannte Grenze. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

17

Streitig ist vielmehr, ob man den Wortlaut des § 34 f Abs. 2 EStG dahingehend interpretieren kann, dass auf den Kindbegriff nach § 32 Abs. 1 bis 5 EStG in der zu Beginn des Begünstigungszeitraums nach § 10 e EStG maßgebenden Fassung (vorliegend: 1992) Bezug genommen wird.

18

Diese vom Finanzgericht Düsseldorf im Aussetzungsverfahren favorisierte Auslegung widerspricht dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang der genannten Gesetzesvorschriften. Durch die Einführung der Steuerermäßigung des § 34 f EStG sollten Steuerpflichtige mit Kindern einen zusätzlichen Anreiz zum Erwerb von Wohneigentum erhalten (vgl. BT-Drucksache 9/843, S. 10). Die gesetzgeberische Absicht mag den Schluss nahelegen, dass für die Dauer des Begünstigungszeitraums die Kinder zu berücksichtigen sind, die die Investitionsentscheidung beeinflusst haben. Dies hat in der Vorschrift jedoch keinen hinreichend deutlichen Ausdruck gefunden. Denn nach der insoweit klaren Entscheidung des Gesetzes ist die Steuerermäßigung nicht auf Kinder beschränkt, deren Wohnbedarf für den Erwerb des Wohneigentums mitbestimmend war, vielmehr werden alle im Laufe des Begünstigungszeitraums haushaltszugehörigen Kinder berücksichtigt (z.B. auch erst gegen Ende des Begünstigungszeitraums geborene Kinder). Hieraus folgt, dass § 34 f EStG - wie alle übrigen kindbedingten Steuervergünstigungen - der durch den Unterhalt der Kinder eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung tragen soll. Im Hinblick auf diese Zielsetzung kann nicht angenommen werden, dass unabhängig vom Weiterbestehen der Kindseigenschaft während des Begünstigungszeitraums auch die Kinder berücksichtigt werden sollen, die die Investitionsentscheidung mitbestimmt haben; denn das EStG geht typisierend davon aus, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen steigt, sobald ein Kind nicht mehr die Voraussetzungen des einkommensteuerrechtlichen Kindsbegriffs erfüllt (Urteil des BFH vom 21. November 1989 IX R 56/88, BStBl II 1990, 216).

19

Demnach ist festzuhalten, dass für jedes Veranlagungsjahr innerhalb des Begünstigungszeitraums gesondert festzustellen ist, ob die Voraussetzungen für den einkommensteuerrechtlichen Kindbegriff erfüllt sind. Dann aber kann es keinen Unterschied machen, ob das Kind deshalb nicht mehr zu berücksichtigen ist, weil es während des Begünstigungszeitraums seine Ausbildung beendet (so der Sachverhalt, der dem genannten BFH-Urteil zugrunde lag) oder weil der Gesetzgeber während des Begünstigungszeitraums den einkommensteuerrechtlichen Kindbegriff - bezogen auf 18 bis 27jährige Auszubildende - durch Einführung einer Verdienstgrenze einschränkt. Denn aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung ist die Sach- und Rechtslage für jedes Jahr gesondert zu prüfen.

20

Eine zu Beginn des Begünstigungszeitraums für die Kläger günstige Rechtslage begründet auch keinen Vertrauensschutz für deren Fortbestand. Einschränkungen des gesetzgeberischen Tätigwerdens aus Gründen des Vertrauensschutzes ließen sich allenfalls für den Fall einer Gesetzesänderung mit Rückwirkung annehmen. Ein solcher Fall ist indes nicht gegeben.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

22

Die Revision ist nicht zugelassen worden.