Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.12.2002, Az.: 4 U 111/02
Wirksamkeit der Berufungseinlegung bei Oberlandesgericht (OLG); Zulassung als Rechtsanwalt bei Eingang der Berufungsschrift ; Beweislast des Bestellers im Werkrecht ; Substantiiertes Behaupten des Unternehmers; Anspruch auf Minderung wegen vor Sonnenterrasse stehender Müllcontainer; Aufklärung über Standort ; Vertrag über Eigentumswohnung als Werklieferungsvertrag; Besondere Lage und Zuschnitt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.12.2002
- Aktenzeichen
- 4 U 111/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 20170
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:1219.4U111.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade 6 O 280/01 vom 24.05.2002
Rechtsgrundlagen
- § 78 ZPO
- § 517 ZPO
- § 284 ZPO
- § 633 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2003, 149-150
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Berufungseinlegung ist wirksam, wenn der Rechtsanwalt zwar bei Abfassung noch nicht, aber bei Eingang der Berufungsschrift beim Oberlandesgericht zugelassen ist.
- 2.
Auch im Werkrecht trägt der Besteller die Beweislast dafür, dass er von dem Unternehmer über den Standort von Müllcontainern vor dem Haus nicht aufgeklärt worden ist, wenn der Unternehmer eine erfolgte Aufklärung substantiiert behauptet hat.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Mai 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger verlangen wegen eines sog. Müllplatzes vor ihrer von der Beklagten erworbenen Erdgeschosswohnung von dieser Schadensersatz bzw. Minderung.
Im Einzelnen wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der dort gestellten Anträge auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 2 - 5 Bl. 149 f GA) Bezug genommen.
Der Einzelrichter hat der Klage nach Vernehmung des Zeugen ####### zur Frage, ob die Kläger auf den Standort der Müllplatze hingewiesen wurden, stattgegeben, weil die Beklagte nicht bewiesen habe, dass die Kläger über den Standort der Müllplätze aufgeklärt worden seien, da die Angaben des Zeugen unergiebig seien und 5 % des Kaufpreises als Minderung zuerkannt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die vollständige Abweisung der Klage begehrt, ihren Vortrag wiederholt und vertieft.
Die Beklagte nimmt unter Verweis auf die Bepflanzung und die Einhausung der Container einen Mangel hinsichtlich des Stellplatzes der Müllcontainer in Abrede. Ferner behauptet sie, dass die Nähe der Terrasse der Kläger zum Müllplatz durch eine Preisreduzierung von 1. 000 DM bereits berücksichtigt worden sei. Schließlich hätten die Kläger Kenntnis von den Müllboxen vor Abschluss des Kaufvertrages im Rahmen der Verkaufsberatung durch die Maklerfirma erhalten, da dies aus dem Modell der Anlage mit 'Klötzchen' für Müllboxen, einem genauen Lageplan und auch aus der ausdrücklichen Erwähnung der Müllbehälter folge. Im Übrigen sei der Müllplatz in der Anlage zur Teilungserklärung eingezeichnet gewesen.
Die Beklagte weist erneut auf das von den Klägern nach der Eigentümerversammlung vom 5. Februar 2001 und dem Schreiben der ####### vom 4. April 2001 (Bl. 88 f GA) erklärte Einverständnis mit Schreiben vom 17. April 2001 (Bl. 94 GA) mit dem Platz der Müllcontainer hin. Ferner bietet sie Parteivernehmung der Kläger dafür an, dass der Zeuge ####### im Verkaufscontainer das Modell erklärt habe (Bl. 181 GA). Schließlich wird auch die Höhe der Minderung mit 5 % des Kaufpreises bestritten.
Ferner erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichtes abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Kläger halten die Berufung der Beklagten für unzulässig, da deren ehemaliger Prozessbevollmächtigter bei Unterzeichnung der Berufungsschrift noch nicht beim Oberlandesgericht als Rechtsanwalt zugelassen war.
Sie bestreiten ihre Kenntnis und eine entsprechende Information über die Müllcontainer. Bei der Verkaufsberatung habe es noch kein Modell der Anlage gegeben und ein genauer Lageplan sei von der Beklagten erst Monate nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages durch die Kläger benutzt worden.
Die Kläger sind der Ansicht, dass die Müllbehälter eine Gebrauchsbeeinträchtigung der Wohnung darstellten, da mit ihnen Lärm, Gerüche, verstärkter Personenverkehr und auch Belästigung durch Nagetierbefall verbunden sei. Dies beeinträchtige die Verkäuflichkeit der Wohnung.
Die zuerkannte Minderung von 5 % sei angemessen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
1.
Zulässigkeit der Berufung:
a)
Hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist hat der Senat Wiedereinsetzung gewährt.
b)
Soweit die Kläger einwenden, die Berufung sei nicht wirksam eingelegt worden, weil der damalige Prozessbevollmächtigte der Beklagten bei Unterzeichnung der Berufungsschrift beim Oberlandesgericht noch nicht zugelassen war und sich für ihre Ansicht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH NJW 90, 1305) beziehen, ist diese Entscheidung vorliegend nicht einschlägig. Die Unterschrift stellt den Nachweis der Übernahme der Verantwortung des Prozessbevollmächtigten für den Inhalt des Schriftsatzes und des Rechtsmittels dar (vgl. BGH NJW a. a. O. ). Der Rechtsanwalt, der bereits im Besitz der Urkunde über seine Zulassung beim Oberlandesgericht war, hat die Berufungsschrift mit dem Datum vom 1. Juli 2002 bereits am 28. Juni 2002 unterzeichnet und am 29. Juni 2002 zur Post gegeben. Entscheidend ist, dass der Prozessbevollmächtigte zum Zeitpunkt des Einganges der Erklärung am 3. Juli 2002 postulationsfähig war und damit die Einlegung als Prozesshandlung - wie eine Willenserklärung mit Zugang - auch wirksam vorgenommen worden ist. Dem steht auch die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Dort hat der Bundesgerichtshof den umgedrehten Fall entschieden, weil in jenem Fall der einreichende Anwalt bei Unterzeichnung noch postulationsfähig war, bei Eingang dann nicht mehr. Dies hat der Bundesgerichtshof ausreichen lassen, weshalb sich in der Literatur der Hinweis findet (z. B. bei Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. , § 518 Rn. 24 und § 78 Rn. 3), dass die Unterschrift von einem beim Berufungsgericht im Zeitpunkt der Unterzeichnung zugelassenen Anwalt stammen müsse. Den vorliegenden Fall, dass der Rechtsanwalt bei Absenden noch nicht, bei Eingang dann aber doch postulationsfähig ist, hat der Bundesgerichtshof nicht entschieden. Dies reicht aber nach Sinn und Zweck der Regelung aus, da maßgeblich der Eingang der Erklärung ist und hier die Voraussetzungen der Zulassung vorlagen, zumal derselbe Rechtsanwalt jedenfalls konkludent die Prozesshandlung genehmigt hat.
Die Berufung ist mithin zulässig.
2.
Begründetheit der Berufung:
Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg, da das Landgericht zu Unrecht einen Minderungsanspruch der Kläger wegen des fehlenden Beweises der Beklagten dahingehend, dass sie die Kläger hinreichend über den Standort der Müllplätze aufgeklärt hätten, angenommen hat. Das Landgericht hat die Beweislast hinsichtlich der Aufklärung von Baumängeln verkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, allerdings zum Kaufrecht (vgl. BGH NJW 2001, 64 (65) [BGH 20.10.2000 - V ZR 285/99]), - im Werkrecht gilt aber insoweit nichts anderes - haben die Käufer, vorliegend die Kläger, zu beweisen, dass die von der Beklagten behauptete Information über den Stellplatz der Müllcontainer nicht erfolgt ist.
a)
Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass die Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechtes gemäß § 633 f BGB anzuwenden sind, da sich die Beklagte in dem zwar als Kaufvertrag bezeichneten Vertrag vom 29. Januar 1999 (in Auszügen Anlage K 5 Bl. 11 f GA) zur Herstellung (vgl. Bl. 11, § 4) verpflichtet hat. Bei Anwendung von § 651 BGB dürften nach Absatz 1 Satz 2 auch über den Werklieferungsvertrag - Herstellung einer unvertretbaren Sache, wegen der besonderen Lage und des Zuschnitts der Erdgeschosswohnung, die in dem Komplex nur einmal vorhanden ist - jedenfalls auch die werkvertraglichen Mängelrechte maßgeblich sein.
b)
Zutreffend stellt der Stellplatz der Müllbehälter in unmittelbarer Nähe der Sonnenterrasse der Kläger auch einen Fehler bzw. einen Mangel dar, selbst wenn man den aktuellen Zustand berücksichtigt (vgl. Fotos Bl. 218 - 220 GA), wonach inzwischen - unstreitig - die Müllcontainer"eingehaust" und auch teilweise "eingegrünt" sind. Dies beschränkt zwar die Geruchsbildung und die ästhetische Beeinträchtigung, lässt sie aber nicht gänzlich entfallen. Hinzu treten verstärkter Publikumsverkehr mit entsprechender Lärmbeeinträchtigung auf der Terrasse. Ob es bereits zu Nagetierbefall gekommen ist, ist streitig, denkbar ist dies auch. Insgesamt liegt daher eine Beeinträchtigung vor. Ob diese 5 %, wie vom Landgericht angenommen und von den Klägern beantragt als Minderung des"Kaufpreises" oder der"Werkvergütung" ausmacht, erscheint zweifelhaft, kann aber aus den nachfolgenden Gründen dahinstehen.
c)
In Verkennung der Beweislast hat nämlich das Landgericht über die Behauptung der Beklagten Beweis erhoben, ob die Kläger durch den Zeugen ####### über den Stellplatz der Müllbehälter aufgeklärt worden sind oder sie diesen aus den zugrunde liegenden Plänen und Zeichnungen haben entnehmen können, sodass nach Werkrecht ein Anspruch auf Minderung gemäß § 640 Abs. 2 BGB - mangels Vorbehalt - und nach Kaufrecht gemäß § 460 BGB wegen der Kenntnis ausgeschlossen wäre, den Beweis aber als nicht geführt gewürdigt.
Zutreffend ist zwar, dass der Hinweis der Beklagten auf die in den Zeichnungen zu sehenden Kreuze, die die Müllbehälter darstellen sollen, insoweit wohl nicht ausreichend ist, da es an einer Legende fehlt, die hierüber Auskunft gäbe. Ein durchgekreuztes Kästchen als Abkürzung für Müllbehälter dürfte auch nicht allgemein bekannt sein. Die Hinweise auf der Zeichenanlage zur Teilungserklärung sind nachträglich eingetragen worden, Kenntnis der Kläger bei Kaufvertragsabschluss insoweit ist hieraus jedenfalls nicht festzustellen.
Es verbleibt die Aussage des Zeugen #######, die das Landgericht allerdings basierend auf einer Beweislast der Beklagten als nicht ausreichend ergiebig angesehen hat. Der Zeuge ####### hat zunächst selbst schriftlich (Bl. 126 GA) und dann auch im Termin vor dem Einzelrichter (Protokoll Bl. 127 f GA) zu der Frage, ob er die Kläger über den Standort der Müllbehälter aufgeklärt habe, ausgesagt. Hierbei hat er in der Tat nur ausgeführt, wie er es im Allgemeinen mit den einzelnen Interessenten gehandhabt hat und dass er hierbei den Standort aufgrund der Klötzchen im Modell erläutert habe. Ob er dies auch konkret mit den Klägern erörtert habe, konnte er naturgemäß nicht mehr erinnern.
Entscheidend ist vorliegend aber, dass auch im Werkvertragsrecht die Beweislastverteilung wie im Kaufrecht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu sehen ist, da für eine unterschiedliche Handhabung insoweit keinerlei Anlass besteht. Ausgangspunkt ist im Werkvertragsrecht als Nebenpflicht aus dem Vertragszweck bzw. den Treuepflichten gemäß § 242 BGB betreffend des Leistungsinteresses des Bestellers eine Pflicht des Unternehmers zur Aufklärung und Information (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. , § 631 Rn. 13). Wird - wie vorliegend - aber vom Unternehmer behauptet, die Besteller über den Standort der Müllplätze aufgeklärt zu haben, also seine Nebenpflicht erfüllt zu haben, sind die Besteller also die Kläger beweispflichtig dafür, dass die Beklagte sie insoweit nicht informiert hat. Diesen Beweis haben die Kläger aber mit dem Zeugen ####### nicht erbracht, da nach dessen Aussage mehr dafür spricht, dass eine Aufklärung erfolgt ist.
Weitere Beweismittel haben die Kläger insoweit nicht angeboten, obwohl sie gemäß § 139 ZPO von dem Berichterstatter des Senats mit Verfügung vom 22. Oktober 2002 über die von dem Senat abweichende Beweislastbeurteilung hingewiesen wurden.
In der Berufungserwiderung (Bl. 223 f (Bl. 225)) haben die Kläger zwar dafür Beweis angeboten, dass sie kurz vor Vertragsunterzeichnung einmal im Büro des beteiligten Maklers in der ####### Innenstadt gewesen seien, wobei es um Ausstattungsfragen der Wohnung gegangen und das Gespräch mit einem Herrn ####### geführt worden sei. Hierbei bleibt indes unklar, ob die Kläger nur mit diesem gesprochen haben wollen. Demgegenüber hat aber der Zeuge ####### bei seiner Aussage immerhin bestätigen können, dass er die Kläger kenne. Daher ist der Beweis, nicht aufgeklärt worden zu sein, mit dem angebotenen Zeugen ####### (Bl. 225 GA) von den Klägern ohnehin nicht zu führen, das Beweismittel bezogen auf das Beweisthema mithin nicht geeignet ist, sodass der Beweis nicht zu erheben war.
Auch aus dem erstinstanzlichen Beweisantritt der Kläger mit Schriftsatz vom 6. Februar 2002 (Bl. 108 GA) folgt nichts anderes, da insoweit schon ein ausreichendes Beweisangebot mangels ladungsfähigem Zeugen fehlt, es ist nicht einmal ein Zeuge namhaft gemacht.
Da die Kläger beweispflichtig und mangels Beweisantritt beweisfällig geblieben sind, war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
d)
Es kam deshalb auf die weiteren Einwendungen der Beklagten, ob nicht die Kläger mit der Zustimmungserklärung vom 17. April 2001 zu dem Schreiben der ####### vom 4. April 2001 nach der Eigentümerversammlung vom 5. Februar 2001 ihr Einverständnis mit dem Stellplatz der Container und damit einen Verzicht auf eine Minderung erklärt haben (vgl. Bl. 88 f und 94 GA) und ob die Kläger nicht ohnehin wegen des Mangels die Wohnung billiger erhalten haben (vgl. Kaufpreisliste vom 20. April 1999, Bl. 119, 121 f GA) sowie auf die mit 5 % des Erwerbspreises geltend gemachte erhebliche und daher zweifelhafte Höhe der Minderung nicht mehr an.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Die Festsetzung des Wertes der Beschwer sieht die Neufassung der ZPO nicht mehr vor (vgl. auch BGH NJW 2002, 2720 [BGH 27.06.2002 - V ZR 148/02]).