Landgericht Göttingen
Beschl. v. 09.11.1999, Az.: 10 T 45/99

Anspruch auf Vergütung für eine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter ; Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
09.11.1999
Aktenzeichen
10 T 45/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30094
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1999:1109.10T45.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen

Fundstellen

  • InVo 2000, 164-165
  • KTS 2000, 385
  • NZI 2001, 37
  • Rpfleger 2000, 178-179
  • ZInsO 2000, 46-47 (Volltext mit red. LS)

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 64 Abs. 3 InsO zulässig, sie ist jedoch nur teilweise begründet. Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter i.H.v. insgesamt 125.837,79 DM zu. Der darüber hinausgehende Anspruch ist nicht begründet.

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Der Anspruch des Antragstellers folgt dem Grunde nach aus § 11 Abs. 1 InsVV. Danach soll die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters i.d.R. einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht überschreiten, wobei Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen sind.

3

Bei der Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist die einem Insolvenzverwalter zustehende Vergütung zugrunde zu legen. Das ist hier der Betrag von 178.908,64 DM. Die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehende Vergütung beträgt im Normalfall 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters.

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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht von vornherein auf 40 % der dem Insolvenzverwalter zustehenden Vergütung festzusetzen. Vielmehr ist von einem Satz i.H.v. 25 % als Grundvergütung im Normalfall einer vorläufigen Insolvenzverwaltung auszugehen. Der Gesetzgeber hat sich - wie sich aus der amtlichen Begründung zu § 11 InsVV ergibt - bei § 11 InsVV an der Vergütung des Sequesters orientiert, die seinerzeit i.d.R. 25 % der Konkursverwaltervergütung betragen hat (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütung in Insolvenzverfahren, 2. Aufl., vor § 1 InsVV zu § 11). Dabei war dem Gesetzgeber jedoch bewußt, daß das Aufgabengebiet des vorläufigen Insolvenzverwalters gegenüber dem des Sequesters erweitert ist. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters an die durchschnittliche Vergütung des Sequesters angelehnt. Dabei gilt diese Regelvergütung von 25 % jedoch nur für den Normalfall der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Legt man die von Haarmeyer/Wutzke/Förster (a.a.O., § 11 Rn. 21-31) angenommenen Kriterien für die Bestimmung eines typisierten Normalfalls zugrunde, so weicht die Tätigkeit des Antragstellers hier vom sog. Normalfall nicht in einer so auffälligen Art und Weise ab, daß dies allein eine Erhöhung der Grundvergütung auf 40 % rechtfertigen könnte. Vielmehr ist hier von einer Grundvergütung i.H.v. 30 % der Verwaltervergütung auszugehen.

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In qualitativer Hinsicht gehört es zur Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters, das Vermögen des Schuldners in Besitz zu nehmen, es zu verwalten und die entsprechenden Verzeichnisse vorzubereiten, das Vermögen zu inventarisieren und ggf. zu bewerten und es vor Gefährdungen zu schützen. Ferner hat der vorläufige Insolvenzverwalter über die Aufnahme von Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, die Auskunftspflicht gegenüber dem Schuldner durchzusetzen und die Massedeckung für den Fall der Eröffnung des Verfahrens zu prüfen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 11 Rn. 21). Unter quantitativen Gesichtspunkten liegt der Normalfall der vorläufigen Insolvenzverwaltung bei der Verwaltung eines Unternehmens mit einem Umsatz bis zu 3 Mio. DM, das weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigt und nur 1 Betriebsstätte unterhält, einer Dauer der vorläufigen Verwaltung zwischen 4 und 6 Wochen sowie Forderungen gegen bis zu 100 Schuldnern.

6

Die hier ausgeübte Tätigkeit des Antragstellers als vorläufiger Insolvenzverwalter weicht unter Berücksichtigung der o.g. Kriterien von dem Bild der durchschnittlichen vorläufigen Verwaltung nicht so erheblich ab, daß daraus eine Erhöhung der Grundvergütung auf 40 % gerechtfertigt erscheint. Über die oben dargestellten Tätigkeiten hinaus ist hier lediglich die Dauer der vorläufigen Verwaltung länger als dies für den Normalfall gilt, denn der Antragsteller war knapp 9 Wochen als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig. Darüber hinaus ist hier die Regelvergütung zu erhöhen, weil der Antragsteller als vorläufiger Verwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO ausgestattet war. Zwar soll dies nach der Begründung des Gesetzgebers die regelmäßige Form der Anordnung der vorläufigen Verwaltung sein (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., Rn. 21). Nach Auffassung der Kammer muß sich jedoch die weiterreichende Kompetenz des vorläufigen Verwalters mit Vergütungsbefugnis in der Höhe der Vergütung widerspiegeln, denn dieser vorläufige Verwalter ist regelmäßig einem höheren Haftungsrisiko ausgesetzt als ein vorläufiger Verwalter, der nur mit der Sicherung des Vermögens beauftragt ist (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 11 Rn. 3; vgl. auch Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 22 Rn. 17 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint hier deshalb eine Grundvergütung des Antragstellers in Höhe von 30 % der einem Verwalter zustehenden Vergütung angemessen.

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Nach Festsetzung dieser konkreten Regelvergütung muß sodann geprüft werden, ob Zu- oder Abschläge gem. § 3 InsVV vorzunehmen sind. Hier kommen als Erhöhungstatbestände die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten gem. § 3 Abs. 1a InsVV, die große Anzahl der Gläubiger und die Betriebsfortführung gem. § 3 Abs. 1b InsVV in Betracht. Dabei wird die insoweit vorzunehmende Erhöhung der Vergütung anhand der für den Verwalter anerkannten Zuschläge auf die Regelvergütung in vergleichbaren Fällen bemessen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 11 Rn. 48, 49). Geht man davon aus, daß ein Konkursverwalter für die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte und wegen der erhöhten Anzahl von Gläubigern hier einen Zuschlag von je einem Regelsatz erhalten hätte, ergibt dies nach der InsVV nur noch einen Zuschlag von je 0,25 Regelsatz, denn mit der Neuordnung der Regelsätze in § 2 InsVV entspricht der einfache Regelsatz dem bisherigen vierfachen Satz nach der VergVO. Für die Fortführung des Unternehmens hätte ein Konkursverwalter eine Erhöhung um zwei Regelsätze erhalten, wenn es sich wie hier um eine kurzfristige Fortführung eines kleinen Unternehmens handelte. Auf die Vergütung nach der InsVV bezogen erhielte der Insolvenzverwalter nunmehr eine Erhöhung um 0,5 Regelsatz. Insgesamt ergebe sich damit hier eine Erhöhung um einen Regelsatz für die vom Insolvenzverwalter durchgeführten Tätigkeiten um die über den Normalfall hinausgehenden Erschwernisse auszugleichen. Die Zuschlagsfaktoren für den Insolvenzverwalter schlagen auf die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in dem Verhältnis durch, in dem auch im übrigen die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters an die des Insolvenzverwalters angepaßt ist (vgl. hierzu Beschl. der Kammer v. 19.6.1998 - 10 T 9/98 veröffentlicht in ZinsO 1998, 198). Soweit Haarmeyer/Wutzke/Förster die Zuschläge mit 1/4 bzw. 25 % der für den Verwalter anerkannten Zuschläge bemessen wollen (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., Rn. 49) kann sich dies nach Auffassung der Kammer nur auf die Fälle beziehen, in denen der vorläufige Insolvenzverwalter eine Regelvergütung von 25 % der dem Verwalter zustehenden Vergütung erhält. Beträgt jedoch - wie hier - die Regelvergütung des vorläufigen Verwalters 30 % so sind auch die Zuschläge nach § 3 InsVV i.H.v. 30 % der dem Verwalter zu gewährenden Zuschläge anzusetzen.

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Daraus ergibt sich hier folgende Berechnung:

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Die Normalvergütung des Verwalters beträgt 178.908,64 DM. Hiervon erhält der Antragsteller als Grundvergütung 30 %, mithin 53.672,59 DM. Die Vergütung des Verwalters würde sich um insgesamt einen Regelsatz erhöhen (0,25 für die Aus- und Absonderungsrechte, 0,25 % wegen der überhöhten Gläubigerzahl, 0,5 für die Betriebsfortführung), mithin um weitere 178.908,64 DM. Von diesem Betrag erhält der Antragsteller wiederum 30 %, also weitere 53.672,59 DM, insgesamt also 107.345,18 DM.

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Eine weitere Erhöhung der Vergütung des Antragstellers durch darüber hinausgehende Zuschläge ist hingegen nicht gerechtfertigt.

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Wegen der längeren Dauer der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist eine Erhöhung durch einen gesonderten Zuschlag nicht angezeigt. Vielmehr ist die Dauer von knapp 9 Wochen bereits bei der Festsetzung der erhöhten Regelvergütung berücksichtigt, so daß dem vermehrten Aufwand des Antragstellers insoweit Genüge getan ist.

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Auch wegen der vom Antragsteller vorgetragenen Erhöhung der Aktivmasse, die auf Vertragsverhandlungen mit der Fa. ... zurückzuführen ist, erfolgt kein weiterer Zuschlag. Ein die Vergütung erhöhender Zuschlag kommt nach § 3 InsVV nur in Betracht, wenn konkrete, über den Normalfall hinausgehende Einzelfallerschwernisse vorliegen, die zu einer erheblichen Mehrbelastung des Verwalters geführt haben. Nicht jede Abweichung vom Normalfall rechtfertigt einen Zuschlag, vielmehr muß die Abweichung so signifikant sein, daß bei der Vergütung ein Mißverhältnis entstünde, wenn die Tätigkeit unberücksichtigt bliebe (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 3 Rn. 6). Ein solcher Erhöhungstatbestand ergibt sich hier nicht. Das Führen von Vertragsverhandlungen und der Abschluß von Verträgen ist die übliche im Rahmen der Betriebsfortführung anfallende Tätigkeit des vorläufigen Verwalters, die mit dem Zuschlag für die Betriebsfortführung abgegolten wird. Daß hier die Vertragsverhandlungen über den üblichen Rahmen hinausgegangen sind, ist nicht erkennbar.

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Der Antragsteller kann auch keinen Erhöhungszuschlag für den Erhalt von 19 Arbeitsplätzen beanspruchen. Die Wiedereinstellung dieser 19 Arbeitnehmer war erforderlich, um den Betrieb der Gemeinschuldnerin fortzuführen. Eine über die übliche Tätigkeit des den Betrieb fortführenden vorläufigen Verwalters hinausgehende liegt darin nicht. Entgegen der Auffassung des AG ist die Erhöhung der Vergütung auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich der Antragsteller in erheblichem Umfang mit arbeitsrechtlichen Fragen bzgl. der von den Mitarbeitern der Schuldnerin ausgesprochenen Kündigungen beschäftigen mußte (§ 3 Abs. 1d InsVV). Die Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin hatten sämtlichst am 4.3.1999 die fristlose Kündigung erklärt. Nachdem dem Antragsteller mit Beschl. v. 8.3.1999 aufgegeben worden war, den Betrieb fortzuführen, hat er 19 der früheren Mitarbeiter wieder eingestellt. Daß sich der Antragsteller im Rahmen der Wiedereinstellung dieser Mitarbeiter in erheblichem Umfang mit den zuvor ausgesprochenen Kündigungen befassen und damit arbeitsrechtliche Fragen behandeln mußte, ist indes nicht ersichtlich.

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Mithin verbleibt es bei den o.g. Zuschlägen, die insgesamt 53.672,59 DM betragen. Der Antragsteller erhält also eine Regelvergütung i.H.v. 53.672,59 DM sowie Zuschläge i.H.v. weiteren 53.672,59 DM. Zzgl. der Auslagen i.H.v. 1.135,68 DM und der Umsatzsteuer i.H.v. 17.356,93 DM ergibt sich insgesamt eine zu zahlende Vergütung i.H.v. 125.837,79 DM.