Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.12.2005, Az.: 9 ME 169/05
Aufenthaltsfunktion; fließender Verkehr; Kommunikationsfunktion; Kostenspaltung; Parkstreifen; ruhender Verkehr; Straßenausbaubeitrag; Straßenausbaubeiträge; Verbesserung; verkehrsberuhigte Mischfläche
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.12.2005
- Aktenzeichen
- 9 ME 169/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50845
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 14.04.2005 - AZ: 1 B 3/05
Rechtsgrundlagen
- § 42a Abs 4 StVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auch wenn der Ausbau einer Straße als verkehrsberuhigte Mischfläche mangels hinreichender Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion insgesamt nicht als Verbesserung einzuordnen ist, kann mit der gleichzeitigen erstmaligen Schaffung von Parkstreifen eine Verbesserung für die gesamte Verkehrsanlage durch die gesteigerte Funktionalität zwischen fließendem und ruhendem Verkehr vorliegen.Trotz der ursprünglich beabsichtigten Abrechnung der Ausbaumaßnahme wegen Umwandlung in eine verkehrsberuhigte Wohnstraße ist die Abrechnung der Teileinrichtung Parkstreifen nach einem entsprechenden Kostenspaltungsbeschluss möglich.
Gründe
Die von der Antragsgegnerin eingeschränkt erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Bescheide vom 6. Dezember 2004, mit denen die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einem Straßenausbaubeitrag für das Grundstück B.-Straße C. in Höhe von 5.627,18 € und für das Grundstück B.-Straße D. in Höhe von 6.337,27 € herangezogen hat, wobei die Antragsgegnerin ihre Beschwerde nicht gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für einen den Betrag von 4.387,02 € übersteigenden Teilbetrag für das Grundstück B.-Straße D. richtet.
Da das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, den vom Verwaltungsgericht gewählten Ansatz, dass sich das Teilstück der E.-Straße zwischen der B.-Straße und der F.-Straße als eigenständige Erschließungsanlage darstelle, nicht angreift, beziehen sich die folgenden Ausführungen allein auf dieses Teilstück. Zudem versteht der Senat das Beschwerdevorbringen dahingehend, dass die Antragsgegnerin ihren ursprünglich verfolgten Ansatz einer Abrechnung der gesamten Straßenbaumaßnahmen als Umbau einer herkömmlich ausgebauten Straße zu einer verkehrsberuhigten Wohnstraße (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 der Straßenausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin) nicht weiter verfolgt, sondern nunmehr nur noch eine Abrechnung eines Teils der Ausbaumaßnahmen, nämlich der erstmaligen Herstellung des Parkstreifens beabsichtigt. Die Antragsgegnerin konzentriert sich in ihrer Beschwerde nämlich allein auf die Darlegung einer durch die Anlegung des Parkstreifens eingetretenen Verbesserung der gesamten Verkehrsanlage.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist – soweit sich dies bei der bloß summarischen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes feststellen lässt - durch die erstmalige Anlegung des Parkstreifens eine Verbesserung der ganzen Anlage eingetreten. Die Verbesserung liegt im vorliegenden Fall in der gesteigerten Funktionalität der Straße für den fließenden und den ruhenden Verkehr (vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. § 32 RN 62). Eine über die bloße Unterhaltung oder Reparatur einer Straße hinausgehende Verbesserung liegt vor, wenn sich der Zustand der Straße nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht (z. B. räumliche Ausdehnung, funktionale Aufteilung der Gesamtfläche, Art der Befestigung) von ihrem ursprünglichen Zustand in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat (Beschluss des Senats vom 28.9.2004 - 9 ME 257/03 -; Urteil vom 7.9.1999 - 9 L 393/99 - OVGE 48, 426 = NdsVBl 2000, 66 = KStZ 2000, 74 = NVwZ-RR 2000, 381 = NdsRpfl 2000, 237). Vor dem Ausbau parkten die Fahrzeuge ausweislich der bei dem Verwaltungsvorgang befindlichen Lichtbilder am Rand der Fahrbahn und teilweise auf den Gehwegen. Selbst wenn seinerzeit auf der Fahrbahn Markierungen für einzelne Parkflächen vorhanden gewesen sein sollten, hat die Anlegung der Parkbuchten mit Längsparkplätzen beidseits der E.-Straße trotz des Ausbaus als niveaugleiche Mischfläche die Gebrauchsvorteile der Gesamtanlage erhöht, da der ruhende Verkehr nunmehr durch Sondereinrichtungen sowohl vom fließenden Verkehr als auch vom Gehwegbereich abgesetzt ist. Auch wenn bei dem Umbau einer in der herkömmlichen Aufteilung angelegten Wohnstraße in eine verkehrsberuhigte Wohnstraße mit einer einheitlichen Fläche für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer und die Schaffung einer Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion das eigentliche Ziel der Planungen gewesen sein mögen, stellt sich der tatsächliche Ausbau zugleich als neue Querschnittseinteilung der Straßenoberfläche durch - mittels unterschiedlicher Pflasterung optisch unterstützter – Anlegung besonderer Flächen für den ruhenden und den fließenden Verkehr dar. Die insgesamt gesteigert bewirkte Trennung von ruhendem und fließenden Verkehr durch Bereitstellung besonderer Teilflächen für den ruhenden Verkehr erleichtert die Verkehrsabläufe und damit die Benutzbarkeit der Straße. Aufgrund der vorgelegten Lichtbilder ist davon auszugehen, dass mit dem heutigen Zustand vergleichbare Parkstreifen vor dem Ausbau der E.-Straße dort nicht vorhanden waren, sondern dort lediglich auf der Fahrbahn teilweise unter Einbeziehung des Gehwegs ermöglichte Parkgelegenheiten bestanden.
Soweit mit der funktionellen Anreicherung durch Anlegung besonderer Parkflächen eine Verschmälerung des für die Fußgänger zur Verfügung stehenden Raums einherging, ist darin – nach der im Eilverfahren erkennbaren Sachlage - keine gleichzeitige Verschlechterung zu erblicken, die den Verbesserungseffekt „kompensiert“ und insoweit die Beitragsfähigkeit wieder entfallen lässt. Der für den fließenden und ruhenden Kraftfahrzeugverkehr insgesamt verfügbare Raum ist nicht derart zu Lasten der Breite des Gehwegs ausgedehnt worden, dass der Verbesserungseffekt durch Einbußen für die Nutzer des Gehwegs aufgezehrt würde.
Geht man demnach von einer Verbesserung der E.-Straße durch die Anlegung der Parkstreifen aus, ist der darauf entfallende Aufwand gleichwohl nicht umlagefähig, weil es für die Abrechnung der Teileinrichtung Parkstreifen an dem nach § 3 Abs. 2 S. 2 Straßenausbaubeitragssatzung erforderlichen Kostenspaltungsbeschluss durch den Rat der Antragsgegnerin fehlt. Die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgenommene Umwandlung des Vollbeitragsbescheids in einen Teilbeitragsbescheid für die Verbesserung durch die Parkstreifen ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zwar war die abzurechnende Anlage insgesamt, d. h. in allen ihren Teileinrichtungen entsprechend dem Bauprogramm hergestellt, aber die sachlichen Beitragspflichten für die Ausbaumaßnahme insgesamt sind – wie das Verwaltungsgericht durch von der Antragsgegnerin nicht beanstandete Ausführungen dargelegt hat – dennoch nicht entstanden, weil der Umbau der Straße zu einer verkehrsberuhigten Wohnstraße hinter den an einen solchen Umbau zu stellenden Anforderungen zurückgeblieben ist.
Da es bislang an dem erforderlichen Kostenspaltungsbeschluss mangelt, kann im vorliegenden Verfahren unerörtert bleiben, ob sich die von der Antragsgegnerin vorgelegte Neuberechnung des festzusetzenden Beitrags im Hinblick darauf als tragfähig erweist, dass nur solche Folgekosten auf die Anlieger umgelegt werden können, die tatsächlich in unmittelbarem straßenbautechnischem Zusammenhang mit der Maßnahme – hier Anlegung des Parkstreifens - stehen, die zur Entstehung der Beitragspflicht führt.