Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.06.1999, Az.: VII (III) 291/96
Voaussetzungen für eine Grunderwerbssteuerbefreiung für eine Erbbaurechtsübertragung; Zeitpunkt der Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs ; Einordnung eines Erbbaurechts als Belastung des Erwerbers
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.06.1999
- Aktenzeichen
- VII (III) 291/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19490
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0615.VII.III291.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 4 GrEStG
- § 3 Nr. 5 GrEStG
Verfahrensgegenstand
Grunderwerbsteuer
Amtlicher Leitsatz
Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 GrEStG.
Der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 15. Juni 1999...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 6. Juni 1994 und des Einspruchsbescheids vom 14. Mai 1996 wird die Grunderwerbsteuer auf ... DM festgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 19/20 und der Beklagte zu 1/20.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine Erbbaurechtsübertragung an die Kl gemäß § 3 Nr. 5 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) grunderwerbsteuerfrei ist.
Herr M W, der geschiedene Ehemann der Kl, verkaufte mit notariellem Vertrag vom 1. September 1993 das Erbbaurecht an dem Grundstück L, A Straße 44 B und C. Im Grundbuch war ein Vorkaufsrecht zugunsten der Kl und ihrer Mutter - den Eigentümerinnen des Grundstückseingetragen. Das Vorkaufsrecht wurde im Jahr 1983 zusammen mit der Erbbaurechtsbestellung in das Grundbuch eingetragen.
Das Vorkaufsrecht wurde ausgeübt und das Erbbaurecht ging vom Ehemann der Kl auf die Kl und ihre Mutter über.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1994 wurde Grunderwerbsteuer gegen die Kl festgesetzt, wobei die Hälfte des Kaufpreises und die Hälfte des Kapitalwerts der Erbbaurechtsverpflichtung als Bemessungsgrundlage der Besteuerung zugrunde gelegt wurde.
Gegen diese Grunderwerbsteuerfestsetzung richtet sich die Klage. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Kl vor, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG im vorliegenden Fall gegeben seien. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Inhalt des zwischen ihrem geschiedenen Ehemann und ihr vor dem Amtsgericht S am 11. Dezember 1990 geschlossenen Vergleich. Hiernach sei ihr geschiedener Ehemann verpflichtet gewesen, bezüglich des Erbbaurechts und der Grundpfandrechte, die auf ihren Grundstücken lasten, bis spätestens 30. Januar 1991 einen Vorschlag zu unterbreiten, wie und in welchem Umfang Ablösung bzw. Übernahme erfolgen könne. Da ihr geschiedener Ehemann trotz diverser Aufforderungen keinen Vorschlag unterbreitet habe, konnte erst nach Abschluss des notariellen Vertrages vom 1. September 1993 und der Ausübung des Vorkaufsrechts durch sie eine endgültige Regelung getroffen werden.
Die Kl beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. Juni 1994 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 14. Mai 1996 aufzuheben.
Der Beklagte, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, hat im Schriftsatz vom 9. Oktober 1996 den Antrag angekündigt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte sieht in der Übertragung des Erbbaurechts vom geschiedenen Ehemann an die Kl und deren Mutter keine Vermögensauseinandersetzung im Rahmen eines Scheidungsverfahrens.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene Grunderwerbsteuerakte des Beklagten unter der Steuernummer Bezug genommen. Das Gericht hat die Akten des Amtsgerichts S beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Die Grunderwerbsteuer beträgt ... DM.
Als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist lediglich der hälftige Kaufpreis des Grundstücks in Höhe von ... DM anzusetzen, was unter Anwendung des Steuersatzes von 2 % nach § 11 Abs. 1 GrEStG eine Grunderwerbsteuer von ... DM ergibt.
Nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen war der Kapitalwert des Erbbaurechts. Denn der kapitalisierte Wert der Erbbauzinsverpflichtung gehört im Falle der Vereinigung von Erbbaurecht und Eigentum in den Händen einer Person nicht zur Gegenleistung. Denn im Falle der Vereinigung von Erbbaurecht und Eigentum in den Händen einer Person stellt das Erbbaurecht, da berechtigte und verpflichtete Personen identisch sind, keine Belastung des Erwerbers im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG dar.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG, wonach der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vorauseinandersetzung nach der Scheidung von der Grunderwerbsbesteuerung ausgenommen ist, liegen nicht vor.
Zwar wurde der Kl das Erbbaurecht von ihrem geschiedenen Ehemann übertragen, doch ist diese Übertragung nicht im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung erfolgt. Der Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung ist weit gespannt. Er endet dort, wo sich die geschiedenen Ehegatten wie fremde Dritte gegenübertreten, um einen Erwerb zu tätigen (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 14. Auflage, § 3 Rdz. 379).
Die Kl und ihr geschiedener Ehemann sind bei der Übertragung des Erbbaurechtes sich wie fremde Dritte gegenübergetreten.
Zwar haben die Kl und geschiedener Ehemann im Scheidungsvergleich vom 11. Dezember 1990 vor dem Amtsgericht S auch hinsichtlich der Erbbaurechte, die auf Grundstücken der Kl zugunsten ihres geschiedenen Ehegatten eingetragen sind, eine Vereinbarung getroffen. Hiernach sollte der geschiedene Ehegatte der Kl insoweit einen Regelungsvorschlag unterbreiten. Ein solcher Vorschlag ist jedoch trotz mehrfacher Mahnungen nicht unterbreitet worden. Eine Vermögensauseinandersetzung ist auf der Grundlage dieses Vergleiches nicht erfolgt. Vielmehr sind die Ehegatten aufgrund der im Zusammenhang mit der Erbbaurechtsbestellung in 1983 vereinbarten Rechtspositionen wie fremde Dritte rechtsgeschäftlich tätig geworden.
Da darüber hinaus weder das Erbbaurecht noch das Vorkaufsrecht im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren, sondern bereits in 1983 wenige Jahre nach der Heirat der nunmehr Geschiedenen eingeräumt worden ist, ist ein Zusammenhang zwischen Erbbaurechtsübertragung und Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung nicht gegeben. Dies zeigt sich insbesondere auch an der Ausübung des der Mutter der Kl zustehenden Vorkaufsrechts.
Der Senat sieht dabei zwar auch, dass möglicherweise dann, wenn die nunmehr getroffene Regelung auf der Grundlage des Scheidungsvergleiches zwischen der Kl und ihrem geschiedenen Mann vereinbart worden wäre, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG gegeben sein könnten. Doch wäre in diesem Fall durch die auf dem Scheidungsvergleich fußende Vereinbarung eine konkrete Verbindung zwischen Erbbaurechtsübertragung und Scheidung gegeben, die bei dem gegebenen Lebenssachverhalt jedenfalls fehlt.
Die Klage war folglich insoweit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.