Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.12.2005, Az.: 4 A 6300/04
Antrag auf Aufhebung der Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen; Ansehung eines Privatwegs als eine selbstständige oder unselbstständige Anlage; Voraussetzungen für eine Abweichung vom Begriff der Anlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.12.2005
- Aktenzeichen
- 4 A 6300/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 33877
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2005:1219.4A6300.04.0A
Rechtsgrundlage
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, wann ein Privatweg straßenausbaubeitragsrechtlich eine selbstständige oder unselbstständige Anlage darstellt
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Verbesserung der verschiedenen Teileinrichtungen einer kommunalen Wasseranlage ist grundsätzlich beitragsfähig und entsprechende Kosten können von den Kommunen auf die Grundstückseigentümer abgewälzt werden.
- 2.
Eine Kommune hat die Gesamtverteilungsfläche eines Grundstückes falsch ermittelt, wenn sie Grundstücke nicht einbezogen hat, die sie hätte einbeziehen müssen.
- 3.
Hinterliegern wird dann ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil geboten, wenn sie vom Hinterliegergrundstück aus eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer ausgebauten Straße besitzen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Anlieger betimmter Wege über diese eine Zugangsmöglichkeit zu einer Anlage haben.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die teilweise Aufhebung der Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstück "{D.} Nr. 56" (Flurstück 6/1). Das mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück hat eine Größe von 1489 qm. Die Straße "{D.}" ist eine Durchgangsstraße, die von der "{E.}" abzweigt und bis über die {F.}hinaus reicht. Die Widmung der Straße erfolgte am 28.09.1960. Die Straße hat eine Länge von ca. 2800 m. Der streitbefangene Abschnitt wurde in den Jahren 2000/2001 ausgebaut. Bereits zuvor, in den Jahren 1989/1990, war ein davor südlich liegender Abschnitt zwischen "{G.}" und "{H.}" ausgebaut worden.
Am 03.07.2003 beschloss der Rat der Beklagten die Abschnittsbildung und Aufwandspaltung.
Die genaue Lage des gebildeten Abschnitts und der einzelnen Grundstücke ergibt sich aus nachfolgender Skizze: (1)
Mit Bescheid vom 04.11.2003 zog die Beklagte den Kläger zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 11.789,90 EUR heran. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2004 zurückwies.
Dagegen hat der Kläger am 26.10.2004 Klage erhoben.
Mit der Klage verfolgt der Kläger das Ziel einer teilweisen Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Den zunächst erhobenen (weiteren) Einwand, der beitragsfähige Aufwand sei zu hoch bemessen, hält der Kläger nicht mehr aufrecht.
Zur Begründung seiner Klage macht er nunmehr geltend, der Abschnitt im Bereich der Einmündung {H.} sei willkürlich gebildet worden und deswegen rechtswidrig. Die Abschnittsbildung weiche von der tatsächlichen Ausbaustrecke ab. Ausgenommen werde ein wenige Quadratmeter großes Dreieck. Diese willkürliche Abschnittsbildung führe dazu, dass die Grundstücke "{D.} 42" sowie die über eine Garagenzufahrt mit der Ausbaustraße verbundenen Hinterliegergrundstücke "{D.} Nr. 44, 44 a bis c, 46 und 46 a bis c" nicht herangezogen werden könnten.
Darüber hinaus macht der Kläger geltend, dass mehrere Hinterliegergrundstücke zu Unrecht nicht in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke einbezogen worden seien. Dies betreffe die Grundstücke "{D.} 52 a und b, 54 a bis c und 72, 72 a, 74, 74 a". Diese Grundstücke seien durch eine Garagenzufahrt bzw. eine einfache Zufahrt mit der Ausbaustraße verbunden. Diesen Zufahrten fehle es an der Selbstständigkeit, so dass die entsprechenden Grundstücke von der Ausbaustraße unmittelbar bevorteilt seien.
Nach einer Vergleichsberechnung der Beklagten würde sich der auf den Kläger entfallende Beitrag bei einer Einbeziehung aller dieser Grundstücksflächen auf 9.326,13 EUR reduzieren.
Der Kläger beantragt,
den Beitragsbescheid vom 04.11.2003 und den Widerspruchsbescheid vom 27.04.2004 insoweit aufzuheben, als ein höherer Straßenausbaubeitrag als 9.326,13 EUR festgesetzt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
Die vorgenommene Abschnittsbildung sei rechtmäßig. Sie orientiere sich an der Rechtsprechung des Nds. OVG. Nach dieser Rechtsprechung sei zur Bildung eines Abschnittes ein äußeres, in den tatsächlichen Straßenverhältnissen begründetes Merkmal zu wählen. Ein solches Merkmal sei aus Gründen der Rechtssicherheit gewählt worden.
Die vom Kläger genannten Hinterliegergrundstücke seien zu Recht nicht mit einbezogen worden, da diese an als selbstständige Anlagen einzustufenden privaten Wegeflurstücken lägen. Das ergebe sich bereits daraus, dass es sich bei der abzurechnenden Anlage um eine Durchgangsstraße handele. Nach der Rechtsprechung des Nds. OVG erforderten spezifische Grundsätze des Straßenausbaubeitragsrechts eine Abweichung vom Begriff der Anlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts bereits dann, wenn die abzweigende Verkehranlage eine andere Verkehrsbedeutung habe als die abzurechnende Anlage selbst. Danach seien die privaten Anlagen bereits deswegen selbstständig, da sie eine andere Verkehrsbedeutung hätten. Unabhängig davon zeigten auch die Gesamtumstände, dass die privaten Wegeflächen als selbstständige Anliegerstraßen anzusehen seien.
Das Gericht hat die Anlage und die Zuwegungen in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die darin befindliche Sitzungsniederschrift nebst Fotoaufnahmen und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren ist einzustellen, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen. Der Kläger hat sich zwar von vornherein auf eine teilweise Anfechtung der angefochtenen Bescheide beschränkt, hatte aber zunächst auch gerügt, die beitragsfähigen Kosten seien zu hoch, ohne dies im Einzelnen zu konkretisieren. Dieser Einwand wird nicht mehr aufrecht erhalten. Darin liegt eine teilweise Klagerücknahme.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 04.11.2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 27.09.2004 sind insoweit rechtswidrig, als der Kläger zu einem höheren Straßenausbaubeitrag als 10.476,64 EUR herangezogen wird. Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 6 NKAG können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet.
Die Verbesserung der verschiedenen Teileinrichtungen der Anlage "{D.}" ist danach - was vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt wird - beitragsfähig. Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet auch der vom Rat der Beklagten am 03.07.2003 getroffene Beschluss über die Abschnittsbildung keinen rechtlichen Bedenken, so dass die Beitragspflicht entstanden ist, obwohl lediglich ein Abschnitt der Anlage ausgebaut wurde. Entgegen der Auffassung des Klägers würde eine fehlerhafte Abschnittsbildung nicht dazu führen, dass weitere Grundstücke heranzuziehen wären, sondern dazu, dass die Bescheide insgesamt aufzuheben wäre, weil die Beitragspflicht noch nicht entstanden wäre.
Gemäß § 6 Abs. 4 NKAG kann der Aufwand auch für Abschnitte einer Einrichtung ermittelt werden, wenn diese selbstständig in Anspruch genommen werden können. Die Maßstäbe, nach denen Abschnitte gebildet werden können, formuliert das Nds. OVG (Beschluss vom 15.10.2001, - 9 LB 1853/01 -) wie folgt:
"Es muss sich dabei um eine (Straßen-)Strecke handeln, die vorwiegend durch äußere, in den tatsächlichen Verhältnissen begründete Merkmale begrenzt ist und der eine gewisse selbstständige Bedeutung als Verkehrsweg zukommt, d.h. die selbstständig in Anspruch genommen werden kann (vgl. hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht (Stand: Januar 2001), § 8 RdNr. 112). Als zur hinreichenden Begrenzung geeignete Merkmale kommen in Betracht, z.B. einmündende Straßen sowie Plätze, Brücken und Wasserläufe. Durch das Abstellen auf äußerlich erkennbare Merkmale soll verhindert werden, dass selbstständig abzurechnende Abschnitte willkürlich gebildet werden (zur Willkürgrenze bei Mehrkosten von etwa 30% im Erschließungsbeitragsrecht vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.1997 - 8 C 9.96 - DVBl. 1998, 48 = NVwZ 1998, 293 = Buchholz 406.11 § 130 BauGB Nr. 43; Urt. v. 7.6.1996 - 8 C 30.94 - DVBl. 1996, 1325 = Buchholz 406.11 § 130 BauGB Nr. 41)."
Die von der Beklagten vorgenommene Abschnittsbildung, die das südliche Ende des Abschnitts wie folgt beschreibt: "gradlinige Verlängerung der südlichen Grundstücksgrenze des Privatweges auf dem Flurstück 28/1 (nordöstlich Einmündung {H.})", genügt entgegen der Auffassung des Klägers diesen Anforderungen. Diese Abschnittsbildung knüpft an äußerlich erkennbare Merkmale, nämlich einmündende Straßen bzw. Privatwege an, und ist damit nicht willkürlich. Die Kammer hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich die Beschreibung in der Wirklichkeit wieder findet. Die südliche Grenze des Privatweges ist deutlich erkennbar (siehe auch die Lichtbildaufnahme Nr. 14). Es handelt sich bei dem Privatweg um einen einmündungsähnlichen Straßeneinschnitt, der eine Abschnittsbildung rechtfertigt. Dass der Abschnitt auch anders hätte gebildet werden können, steht der Rechtmäßigkeit der gewählten Abschnittsbildung nicht entgegen, da es sich um eine Entscheidung handelt, die im Ermessen steht. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Abschnitt exakt so zu bilden, wie die Straße ausgebaut wurde. Sie konnte den Abschnitt auch kürzer bilden als es dem tatsächlichen Ausbau entspricht. Gehindert war sie allenfalls, den Abschnitt größer zu bilden, da der Abschnitt dann nicht auf ganzer Länge ausgebaut worden wäre. Dass der Abschnitt - wie der Kläger vermutet - nur deswegen so gebildet worden sei, um das Grundstück "{D.} 42", das im Eigentum eines Bediensteten der Beklagten steht, nicht zu erfassen, vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Die Klage hat gleichwohl teilweise Erfolg.
Die Beklagte hat die Gesamtverteilungsfläche falsch ermittelt, weil sie Grundstücke nicht einbezogen hat, die sie hätte einbeziehen müssen. Dabei handelt es sich um die an drei Privatwegen mit den Flurstücksbezeichnungen 8/13 (Weg 1), Flurstücke 7/8, 7/2 (Weg 2) und Flurstücke 43/10, 8/1 (Weg 3) gelegenen Grundstücke. Diese Grundstücke haben nach der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung eine Verteilungsfläche von 2.254 qm (Weg 1), 914 qm (Weg 2) sowie 1.378 qm (Weg 3). Auch diese Grundstücke werden entgegen der Auffassung der Beklagten von der Anlage "{D.}" als sog. Hinterlieger bevorteilt.
Hinterliegern wird dann ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil geboten, wenn sie vom Hinterliegergrundstück aus eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitzen (Nds. OVG, B. vom 11.09.2003, NVwZ-RR 2004, 142; Driehaus, a.a.O., § 35 Rn. 17). Das ist hier zu bejahen. Die Anlieger der genannten Weg haben über diese eine Zugangsmöglichkeit zur Anlage "{D.}". Die Benutzbarkeit dieses Weges ist - was von der Beklagten im Verfahren nicht in Abrede gestellt wurde - auf Dauer gesichert.
Eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt die nächste erreichbare selbstständige Straße (Driehaus, a.a.O., § 35 Rn. 22). Das ist die Anlage "{D.}". Ob eine Sackgasse wie die Privatwege eine selbstständige oder eine unselbstständige Anlage darstellt, beurteilt sich - wie im Erschließungsbeitragsrecht - nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen Verhältnisse vermitteln. Von Bedeutung sind dabei die Länge und die Breite der Anlage, Art und Anzahl der an sie angrenzenden Grundstücke, ihre Ausstattung mit Fahrbahnen, Gehwegen, Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen sowie ihre Funktion im Vergleich zur Funktion der nächstgelegenen öffentlichen Straße (vgl. etwa BVerwG, DVBl. 1970, 839; DÖV 1976, 671; DVBl. 1982, 1056; DVBl. 1984, 683). Nach all diesen Kriterien sind diese Wege als unselbstständig einzustufen.
Sämtliche Wege haben nur eine geringe Länge (zwischen 50 und 70 Metern) und erschließen nur eine geringe Anzahl von Wohngrundstücken (zwischen zwei und vier). Die Inaugenscheinnahme hat ergeben, dass sie sich nach Ausbauzustand und äußeren Eindruck nicht wesentlich unterscheiden von anderen Grundstückszufahrten im Bereich der abgerechneten Anlage, etwa den Zufahrten zu den Grundstücken "{D.} 64" und "{D.} 60 A", die als so genannte Pfeifenstielgrundstücke herangezogen werden, oder der Zufahrt zu dem Grundstück "{D.} 58 A". Die gefertigten Lichtbildaufnahmen belegen dies. Der Weg 3 (Flurstücke 43/10; 8/1) wies zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht sogar einen schlechteren Ausbauzustand als diese Zufahrten auf, weil er nicht befestigt war. Im Übrigen sind die Wege gepflastert und verfügen (teilweise) auch über Entwässerungseinrichtungen, nicht hingegen über Gehwege oder Beleuchtungseinrichtungen. Die Fläche des Weges 1 (Flurstück 8/13) ist im Bereich östlich der Garagen abgesehen von einem drei Meter breiten befestigten Streifen, der zum Teil von Nadelbäumen überwachsen ist, als Gartenfläche ausgestaltet (siehe Fotoaufnahme Nr. 4). Im vorderen Bereich vermittelt dieser den Eindruck eines Garagenhofes und wird auch so genutzt. Zu einer Einstufung als unselbstständige Anlagen gelangt man auch dann, wenn auf das Maß der Abhängigkeit dieser Wege zu der Straße "{D.}" abgestellt wird. Auch nach diesem Maßstab stellen sich die Wege als bloße Anhängsel dar und sind daher unselbstständig.
Die Wege sind auch aus anderen Gründen nicht als selbstständig anzusehen. Zwar gebieten in Ausnahmefällen spezifische Grundsätze des Straßenausbaubeitragsrechts eine Abweichung vom Begriff der Anlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts (Nds. OVG, B. vom 30.01.1998, NVwZ-RR 1999, 196). Das ist etwa dann der Fall, wenn einem Straßenzug, von dem eine befahrbare Sackgasse abzweigt, eine andere Verkehrsbedeutung zukommt als der Sackgasse selbst, weil die Verkehrsbedeutung einer Straße - anders als im Erschließungsbeitragsrecht - Auswirkungen auf die Höhe des auf die Beitragspflichtigen umzulegenden Aufwands hat (vgl. Nds. OVG, a.a.O.). Dies kann nach Auffassung der Kammer aber nur dann gelten, wenn es sich bei der abzweigenden Sackgasse um eine öffentliche Anlage handelt. Bei Privatwegen ist eine Abweichung von der erschließungsbeitragsrechtlichen Betrachtungsweise nicht geboten, weil Privatwege nicht abgerechnet werden können (a.A. Nds. OVG, a.a.O.). Das Nds. OVG stellt zur Begründung seiner abweichenden Auffassung darauf ab, dass es für die Abgrenzung einer selbstständigen Anlage von einem unselbstständigen Bestandteil einer Hauptstraße nicht maßgeblich sein könne, ob die zu beurteilende Anlage öffentlicher oder privater Natur sei (Nds. OVG, a.a.O.), begründet dies aber nicht. Zu überzeugen vermag dieser Gedanke nicht. Wenn eine Abweichung vom erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff nur insofern in Betracht kommen soll, als spezifisch straßenausbaubeitragsrechtliche Grundsätze eine Abweichung gebieten - das ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Nds. OVG -, dann ist eine Abweichung dann nicht zulässig, wenn - wie bei privaten Wegen - straßenausbaubeitragsrechtliche Grundsätze eine solche Abweichung nicht gebieten - auch wenn dies dazu führt, dass im Einzelfall öffentliche und private Anlagen im Straßenausbaubeitragsrecht unterschiedlich beurteilt werden. Folgende Überlegung bestätigt dies: Eine Abweichung vom erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff ist - so auch das Nds. OVG - nur dort geboten, wo beiden Straßenzügen eine unterschiedliche Verkehrsbedeutung zukommt. Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. Die Auffassung des Nds. OVG zu Grunde gelegt, müssten die Anlieger einer privaten unselbstständigen Sackgasse immer dann herangezogen werden, wenn der Straßenhauptzug ebenfalls eine Anliegerstraße wäre (weil der Beitragssatz für beide Straßentypen in den Satzungen regelmäßig der gleiche ist). Sie könnten aber dann nicht herangezogen werden, wenn beiden Straßentypen eine unterschiedliche Verkehrsbedeutung zukäme. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen rechtfertigenden Grund, weil die Anlieger - anders als bei einer öffentlichen Anlage - die Kosten für die private Anlage in beiden Fällen selbst zu tragen haben. Das Vorliegen eines die Straßenausbaubeitragspflicht begründenden Vorteils kann für ein an einer privaten Straße gelegenes Grundstück nicht davon abhängen, welche Verkehrsbedeutung der angrenzenden Hauptstraße zukommt.
Durch die Einbeziehung der genannten Grundstücke erhöht sich die beitragsfähige Fläche von 36.266,1250 qm auf 40.812,125 qm. Das ergibt bei einem beitragsfähigen Aufwand in Höhe von 287.155,12 EUR einen Beitragssatz von 7,0360247 EUR/m² beitragsfähiger Fläche (statt bisher 7,9179984 EUR/m²). Für das Grundstück des Klägers errechnet sich daraus ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von 10.476,64 EUR. Soweit ein höherer Ausbaubeitrag festgesetzt wurde, hat die Klage Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGo-in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Die Berufung wird zugelassen, weil von der Entscheidung des Nds. OVG vom 30.01.1998 (Az.: 9 M 2815/96) abgewichen wird und das Urteil auf dieser Abweichung beruht (§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).