Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.12.2002, Az.: 13 U 77/02
Entsprechende Anwendbarkeit des § 321 a ZPO auf höhere Instanzen; Beschlussverwerfung durch Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO); Selbstkontrolle des erkennenden Gerichts bei unanfechtbaren Entscheidungen; Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs oder anderer Verfahrensgrundrechte ; Entlastung des Bundesverfassungsgerichts ; Ausschluss der Verfassungsbeschwerde
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.12.2002
- Aktenzeichen
- 13 U 77/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 23924
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:1204.13U77.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover 18 O 2388/01 vom 31.10.2002
Rechtsgrundlagen
- § 321a ZPO
- § 522 Abs. 2 ZPO
- § 525 S. 1 ZPO
Fundstellen
- BauR 2003, 420-421 (Volltext mit amtl. LS)
- BrBp 2003, 83
- FamRZ 2003, 1845 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 2003, 906-907 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2003, 71-72
- ZInsO 2003, 82-83 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Gegen einen die Berufung zurückweisenden Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ist die befristete Rüge analog § 321a ZPO zulässig.
Tenor:
Die Rüge der Beklagten vom 18. November 2002 gegen den Beschluss des Senats vom 31. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
Der Rechtsbehelf der Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 31. Oktober 2002 ist entsprechend § 321 a ZPO zulässig, aber nicht begründet.
1.
Der neu geschaffene § 321 a ZPO ist auf Fälle, in denen das Berufungsgericht von der Möglichkeit der Beschlussverwerfung nach § 522 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht hat, entsprechend anwendbar. Die Vorschrift enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken, wonach unanfechtbare Entscheidungen einer Selbstkontrolle des erkennenden Gerichts unterliegen, wenn eine Partei die Verletzung des rechtliches Gehörs oder anderer Verfahrensgrundrechte rügt (vgl. Müller, NJW 2002, 2743, 2745).
Das Bedürfnis nach einer solchen Selbstkontrolle ist unabhängig davon, ob die gerügte Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren oder aber in zweiter Instanz getroffen worden ist. Denn mit der Einfügung des § 321 a hat der Gesetzgeber vor allem den Zweck verfolgt, das Bundesverfassungsgericht von der Vielzahl der Verfassungsbeschwerden zu entlasten (vgl. BGH, NJW 2002, 1577 [BGH 07.03.2002 - IX ZB 11/02]).
Die grundsätzliche Überprüfungsmöglichkeit durch den iudex a quo entspricht der Forderung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2002, 1577 [BGH 07.03.2002 - IX ZB 11/02]). Danach eröffnet ein Verfassungsverstoß nicht (mehr) den Weg zu einer weiteren Instanz. Vielmehr sei ein solcher Verstoß im Wege der Selbstkontrolle zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Diese Prüfung innerhalb der Instanz sei verfahrensökonomisch und führe zu der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts (BGH, NJW 2002, 1577 [BGH 07.03.2002 - IX ZB 11/02]). Diese Auffassung liegt ersichtlich auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 2002 zu Grunde (I BVR 10/99).
Die entsprechende Anwendung des § 321 a ZPO entspricht dem Interesse der Parteien. Sie ermöglicht eine zeitnahe Entscheidung durch ein mit der Sache ohnehin befasstes Gericht, ohne dass im Ergebnis die Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen wäre. Diese kommt nach wie vor (als letztes Mittel) in den Fällen in Betracht, in denen eine Partei der Auffassung ist, das Instanzgericht habe den Verfassungsverstoß nicht ausgeräumt.
Gegen die entsprechende Anwendung kann nicht eingewandt werden, der Wortlaut des § 321 a ZPO stelle allein auf erstinstanzliche Urteile ab (anders Greger, NJW 2002, 3049, 3051); denn § 525 Satz 1 ZPO bestimmt gerade, dass die für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften im Berufungsverfahren entsprechend anwendbar sind. Abweichende Sondervorschriften sind nicht ersichtlich. Damit ist der Weg für die Rüge nach § 321 a ZPO in der Berufungsinstanz durch § 525 Satz 1 ZPO vorgezeichnet (vgl. auch OLG Celle, 2. Zivilsenat, OLGR 2002, 304, 306).
Dem steht schließlich nicht entgegen, dass die Rüge sich vorliegend gegen einen Beschluss, nicht aber ein Urteil wendet. Es entspricht hergebrachten Grundsätzen, dass ein Beschluss jedenfalls unter geringeren Voraussetzungen nachträglich abänderbar ist als ein Urteil (so auch OLG Oldenburg, OLGR 2002, 302, 303).
Die Entstehungsgeschichte des § 321 a ZPO rechtfertigt kein anderes Ergebnis (anders OLG Oldenburg, OLGR 2002, 302). Die Bundesregierung hat eine vom Bundesrat vorgeschlagene ausdrückliche Übernahme der Vorschrift auf alle unanfechtbaren Entscheidungen mit der Begründung abgelehnt, einer 'Überprüfung der Überprüfungsentscheidung, etwa des . . . Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO, in dessen Rahmen eine geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bereits zu prüfen ist, bedarf es deshalb nicht' (zitiert nach Müller, NJW 2002, 2743, 2746). Diese Stellungnahme verkennt, dass es hier nicht um die doppelte Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung geht, sondern um die - beschränkte - Kontrolle der Berufungsentscheidung durch das Berufungsgericht. Sie kann für die Gegenauffassung nicht herangezogen werden.
2.
Der von der Beklagten eingelegte Rechtsbehelf gegen den Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ist als Rüge entsprechend § 321 a ZPO auszulegen, nicht als grundsätzlich form- und fristlos einzulegende Gegenvorstellung. Denn mit dem angefochtenen Beschluss ist das Urteil des Landgerichts Hannover vom 5. Februar 2002 rechtskräftig geworden. Der Rechtsbehelf der Beklagten zielt mithin darauf ab, die Rechtskraft zu durchbrechen. Hierfür bietet § 321 a ein sachgerechtes, fristgebundenes Instrument, das geeignet ist, in einem gesetzlich geregelten Verfahren die erforderliche Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Dann aber ist es konsequent, in den Fällen, in denen die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird, statt der Gegenvorstellung nunmehr grundsätzlich § 321 a ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. aber noch BGH, NJW 2002, 1577 [BGH 07.03.2002 - IX ZB 11/02], der sich allerdings mit der Abgrenzung insoweit nicht auseinander setzen musste).
II.
Die Ausführungen in der Rüge vom 18. November 2002 geben dem Senat keinen Anlass, seine Entscheidung zu ändern. Die im Schriftsatz vom 27. Januar 2002 ohne Substanz vorgetragenen Tatsachen sind nicht geeignet, die zur Aufrechnung gestellten vertraglichen Ansprüche oder den geltend gemachten Verzögerungsanspruch schlüssig zu begründen. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte insoweit in der Berufungsbegründung oder im Schriftsatz vom 16. Oktober 2002 substantiiert vorgetragen hat. Mit neuem Vortrag in der Berufungsinstanz ist die Beklagte gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
Auch im Übrigen geben die Ausführungen der Beklagten dem Senat keinen Anlass, seine Entscheidung abzuändern.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.