Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.12.2005, Az.: 12 ME 401/05
Ausbildungsförderung; Bachelor of Science
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.12.2005
- Aktenzeichen
- 12 ME 401/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50831
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 11.08.2005 - AZ: 5 B 347/05
Rechtsgrundlagen
- § 50 Abs 1 S 4 BAföG
- § 7 Abs 1 BAföG
- § 7 Abs 2 BAföG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der nach einem Studium in den USA erworbene Abschluss als "Bachelor of Science" kann als berufsqualifizierend i.S.v. § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BAföG gelten, wenn er die Aufnahme von beruflichen Einstiegs-Positionen in der Wirtschaft ermöglicht. In das (Bachelor-)Studium einbezogene Grundkurse ("General Studies") können auf den Zeitraum berufsbildender Ausbildung angerechnet werden.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag abgelehnt worden ist, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller auf der Grundlage seines Antrags vom 28. Oktober 2003 Ausbildungsförderung für sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität B. zu gewähren, ist unbegründet.
Der gerichtliche Eilantrag hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil es an der hinreichenden Geltendmachung eines für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrunds für den Antrag fehlt. Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung des Auszubildenden geleistet (§§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 1 BAföG). Wegen der existenzsichernden Funktion der Ausbildungsförderung setzt der Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung einen aktuellen, nicht anderweitig gedeckten Bedarf voraus, der auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch fortbestehen muss (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn. 1258). Beantragt der Auszubildende erst im Laufe des Bewilligungszeitraums oder danach beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung, so besteht für die bereits abgelaufenen Monate des Bewilligungszeitraums grundsätzlich kein Anordnungsgrund (Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand: Mai 2005, § 54 Rn. 15.3 m.w.N.). Der vorliegende Antrag scheitert bereits aus diesem Grunde. Denn Gegenstand des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und der vom Antragsteller erhobenen Verpflichtungsklage (Az. des Verwaltungsgerichts: 5 A 486/05) ist der abschlägig beschiedene Antrag auf Ausbildungsförderung des Antragstellers vom 28. Oktober 2003, der sich entsprechend der Regelung in § 50 Abs. 3 BAföG auf einen zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum bis September 2004 bezogen hat. Etwaige Rückstände, die sich auf diesen abgelaufenen Zeitraum beziehen, kann der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht durchsetzen. Er ist vielmehr auf das Verfahren in der Hauptsache zu verweisen.
Zur Frage gegenwärtiger Ansprüche auf Ausbildungsförderung verhält sich der Antragsteller nicht. Er hat nicht dargetan und es ist auch sonst nicht zu erkennen, dass er im Anschluss an seinen Antrag vom 28. Oktober 2003 einen oder weitere Folgeanträge für den gegenwärtigen Zeitraum gestellt und die Antragsgegnerin einen solchen Antrag abschlägig beschieden hat. Soweit ersichtlich, hat er auch keine Bewilligungsunterlagen in aktualisierter Form nachgereicht, so dass ein gegenwärtiger Ausbildungsförderungsbedarf weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollzogen werden kann und es insoweit jedenfalls an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag fehlt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre im Übrigen auch unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den erforderlichen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu Recht als nicht gegeben erachtet hat.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seines Beschlusses ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Antragsgegnerin an die bestandskräftige Ablehnung des vom Antragsteller bereits zuvor beim Studentenwerk C. gestellten Ausbildungsförderungsantrags gebunden sei und deshalb Ausbildungsförderung nur unter Aufhebung der damaligen Entscheidung nach § 44 SGB X gewährt werden könne. Denn der Förderungsanspruch des Antragstellers sei jedenfalls nach summarischer Prüfung nicht begründet. Dem Antragsteller könne für das Studium an der Universität B. Ausbildungsförderung nicht nach § 7 Abs. 1 BAföG gewährt werden, weil er durch das im September 1998 aufgenommene Studium an der D. University in den USA und den dort erlangten Abschluss des „Bachelor of Science“ einen berufsqualifizierenden Abschluss erlangt und damit den Anspruch auf eine Grundförderung gemäß § 7 Abs. 1 BAföG verbraucht habe. Der Abschluss als „Bachelor of Science“ qualifiziere die Absolventen für Einstiegspositionen in der Wirtschaft, so dass der Einwand des Antragstellers unbegründet sei, berufsqualifizierend sei erst der nach einer Weiterführung des Studiums in den USA zu erwerbende „Master-Grad“. Der Antragsteller habe auch bereits drei Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG absolviert. Dass der erste Teil des Studiums an der D. University als Allgemeinstudium („General Studies“) angelegt gewesen sei, ändere daran nichts. Der Antragsteller erfülle weiterhin nicht die Voraussetzungen für eine Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 2 BAföG.
Der Antragsteller macht dagegen im Wesentlichen unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags geltend, der Abschluss als „Bachelor of Science“ sei nicht berufsqualifizierend im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG, weil er ohne den weiteren Abschluss im Master-Studiengang wertlos sei und in den USA allenfalls die Aufnahme eines „basic job“ ermögliche, nicht aber zu einer konkreten Berufsausübung hinführe. Er habe jedenfalls nicht einen Zeitraum von drei Jahren berufsbildender Ausbildung absolviert. Dem Fachstudium vorangegangen seien allgemeinbildende Grundkurse, die nicht zu berücksichtigen seien. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für eine Förderung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG vor.
Mit seinem Vorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, verkennt der Antragsteller die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit der Durchsetzung eines Anspruchs auf Ausbildungsförderung im Eilverfahren wird die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen. Eine – hier allein – in Betracht kommende Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann deshalb nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und er weiterhin schlechthin unzumutbaren, anders nicht abzuwendenden Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens verwiesen werden würde (vgl. Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rn. 1254 m.w.N.; ähnlich: Rothe/Blanke, a.a.O., § 54 Rn. 15.4: Der Anspruch muss mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sein). Die Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Rechtsverfolgung des Antragstellers in der Hauptsache hat nach derzeitigem Sach- und Streitstand keine überwiegende Aussicht auf Erfolg. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, d. h. es spricht Überwiegendes dafür, dass der streitige Anspruch des Antragstellers auf Ausbildungsförderung nicht gegeben ist.
Die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass der vom Antragsteller erworbene Abschluss des „Bachelor of Science“ berufsqualifizierend i. S. von § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BAföG sei, deckt sich mit der Begründung des OVG Hamburg in dessen Beschluss vom 26. September 2003 (4 Bs 362/03), der den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung von Ausbildungsförderung für das vom Antragsteller zunächst im Wintersemester 2002/2003 an der Universität C. aufgenommene Studium der Betriebswirtschaftslehre zum Gegenstand hatte. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts wird in tatsächlicher Hinsicht auch gestützt durch die Stellungnahmen der D. University vom 20. September und 23. Oktober 2004 und durch die Stellungnahme der E. vom 22. März 2005. In der zuletzt genannten Stellungnahme, die auf ausdrückliches Verlangen des Antragstellers eingeholt wurde, ist ausgeführt worden, dass Bachelor-Grade in den Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften in den USA zwar in der Regel keine berufliche Qualifikation vermitteln, sondern Bildungsstufen darstellen. Im Falle des Antragstellers sei allerdings das Studium eines anwendungsbezogenen Faches des „International Business“ nachgewiesen, welches nach Umfang und Niveau einem abgeschlossenen deutschen Fachhochschulstudium entspreche und in den USA zu entsprechenden Tätigkeiten qualifiziere. Der Einwand des Antragstellers, in den USA gebe es weder rechtliche Vorschriften noch typische Berufsbilder, die den Abschluss als Bachelor zur Berufsausübung voraussetzten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn der Begriff des berufsqualifizierenden Abschlusses setzt nicht voraus, dass die berufliche Tätigkeit nur nach einer entsprechenden Ausbildung ausgeübt werden kann (Rothe/Blanke, a.a.O., § 7 Rn. 10). Entscheidend ist hier, dass der an der D. University erworbene Abschluss den Antragsteller befähigt, zumindest Einstiegspositionen in der Wirtschaft zu bekleiden. Dass eine derartige Möglichkeit besteht, wird vom Antragsteller selbst eingeräumt.
Der Hinweis des Antragstellers auf den Beschluss des OVG Hamburg vom 12. November 2003 (4 Bs 352/03) geht fehl. Das OVG Hamburg hat darin zur Begründung seiner Auffassung, der Abschluss als „Bachelor of Science“ sei berufsqualifizierend i. S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG, zwar auf konkret vorliegende Nachweise über Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen. Es hat aber nicht, wie vom Antragsteller behauptet, einen dahingehenden Nachweis als zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines berufsqualifizierenden Abschlusses erachtet.
Mit seinem Vortrag, er habe durch sein Studium an der D. University einen dreijährigen Zeitraum berufsbildender Ausbildung i. S. von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG noch nicht ausgeschöpft, dringt der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht durch. Berufsbildend i. S. dieser Vorschrift ist eine Ausbildung, die eine berufliche Grundbildung oder berufliche Fachkenntnisse und –fertigkeiten vermittelt (Rothe/Blanke, a.a.O., § 7 Rn. 6). Eine weiterführende allgemeinbildende Ausbildung liegt im Gegensatz dazu vor, wenn sie – nach der Grundschule – auf einen Abschluss des allgemeinbildenden Schulwesens hinführt, wozu in Deutschland insbesondere der Besuch von Haupt- und Realschulen, Gymnasien, Fachoberschulen und Ausbildungsstätten des zweiten Bildungsweges gehört (vgl. Rothe/Blanke, a.a.O., § 7 Rn. 5). Auch wenn das Studium des Antragstellers an der D. University zunächst mit nicht fachspezifischen Grundkursen begonnen hat („General Studies“), so spricht nach dieser Unterscheidung Überwiegendes dafür, dass es sich dabei nicht um eine lediglich allgemeinbildende Ausbildung gehandelt hat. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, denen der Antragsteller nicht überzeugend entgegengetreten ist, sind die „General Studies“ vielmehr nach dem Konzept der Bachelor-Programme in das Bachelor-Studium einbezogen.
Der Antragsteller hat aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG. Mit seinem dahingehenden Vortrag ist er voraussichtlich ausgeschlossen. Dass das Studium der Betriebswirtschaft als weitere Ausbildung nicht gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG (dem Grunde nach) förderungsfähig ist, hat das Studentenwerk C. bereits in dem vorangegangenen Ausbildungsförderungsverfahren mit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 6. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2003 festgestellt. Die Entscheidung gilt gemäß § 50 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BAföG für den ganzen Ausbildungsabschnitt, d. h. auch nach dem Wechsel des Studienorts und der Fortsetzung des Studiums der Betriebswirtschaftslehre an der Universität B.. Im Übrigen hat der Antragsteller mit der Beschwerde nicht näher dargelegt, weshalb in seinem Falle besondere Umstände i. S. von § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG vorliegen sollen, die eine Gewährung von Ausbildungsförderung für eine weitere Ausbildung erfordern. Der Anspruch erschließt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Soweit der Antragsteller auf sein erstinstanzliches Vorbringen verweist, genügt er dem Darlegungserfordernis gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht.
Im Hinblick auf die zuvor gemachten Ausführungen kann der Senat es im vorliegenden Verfahren – ebenso wie das Verwaltungsgericht – offen lassen, ob und inwieweit der Antragsteller sich über den Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BAföG hinaus die bestandskräftige Ablehnung seines beim Studentenwerk C. im Oktober 2003 gestellten Antrags auf Ausbildungsförderung für das Studium der Betriebswirtschaftslehre entgegenhalten lassen muss.