Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.12.2002, Az.: 8 W 273/02
Erfüllungsanspruch aus § 661 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ; Gewinnzusage eines österreichischen Unternehmens ; Besonderer Fall der Rechtsscheinhaftung ; Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ); Gerichtsstand des Erfüllungsortes; In Deutschland wohnhafter Anspruchsteller
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.12.2002
- Aktenzeichen
- 8 W 273/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 20083
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:1206.8W273.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg 1 O 198/02 vom 15. 07. 2002
Rechtsgrundlagen
- § 114 BGB
- § 661a BGB
- Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ
Fundstelle
- IPRspr 2002, 159
Amtlicher Leitsatz
Gewinnzusagen eines österreichischen Unternehmens sind am Wohnsitz des in Deutschland wohnhaften Anspruchstellers zu erfüllen. Klagen können bei dem für den Erfüllungsort zuständigen Gericht erhoben werden.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt. Ihr wird Rechtsanwalt ####### in ####### für das erstinstanzliche Verfahren beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht, bis zur Höhe von 125. 438, 61 EUR, hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1.
Die vom Landgericht erhobenen Zweifel hinsichtlich der Sachbefugnis der Antragstellerin wegen der abweichenden Adresse in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (nach Umzug!) und des abweichenden Geburtsjahrs der in der Gewinnmitteilung benannten "Dividendenempfängerin" greifen nicht durch. Gegen die Nämlichkeit der Antragstellerin und der Adressatin bestehen, jedenfalls nach Vorlage des Schriftwechsels, keine ernstlichen Bedenken mehr.
2.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist zulässig.
Die Zuständigkeit des Landgerichts Lüneburg ist nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) zu beurteilen. Österreich, dort hat die Antragsgegnerin ihren Sitz, und die Bundesrepublik Deutschland als Wohnsitzstaat der Antragstellerin, sind jeweils Vertragsstaaten.
a)
Es spricht viel dafür, die Zuständigkeit des Landgerichts bereits aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ herzuleiten, da der auf einer Willenserklärung beruhende Charakter der Verpflichtung aus § 661 a BGB eher für die Anknüpfung an Vertragsrecht als für eine Anknüpfung an Deliktsrecht und ähnliche Haftungstatbestände spricht. Dies gilt auch soweit eine Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen angenommen wird, da auch insofern eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung oder rechtsgeschäftsähnliche Handlung zu Grunde liegt. Daran ist im Rahmen der Auslegung des EuGVÜ festzuhalten, auch soweit angenommen wird, dass es sich bei dem Erfüllungsanspruch aus § 661 a BGB nicht unmittelbar um einen vertraglichen Anspruch, sondern um einen besonderen Fall der Rechtsscheinhaftung handele (vgl. Lorenz, NJW 2000, 3307). Für die vertragliche Anknüpfung spricht jedenfalls, dass Ansprüche aus "Gewinnzusagen", wie für vertragliche Ansprüche kennzeichnend, von der Abgabe einer Willenserklärung oder rechtsgeschäftsähnlichen Handlung, hier der "Gewinnzusage" der Antragsgegnerin, abhängig sind. § 661 a BGB begründet daher nicht einen gesetzlichen Anspruch i. S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, sondern gibt, bezeichnenderweise im Titel "Auslobung" des BGB geregelt und in Anlehnung daran, nur wieder, dass im Rahmen der Privatautonomie abgegebene "Gewinnzusagen" gesetzlich als verbindlich gelten. Damit steht bei der "Gewinnzusage" der vertragsähnliche Charakter im Vordergrund. Entsprechend hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden (8 U 102/02).
Keiner weiteren Entscheidung bedarf insofern, ob die Gewinnzusage auch wegen des Zusammenhangs mit der Anbahnung eines Kaufvertrages in den Regelungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ fällt, soweit nämlich die Antragstellerin durch die Gewinnmitteilung zu einer Bestellung veranlasst werden sollte, ein entsprechender Gewinn aber tatsächlich nicht ausgezahlt werden sollte.
Örtlich zuständig ist das Landgericht Lüneburg als Gericht des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO). Im Ergebnis findet die vertragliche Anknüpfung auch sonst in der Rechtsprechung Zustimmung, teils allerdings nach § 13 EuGVÜ, wobei das Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift bei einer Gewinnzusage jedoch zweifelhaft ist (vgl. in letzter Zeit OLG Dresden OLGR 2002, 281, LG Braunschweig, Nds. Rpfl. 2002, jeweils m. w. N).
3.
Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen des § 661 a BGB sind nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erfüllt. Die Antragstellerin ist Verbraucherin und als solche von der Antragsgegnerin im Absatzinteresse umworben worden. Jene ist Unternehmerin. Sie hat der Antragstellerin eine Gewinnmitteilung übersandt, die objektiv und besonders durch die optische Gestaltung vom Standpunkt eines durchschnittlich aufmerksamen Verbrauchers aus geeignet war, den Eindruck zu erwecken, dass die Antragstellerin bereits 25. 000 DM gewonnen habe. Daran ändert sich nichts durch den Zusatz, es handele sich um eine "Dividende" und die Gesamtsumme der "Dividende" betrage 25. 000 DM, weil der Eindruck eines Gewinns in Höhe von 25. 000 DM gleichwohl hervorgerufen worden ist. Demgegenüber unerheblich sind die für einen durchschnittlichen Verbraucher weitgehend unverständlichen klein gedruckten Teilnahmebedingungen auf der Rückseite mit dem einschränkenden Hinweis auf § 762 BGB (fehlende Verbindlichkeit) und die Teilnahme an einem Gewinnspiel.
4.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der Allgemeinheit mutwillig beantragt worden ist, da die Durchsetzung und evtl. Vollstreckung des Anspruchs im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin immerhin eine im Firmenbuch des Handelsgerichts ####### eingetragene Gesellschaft ist, die auch hinter der Gewinnzusage steht, nicht ausgeschlossen erscheint.
Die Kostenfolge ergibt sich hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aus § 127 Abs. 4 ZPO. Gerichtlichen Kosten werden nicht erhoben, weil die Beschwerde Erfolg hat (GKG-KV 1956).