Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.12.2005, Az.: 9 ME 352/04

Beitragserhebungspflicht; Erschließungsbeitrag; Verwirkung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.12.2005
Aktenzeichen
9 ME 352/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50827
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 02.11.2004 - AZ: 6 B 1498/04

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Antragsteller gegenüber seiner Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von (aktuell noch) 4.738,94 € für die Herstellung der Straße „B.“ in der Mitgliedsgemeinde Cadenberge der Antragsgegnerin durch Bescheid vom 18. Februar 1997 in der Fassung der Änderung durch den Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2004 nicht mit Erfolg einwenden kann, der Beitragsanspruch sei verwirkt, weil über seinen Widerspruch erst nach nahezu siebeneinhalb Jahren entschieden worden sei. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.

2

Die Verwirkung eines Anspruchs auf Erschließungsbeiträge kommt nach der vom Verwaltungsgericht zitierten ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ergänzend Beschl. v. 20.12.2002 – 9 ME 396/02 – ; Driehaus,  Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2001, § 19 RdNr. 47) nur in Betracht, wenn ein entstandener Beitragsanspruch über einen unangemessen langen Zeitraum hinaus nicht geltend gemacht wird und überdies die Gemeinde durch ihr Verhalten dem Beitragspflichtigen gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Beitrag nicht (mehr) schulde oder mit einer Heranziehung nicht mehr zu rechnen brauche, der Pflichtige sich darauf verlassen hat, sich nach den Umständen des Einzelfalls darauf verlassen durfte und sich demzufolge auf die Nichterhebung des Beitrags eingerichtet hat, so dass die Geltendmachung des Beitrags unter diesen Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Dem Antragsteller ist zuzustimmen, dass die zeitliche Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung hier offensichtlich gegeben ist. Auch versteht der Senat den Unmut des Antragstellers darüber, dass die Antragsgegnerin nach der 1997 erfolgten Aussetzung des Sofortvollzugs des angefochtenen Bescheides bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und drei vergeblichen Vergleichsgesprächen im Folgejahr dann von 1999 bis Mai 2004 in der Widerspruchsangelegenheit untätig geblieben ist. Doch fehlt es an dem für die Annahme der Verwirkung erforderlichen Verhalten der Beitragsgläubigerin (Gemeinde Cadenberge) und/oder der Antragsgegnerin, die nach § 72 Abs. 5 NGO die Kassengeschäfte ihrer Mitgliedsgemeinden führt und für diese die Gemeindeabgaben veranlagt und erhebt, aufgrund dessen ein solcher Vertrauenstatbestand hätte entstehen können. Der Auffassung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe durch den letzten Absatz ihres an ihn gerichteten Schreibens vom 27. August 1997 und den Umstand, dass sie danach mehr als sieben Jahre untätig geblieben sei, konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie auf den Erschließungsbeitrag verzichten wolle, und dadurch einen solchen Vertrauenstatbestand geschaffen, teilt der Senat nicht. Der letzte Absatz des Schreibens vom 27. August 1997 hat den folgenden Wortlaut:

3

„Habe ich bis zum 15.09.1997 keine weitergehende Mitteilung von Ihnen erhalten, wird der Rat der Samtgemeinde Am Dobrock über Ihren Widerspruch nach Aktenlage entscheiden.“

4

Dieser Satz konnte beim Antragsteller zwar die Erwartung begründen, dass nunmehr in absehbarer Zeit über seinen Widerspruch entschieden werden würde und insoweit nicht noch sieben Jahre vergehen würden. Auch hätte es nahegelegen, dem Antragsteller zumindest eine Zwischennachricht zukommen zu lassen, nachdem aufgrund anwaltlicher Beratung feststand, dass die zunächst erfolgte gemeinsame Abrechnung der Straßen im Baugebiet „C.“ in Cadenberge rechtswidrig war und die Straße „B.“ - wie dann auch geschehen - als selbstständige Erschließungsanlage abgerechnet werden sollte. Indes kann den zitierten Ausführungen nichts dazu entnommen werden, mit welchem Ergebnis über den Widerspruch entschieden werden würde, und lässt sich daraus auch in Verbindung mit der anschließenden siebenjährigen Untätigkeit der Antragsgegnerin keinesfalls ableiten, dass diese den der Gemeinde Cadenberge zustehenden Erschließungsbeitrag trotz der in § 127 Abs. 1 BauGB begründeten Beitragserhebungspflicht im Falle des Antragstellers nicht mehr in korrekter – gegenüber dem Ausgangsbescheid um 2.946,77 € reduzierter – Höhe festsetzen werde.

5

Eine gerichtliche Aussetzung des kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Beitragsbescheides allein deshalb, um dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, „ zwecks weiterer Spezifizierung seines Vorbringens gewissermaßen einen Aktencontainer durchzusehen“, sieht § 80 Abs. 5 VwGO nicht vor. Sollte der Antragsteller meinen, die Heranziehung sei aus einem anderen als dem im Beschwerdeverfahren ausschließlich substantiiert dargelegten - nicht durchgreifenden – Grund rechtswidrig, so kann er im Hauptsacheverfahren Akteneinsicht nehmen und ergänzend vortragen. Dies gilt auch für seine Behauptung, sein Grundstück sei entgegen den Angaben im Liegenschaftskataster des Amtsgerichts D. nicht 807 m² groß.