Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 23.11.2009, Az.: 9 A 5/09
Besoldungsmitteilung; Dienstvergehen; Überprüfung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 23.11.2009
- Aktenzeichen
- 9 A 5/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44507
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2009:1123.9A5.09.0A
Rechtsgrundlagen
- 12 BBesG
- 34 BeamtStG
- 47 BeamtStG
- 55 NDiszG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Dienstvergehen eines Beamten ist nur ein solches Handeln oder Unterlassen, das das berufserforderliche Ansehen oder Vertrauen zu beeinträchtigen geeignet ist; bloße "Unkorrektheiten" stellen kein Dienstvergehen dar.
- 2.
Die Nichtüberprüfung einer Besoldungsmitteilung rechtfertigt die Annahme eines Dienstvergehens nur dann, wenn es sich um einen hohen Schaden und um einen eklatanten Fall der unterlassenen Prüfung handelt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung der Beklagten.
Der Kläger wurde 1953 geboren und ist geschieden. Im September 1971 trat er als Polizeiwachtmeister in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen und wurde im September 1998 zum Aufstieg in den gehobenen Dienst zugelassen. Im November 1998 wurde er zum Polizeikommissar und im Juli 2005 zum Polizeioberkommissar ernannt. Die dienstlichen Leistungen des Beamten wurden zuletzt zum Stichtag 1. September 2005 mit der Wertstufe 3 "entspricht voll den Anforderungen" bewertet; disziplinarrechtlich ist der Kläger bislang nicht in Erscheinung getreten.
Im Rahmen einer Inspektionsleiterbesprechung der Polizeidirektion Osnabrück am 18. September 2007 wurden die Polizeiinspektionen aufgefordert, die Berechtigungen zum Bezug der Wechselschichtzulage nach § 20 der Erschwerniszulagenverordnung der Polizeibeamten zu überprüfen. Eine derartige Erschwerniszulage steht nach § 20 Beamten als Wechselschichtzulage zu, wenn sie ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht. Die Höhe der jeweiligen Wechselschichtzulage variiert danach, ob die Wechselschicht ständig oder mit Unterbrechungen geleistet wird.
In Durchführung dieser Anordnung wurden bei der Polizeiinspektion Osnabrück sechs Beamte ermittelt, die eine Schichtzulage erhielten, obwohl sie seit längerem keinen Schichtdienst mehr leisteten.
Einer dieser Beamten ist der Kläger. Bis zum 30. November 2004 übte der Kläger die Polizeitätigkeit im Schichtdienst im Polizeikommissariat E. aus. Hierfür erhielt er eine Wechselschichtzulage in Höhe von 23,01 € pro Monat.
Zum 1. Dezember 2004 wurde der Kläger zur Polizeistation F. versetzt; hier leistete er keinen Wechselschichtdienst. Gleichwohl erhielt er in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. Dezember 2007 die Wechselschichtzulage in Höhe von 23,01 € pro Monat weiter.
Ausweislich eines Vermerks der Polizeiinspektion Osnabrück - Sachbereich Personal - vom 6. Februar 2008 (Bl. 3 Beiakte D) kam es zur Weiterzahlung der Wechselschichtzulage dadurch, dass die Polizeistation E. keine Abmeldung erstellt hatte. Diese Abmeldung wurde durch die Polizeistation E. erst am 18. Dezember 2007, fälschlicherweise allerdings nur ab Mai 2005, nachgeholt.
Unter dem 6. Dezember 2007 teilte der Kläger selbst der zuständigen Sachbearbeiterin des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung mit, dass er die Wechselschichtzulage offensichtlich zu Unrecht erhalten habe und vereinbarte die Rückzahlungsmodalitäten (Bl. 3 Beiakte D).
Die korrekte Abmeldung des Klägers von der Polizeistation E. und damit von der Berechtigung zur Erschwerniszulage nahm die Polizeistation E. erst mit Datum vom 11. Februar 2008 vor (Bl. 3 Beiakte D).
Am 27. Dezember 2007 wandte sich die Polizeidirektion Osnabrück an das NLBV in Aurich und ließ sich die dem Kläger erstellten Besoldungsmitteilungen übersenden. In den in dem fraglichen Zeitraum dem Kläger erstellten Gehaltsmitteilungen für Februar 2005, August 2005, September 2005, Oktober 2005, Dezember 2005, Januar 2006, Februar 2006, Dezember 2006 und Dezember 2007 sind jeweils unter der Überschrift "Bezüge" mit einer eigenen Spalte die bruttowirksamen Grundbezüge, die Tarifzulage, die vermögenswirksamen Leistungszulage, teilweise die Sonderzahlung, die Polizeizulage, der Heilfürsorgekürzungsbetrag als auch die Wechselschichtzulage ausgeworfen. Die Bezügemitteilung für Dezember 2007 (Bl. 11 Beiakte D) erhält den zusätzlichen Hinweis, dass ein Merkblatt zu beachten sei. In dem Merkblatt (Bl. 21 Beiakte D) heißt es unter anderem:
"Prüfungs- und Anzeigepflicht
Sie sind verpflichtet, die Höhe Ihrer Bezüge bzw. Ihrer Versorgung zu überprüfen und einen vermeintlichen oder tatsächlichen Fehler unverzüglich dem NLBV anzuzeigen. Ein Muster einer Gehaltsmitteilung mit Erläuterungen zu Abkürzungen und verschlüsselten Informationen steht im Internet zur Verfügung.
Sollten Sie eine Unstimmigkeit - ggf. in Verbindung mit Ihnen zugegangenen Bescheiden - feststellen, dann informieren Sie bitte umgehend Ihre zuständige Sachbearbeiterin bzw.Ihren zuständigen Sachbearbeiter. Die Angelegenheit wird überprüft und ggf. zu Ihren Gunsten oder zu Ihren Ungunsten berichtigt.
Kommen Sie dieser Prüfungs- und Anzeigepflicht nicht nach, sind Sie verpflichtet, eventuell entstandene Überzahlungen zurückzuzahlen. Den Wegfall der Bereicherung können Sie in solchen Fällen nicht geltend machen."
Unter dem 26. Februar 2008 fertigte die Polizeiinspektion Osnabrück gegen den Kläger eine Strafanzeige wegen des Verdachts des Betruges nach § 263 StGB, begangen durch das Unterlassen der Überprüfung der Besoldungsmitteilung. Hierdurch sei ein Schaden in Höhe von insgesamt 851,37 € entstanden (Strafanzeige Bl. 2 Beiakte D).
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück teilte der Polizeiinspektion Osnabrück unter dem 6. März 2008 mit, dass man die Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts erwäge, da weitere Ermittlungen nicht erfolgversprechend und ein Versehen des Beamten zumindest nicht auszuschließen sei (Bl. 28 Beiakte D). Die Einstellung des Strafverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachtes nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte sodann durch Verfügung vom 11. April 2008 (Bl. 32, 33 Beiakte D).
Aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Osnabrück teilte der Leiter der Polizeiinspektion Osnabrück der Polizeidirektion Osnabrück unter dem 21. April 2008 (Bl. 1 Beiakte D) mit, dass er keinen Anlass für ein Disziplinarverfahren sehe. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Bekanntlich hatte eine Überprüfung in der Polizeiinspektion Osnabrück ergeben, dass es in 6 Fällen zu ungerechtfertigten Zahlungen von Erschwerniszulagen nach der Erschwerniszulagenverordnung gekommen war. Da der Verdacht des Betruges zum Nachteil des Landes Niedersachsen im Raum stand, wurde gegen die 6 betroffenen Beamten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Alle 6 Ermittlungsverfahren wurden von der Staatsanwaltschaft Osnabrück nach § 170 II StPO eingestellt.
Die Überzahlungen beliefen sich auf Summen zwischen 716 € und 2 070 €. Alle betroffenen Beamten hatten sich aus eigenem Antrieb und umgehend nach bekannt werden der Überzahlungen mit dem NLBV in Verbindung gesetzt um die Modalitäten zur Zurückzahlung der ungerechtfertigt erhaltenen Gelder zu besprechen.
Nach hiesiger Einschätzung kann keinem der Betroffenen Absicht unterstellt werden. Die An- bzw. Abmeldung zum Erhalt der Erschwerniszulagen wird dem NLBV durch die Geschäftszimmer der Dienststellen mitgeteilt. Unterbleibt dies versehentlich im Einzelfall, fällt eine Überzahlung dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin nur bei der Kontrolle der Gehaltsmitteilung auf.
In fünf der sechs Fälle führte ein Versäumnis im Geschäftszimmerbereich zur Überzahlung. In einem Fall dürfte die Aufnahme von Zahlungen durch einen Fehler beim NLBV verursacht worden sein. Zwar ist jeder Mitarbeiter/ jede Mitarbeiterin verpflichtet, die Richtigkeit der Gehaltsabrechnungen zu überprüfen, allen Betroffenen war aber offensichtlich die fehlende geringfügige Veränderung entgangen, die mit einer Einstellung der Zahlung der Erschwerniszulage hätte einher gehen müssen bzw. die mit der Aufnahme einer ungerechtfertigten Zahlung einherging.
Aus den genannten Gründen kann ich einen disziplinaren Überhang nicht erkennen. Die Einstellungsmitteilungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück habe ich zur Kenntnis beigefügt."
Nachdem der Kläger die Überzahlungen in Höhe von 851,37 € dem NLBV erstattet hatte, leitete die Polizeidirektion Osnabrück durch Verfügung vom 16. Juni 2008 gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren ein (Bl. 38 Beiakte D). Es bestehe der Verdacht, dass der Beamte die ihm obliegenden Pflichten im Umgang mit seinen Bezügeabrechnungen nicht beachtet habe.
In seiner abschließenden Stellungnahme machte der Kläger geltend, dass ihm trotz Überprüfung der Besoldungsmitteilungen der überzahlte Betrag von monatlich 23,01 € nicht aufgefallen sei, er jedoch nicht schuldhaft gehandelt habe.
Durch die hier streitgegenständliche Disziplinarverfügung vom 15. Mai 2009 verhängte die Polizeidirektion Osnabrück gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 250,00 €, da er gegen seine Pflicht zur Befolgung von Richtlinien und Weisungen, gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten sowie gegen die allgemeine Treuepflicht verstoßen habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger ein Dienstvergehen begangen habe, da er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt habe. Bei den ihm übersandten Gehaltsmitteilungen sei der Kläger auf seine Pflicht im Umgang mit den Bezügeblättern hingewiesen worden und habe insoweit seiner Prüfungs- und Anzeigepflicht nicht genügt. Hierbei handele es sich um eine verwaltungsinterne Weisung, aus der folge, dass jeder Beamte seine Gehaltsmitteilungen regelmäßig zu überprüfen habe. Hiergegen habe der Kläger verstoßen. Als Polizeivollzugsbeamten sei ihm bekannt gewesen, dass er ohne die Leistung regelmäßigen Schichtdienstes keinen Anspruch auf die Zulage habe. Auch verstoße das Unterlassen des Beamten gegen die Wohlverhaltenspflicht, da der Kläger seiner Pflicht, die Gehaltsmitteilungen zu prüfen und Überzahlungen anzuzeigen, verstoßen habe. Der Kläger habe daher durch sein Verhalten Anlass gegeben, das in ihn gesetzte Vertrauen des Dienstherrn als gestört anzusehen. Das Unterlassen der Überprüfung der Besoldungsmitteilungen verstoße auch gegen die allgemeine Treuepflicht, da der Kläger es unterlassen habe, die finanziellen Interessen seines Dienstherrn durch eine einfache Prüfung seiner Gehaltsmitteilung zu wahren.
Bei der Maßnahmebemessung sei zu Gunsten des Beamten zu berücksichtigen, dass dieser bislang zwar dienstrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, jedoch hätten die vorliegenden Dienstpflichtverletzungen ein nicht unerhebliches disziplinarrechtliches Gewicht. Um ein weiteres Fehlverhalten und daraus resultierende Dienstpflichtverletzungen in Zukunft zu verhindern und zu erreichen, dass der Kläger seinen Dienstpflichten wieder in vollem Umfang gerecht werde, sei es zwingend geboten und erforderlich, eine Disziplinarmaßnahme gegen den Kläger auszusprechen. In Anlehnung an ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 28. März 1985 zum Aktenzeichen - DK B 7/84- sowie mehrere bereits bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen der Polizeidirektion Osnabrück aus dem Jahre 2008 erscheine es aufgrund des Überzahlungszeitraumes von über drei Jahren und der damit verbundenen hohen Anzahl nicht überprüfter Bezügemitteilungen angemessen, eine Geldbuße auszusprechen, um den Beamten anzuhalten, seinen Dienstpflichten zukünftig sorgsam gerecht zu werden. Auch wenn eine Geldbuße in Höhe des Höchstbetrages in Höhe von 2 500,00 € nicht erforderlich erscheine, werde eine Geldbuße in Höhe von 250,00 € als angemessen angesehen. Die Tilgung dieser Maßnahme erfolge gem. § 17 NDiszG nach drei Jahren.
Gegen diese Verfügung hat der Kläger unter dem 13. Juli 2009 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass er nicht gegen die ihm obliegende Pflicht zur Befolgung von Richtlinien und Weisungen nach § 35 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes verstoßen habe. Denn es fehle an einem schuldhaften Verhalten seinerseits. Angesichts der Geringfügigkeit des Betrages im Verhältnis zur Gesamthöhe der Bezüge in Höhe von rund 2 418,00 € habe er - der Kläger - es allein leicht fahrlässig übersehen, dass er die Schichtzulage trotz Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen weiterhin erhalten habe. Unstreitig sei, dass ein Unterlassen der Vorgesetzten - das Unterlassen der Weiterleitung seiner Umsetzung an das NLBV - ursächlich für die Überzahlung gewesen sei. Auch liege kein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht vor, da er - der Kläger - die an ihn geleisteten Zahlungen der Wechselschichtzulage nicht bemerkt habe. Da er unmittelbar nach Entdecken der rechtsgrundlos erfolgten Zahlungen selbst für die Rückzahlung gesorgt habe, liege auch kein Verstoß gegen die allgemeine Treuepflicht vor. Weiterhin erweise sich die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme auch als ermessensfehlerhaft, da der Schwerpunkt des Verschuldens bei der Polizeiinspektion Osnabrück selbst liege. Zu berücksichtigen sei auch, dass er selbst vor Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch eine eigene Überprüfung dem NLBV von seiner fehlenden Berechtigung zum Bezug der Wechselschichtzulage Kenntnis gegeben habe. Die Unterstellungen der Behörde, dass er durch den sog. "Flurfunk" von den Ermittlungen gehört und so die Flucht nach vorne angetreten habe, weise er zurück.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Polizeidirektion Osnabrück vom 15. Mai 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Soweit der Kläger geltend mache, dass er selbst bereits am 6. Dezember 2007 von sich aus das NLBV auf die unrechtmäßige Zahlung der Wechselschichtzulage hingewiesen habe, sei wahrscheinlich, dass der Kläger von den laufenden Überprüfungen erfahren und erst daraufhin das NLBV informiert habe. Der Kläger habe gegen die Richtlinie des NLBV auf der ihm übersandten Gehaltsmitteilung verstoßen, seine Gehaltsmitteilung zu überprüfen. Hierdurch habe er auch gegen seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verstoßen. Denn von einem Beamten müsse Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit gefordert werden, woraus folge, dass der Beamte alles ihm mögliche tun müsse, um Schaden von seinem Dienstherrn abzuwehren. Der Kläger habe daher die Bezügemitteilungen überprüfen müssen, was er nicht getan habe. Dies verstoße auch gegen die allgemeine Treuepflicht.
Bezüglich der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Disziplinarmaßnahme sei ein Fehler nicht festzustellen. So spreche zwar für den Kläger, dass er sich mit der Rückzahlung des überzahlten Betrages einverstanden erklärt und diese erbracht habe. Andererseits habe der Kläger jedoch die Pflichtverletzung über einen langen Zeitraum - drei Jahre - begangen, in dem er in diesem Zeitraum seine Besoldungsmitteilungen nicht überprüft habe.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Personalakten des Klägers Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gem. § 48 Abs. 2 Satz 1 NDiszG zulässig.
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Disziplinarverfügung ist weder rechtmäßig im Sinne des § 55 Abs. 3 Satz 1 NDiszG (1.) noch zweckmäßig im Sinne dieser Norm (2.); weiter begründungsalternativ und insoweit selbstständig tragend ist die verhängte Disziplinarmaßnahme auch nicht ermessensgerecht im Sinne des § 14 NDiszG in Verbindung mit § 8 NDiszG (3.).
1. Der Kläger hat schon kein schuldhaftes Dienstvergehen begangen.
§ 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern ([BeamtStG] vom 17. Juni 2008, BGBl. I 2008, 101, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 16 des Gesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl. I 2009, 160) bestimmt zur Nichterfüllung von Pflichten, dass Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen begehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen.
Nach Satz 2 des § 47 Abs. 1 BeamtStG ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
§ 34 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert.
Von diesen normativen Vorgaben ausgehend hat der Kläger sich eines Dienstvergehens nicht schuldig gemacht.
a) Von einer evidenten Dienstpflichtverletzung des Klägers, die eine Disziplinarmaßnahme rechtfertigen könnte, ist zunächst nicht etwa schon deshalb auszugehen, weil der Kläger einer verschärften Haftung in Bezug auf die Rückforderung der Überzahlung unterlegen hätte.
(aa) Nach § 12 Abs. 2 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dienstbezüge sind zuviel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund gezahlt sind ( BVerwG, Beschluss vom 29. April 2004, - BVerwG 2 A 5.03 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 31). Gegenüber einem Rückzahlungsverlangen kann sich ein Beamter auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er das Geld für seinen Lebensunterhalt verbraucht hat ( § 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB ). Er haftet jedoch verschärft nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 819 BGB, § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG, wenn er entweder den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung kannte, oder wenn dieser Mangel so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen.
(bb) Dafür, dass der Kläger gewusst hat, dass er zu Unrecht die Wechselschichtzulage erhalten hätte, ist nichts und war auch während des gesamten Verfahrens nichts erkennbar; dementsprechend hat auch die Staatsanwaltschaft auf die von der Beklagten gestellte Strafanzeige das Strafverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ohne weitere Ermittlungen eingestellt.
(cc) In Betracht kommt jedoch, dass der Kläger deswegen verschärft gehaftet hat, weil der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Mangel offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat ( BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1987, - BVerwG 2 C 4.85 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 12; BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1987, - BVerwG 2 C 9.85 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 13; BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1990, - BVerwG 6 C 41.88 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 17). Für das Erkennenmüssen kommt es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beamten / Soldaten an ( BVerwG, Urteil vom 25. November 1982, - BVerwG 2 C 14.81 -, Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3; BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1990 -, BVerwG 6 C 41.88 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 17). Von jedem Beamten / Soldaten ist zu erwarten, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein eigenes statusrechtliches Amt nebst besoldungsrechtlicher Einstufung sowie die ihm zustehenden Besoldungsbestandteile wie Grundgehalt, Familienzuschlag und wohl auch die ihm zustehenden Zulagen kennt (Nieder sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. Januar 2009, - 5 LA 273/06 -, Juris). Von juristisch vorgebildeten oder mit Besoldungsfragen befassten Beamten sind weitergehende Kenntnisse zu erwarten. Bei Unklarheiten oder Zweifeln ist der Beamte aufgrund seiner Treuepflicht gehalten, sich durch Rückfragen bei der auszahlenden oder anweisenden Stelle Gewissheit zu verschaffen, ob die Zahlung rechtmäßig ist. Merkblätter und Erläuterungen zu seiner Besoldung muss er sorgfältig lesen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1969, - BVerwG 6 C 103.67 - BVerwGE 32, 228 [BVerwG 25.06.1969 - BVerwG VI C 103.67] ). Demgegenüber kann von Beamten, die mit Besoldungsangelegenheiten nicht dienstlich befasst sind, mehr als ein besoldungsrechtliches Grundwissen in diesem Sinne nicht erwartet werden ( BVerwG, Beschluss vom 29. April 2004, - BVerwG 2 A 5.03 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 31).
(dd) Ob von diesen Grundsätzen ausgehend der Kläger verschärft im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG gehaftet hat, kann jedoch dahinstehen. Denn nicht jeder Fall einer besoldungsrechtlich verschärften Haftung ist gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung. Dies folgt aus den unterschiedlichen Zielrichtungen des Besoldungsrechts und hier des Rechts der Rückforderung überzahlter Dienst- und Versorgungsbezüge einerseits und des Disziplinarrechts andererseits. Während für die besoldungsrechtliche Seite der Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen im Vordergrund steht, und die verschärfte Haftung dem Umstand Rechnung trägt, dass die Alimentation des Beamten regelmäßig zu dessen Lebensführung verwandt wird, sodass regelmäßig ohne die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG Entreicherung eintreten würde, sind Sinn und Zweck des Disziplinarrechts die Einwirkung auf den seine Pflichten verletzenden Beamten, um ihn zu mahnen, seinen Pflichten künftig nachzukommen (Erziehungszweck), die Klärung von Vorwürfen (Schutzzweck), die Entfernung von Personen aus dem Dienst, die das Ansehen des Berufsbeamtentums in nicht tragbarer Weise herabsetzten (Reinigungszweck) sowie die Vorbeugung, um allen anderen Beamten von vornherein deutlich zu machen, dass Pflichtverletzungen zu Disziplinarmaßnahmen führen, die für Karriere und die eigene Person unangenehm und belastend sein können (Abschreckungszweck). Diese Zwecke unterscheiden sich grundlegend von dem Zweck, rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückabzuwickeln und hierbei das Vertrauen des Beamten in die ihm gezahlten Bezüge einerseits und das Interesse des Dienstherrn, Besoldung nur im Rahmen des geltenden Rechts zu leisten andererseits, in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Allein die Bejahung einer verschärften Haftung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG sagt daher noch nichts darüber aus, ob die Zwecke der Regelungen über eine disziplinarrechtliche Ahndung von Pflichtverstößen im Einzelfall eine Ahndung gebieten.
b) Auch im Übrigen liegt von den genannten normativen Vorgaben ausgehend ein Dienstvergehen des Klägers nicht vor.
Dienstvergehen im Sinne des Disziplinarrechts ist jedes Verhalten des Beamten, mit dem dieser schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Die ihm obliegenden Pflichten ergeben sich für den Beamten aus Dienstanweisungen, anderen Vorschriften oder gezielten Einzelanordnungen sowie aus allgemeinen Gesetzen, wie etwa dem StGB.
Allerdings ist anerkannt, dass die Nichtbefolgung von Weisungen und der Verstoß des Beamten gegen ihm obliegende Pflichten ein gewisses Gewicht, eine gewisse Evidenz haben muss, um überhaupt von einem Dienstvergehen sprechen zu können (Bieler/ Lukat, Niedersächsisches Disziplinargesetz, Loseblattsammlung Wiesbaden, Stand: Dezember 2008, Einleitung B Rn. 70). Denn die nur generalklauselartig umschriebenen beamtenrechtlichen Pflichten bedürfen in Anbetracht der Regelung des § 34 Satz 3 BeamtStG, der bestimmt, dass das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert, einer Konkretisierung dahingehend, dass nur solche Verstöße gegen beamtenrechtliche Pflichten disziplinarrechtlich relevant sein sollen, die das berufserforderliche Ansehen oder Vertrauen zu beeinträchtigen geeignet sind (Gansen, Franz-Werner, Disziplinarrecht, Loseblattsammlung Heidelberg, Stand: 24. Lieferung September 2009, § 2 Rn. 21). Ein gewisser "Unrechtswert", ein disziplinarrechtlicher Unrechtsgehalt, der über eine bloße "Unkorrektheit" hinausgeht, ist daher Voraussetzung für die Annahme einer disziplinarrechtlich ahndbaren Dienstpflichtverletzung (Claussen/ Janzen, Bundesdisziplinarrecht, 8. Auflage Köln 1996, Einleitung B, Rdnr. 4a). Durch die Forderung nach einem gewissen Gewicht der Dienstpflichtverletzung bzw. ihrer Evidenz sollen Bagatellverfehlungen aus dem Kreis der ahndbaren Verfehlungen ausgefiltert werden (Bieler / Lukat, Einleitung B, Rdnr. 7; Gansen, a.a.O., Rn. 21): Nur bei einem für den Einzelfall zu konkretisierenden Minimum an Gewicht und an Evidenz kann von einer Pflichtverletzung gesprochen werden ( BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334 [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73]-391 ). Auch die nach dem strengen Legalitätsprinzip des § 18 Abs. Satz 1 NdiszG bestehende Pflicht der Disziplinarbehörde, bei dem Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, kann nur dann Sinn machen, wenn sich der Zwang zur Einleitung des Disziplinarverfahrens auf dienstliche Verfehlungen von Gewicht und nicht nur auf Bagatellverfehlungen bezieht, denen in ihren Wirkungen die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens und damit ein Minimum an dienstlicher Relevanz nicht zukommen kann (Gansen, a.a.O., § 2 Rn. 21).
(aa) Ein Verstoß gegen die allgemeine Treuepflicht liegt nicht vor. Zwar ist anerkannt, dass die Treue gegenüber dem Dienstherrn von dem Beamten auch verlangt, dessen Interessen zu vertreten (Bieler/ Lukat, a.a.O., Einleitung B, Rdnr. 38). Wie überhaupt das Beamtenverhältnis zunächst und in erster Linie von den Bedürfnissen einer funktionsfähigen Verwaltung geprägt ist, so steht auch dort, wo es um finanzielle Zuwendungen geht, das Interesse des Dienstherrn prägend für die Pflichten des Beamten. Zwar folgt aus dieser allgemeinen Treuepflicht auch, dass der Beamte bei dem Empfang der Besoldungsabrechnung verpflichtet ist, diese nachzuprüfen und den Dienstherrn auf eventuelle Fehler aufmerksam zu machen (Bieler/ Lukat, a.a.O., Einleitung B, Rdnr. 38 unter Hinweis auf die auch von der Beklagten ins Feld geführte Entscheidung des VG Braunschweig, Beschluss vom 28. März 1985, - DK B 7/84 -, die allerdings sowohl bei Bieler/ Lukat als auch bei der Beklagten als bloßes "Blindzitat" für diese Auffassung nichts hergibt; die Entscheidung betrifft allein einen Einstellungsbeschluss und lässt nicht erkennen, was überhaupt Streitgegenstand jenes Verfahrens war). Die Verletzung dieser Überprüfungspflicht der Besoldungsmitteilung rechtfertigt ausgehend von dem obigen Evidenzkriterium eine Disziplinarmaßnahme jedoch nur dann, wenn es sich um einen hohen Schaden und einen eklatanten Fall der unterlassenen Prüfung handelt (Bieler/ Lukat, a.a.O., Einleitung B, Rdnr. 38). Daran fehlt es vorliegend. Der Schaden ist mit insgesamt 831,00 € in Relation zu den Bezügen des Klägers sowohl absolut als auch mit einer - angesichts des Vorwurfs, die konkreten Besoldungsmitteilungen nicht überprüft zu haben, primär in den Blick zu nehmenden - Überzahlung von 23,01 € pro Monat bei monatlichen Bezügen von rund 3 000,00 € brutto auch relativ gering, und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen "eklatanten" Fall einer unterlassenen Prüfung handelt. Denn dem Kläger musste angesichts der in der Vielzahl von Daten in der Besoldungsmitteilung eher untergehenden Mitteilung über die auch nur in ihrem monatlichen Betrag mit 23,01 € sehr geringe Wechselschichtzulage diese nicht ins Auge springen; zudem ist ein bloßes fahrlässiges Unterlassen der Nachprüfung Gegenstand des Vorwurfs. Weiterhin ist hier zu berücksichtigen, dass nach dem unstreitigen Bericht der Polizeiinspektion Osnabrück die Überzahlung dadurch ausgelöst wurde, dass entgegen den Gepflogenheiten eine Mitteilung über die Versetzung des Klägers nicht erfolgte. Von einem eklatanten Fall einer unterlassenen Prüfung kann daher zusammenfassend nicht ausgegangen werden.
(bb) Ebenfalls liegt kein Verstoß gegen die Pflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG zu einem Verhalten, dass der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, vor. Auch bei der Auslegung dieser Wohlverhaltenspflicht ist nach ganz herrschender Meinung zu überprüfen, ob die Bagatellgrenze für die Ahndung von Dienstvergehen überschritten ist (Bieler/ Lukat, a.a.O., Einleitung B, Rdnr. 61). Auch daran fehlt es vorliegend. Es ist nichts dafür erkennbar, dass bei einer derartig geringen Überzahlung oder dem Nichtüberprüfen der Besoldungsmitteilung das Ansehen des Berufsbeamtentums beeinträchtigt werden oder der Dienstherr bei einem seit 38 Jahren ohne Beanstandungen im Polizeidienst tätigen Beamten in seinem Vertrauen gemindert sein könnte.
(cc) Letztlich liegt auch kein Verstoß gegen die Pflicht zur Befolgung von Richtlinien und Weisungen Vorgesetzter, also kein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht des Beamten, vor. Denn auch hier ist zu fordern, dass ein möglicher Verstoß gegen generelle Weisungen oder eine allgemeine Geschäftsanweisung, um ein Dienstvergehen zu sein, ein Mindestmaß an Evidenz aufweist (Bieler/ Lukat, a.a.O., Einleitung B, Rdnr. 70). Der Charakter eines Dienstvergehens ist nicht bei jeder Bagatellverfehlung zu erkennen. Um eine derartige Bagatellverfehlung handelt es sich hierbei aber aus den genannten Gründen.
2. Begründungsalternativ und insoweit selbstständig tragend ist die Verfügung auch nicht zweckmäßig.
Die Disziplinarkammer prüft bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung nicht nur deren Rechtmäßigkeit, sondern gem. § 55 Abs. 3 Satz 1 NDiszG auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Bei dieser Prüfung hat die Disziplinarkammer in Anwendung der in § 14 Abs. 1 NDiszG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen und kann dabei die Würdigung der Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einschließen ( BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005, - BVerwG 2 A 4.04 -, NVwZ-RR 2006, 485-489).
Von dieser Prüfungsbefugnis macht das Gericht vorliegend Gebrauch und hält die angefochtene Disziplinarverfügung im Ergebnis jedenfalls nicht für zweckmäßig.
a) Zum Einen ist nach dem Eindruck des Klägers, welchen er in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht hinterlassen hat, und angesichts der geringen Schwere eines - unterstellten - Pflichtenverstoßes für die Kammer nicht ersichtlich, dass der einsichtige Kläger durch eine Disziplinarmaßnahme dazu angehalten werden müsste, künftig seine Bezügemitteilungen zu überprüfen. Das Gericht sieht auch eine unter der Geldbuße liegende Disziplinarmaßnahme, etwa den Ausspruch eines Verweises, nicht als zweckmäßig an. Denn der Kläger ist einsichtig, so dass es keiner Disziplinarmaßnahme bedarf.
b) Auch aus weiteren - begründungsalternativen - Gründen ist die Maßnahme unzweckmäßig. Im Rahmen der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme ist zu prüfen, ob die beabsichtigte Maßnahme den Zweck des Disziplinarverfahrens - die Einwirkung auf den seine Pflichten verletzenden Beamten, um ihn zu mahnen, seinen Pflichten künftig nachzukommen (Erziehungszweck), die Klärung von Vorwürfen (Schutzzweck), die Entfernung von Personen aus dem Dienst, die das Ansehen des Berufsbeamtentums in nicht tragbarer Weise herabsetzten (Reinigungszweck) sowie die Vorbeugung, um allen anderen Beamten von vornherein deutlich zu machen, dass Pflichtverletzungen zu Disziplinarmaßnahmen führen, die für Karriere und die eigene Person unangenehm und belastend sein können (Abschreckungszweck) - zu erfüllen vermag. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn eine Disziplinarmaßnahme zur hart oder zu mild bemessen ist oder wenn das Dienstvergehen und sonstige Umstände des Einzelfalls den Erlass einer Disziplinarverfügung nicht als angemessen erscheinen lassen.
Selbst wenn man entgegen den bisherigen Ausführungen davon ausgehen würde, dass der Kläger eine geringfügige Dienstpflichtverletzung begangen hätte, die ein Dienstvergehen darstellen würde, so wäre hierfür eine Disziplinarmaßnahme noch nicht geboten. Selbst bei dieser Annahme geht die Kammer davon aus, dass die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme noch nicht erforderlich ist. Der Kläger ist disziplinarrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Er ist seit mehr als 38 Jahren im Polizeidienst. Er hat unstreitig vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens die Überzahlung selbst dem NLBV mitgeteilt. Die Aussage der Beklagten, dass der Kläger dies nur gemacht habe, weil er auf dem sog. "Flurfunk" schon von dem anstehenden Überprüfungsverfahren gehört habe, ist eine durch nichts zu belegende oder gar belegte These der Beklagten "ins Blaue hinein". Der Kläger hat die Überzahlung, ohne sich auf eine wahrscheinlich zumindest teilweise vorliegende Verjährung zu berufen, zurückgezahlt. Seine Beurteilungen sind durchweg beanstandungsfrei. Die Überzahlung ist gering und beruht in erster Linie auf einem Organisationsverschulden der Beklagten. Die Kammer sieht daher eine Maßnahme nicht als angemessen an.
3. Weiter begründungsalternativ und insoweit weiter selbstständig tragend ist eine Disziplinarmaßnahme gegen den Kläger vorliegend auch bei Unterstellung einer Dienstpflichtverletzung nicht ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig im Sinne des § 14 NDiszG. Insoweit hat die Kammer unter Beachtung des Verschlechterungsverbots auch darüber zu entscheiden, welches - bei unterstellter Dienstpflichtverletzung - die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht insoweit nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft in Anwendung der in § 14 Abs. 1 NDiszG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Obergrenze vielmehr eine eigene Ermessensentscheidung. In diese von der Kammer zu treffende Ermessensentscheidung über die Disziplinarmaßnahme sind unter anderem die Schwere des (unterstellten) Dienstvergehens, das Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, aber auch etwa das weitere Verhalten des Beamten nach dem Pflichtenverstoß einzustellen ( Nordrhein-Westfälisches OVG, Beschluss vom 19. September 2007, - 21d A 3600/06.O -, Juris).
Selbst wenn man unterstellt, dass das der Disziplinarverfügung zu Grunde liegende Verhalten des Klägers ein Dienstvergehen darstellt, ergibt nach Ansicht der Kammer eine ausreichende Würdigung und gegenseitige Abwägung der vorliegenden Umstände, dass eine Disziplinarmaßnahme nicht auszusprechen ist. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG bestimmt, dass die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen ist; Satz 3 der Norm bestimmt, dass das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist. Nach Satz 4 soll ferner berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte oder die Beamtin das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Da die in § 14 Abs. 1 NDiszG enthaltene Aufzählung der Kriterien, an der sich die Disziplinarbehörde zu orientieren hat, nicht abschließend ist, muss eine Disziplinarmaßnahme insbesondere auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (VG München, Urteil vom 16. Februar 2009, - M 19 DB 08 259 -, Juris).
Diesen Anforderungen wird die angefochtene Disziplinarverfügung vom 15. Mai 2009 offensichtlich nicht gerecht; eine Berücksichtigung und Abwägung der vorliegenden Umstände ergibt vielmehr, dass eine Disziplinarmaßnahme vorliegend nicht ermessensfehlerfrei ergehen kann. Ein unterstelltes Dienstvergehen würde sich als allein fahrlässig und begangen durch ein Unterlassen darstellen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten, das die Beklagte - jenseits des bisherigen dienstlichen Verhaltens - entgegen der zwingenden Vorgabe des § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG nicht genügend gewürdigt hat, und das durch die in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretenen Einsicht des Beamten in die Notwendigkeit einer Überprüfung künftiger Besoldungsmitteilungen gekennzeichnet ist, lässt eine Disziplinierung ebenso wenig angezeigt erscheinen lassen wie die von dem Beamten ausgehende Schadenswiedergutmachung. Die Nichtweiterleitung der Veränderungsanzeige durch die Beklagte selbst sowie der Umstand, dass das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit schlechterdings nicht erschüttert werden kann durch einen ansonsten tadelfrei tätigen Beamten, der fahrlässig die Überprüfung seiner Besoldungsmitteilung unterlässt und eine geringfügige Überzahlung nicht bemerkt, lassen eine Ermessensbetätigung zu Lasten des Beamten nach Ansicht der Kammer nicht zu. Eine solche Ermessensbetätigung wäre weiterhin unverhältnismäßig. Sie wäre jedenfalls nicht erforderlich oder angemessen im engeren Sinne, da nichts dafür ersichtlich ist, dass der Kläger künftig zur Überprüfung angehalten werden muss oder die Disziplinarverfügung in einer Mittel-Zweck-Relation zu der mit ihr verbundenen Belastung des Beamten ein angemessenes Mittel wäre, diesen Zweck zu erreichen. Auch die Ausführungen der Beklagten, dass "in Anlehnung an ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 28.03.1985 (AZ.: DK B 7/84) [...]aufgrund des Zeitraums von über drei Jahren und der damit verbundenen hohen Anzahl von Bezügemitteilungen, die ihnen übersandt wurden, eine Geldbuße angemessen [erscheint], um sie anzuhalten, ihre Dienstpflichten künftig sorgsam zu beachten", die sich aber - wie dargelegt - auf ein nicht zutreffendes "Blindzitat" stützt, stellt für die Kammer - etwa unter dem Aspekt der Rechtsanwendungsgleichheit - keinen in eine Ermessensentscheidung zu Lasten des Klägers einzustellenden Umstand dar.