Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.12.2002, Az.: 14 U 53/02

Amtshaftunghaftung wegen einer Vorfahrtsverletzung eines Polizeibeamtens; Schadensersatz nach einem Unfall zwischen Radfahrer und Polizist; Verstoß gegen eine Rücksichtnahmepflicht im Straßenverkehr; Ausschluss eines Amtshaftunghaftungsanspruches wegen überwiegenden Mitverschuldens des Verletzten durch einen Verstoss gegen das Sichtfahrgebot

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.12.2002
Aktenzeichen
14 U 53/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 23926
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:1205.14U53.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover 11 O 1714/01 vom 16. 01. 2002

Fundstellen

  • KGReport Berlin 2003, 26
  • NPA 2003
  • NZV 2003, 179-180 (Volltext mit red. LS)
  • OLGR Düsseldorf 2003, 26
  • OLGR Frankfurt 2003, 26
  • OLGR Hamm 2003, 26
  • OLGR Köln 2003, 26
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 59-60
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 26
  • PVR 2003, 125 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Haftung eines Rennradfahrers, der auf einem Radweg mit joggenden Polizeibeamten im Rahmen des Dienstsports kollidiert.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Januar 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer: 1.526,78 EUR

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das beklagte Land haftet nicht für die Unfallfolgen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe nimmt der Senat Bezug. Ergänzend ist - im Hinblick auf das Berufungsvorbringen - lediglich Folgendes auszuführen:

2

Ein Amtshaftungsanspruch des Klägers gegen das beklagte Land ist gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG grundsätzlich zu bejahen, weil Polizeibeamte im Rahmen ihrer Dienstsportausübung zur Erhaltung ihrer Einsatzfähigkeit - und damit in Erfüllung einer hoheitlichen Tätigkeit - gegenüber anderen Personen und Verkehrsteilnehmern, mit denen sie in Ausübung dieser Tätigkeit Berührungen haben, Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten wahrnehmen müssen. Der Kläger wirft den Polizeibeamten ####### und ####### einen Verstoß gegen eine Rücksichtnahmepflicht im Straßenverkehr in Form einer "Vorfahrtsverletzung" vor. Damit ist ein innerer Zusammenhang zwischen der hoheitlichen Aufgabe der Polizeibeamten ####### und ####### sowie dem schädigenden Ereignis zu bejahen.

3

Den Kläger trifft ein erhebliches Verschulden an dem Unfall. Er hat gegen § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen, indem er nicht auf Sicht gefahren ist. Selbst die eingeräumte Geschwindigkeit von 25 bis 28 km/h (wahrscheinlich ist der Kläger, der Leistungssport betreibt, erheblich schneller gefahren) war angesichts der örtlichen Verhältnisse, der Witterung und der Ausstattung des Klägers zu schnell. Der Kläger konnte den Streckenverlauf wegen Kurven und dichter Randbepflanzung nicht weit einsehen. Er musste wegen der Kreuzungen des Radweges mit dem Gehweg sowie wegen der deutlich erkennbaren Zuwegung zur #######brücke mit Querverkehr rechnen. Am ####### ist in der Mittagszeit von einem regen Fußgänger- und Radfahrerverkehr auszugehen. Dort halten sich auch Kinder und ältere Menschen auf; Hunde werden ausgeführt. Unter solchen Umständen war eine Geschwindigkeit von mindestens 25 km/h zu hoch, um adäquat auf plötzlich auftretende Hindernisse auf dem Radweg reagieren zu können. Die Witterungsverhältnisse (leichter Regen), die profillose Bereifung des Rennrades und der Umstand, dass seine Füße mit den Pedalen fest verbunden waren, was zwangsläufig eine Immobilität des Radfahrers bewirkt, hätten den Kläger zu weiterer Vorsicht anhalten müssen.

4

Den Polizeibeamten ####### trifft dagegen nur ein leichtes Verschulden im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO. Er hätte den Radweg nicht bis zu 1, 5 m vom rechten Rand entfernt betreten dürfen, ohne sich vorher ausreichend zu vergewissern, ob er dort Radfahrer behindern würde. Der Abstand von 1, 5 m war etwas zu weit, um sich erstmals nach Radfahrern umzusehen. Zu Gunsten von ####### ist jedoch festzustellen, dass er wegen des kurvigen Streckenverlaufs und der Randbepflanzung einen oder zwei Schritte auf den Radweg setzen musste, um überblicken zu können, ob sich aus der Richtung des Klägers Radfahrer näherten. Ordnungsgemäß handelnd hätte sich ####### schrittweise vortasten müssen. Zu seinen Gunsten ist ferner anzunehmen, dass er den Kläger wegen dessen hoher Geschwindigkeit erst spät wahrnehmen konnte.

5

Dass ####### ca. 1, 5 m vom rechten Rand entfernt stehen geblieben ist, als er den Kläger auf seinem Rennrad herannahen sah, ist nicht vorwerfbar. Dies war eine richtige Reaktion. Hierauf konnte sich der Kläger am besten einstellen, weil es ansonsten für ihn schwer einzuschätzen gewesen wäre, in welche Richtung sich der Jogger bewegen würde. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Kläger ausreichend Platz hatte, um rechts oder links auszuweichen. Nach links waren 2, 7 m frei. Dass er ####### erst beim Straucheln erfasste, spricht ebenfalls dafür, dass der Kläger den Unfall mit einem leichten Schlenker nach links hätte vermeiden können. Gegenverkehr wäre bei einer noch zur Verfügung stehenden Breite des Weges von 2, 7 m nicht ernsthaft gefährdet worden. Dass tatsächlich Gegenverkehr geherrscht habe, trägt der Kläger im Übrigen nicht einmal vor. Der Kläger war auch noch weit genug entfernt, um angemessen reagieren zu können, als er ####### den Radweg betreten sah. Seinem eigenen Vorbringen zufolge betrug die Sichtweite zwischen Jogger und Radfahrer 50 m.

6

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB ergibt, dass der Kläger allein für die Folgen des Unfallgeschehens haftet. Das leichte Verschulden von ####### tritt hinter dem erheblich schwer wiegenderem Verkehrsverstoß des Klägers vollständig zurück. Indem er den Radweg mit hoher Geschwindigkeit in der Erwartung befahren hat, er werde nicht behindert, hat der Kläger seine sportlichen Interessen rücksichtslos über die Belange anderer Verkehrsteilnehmer gestellt. Letztlich beruht das Unfallgeschehen auf einem vorwerfbaren Fahrfehler des Klägers, weil er offensichtlich mit zu hoher Geschwindigkeit unaufmerksam gefahren ist und zu spät sowie in falscher Weise auf die Jogger reagiert hat. Er musste auch deshalb umso mehr sorgfältig fahren, weil sich an seinem Fahrrad keine Klingel befand und er somit nicht vorwarnen konnte.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

8

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

9

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwertbeschluss:

Die Festsetzung des Wertes der Beschwer erfolgt im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO.