Staatsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2008, Az.: StGH 2/07

Demokratieprinzip; Abstrakte Normenkontrolle; Vollzugsdefizite; Hoheitliche Befugnisse; Hoheitsgewalt; Beleihung; Neutralitätsgebot; demokratische Legitimation; Legitimation; personelle Legitimation; sachlich-inhaltlicheLegitimation; Maßregelvollzug

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
05.12.2008
Aktenzeichen
StGH 2/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55143
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Art. 60 Satz 1 NV beschränkt sich in seinem Anwendungsbereich nicht auf die Binnenstruktur der Landes- und Kommunalverwaltung, sondern bezieht sich auf sämtliche öffentlichen Aufgaben, bei deren Wahrnehmung hoheitsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden. Die Vorschrift ist deshalb auch bei der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch beliehene Private anwendbar.
2. Mit dem Begriff der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in Art. 60 Satz 1 NV werden zumindest diejenigen öffentlichen Aufgaben erfasst, bei deren Wahrnehmung einseitig grundrechtsrelevante Entscheidungen gegenüber den Adressaten getroffen werden. Auf die Abgrenzung zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung kommt es hierbei nicht an.
3. Die nach Art. 60 Satz 1 NV zulässigen Ausnahmen und ihre Rechtfertigung sind nach dem Zweck der Norm zu bestimmen, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das staatliche Gewaltmonopol zu sichern. Für eine Durchbrechung der in Art. 60 Satz 1 NV enthaltenen Regel sind ein rechtfertigender Gemeinwohlbelang und eine Einzelbetrachtung der den Nichtbeamten übertragenen Befugnisse erforderlich. Dem Gesetzgeber kommt hinsichtlich der Gemeinwohlbelange ein weiter Prognose- und Gestaltungsspielraum zu.
4. Das in Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 NV niedergelegte Demokratieprinzip gebietet es, dass im Falle der Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf juristische Personen des Privatrechts oder Personengesellschaften im Wege der Beleihung die natürlichen Personen, die diese Befugnisse tatsächlich ausüben, über eine personelle demokratische Legitimation verfügen. Fachaufsichtsrechtliche Befugnisse gegenüber den Beliehenen zur Kontrolle der Recht- und Zweckmäßigkeit bei Erledigung der übertragenen Aufgaben genügen dem Demokratieprinzip nicht.
5. Die sachlich-inhaltliche Legitimation von Beliehenen, die ebenfalls aus dem Demokratieprinzip abzuleiten ist, erfordert bei Aufgaben, deren Wahrnehmung mit erheblichen Grundrechtseingriffen für die Betroffenen verbunden sind, in der Regel unmittelbare Weisungsrechte der staatlichen Fachaufsicht gegenüber den einzelnen Funktionsträgern. Der Fachaufsicht muss deshalb gesetzlich eine begleitende Aufsicht vor Ort ermöglicht werden.
6. Durch eine nach diesen Grundsätzen effektive Fachaufsicht vor Ort kann eine fehlende personelle demokratische Legitimation der tatsächlich handelnden Funktionsträger einer beliehenen Gesellschaft nicht ausgeglichen werden.

Tenor:

1. Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 25. Januar 2007 (Nds. GVBl. S. 51) ist insoweit mit Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 (Demokratieprinzip) der Niedersächsischen Verfassung unvereinbar, als die Bediensteten der beliehenen Krankenhausträger zu grundrechtseinschränkenden Maßnahmen befugt sind, ohne von einer staatlichen Behörde hierzu bestellt worden zu sein.

2. Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 25. Januar 2007 (Nds. GVBl. S. 50) ist insoweit mit Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 (Demokratieprinzip) der Niedersächsischen Verfassung unvereinbar, als die Bediensteten der beliehenen Krankenhausträger zu grundrechtseinschränkenden Maßnahmen befugt sind, ohne hierzu von einer staatlichen Behörde bestellt worden zu sein, und bei ihrer Tätigkeit keiner unmittelbar weisungsbefugten Fachaufsicht unterliegen.

3. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2010 durch Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes und des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke eine Regelung zu treffen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Bis zu diesem Zeitpunkt gelten die Gesetze in ihrer gegenwärtigen Fassung fort.

Gründe

A.

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob §§ 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4, 3 a und 5 a des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes in der Fassung des Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 25. Januar 2007 – Nds. MVollzG n. F. – und § 15 Abs. 1 bis 3 des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 25. Januar 2007 – NPsychKG n. F. – mit der Niedersächsischen Verfassung – NV –, insbesondere mit Art. 60 Satz 1 NV und dem Demokratieprinzip der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 NV, vereinbar sind.

I.

1. Nach § 1 des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 1. Juni 1982 (Nds. GVBl. S. 131), geändert durch das Gesetz zur Anpassung des Landesrechts an das Betreuungsgesetz vom 17. Dezember 1991 (Nds. GVBl. S. 367) – Nds. MVollzG – ist der sachliche Anwendungsbereich dieses Gesetzes auf den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt beschränkt. Mit diesen Formulierungen nimmt das Gesetz Bezug auf §§ 61 Nr. 1, 2 und 63 f. StGB, die die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Verhängung derartiger Maßregeln der Besserung und Sicherung enthalten.

Sachlich zuständig für die Unterbringungsanordnungen sind die Strafgerichte als erkennende Gerichte der ersten Instanz, wobei die Verhängung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus durch die Amtsgerichte nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 GVG ausgeschlossen ist. Die Anordnungen ergehen im Regelfall als Teil des Rechtsfolgenausspruchs im strafgerichtlichen Urteil. Hat aber wegen der Schuldunfähigkeit oder der Verhandlungsunfähigkeit des Täters eine Hauptverhandlung nicht stattgefunden, so kann die Verhängung auch nach Abschluss eines selbständigen Sicherungsverfahrens durch das Strafgericht in einem Urteil erfolgen (§ 71 Abs. 1 StGB i. V. m. §§ 413, 414 Abs. 2 Satz 4 StPO). Entscheidungen über die Beendigung einer Unterbringung im Wege der Aussetzung ihrer Vollstreckung zur Bewährung (vgl. §§ 67 c Abs. 1, 67 d Abs. 2 i. V. m. § 67 e StGB) oder durch Erledigungserklärung (vgl. §§ 67 c Abs. 2 Satz 5, 67 d Abs. 6 StGB) sind im Regelfall der Strafvollstreckungskammer nach § 463 Abs. 1 i. V. m. § 462 a Abs. 1 StPO vorbehalten.

Von den gesetzlichen Vorschriften, die die Anordnung, ihre Vollstreckbarkeit und die Beendigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt als Maßregeln der Besserung und Sicherung regeln, ist das Maßregelvollzugsrecht zu unterscheiden. Hierunter fallen die Bestimmungen, die die Voraussetzungen für Eingriffe in Rechte der Patienten, soweit diese über die bloße Aufrechterhaltung des Freiheitsentzugs hinausgehen, und deren Grenzen, die Ansprüche, die die Patienten im Maßregelvollzug zur Gewährleistung eines ihrer Menschenwürde entsprechenden Lebensraums im Krankenhaus haben, und die Rechtsstellung des Behandlungspersonals in vollzugsrechtlicher Hinsicht regeln.

Grundzüge des Maßregelvollzugsrechts waren zunächst in §§ 136 bis 138 StVollzG normiert, die bis zur Neuregelung der Materie durch den Landesgesetzgeber fortgalten. § § 136 f. StVollzG enthielten Konkretisierungen der bereits in § § 63 f. StGB festgeschriebenen Zielsetzungen bei der Behandlung im Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. einer Entziehungsanstalt. § 138 Abs. 3 StVollzG verwies zur Regelung des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Bediensteten der Einrichtungen im Maßregelvollzug auf die §§ 109 bis 121 StVollzG. § 138 Abs. 1 Satz 2 StVollzG erklärte darüber hinaus die Vorschriften zum Pfändungsschutz des Überbrückungsgeldes in § 51 Abs. 3, 4 StVollzG und der Entlassungsbeihilfe in § 75 Abs. 3 StVollzG für entsprechend anwendbar.

Der niedersächsische Gesetzgeber erließ am 14. Dezember 2007 das Gesetz zur Neuregelung des Justizvollzugs in Niedersachsen (Nds. GVBl. S. 720). Abweichend von § 1 StVollzG umfasst der sachliche Regelungsbereich dieses Gesetzes nicht mehr die freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung, sondern nur noch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Sinne der §§ 61 Nr. 3, 66 StGB. Die Neuregelung der §§ 136 bis 138 StVollzG durch Landesrecht soll nach dem Willen des historischen Gesetzgebers aus systematischen Gründen in einem Änderungsgesetz zum Nds. MVollzG erfolgen (vgl. Entwurfsbegründung, Nds. LT-Drs. 15/3565, S. 66, 80). Das Gesetz trat nach Art. 5 zum 1. Januar 2008 in Kraft.

Die verbleibende Lücke insbesondere hinsichtlich der grundrechtseinschränkenden Befugnisse der Bediensteten zur Durchführung der Behandlung, zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Krankenhaus und zur Gewährleistung der Sicherheit wird in Niedersachsen durch die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen in §§ 6 ff. Nds. MVollzG geschlossen. So hat der Untergebrachte z. B. die erste und alle weiteren ärztlichen Untersuchungen und die gebotenen ärztlichen und therapeutischen Behandlungsmaßnahmen zu dulden und an ihnen mitzuwirken bzw. sie zu unterstützen (§§ 6 Abs. 3 Satz 2, 8 Abs. 1 Satz 3 Nds. MVollzG), der seelsorgerische Umgang kann beschränkt (§ 10 Abs. 1 Nds. MVollzG), der Besitz an seinen Sachen ihm vorenthalten oder entzogen werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nds. MVollzG). Ihm kann nach § 19 Abs. 2 Nds. MVollzG auferlegt werden, von der Einrichtung angeordnete Kleidung zu tragen. Der Besitz und die Verwendung eigener Tonträger können davon abhängig gemacht werden, dass der Untergebrachte ihrer Überprüfung zustimmt (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Nds. MVollzG). Sein Postverkehr und seine Telefongespräche können überwacht oder unterbunden werden (§ 21 Abs. 1, 4 Nds. MVollzG), auch Beschränkungen des Hörfunk- und Fernsehempfangs sind nach Maßgabe des § 21 Abs. 6 Nds. MVollzG zulässig. § 22 Nds. MVollzG erlaubt die Durchsuchung der Unterbringungsräume des Patienten, seiner Sachen und seiner Person. Einen Katalog weiterer besonderer Sicherungsmaßnahmen enthält § 23 Nds. MVollzG. Zur Durchsetzung der Beschränkungen kann nach § 18 Abs. 2 Nds. MVollzG unmittelbarer Zwang angewandt werden. Gegen Verwaltungsakte zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Maßregelvollzugs kann der Untergebrachte bis zu einer weiteren Novellierung des Nds. MVollzG nach § § 138 Abs. 3, 109 Abs. 1 StVollzG einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Zuständig für die Entscheidung ist nach § 110 StVollzG die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die Einrichtung ihren Sitz hat. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung, eine solche kann aber durch das Gericht angeordnet werden (§ 114 Abs. 1 und 2 StVollzG).

2. Die materiellen Voraussetzungen zur Unterbringung einer Person nach dem Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 16. Juni 1997 (Nds. GVBl. S. 272), geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung im Geschäftsbereich des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit vom 5. November 2004 (Nds. GVBl. S. 404) – NPsychKG – regelt dessen § 16, der folgenden Wortlaut hat:

„ § 16 Voraussetzungen der Unterbringung

Die Unterbringung einer Person ist nach diesem Gesetz nur zulässig, wenn von ihr infolge ihrer Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 1 Nr. 1 eine gegenwärtige erhebliche Gefahr (§ 2 Nr. 1 Buchst. b und c Nds. SOG) für sich oder andere ausgeht und diese Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.“

Über die Unterbringung entscheidet das Vormundschaftsgericht auf Antrag der zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte (§ 17 Abs. 1 Satz 1 NPsychKG). In der Entscheidung ist der Zeitpunkt festzulegen, an dem die Unterbringungsmaßnahme endet, wenn sie nicht vorher verlängert wird (§§ 70 Abs. 1 Nr. 3, 70 f Nr. 3 FGG). Kann die gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann die zuständige Behörde eine vorläufige Einweisung verfügen, die dann aber der Bestätigung durch das Vormundschaftsgericht bedarf (§ 18 Abs. 1 und 2 NPsychKG). Die untergebrachte Person ist zu entlassen, wenn das Vormundschaftsgericht die Unterbringungsmaßnahme aufhebt oder deren Vollziehung nach § 28 NPsychKG aussetzt, die Unterbringungsfrist abgelaufen ist oder im Fall der vorläufigen Einweisung ein bestätigender Unterbringungsbeschluss des Gerichts nicht rechtzeitig vorliegt (§ 27 Abs. 2 NPsychKG).

Während der Unterbringung hat der Patient die verschiedensten Beschränkungen seiner grundrechtlich geschützten Freiheiten zu dulden. So muss er eine ärztliche Untersuchung zu Beginn seines Aufenthalts und später die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen hinnehmen (§§ 20, 21 Abs. 3 NPsychKG). § 21 Abs. 3 NPsychKG hat folgenden Wortlaut:

„Ist eine Einwilligung im Sinne des Absatzes 2 nicht erteilt, so hat die untergebrachte Person eine Heilbehandlung zu dulden, wenn diese notwendig ist, um

1.diejenige Krankheit oder Behinderung zu heilen oder lindern, wegen derer sie untergebracht ist, oder
2.die Gesundheit anderer zu schützen.

Satz 1 ist im Falle der Nummer 1 nicht anzuwenden, wenn die nach § 1904 des Bürgerlichen Gesetzbuches erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht erteilt worden ist.“

Unter den in §§ 22 bis 25 NPsychKG festgeschriebenen Voraussetzungen können seine Rechte, seine persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände in seinem Zimmer aufzubewahren, an Gottesdiensten oder anderen religiösen Veranstaltungen teilzunehmen, freien Postverkehr zu unterhalten und Telefongespräche frei zu führen, beschränkt werden. Zuständig für die Anordnungen dieser Maßnahmen ist grundsätzlich die Krankenhausleitung. Nur wenn durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise die persönliche Freiheit über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig beschränkt werden soll, bedarf es einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung auf Antrag der zuständigen Behörde oder der Krankenhausleitung (§ 17 Abs. 3 NPsychKG). Der Untergebrachte kann gegen die einzelnen Maßnahmen gerichtlichen Rechtsschutz nach § 70 l Abs. 1 FGG in Anspruch nehmen. Ein entsprechender Antrag hat nach § 70 l Abs. 2 Satz 1 FGG keine aufschiebende Wirkung, jedoch kann das Gericht nach Satz 2 die aufschiebende Wirkung anordnen.

II.

Der Niedersächsische Landtag hat am 24. Januar 2007 das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz – Nds. MVollzÄndG – und das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke – NPsychKÄndG – beschlossen. Beide Gesetze sind am 1. Februar 2007 im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden (S. 51 bzw. S. 50) und gemäß Art. 5 Nds. MVollzÄndG bzw. Art. 3 NPsychKÄndG am folgenden Tag in Kraft getreten.

1. § 3 Abs. 1 Nds. MVollzG a. F. bestimmte, dass der Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt grds. in Einrichtungen des Landes erfolgen sollte. Nach Satz 2 der Vorschrift konnte die Landesregierung diese Aufgabe aber auch Einrichtungen anderer Träger mit deren Zustimmung widerruflich übertragen. Diese unterstanden der Aufsicht der zuständigen Behörden. Nach Art. 1 Nr. 1 Nds. MVollzÄndG sieht der neu gefasste Satz 2 des § 3 Nds. MVollzG n. F. die Möglichkeit vor, den Vollzug auf eine juristische Person des Privatrechts oder eine Kommanditgesellschaft als Träger einer entsprechenden Einrichtung durch das Fachministerium im Wege einer Beleihung zu übertragen. In einem neu eingefügten Satz 4 ist ein abschließender Katalog von Aufgabenbereichen festgelegt, deren Übertragung auf die Privatgesellschaften ausgeschlossen ist. Die Vorschrift des Art. 1 Nr. 1 Nds. MVollzÄndG hat folgenden Wortlaut:

„1.§ 3 Abs. 1 wird wie folgt geändert:
a)Satz 2 erhält folgende Fassung:

‚Das Fachministerium kann den Vollzug von Maßregeln einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder im Wege der Beleihung einer juristischen Person des Privatrechts oder einer Kommanditgesellschaft als Träger einer entsprechenden Einrichtung mit deren Zustimmung durch Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Recht zur Kündigung übertragen.’

b)Es werden die folgenden Sätze 3 und 4 angefügt:

‚Das Fachministerium hat öffentlich bekannt zu machen, auf wen und in welchem Umfang der Vollzug von Maßregeln übertragen worden ist. Von der Übertragung auf eine juristische Person des Privatrechts oder eine Kommanditgesellschaft sind ausgeschlossen

1.die Aufgaben der Vollzugsleitung,
2.die Entscheidung über die Einweisung oder Verlegung in den offenen Vollzug (§ 5 Abs. 4),
3.die Durchführung von Aufnahmeuntersuchungen (§ 6 Abs. 1),
4.die Aufstellung, Anpassung und Erörterung des Behandlungs- und Eingliederungsplans (§ 7),
5.die Entscheidung über die Ansprüche des Untergebrachten auf weitere gesundheitliche Betreuung (§ 8 Abs. 7),
6.die Entscheidung über die Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Seelsorge bei Beschränkungen (§ 10 Abs. 1),
7.die Entscheidung über die Beschränkung der freien Verfügung über das Taschengeld (§ 11 Satz 2),
8.die Entscheidung über die Bildung von Überbrückungsgeld (§ 12 Abs. 3 Satz 1),
9.die Entscheidung zur Verfügung von Eigengeld (§ 13 Abs. 1 Satz 2),
10.die Entscheidung über die Gewährung und Gestaltung von Lockerungen des Vollzuges und von Urlaub (§ 15),
11.die Entscheidung über die Anwendung unmittelbaren Zwangs (§ 18 Abs. 2),
12.die Entscheidung über die Vorenthaltung oder den Entzug von Sachen sowie über die Beschränkung des Erwerbs und der Verwendung von Sachen (§ 19 Abs. 1),
13.die Entscheidung über den Besitz, den Empfang, die Weitergabe und die Verwendung von Tonträgern (§ 19 Abs. 3),
14.die Entscheidung über die Vernichtung oder Unbrauchbarmachung von Aufzeichnungen und anderen Sachen (§ 19 Abs. 5),
15.die Entscheidung über die Einschränkung oder Untersagung von Besuchen einschließlich der Entscheidung über die Durchsuchung der Besucher und die Überprüfung der von diesen mitgeführten Gegenstände (§ 20 Abs. 1),
16.die Entscheidung über den Abbruch von Besuchen (§ 20 Abs. 2 Satz 2),
17.die Entscheidung über die Speicherung der in § 20 Abs. 3 genannten Daten,
18.die Entscheidung über die Überwachung und Beschränkung des Schriftverkehrs und von Telefongesprächen sowie des Paketverkehrs, anderer Sendungen und anderer Arten der Nachrichtenübermittlung sowie die Entscheidung über die Beschränkung des Zugangs zu Hörfunk und Fernsehen (§ 21),
19.die Entscheidung über die Verarbeitung der Erkenntnisse aus der Überwachung (§ 21a),
20.die Anordnung von Durchsuchungen der Untergebrachten (§ 22) und
21.die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen (§ 23Abs. 1 Sätze 1 und 2).’“

Durch Art. 1 Nr. 2 Nds. MVollzÄndG wurde ein § 3 a in das Maßregelvollzugsgesetz eingefügt, der die Modalitäten der Fachaufsicht des Fachministeriums über die Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nds. MVollzG n. F. regelt und in seinem Abs. 2 ein Eintrittsrecht des Fachministeriums für den Fall bestimmt, dass ein Beliehener einer fachaufsichtsrechtlichen Weisung nicht fristgerecht nachkommt. Diese Vorschrift lautet wie folgt:

„2.Nach § 3 wird der folgende § 3 a eingefügt:

‚ § 3 a Aufsicht

(1)Die Einrichtungen des Landes und die Träger der übrigen Einrichtungen unterliegen der Fachaufsicht des Fachministeriums. Im Rahmen der Fachaufsicht ist dem Fachministerium insbesondere Auskunft zu erteilen, Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke zu gewähren, Weisungen des Fachministeriums Folge zu leisten sowie dem Fachministerium und insbesondere den Mitgliedern der Besuchskommission (§ 24) jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren.
(2)Im Fall der Übertragung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 kann das Fachministerium anstelle und auf Kosten des Trägers der Einrichtung tätig werden oder Dritte tätig werden lassen, wenn der Träger eine

Weisung innerhalb einer bestimmten Frist nicht befolgt. Das Fachministerium kann das Selbsteintrittsrecht nach Satz 1 auch durch Weisungen gegenüber den Bediensteten des Trägers in der Einrichtung ausüben.’“

Mit dem durch Art. 1 Nr. 5 Nds. MVollzÄndG neu eingefügten § 5 a Satz 1 wird der ärztlichen Leitung (Vollzugsleitung) der Vollzug der Maßregeln überantwortet. § 5 a Satz 1 Nds. MVollzG n. F. enthält zunächst eine Legaldefinition des Begriffs der Vollzugsleitung. In Satz 2 wird ihr Verantwortungsbereich umschrieben und in Satz 3 ein Weisungsrecht auch gegenüber den Bediensteten des privatrechtlichen Trägers der Einrichtung bestimmt. Nach Satz 4 sind für die Vollzugsleitung Stellvertreter in ausreichender Zahl zu bestimmen. Die Änderungsvorschrift hat folgenden Wortlaut:

„5.Nach § 5 wird der folgende § 5 a eingefügt:

⤠5 a Vollzugsleitung

Der Vollzug der Maßregeln steht unter ärztlicher Leitung (Vollzugsleitung). Die Vollzugsleitung trägt die Verantwortung für die ärztlichen und pflegerischen Aufgaben des Vollzugs, insbesondere für die Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 2 bis 21. Soweit der Verantwortungsbereich der Vollzugsleitung nach Satz 2 betroffen ist, ist diese im Fall der Beleihung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 gegenüber den Bediensteten des Trägers der Einrichtung weisungsbefugt. Für die Vollzugsleitung sind Stellvertretungen in ausreichender Zahl zu bestimmen.’“

Nach Art. 1 Nr. 12 Buchst. c) Nds. MVollzÄndG werden die bisherigen Regelungen zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in § 18 Abs. 2 Nds. VollzG n. F. wie folgt neu gefasst:

„ (2) Die Vollzugsleitung und ihre Stellvertretungen sind nach Maßgabe des § 69 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt, soweit dies zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlich ist. Andere Bedienstete sind zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt, soweit sie Weisungen der Vollzugsleitung oder ihrer Stellvertretungen ausführen. § 72 und § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nds. SOG gelten entsprechend.“

2. Nach bisheriger Rechtslage wurde die Unterbringung psychisch Kranker in der Regel in Krankenhäusern des Landes vollzogen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 NPsychKG a. F.). Allerdings sah § 15 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG a. F. die Möglichkeit vor, dass diese Aufgabe Krankenhäusern anderer Träger übertragen wurde. Zuständig für die Übertragung war die Fachaufsichtsbehörde. Durch Art. 1 Nr. 1 NPsychKÄndG wird § 15 des Gesetzes neu gefasst und nunmehr dem Fachministerium die Befugnis eingeräumt, die Unterbringung im Wege der Beleihung einer juristischen Person des Privatrechts oder einer Kommanditgesellschaft zu übertragen. Nicht übertragbar ist die Befugnis nach § 24 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG n. F., den Untergebrachten die Teilnahme an einem Gottesdienst oder an anderen religiösen Veranstaltungen einzuschränken oder zu untersagen. In Abs. 2 der Neufassung sind die Modalitäten der Fachaufsicht des Fachministeriums geregelt und die Formulierungen des § 3 a Nds. MVollzG n. F. übernommen worden. Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) haben folgenden Wortlaut:

„1.§ 15 wird wie folgt geändert:
a)Die Absätze 1 und 2 erhalten folgende Fassung:

‚(1) Die Unterbringung wird in Krankenhäusern als Einrichtungen des Landes vollzogen. Das Fachministerium kann die Unterbringung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder im Wege der Beleihung einer juristischen Person des Privatrechts oder einer Kommanditgesellschaft als Träger einer entsprechenden Einrichtung mit deren Zustimmung durch Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Recht der Kündigung übertragen. Von der Übertragung auf eine juristische Person des Privatrechts oder eine Kommanditgesellschaft sind Maßnahmen nach § 24 Abs. 1 Satz 2 ausgeschlossen.

(2) Die Einrichtungen des Landes und die Träger der übrigen Einrichtungen unterliegen der Fachaufsicht des Fachministeriums. Im Rahmen der Fachaufsicht ist dem Fachministerium insbesondere Auskunft zu erteilen, Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke zu gewähren, Weisungen des Fachministeriums Folge zu leisten sowie dem Fachministerium und insbesondere den Mitgliedern der Besuchskommissionen (§ 30) jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren.

b)Es wird der folgende neue Absatz 3 eingefügt:

‚(3) Im Fall der Übertragung nach Absatz 1 Satz 2 kann das Fachministerium anstelle und auf Kosten des Trägers der Einrichtung tätig werden oder Dritte tätig werden lassen, wenn der Träger eine Weisung innerhalb einer bestimmten Frist nicht befolgt. Das Fachministerium kann das Selbsteintretungsrecht nach Satz 1 auch durch Weisungen gegenüber den Beschäftigten des Trägers in der Einrichtung ausüben.’“

3. Von der Befugnis zur Übertragung der Aufgaben des Maßregelvollzugs auf Einrichtungen anderer Träger nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG a. F. hat die Niedersächsische Landesregierung keinen Gebrauch gemacht. Auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG a. F. nahmen dagegen 19 in kommunaler bzw. privater Trägerschaft stehende Krankenhäuser die Aufgaben des Vollzugs der Unterbringung psychisch Kranker wahr. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben in Einzelfällen angestellte Ärztinnen und Ärzte nach § 12 Abs. 3 NPsychKG i. V. m. § 50 Abs. 1 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes vom 20. Februar 1998 (Nds. GVBl. S. 101) – NGefAG –, § 1 der Verordnung über Verwaltungsvollzugsbeamtinnen und Verwaltungsvollzugsbeamte vom 15. März 1995 (Nds. GVBl. S. 60) – VollzBeaVO – zu Verwaltungsvollzugsbeamtinnen bzw. –beamten bestellt. Im Laufe des Normenkontrollverfahrens haben die beliehenen Gesellschaften die bei ihnen tätigen Ärztinnen und Ärzte zu Verwaltungsvollzugsbeamtinnen bzw. –beamten bestellt.

III.

68 der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angehörende Mitglieder des Niedersächsischen Landtags begehren im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 25. Januar 2007 (Nds. GVBl. Nr. 4/2007 vom 1.2.2007, S. 51), soweit dadurch § 3 Abs. 1 Satz 2 geändert und §§ 3 Abs. 1 Satz 3 und 4, 3a, 5a des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 1. Juni 1982 (GVBl. S. 131) eingefügt werden, sowie Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 25. Januar 2007 (Nds. GVBl. Nr. 4/2007 vom 1.2.2007, S. 50), soweit dadurch § 15 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 16. Juni 1997 (Nds. GVBl. S. 272) geändert wird, für nichtig zu erklären. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:

Die zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorgelegten Änderungsgesetze verstießen gegen Art. 60 Satz 1 NV. Bei der Auslegung dieser Vorschrift könne man wegen der wörtlichen Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 4 GG die zu letzterer Vorschrift ergangene Rechtsprechung und die Literatur heranziehen. Art. 60 Satz 1 NV enthalte einen sog. Funktionsvorbehalt für Beamte, wonach die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse jedenfalls als ständige Aufgabe und in der Regel von Beamten wahrzunehmen sei. Die Vorschrift sei schon deshalb als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, weil hoheitliche Aufgaben ihre Eigenart nicht dadurch verlören, dass der Staat sie im Wege der Beleihung auf Gesellschaften des Privatrechts übertrage.

Den beliehenen Gesellschaften werde die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Sinne des Art. 60 Satz 1 NV übertragen. Dieser Begriff sei nicht formal in dem Sinne zu verstehen, dass nur Maßnahmen der Eingriffsverwaltung erfasst seien, sondern teleologisch unter Berücksichtigung der Eigenart des Berufsbeamtenverhältnisses auszulegen. Entscheidend sei deshalb, ob die zu prüfende Verwaltungstätigkeit in den Formen des öffentlichen Rechts erfolge, grundrechtliche Freiheiten der betroffenen Bürger tangiere und deshalb der dem Beamtenstatus eigenen Sicherungsmechanismen bedürfe.

Der Maßregelvollzug werde schon aufgrund der Beleihung in den Formen des öffentlichen Rechts durchgeführt. Er weise eine hohe Grundrechtsrelevanz auf, da die Betroffenen einer zeitlich u. U. unbefristeten Freiheitsentziehung unterworfen seien und gegen sie zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in den Krankenhäusern und zur Erzielung des Behandlungsziels schwerwiegende belastende Anordnungen ergingen, die notfalls mit unmittelbarem Zugang durchgesetzt würden. Funktionale Erwägungen stützten das Ergebnis, weil der Maßregelvollzug permanent aufrecht erhalten werden müsse, wegen der Grundrechtsrelevanz in besonderer Weise auf die Gewährleistung und Sicherung rechtsstaatlicher Garantien angewiesen sei und die Personenauswahl deshalb nicht völlig außerhalb demokratischer Kontrolle stattfinden dürfe. Selbst wenn man sich einer in der Literatur vertretenen Auffassung anschließen und den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 60 Satz 1 NV auf den Bereich der Eingriffsverwaltung beschränken würde, ergäbe sich angesichts der belastenden Vollzugsmaßnahmen kein anderes Ergebnis.

Die vorstehenden Erwägungen zum Maßregelvollzug seien auch auf die Unterbringung nach dem NPsychKG übertragbar. Die staatliche Gefahrenabwehr gehöre wie der Strafvollzug zu den Kernaufgaben des Staates und gelte deshalb als Inbegriff hoheitsrechtlicher Tätigkeit. Ein Unterschied hinsichtlich der Grundrechtsrelevanz der dort durchzuführenden Maßnahmen ergebe sich nicht; die im Vergleich zum Maßregelvollzug generell geringe Unterbringungsdauer sei für deren rechtliche Qualität unbeachtlich.

Die Übertragung der Vollzugsaufgaben im Wege der Beleihung erfolge auf unabsehbare Zeit und nicht nur zeitlich begrenzt, so dass diese von den beliehenen Gesellschaften und ihren Bediensteten als ständige Aufgabe wahrgenommen würden.

Mit der Einschränkung auf den Regelfall verdeutliche Art. 60 Satz 1 NV, dass die Aufgaben in Ausnahmefällen auch durch Angestellte wahrgenommen werden könnten. Selbst wenn man nicht nur einzelfallbezogene, sondern bereichsspezifische Ausnahmeregelungen zulasse, sei die Wahrnehmung der Befugnisse beim Vollzug der Unterbringung wegen ihrer Grundrechtsrelevanz und ihres Zwangscharakters nicht für eine derartige Regelung geeignet.

Ein tragfähiger Grund, der eine Ausnahme rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Die Übertragung der Aufgaben beim Vollzug der Unterbringung sei notwendiger Baustein auf dem Wege der Privatisierung der Landeskrankenhäuser gewesen, die maßgeblich mit dem Ziel der Haushaltsentlastung erfolgt sei. Finanzielle Erwägungen aber könnten gerade in Bereichen mit hoher Grundrechtsrelevanz eine Ausnahme vom Funktionsvorbehalt nicht rechtfertigen. Auch das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, die privaten Krankenhausträger wiesen eine größere Flexibilität auf, verdecke die ausschließlich fiskalischen Beweggründe. Der Hinweis, die Privatisierung solle eine qualitativ hochwertige und ortsnahe stationär-psychiatrische Versorgung nachhaltig sichern, sei demgegenüber nicht nachvollziehbar.

Aus den vom Gericht während des Verfahrens eingeholten Auskünften der Niedersächsischen Landesregierung ergebe sich schließlich, dass die Fachaufsicht über die privaten Träger im Bereich des NPsychKG völlig unzureichend sei. Die Aufsichtsbehörde könne die notwendige Kontrolle über die Krankenhäuser der Beliehenen tatsächlich nicht ausüben. So hätten dem aufsichtführenden Ministerium offenbar keine laufend aktualisierten Zahlen über die öffentlich-rechtlichen Unterbringungen zur Verfügung gestanden. Die Niedersächsische Landesregierung habe auch nicht klären können, wie viel Personal im Fachministerium sich in welchem Umfang mit der Wahrnehmung der Fachaufsicht nach dem NPsychKG beschäftige. Zudem dränge sich der Eindruck auf, dass eine stichprobenweise Akteneinsicht nicht regelmäßig stattfinde. Dieser Umstand sei gerade im Hinblick auf die Anordnung und Durchführung von Zwangsmaßnahmen durch die privat angestellten Ärzte verfassungsrechtlich bedenklich. Im Maßregelvollzug seien zwar jeweils 14 Planstellen für öffentliche Bedienstete in einer Einrichtung vorgesehen, diese seien aber insbesondere beim ärztlichen Personal nicht in vollem Umfang besetzt. Zudem stünden die Landesbediensteten, denen die Aufgaben der Vollzugsleitung überantwortet seien, und die ihr nachgeordneten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen überwiegend lediglich in einem Angestelltenverhältnis zum Land.

IV.

Dem Niedersächsischen Landtag der Niedersächsischen Landesregierung ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Niedersächsische Landesregierung hat sich zum Normenkontrollantrag geäußert. Sie hält den Antrag für unbegründet und trägt im Wesentlichen vor:

Es sei bereits zweifelhaft, ob sich aus dem Regelungsgehalt des Art. 60 Satz 1 NV neben einer institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums auch Vorgaben zu der Frage, inwieweit eine bislang durch Angehörige der Landesverwaltung wahrgenommene Aufgabe auf beliehene Privatpersonen übertragen werden dürfe, ergäben. Die Verfassungsnorm erfasse nach ihrem Wortlaut, ihrer systematischen Stellung und ihrer Zielsetzung wie die parallele Bestimmung des Art. 33 Abs. 4 GG nur die Verteilung der Aufgaben innerhalb des öffentlichen Dienstes.

Selbst wenn man diese Sicht nicht teile, könnten der Maßregelvollzug und die Unterbringung psychisch Kranker nicht dem Kernbereich hoheitsrechtlicher Befugnisse zugeordnet werden, weil die Untergebrachten – anders als im Strafvollzug – in erster Linie behandelt und betreut würden. Behandlung und Betreuung seien mithin in einer Grauzone zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung anzusiedeln.

Die aus dem in Art. 60 Satz 1 NV verankerten Regel-Ausnahme-Prinzip abzuleitenden Vorgaben für die Begrenzung der Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Nichtbeamte seien in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt. Bei quantitativer Betrachtungsweise sei Art. 60 Satz 1 NV gewahrt, weil den nach der Beleihung wegfallenden Beamtenstellen im Vergleich zu der Zahl der insgesamt im öffentlichen Dienst des Landes stehenden Beamten nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme. Bei qualitativer Betrachtung sei auf Grund des in § 3 Abs. 1 Satz 4 Nds. MVollzG n. F. normierten Vorbehaltskatalogs sichergestellt, dass im Maßregelvollzug besonders schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche durch die Vollzugsleitung, die mit Beamten besetzt werde, angeordnet würden. Zudem unterlägen sowohl die Vollzugsleitung als auch die Beliehenen einer engmaschigen Fachaufsicht durch das Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Schließlich seien nicht alle Niedersächsischen Landeskrankenhäuser funktional teilprivatisiert worden.

Bei der Unterbringung psychisch Kranker habe der Gesetzgeber – abgesehen von §§ 15 Abs. 1 Satz 3, 24 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG n. F. – keinen derartigen Vorbehaltskatalog vorgesehen, weil Unterbringungsmaßnahmen dort einer äußerst engen gerichtlichen Kontrolle unterlägen (vgl. u. a. § 70 Abs. 1 FGG und §§ 17 Abs. 3, 27 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NPsychKG). Der Richter werde gewissermaßen verfahrensbegleitend tätig und erfülle von daher die Maßgaben des Art. 60 Satz 1 NV. Zudem beschränke sich die durchschnittliche Verweildauer auf etwa 20 Tage, während sie im Maßregelvollzug mehr als sechs Jahre betrage.

Die Übertragung der Aufgaben auf Beliehene sei schließlich auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Übertragung der Trägerschaft der Niedersächsischen Landeskrankenhäuser habe primär dem Ziel gedient, eine optimale Versorgung psychisch kranker Menschen trotz der sich verändernden Rahmenbedingungen sicherzustellen. Dabei habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Behandlungsmethoden bei derartigen Erkrankungen denen somatisch Erkrankter angeglichen hätten. Die Verschränkung zwischen Allgemeinpsychiatrie und Maßregelvollzug im Sinne des „niedersächsischen Weges“ habe notwendigerweise zur gemeinsamen Überführung beider Bereiche in eine neue Trägerschaft geführt.

Die niedersächsischen Landeskrankenhäuser seien nach einer Analyse des Landesrechnungshofs vor ihrer Privatisierung nicht wettbewerbs- und zukunftsfähig gewesen. Das Land hätte auf Grund der schlechten Haushaltslage die notwendigen Investitionen (Neu- und Erweiterungsbauten sowie Beseitigung eines erheblichen Sanierungsstaus) nicht tätigen können. Die neuen Träger hätten sich in den Kauf- und Übertragungsverträgen zu Investitionsmaßnahmen in Höhe von etwa 54 Mio. Euro verpflichtet. Bei der gesetzgeberischen Prognose sei auch berücksichtigt worden, dass sich wegen der verschiedenen Maßnahmen des Bundesgesetzgebers zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen der Verdrängungswettbewerb unter den Krankenhäusern weiter verschärfen werde. Nur leistungsstarke Krankenhäuser könnten eine ortsnahe und qualitativ hohen Ansprüchen genügende stationäre Psychiatrie sicherstellen. Zudem würden die verschiedenen Träger auf Grund der nunmehr geschaffenen Wettbewerbssituation untereinander bestrebt sein, ihre Leistungen flexibel zu gestalten. Dies wäre bei einem Verbleib in der öffentlichen Hand wegen der bürokratischen Hemmnisse so nicht gelungen.

Die Beleihung mit den im Maßregelvollzug und bei der Unterbringung psychisch Kranker anfallenden Aufgaben genüge den Anforderungen des Demokratieprinzips. Die beliehenen Gesellschaften seien ausreichend personell legitimiert, weil das Parlament ein entsprechendes formelles Gesetz mit einer Ermächtigungsgrundlage für das Fachministerium erlassen habe und dieses durch öffentlich-rechtlichen Vertrag oder Verwaltungsakt dem Beliehenen die hoheitlichen Befugnisse übertrage. Die sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation werde beim Maßregelvollzug bereits durch die effektiven Weisungs- und Aufsichtsmöglichkeiten der Vollzugsleitung bewirkt; bei der Unterbringung stelle die umfangreiche Fachaufsicht die sachliche Einbindung und damit eine ausreichend hohe Legitimationsebene sicher.

V.

In der mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2008 haben der Vertreter des ärztlichen Direktors des Asklepios-Fachklinikums Göttingen, Herr Hendrik Faure, der Chefarzt der verselbständigten Abteilung Forensische Psychiatrie im Asklepios-Fachklinikum Göttingen, Herr Prof. Dr. Leo Müller, und der Leiter des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Moringen, Herr Dr. Martin Schott, als sachkundige Dritte zu den tatsächlichen Ausgestaltungen des Unterbringungsvollzugs nach dem NPsychKG und dem Nds. MVollzG Stellungnahmen abgegeben.

B.

Der zulässige Normenkontrollantrag ist teilweise begründet. Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 Nds. MVollzÄndG und Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) NPychKÄndG sind mit Art. 60 Satz 1 NV vereinbar; sie sind jedoch mit dem in Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 NV niedergelegten Demokratieprinzip unvereinbar.

I.

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens sind die §§ 3 Abs. 1, 3 a und 5 a Nds. MVollzG n. F. sowie § 15 Abs. 1 bis 3 NPsychKG n. F. in der Fassung, die sie durch das Nds. MVollzÄndG und das NPsychKÄndG erlangt haben. Für die verfassungsrechtliche Prüfung der §§ 3 Abs. 1, 3 a und 5 a Nds. MVollzG n. F. sowie § 15 Abs. 1 bis 3 NPsychKG n. F. kommt es nicht darauf an, ob die betreffenden Vorschriften von ihren Vorgängervorschriften wesentlich abweichen, diese nur wiederholen, deren Regelungsgehalt inhaltlich konkretisieren oder gar beschränken. Im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle wird der Prüfungsgegenstand durch den Antrag bezeichnet. Dieser ist aber im Hinblick auf die im einzelnen vorgebrachten Beanstandungen auszulegen (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90, BVerfGE 86, 148, 210 f.; Beschlüsse vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 36, 65 [BVerfG 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91]; vom 11. März 1997 2 BvF 2/95, BVerfGE 95, 243, 248; vom 28. Januar 1998 2 BvF 3/92, BVerfGE 97, 198, 213). Nach sachgerechter Auslegung des Antrags beschränkt sich dieser nicht auf die Änderungssubstanz der beiden Änderungsgesetze im Vergleich mit der bisherigen Rechtslage nach §§ 3 Abs. 1 Nds. MVollzG a. F., 15 Abs. 1 und 2 NPsychKG a. F., sondern erfasst die Regelungsgegenstände der Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 Nds. MVollzÄndG und Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) NPsychKÄndG in vollem Umfang.

Soweit die Antragsteller die Unvereinbarkeit der angegriffenen Regelungen mit der Niedersächsischen Verfassung damit begründen, die Fachaufsichtsbehörde nehme ihre Kontrollbefugnis gegenüber den privaten Trägern der Krankenhäuser entweder gar nicht oder jedenfalls nur unzureichend wahr, und die staatliche Vollzugsleitung könne die ihr nach §§ 3 Abs. 1 Satz 4 und 5 a Satz 2 und 3 Nds. MVollzG n. F. zugewiesenen Aufgaben wegen Personalmangels faktisch nicht erfüllen, können sie in diesem Verfahren keinen Erfolg haben. Zulässig ist ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle nach Art. 54 Nr. 3 NV, §§ 8 Nr. 8, 33 StGHG nur dann, wenn konkrete Gründe für die Verfassungswidrigkeit des Prüfungsgegenstands – also des Gesetzes selbst – benannt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 2 BvG 1, 2/60, BVerfGE 12, 205, 221). Verwaltungsbehördliche Vollzugsdefizite bei der Durchführung eines Gesetzes vermögen dessen Vereinbarkeit mit der Verfassung nicht zu erschüttern, weil die Verwaltung schon nach Art. 2 Abs. 2 NV zur rechtmäßigen Wahrnehmung der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben verpflichtet ist (vgl. Brem. StGH, Urteil vom 15. Januar 2002 St 1/01, LVerfGE 13, 209, 228) und hierbei gerichtlicher Kontrolle unterliegt.

Auch die von den Antragstellern erhobene Rüge, die staatlichen Vollzugsleitungen nach § 5 a Nds. MVollzG n. F. und die ihr nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (die sog. „14er-Teams“) stünden entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 60 Satz 1 NV überwiegend lediglich in einem Angestelltenverhältnis zum Land Niedersachsen, kann im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gegen das Nds. MVollzÄndG nicht berücksichtigt werden. Das Maßregelvollzugsgesetz selbst trifft hinsichtlich des Status der Vollzugsleitung und der weiteren Mitarbeiter keine Regelung, sondern führt in § 5 a Satz 4 lediglich aus, dass für die (staatliche) Vollzugsleitung Stellvertretungen in ausreichender Zahl zu bestimmen sind.

II.

Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 Nds. MVollzÄndG und Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) NPsychKÄndG sind mit Art. 60 Satz 1 NV vereinbar.

Der Anwendungsbereich des Art. 60 Satz 1 NV ist nicht auf die Binnenstruktur des öffentlichen Dienstes in der Landes- und Kommunalverwaltung beschränkt, sondern erfasst die Wahrnehmung aller Aufgaben, die als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse zu qualifizieren sind, also auch durch beliehene Private (1). Die den privaten Trägern der Krankenhäuser durch die angegriffenen Vorschriften überantworteten Aufgaben sind als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse zu qualifizieren (2). Die Ausübung der übertragenen hoheitsrechtlichen Befugnisse durch die privaten Träger und ihre Bediensteten erfolgt auch als ständige Aufgabe (3). Die Übertragung der Aufgaben auf die Beliehenen ist jedoch als Ausnahme vom in Art. 60 Satz 1 NV angeordneten Regelfall durch die in §§ 19 Abs. 1 und 2 NPsychKG, 2 Nds. MVollzG festgelegten Ziele der Unterbringung und die besonderen Eigengesetzlichkeiten der ärztlichen Versorgung in den Krankenhäusern sachlich gerechtfertigt (4).

1. Nach Art. 60 Satz 1 NV ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht auf die Binnenstruktur des öffentlichen Dienstes in der Landes- und Kommunalverwaltung beschränkt, sondern setzt auch einer Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf Beliehene verfassungsrechtliche Grenzen. Soweit bei der Auslegung des wortgleichen Art. 33 Abs. 4 GG unter Hinweis auf dessen Entstehungsgeschichte und den systematischen Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 5 GG die gegenteilige Auffassung vertreten wird (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19. Oktober 2005 2 W 120/05, Recht und Psychiatrie 2006, S. 37 m. w. N.; anders dagegen z. B. BVerwG , Beschlüsse vom 29. August 1975 BVerwG VII P 2.74, BVerwGE 57, 55, 60; vom 29. September 2005 7 BN 2.05, DVBl. 2006, S. 840, 841), ist dieses Ergebnis auf die niedersächsische Rechtslage nicht übertragbar. Die Reichweite des Art. 60 Satz 1 NV erstreckt sich unter Beachtung seiner systematischen Stellung innerhalb des Siebten Abschnitts der Niedersächsischen Verfassung und seiner durch Art. 60 Satz 2 NV verdeutlichten Zweckbestimmung zumindest auch auf den Bereich der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch beliehene Privatpersonen.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung wäre eine restriktive Interpretation im Sinne eines Funktionsvorbehalts für Beamte bei der Verteilung der Aufgabenwahrnehmung innerhalb des öffentlichen Dienstes nur dann möglich, wenn man den in Art. 60 Satz 1 NV enthaltenen Begriff „Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ als eigenständiges Tatbestandsmerkmal neben denen der „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“, „als ständige Aufgabe“ und „in der Regel“ deuten würde. In diesem Fall würde sich der sachliche Anwendungsbereich von vornherein auf die Personen beschränken, die unabhängig von der Qualität ihrer Beschäftigung formal im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig sind. Geht man demgegenüber davon aus, dass dieser Terminus mit dem anschließenden Relativsatz als Einheit lediglich die Rechtsfolge umschreibt, erweitert sich der Anwendungsbereich des Art. 60 Satz 1 NV auf alle als ständige Aufgaben auszuübenden hoheitsrechtlichen Befugnisse.

Eine systematische Auslegung innerhalb des Art. 60 NV vermag keine eindeutige Klärung dieser Frage herbeizuführen. Für eine enge Interpretation als verbindliche Organisationsnorm für die Binnenstruktur der Verwaltung spricht die amtliche Überschrift „Öffentlicher Dienst“, weil dieser Begriff in seiner üblichen formalen Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1957 1 BvR 441/53, BVerfGE 6, 257, 267; BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1968 BVerwG VIII C 10.67, BVerwGE 30, 81, 87 f.) keinesfalls Personen umfasst, die nicht im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts beschäftigt sind. Die amtliche Überschrift würde bei erweiternder Auslegung den Regelungsinhalt des Art. 60 NV nur ungenau wiedergeben, weil sowohl der Beamtenfunktionsvorbehalt als auch die Regelung in Satz 2 lediglich einen Teilausschnitt des öffentlichen Dienstes betreffen würden. Dass der Landesverfassunggeber den Begriff des öffentlichen Dienstes in dem hier erläuterten formellen Sinne verstanden hat, ergibt sich überdies aus der Neufassung des Art. 47 VNV durch Art. 61 NV. Die Ersetzung der bisherigen Formulierung „von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes und Richter“ durch „von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ erfolgte nur aus sprachlichen Gründen (vgl. die Äußerungen der Abg. Rabe, Möllring und Hruska, in: Niederschrift über die 25. Sitzung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ am 28. August 1992, S. 5; Schriftlicher Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, Nds. LT-Drs. 12/5840, S. 38).

Auf der anderen Seite lässt sich das in Satz 2 verankerte Neutralitätsgebot als Beleg für eine erweiternde Auslegung heranziehen. Diese Regelung entspricht § 35 Abs. 1 BRRG, der gemäß § 2 Abs. 1 BRRG nur bei Beamten, die „zu ihrem Dienstherrn“ in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, anwendbar ist. Zur Umschreibung des danach erforderlichen Beamtenverhältnisses gehört deshalb neben der Ausgestaltung eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnisses als Grundvoraussetzung auch die Angehörigkeit zum öffentlichen Dienst, also zum Dienst einer dienstherrenfähigen Körperschaft oder anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Mit der Einleitung „sie“ nimmt Satz 2 somit auf beide Termini in Art. 60 Satz 1 NV Bezug; damit ist es gerechtfertigt, diese auch im Rahmen des Satzes 1 als einheitliche Formulierung der dort angeordneten Rechtsfolge zu interpretieren.

Die Stellung des Art. 60 Satz 1 NV innerhalb des Siebenten Abschnitts „Die Verwaltung“ spricht im Rahmen einer systematischen Auslegung ebenfalls für eine erweiternde Auslegung, mit der der sachliche Anwendungsbereich über den Personenkreis der Angehörigen des öffentlichen Dienstes ausgedehnt wird. Dieser Abschnitt wird durch die Regelung in Art. 56 Abs. 1 NV eingeleitet, wonach „das Land (...) seine Verwaltung durch die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden aus(übt).“

Aus dieser Regelung und einem Umkehrschluss aus Art. 42 Abs. 1, 43 Abs. 1 Satz 1 und 51 Abs. 1 NV ergibt sich zunächst, dass das Merkmal „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ in Art. 60 Satz 1 NV sich ausschließlich auf die Wahrnehmung der Befugnisse der Verwaltung des Landes und unter Berücksichtigung des Art. 57 Abs. 1 NV der Kommunen bezieht. Mit der Ersetzung des Merkmals „staatliche Verwaltung“ in der Vorgängerregelung des Art. 43 Abs. 1 VNV durch die Formulierung „seine Verwaltung“ in Art. 56 Abs. 1 NV war nach dem Willen des historischen Verfassungsgesetzgebers keine inhaltliche Modifikation des Regelungsgehalts verbunden (vgl. Niederschrift über die 23. Sitzung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ am 17. August 1992, S. 10 und der 31. Sitzung am 12. Oktober 1992, S. 7).

Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde allerdings eine tatbestandliche Verengung des Art. 56 Abs. 1 NV dergestalt diskutiert, dass die Norm nur die der Landesregierung nachgeordneten Landesbehörden erfassen solle. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst beim Niedersächsischen Landtag legte deshalb Formulierungsvorschläge zu dem entsprechenden Abschnitt der Verfassung vor (Vorlage 72, abgedruckt in: Die Landtagsverwaltung, Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993, Band II, S. 1457). Art. 43 Abs. 1 des Vorschlags betraf danach ausdrücklich nur noch die unmittelbaren Landesbehörden; die im übertragenen Wirkungskreis tätigen Behörden der Selbstverwaltungskörperschaften, die selbständigen Anstalten und die Beliehenen wurden in den nachfolgenden Art. 44 und 45/2 des Vorschlags behandelt. Dieser Vorschlag fand jedoch zunächst keine Berücksichtigung, vielmehr einigte man sich darauf, Art. 43 Abs. 1 (den späteren Art. 56 Abs. 1 NV) wie folgt zu fassen: „Das Land übt seine Verwaltung durch die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Landesbehörden aus.“ Der Zusatz „Landes“-Behörden wurde dann gestrichen, um auch die Tätigkeit der Kommunen im übertragenen Wirkungskreis zu erfassen (Abg. Rabe, in: Niederschrift über die 38. Sitzung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ am 15. Januar 1993, S. 4; Schriftlicher Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, Nds. LT-Drs. 12/5840, S. 35). Aus dem in Art. 56 Abs. 1 NV verwandten Begriff der „nachgeordneten Behörden“ ist zu schließen, dass die im Siebten Abschnitt geregelte Landesverwaltung auch die mittelbare Staatsverwaltung des Landes unter Einschluss der mit der Wahrnehmung bestimmter Landesverwaltungsaufgaben betrauten Beliehenen umfasst.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass der Verfassunggeber der Anregung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zur Verankerung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Beleihung in der Verfassung nicht gefolgt ist. Die Befürworter einer derartigen Bestimmung begründeten ihre Ansicht mit der nach bisheriger Rechtslage bestehenden Unklarheit über die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine derartige Übertragung staatlicher Aufgaben, während die Gegner darauf hinwiesen, eine solche Regelung könne als Ermächtigungsgrundlage für eine Übertragung von ursprünglich staatlichen Aufgaben auf Private missverstanden werden (vgl. Niederschrift über die 41. Sitzung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ am 26. Februar 1993, S. 27; Schriftlicher Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, Nds. LTDrs. 12/5 840, S. 35). Aus dem Umstand, dass auf eine ausdrückliche Normierung letztlich verzichtet wurde, lässt sich für die Frage der Einordnung der Beliehenen in die mittelbare Landesverwaltung und damit in den Anwendungsbereich des gesamten Siebenten Abschnitts aber nichts ableiten.

Die aus Art. 60 Satz 2 NV abzuleitende Zweckbestimmung des in Art. 60 Satz 1 NV enthaltenen Funktionsvorbehalts für Beamte lässt sich ebenfalls für eine erweiternde Auslegung der Norm unter Einbeziehung der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch Beliehene heranziehen. Im Gegensatz zu Art. 33 Abs. 4 GG, der einen engen systematischen Bezug zur Garantie des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG aufweist, enthält Art. 60 Satz 2 NV mit der Normierung des Gebots der unparteiischen Amtsführung nur eine Kernpflicht des Beamten im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Treuverhältnisses zu seinem Dienstherrn. Die Streichung des dem Art. 33 Abs. 5 GG inhaltlich entsprechenden Art. 46 Abs. 2 VNV und die gleichzeitige Verankerung des im Übrigen bereits nach § 35 Abs. 1 BRRG verbindlich angeordneten Neutralitätsgebots verdeutlichen den Sinn und Zweck des Funktionsvorbehalts in Art. 60 Satz 1 NV: Die Verpflichtung zur regelmäßigen Übertragung der Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf Beamte dient der Sicherung einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung als ausgleichender Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften und damit der Existenzsicherung eines geordneten Staatswesens überhaupt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334, 347; Urteil vom 27. September 2005 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258, 288 m. w. N.). Zudem führt die Verankerung des Neutralitätsgebots zur Stärkung des Vertrauens der Bürger in die Funktionsfähigkeit der Verwaltung des freiheitlichen Rechtsstaats und leistet so einen Beitrag zur Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols. Der ebenfalls vom Verfassunggeber zur Existenzsicherung des Staates als notwendig erachtete Funktionsvorbehalt in Art. 60 Satz 1 NV (vgl. Abg. Cassens, Hruska und Rabe, in: Niederschrift über die 25. Sitzung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ am 28. August 1992, S. 4) ist gerade auch dann tangiert, wenn von dem dort normierten Regelfall abweichend hoheitsrechtliche Befugnisse nicht Angestellten im öffentlichen Dienst, sondern einem Beliehenen außerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung überantwortet werden.

2. Die durch die angegriffenen Vorschriften den privaten Trägern der Krankenhäuser überantworteten Aufgaben sind als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse zu qualifizieren. Dabei kann offen bleiben, welche Verwaltungsaufgaben im Einzelnen unter dieses Merkmal des Art. 60 Satz 1 NV fallen. Jedenfalls werden die Verwaltungsbereiche erfasst, in denen der Staat einseitig grundrechtsrelevante Entscheidungen gegenüber den Betroffenen trifft. Der den Beliehenen nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG n. F. überantwortete Vollzug der Unterbringung in einem Krankenhaus gehört zu diesen Bereichen.

a) Unter einer Befugnis ist nach allgemeinem Sprachgebrauch die Berechtigung einer Person zu einem Verhalten gegenüber anderen Personen zu verstehen. Der Begriff der Hoheitsrechte umfasst die Gesamtheit der dem Staat zur Ausübung der Staatsgewalt auf den einzelnen Gebieten staatlichen Lebens (z. B. Justiz-, Finanz-, Kulturhoheit) zugewiesenen Rechte. Der Wortlaut der Vorschrift spricht zunächst für eine enge Interpretation dieses Merkmals. Hiernach würden alle Tätigkeiten staatlicher Funktionsträger aus dem Anwendungsbereich herausfallen, zu deren Ausübung der Staat keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf (z.B. Fiskalverwaltung, erwerbswirtschaftliche Betätigung, Hilfstätigkeiten ohne Außenwirkung). Darüber hinaus lässt sich dem Wortlaut auch entnehmen, dass für die Einordnung eines Tätigkeitsbereichs nicht auf die ohnehin nicht trennscharfe Abgrenzung zwischen Eingriffsverwaltung (z. B. Gefahrenabwehr, Strafvollzug, Steuererhebung) und Leistungsverwaltung abgestellt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob der Funktionsträger in Ausübung dem Staat zugewiesener hoheitlicher Befugnisse tätig wird.

Greift man im Wege einer historischen Auslegung des Art. 60 Satz 1 NV auf dessen Entstehungsgeschichte zurück, so ergibt sich jedenfalls, dass bei der Formulierung dieses Artikels eine Erstreckung des sachlichen Anwendungsbereichs auf die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben des Staates nicht beabsichtigt war, jedoch alle Bereiche, in denen spezifisch hoheitsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden, einbezogen sein sollten. Der Entwurf der Fraktionen der SPD und der Grünen (Nds. LT-Drs. 12/3008) enthielt keine Regelung zum Funktionsvorbehalt, während die Entwürfe der Fraktionen der CDU (Nds. LT-Drs. 12/1310, S. 18) und der FDP (Nds. LT-Drs. 12/3250, S. 21) eine mit Art. 46 Satz 1 VNV wörtlich übereinstimmende Bestimmung vorsahen. In den Beratungen des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ wurden die gegensätzlichen Standpunkte erörtert. Die Koalitionsfraktionen hielten eine Verankerung des Funktionsvorbehalts in der Niedersächsischen Verfassung zunächst für entbehrlich, weil zum einen nur Art. 33 Abs. 4 GG wiederholt werde und zum anderen auch Bewerbern aus anderen Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit eröffnet werden müsse, Aufgaben staatlicher Hoheitsgewalt ausüben zu können (Abg. Rabe, in: Niederschrift über die 25. Sitzung am 28. August 1992, S. 4). Die Vertreter der Oppositionsfraktionen wiesen demgegenüber darauf hin, dass der Funktionsvorbehalt zur Sicherung der Existenz des Staates unbedingt erforderlich sei (Abg. Cassens und Hruska, a. a. O.). Es sei allerdings zu bedenken, ob nach wie vor in allen öffentlichen Bereichen, also auch in Bereichen, in denen hoheitliche Befugnisse nicht ausgeübt würden, Beamte eingesetzt werden müssten (Abg. Hruska, a. a. O.). Diesen Bedenken schloss sich der Vertreter der SPD-Fraktion an (Abg. Rabe, a. a. O.). Schließlich verständigte man sich darauf, Art. 46 Satz 1 VNV zu übernehmen (Schriftlicher Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, Nds. LT-Drs. 12/5840, S. 38).

Mit der als Kompromiss zu bewertenden wörtlichen Übernahme der Vorgängerregelung aus dem Jahr 1951, die wiederum wörtlich mit Art. 33 Abs. 4 GG übereinstimmte, hat sich der Verfassunggeber bewusst für eine restriktive Formulierung entschieden, nach der nur Tätigkeiten mit hoheitsrechtlichen Mitteln erfasst werden. Auf der anderen Seite enthält die Regelung mit der Anknüpfung an die anzuwendenden Mittel keinesfalls eine pauschale Begrenzung auf bestimmte Aufgabenbereiche des Staates, die in ihrer Gesamtheit als Eingriffsverwaltung umschrieben werden. Hoheitsrechtliches Handeln ist auch im Bereich der Leistungsverwaltung denkbar, wenn z. B. staatliche Leistungen zur Sicherung des menschlichen Existenzminimums einseitig durch Verwaltungsakt festgesetzt werden.

Unter Berücksichtigung des engen Kontextes mit dem in Art. 60 Satz 2 NV geregelten Neutralitätsgebot lassen sich für die Bestimmung des Umfangs der von dem Merkmal der hoheitsrechtlichen Befugnisse erfassten Tätigkeitsfelder folgende Rückschlüsse ziehen:

Mit der ausdrücklichen Normierung des Neutralitätsgebots verdeutlicht die Verfassung die große Bedeutung, die der Integrität des Beamtentums für die ordnungsgemäße Ausübung der Verwaltung beizumessen ist. Der in Art. 2 Abs. 2 NV verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wird durch Art. 60 Satz 1 NV organisationsrechtlich insoweit verstärkt und abgesichert, als die Befolgung von Recht und Gesetz, insbesondere die sachgerechte Ausübung des der Verwaltung eingeräumten Ermessens, bei der Wahrnehmung der Verwaltungsbefugnisse durch Berufsbeamte wegen ihrer herausgehobenen Pflichtenbindung besonders gewährleistet wird. Zudem bewirkt Art. 60 Satz 1 NV eine Verstärkung des in Art. 2 Abs. 1 NV enthaltenen Gewaltmonopols des Staates, weil die Gewaltunterworfenen Eingriffe des Staates in ihre Freiheitssphäre umso eher hinzunehmen bereit sind, wenn diese streng rechtsstaatlich und unparteilich angeordnet und vollzogen werden. Somit unterfallen zumindest sämtliche Eingriffe in grundrechtlich geschützte Freiheitssphären der Bürger dem sachlichen Anwendungsbereich des Art. 60 Satz 1 NV (vgl. dazu auch Brem. StGH, Urteil vom 15. Januar 2002 St 1/01, LVerfGE 13, 209, 232).

b) Die Tätigkeitsfelder, die der ärztlichen Leitung des beliehenen Krankenhauses bzw. seiner übrigen Bediensteten nach dem NPsychKG n. F. überantwortet werden, sind ohne weiteres als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse zu qualifizieren. Sie umfassen die in §§ 20 ff. NPsychKG geregelten Anordnungsbefugnisse, deren Vollzug zu teilweise gravierenden Eingriffen in die grundrechtlich geschützten Freiheiten der Untergebrachten und dritter Personen führen, die mit den Untergebrachten in Kontakt treten wollen. An diesem Ergebnis ändert der Umstand nichts, dass in den psychiatrischen Krankenhäusern auch Heilbehandlungen mit Einwilligung der Betroffenen durchgeführt werden, die für sich genommen zu keiner Grundrechtsbeeinträchtigung führen.

Die den Beliehenen bzw. ihren Bediensteten nach dem Nds. MVollzG n. F. überantworteten Aufgaben zeigen ein differenziertes Bild: Zunächst haben sie den Vollzug der verschiedenen Anordnungen der staatlichen Vollzugsleitung gegenüber den Untergebrachten und dritten Personen sicherzustellen. Insoweit werden die grundrechtlich geschützten Freiheiten der Untergebrachten eingeschränkt, auch wenn den Bediensteten kein bestimmender Einfluss auf die Anordnung der zu vollziehenden Maßnahmen der Vollzugsleitung zukommt. Die Bediensteten der privaten Krankenhausträger können auch – im Gegensatz zur Rechtslage nach § 12 Abs. 2 Satz 2 NPsychKG – keine Entscheidungen über die Anwendung unmittelbaren Zwangs treffen; sie handeln vielmehr gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 Nds. MVollzG n. F. allein auf Anweisung der staatlichen Vollzugsleitung und dürfen – selbst bei Gefahr im Verzug – nicht selbstständig tätig werden. Eine im Gesetzentwurf hierfür vorgesehene Grundlage (§ 3 Abs. 1 Satz 5 in der Fassung des Entwurfs des Art. 1 Nr. 1 Buchst. b), Nds. LT-Drs. 15/3290, S. 3, 10) ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden. Der Gesetzgeber ging davon aus, es müssten aus verfassungsrechtlichen Gründen so viele Beamte beschäftigt werden, dass der Staat die Aufgaben der staatlichen Vollzugsleitung jederzeit wahrnehmen könne (Vorlage 6 des GBD beim Niedersächsischen Landtag vom 7. Dezember 2006, S. 8; Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Nds. MVollzÄndG, Nds. LT-Drs. 15/3495, S. 3). Bei der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs wurde im Niedersächsischen Landtag allerdings zum Problem der Gefahr im Verzug ausgeführt, dass die Bediensteten zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auf der Grundlage antizipierter allgemeiner Weisungen der Vollzugsleitung ermächtigt werden könnten (Abg. Matthiesen, Nds. LT, Stenographischer Bericht über die 109. Sitzung am 24. Januar 2007, S. 12862).

Die Bediensteten der beliehenen Krankenhausträger üben jedoch hoheitsrechtliche Befugnisse außerhalb des Vorbehalts des Kataloges der Vollzugsleitung aus, die nicht nur marginalen Umfang haben. Zum einen werden ihnen die Anordnungsbefugnisse für die weiteren Untersuchungen nach § 6 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nds. MVollzG, die Behandlungsmaßnahme nach § 8 Abs. 1 Nds. MVollzG, die Überwachung des Besuchs (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nds. MVollzG) und bestimmte Arten einer körperlichen Untersuchung des Untergebrachten (§ 22 Satz 2 Nds. MVollzG) übertragen. Gerade den Anordnungen auf dem Gebiet der Behandlungsmaßnahmen ist nach der in § 2 Abs. 1 Nds. MVollzG genannten Zielsetzung eine nicht nur untergeordnete Bedeutung beizumessen. Zum anderen verbleibt den Bediensteten auch bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs hinsichtlich der Entscheidung im Einzelfall und der Intensität des Zwangsmittels ein Spielraum, der gerade bei der Anwendung körperlich wirkender Gewalt wegen der Beeinträchtigung des Grundrechts des Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als erheblich anzusehen ist. Die Stellung der Bediensteten lässt sich somit mit der eines bloßen Verwaltungshelfers nicht umschreiben, weil letzterem keine Zwangsbefugnisse zukommen. Generelle Weisungen der Vollzugsleitung schließen ebenfalls nicht aus, dass die in ihrer Ausführung ergehenden Maßnahmen als selbständige Grundrechtseingriffe zu werten sind.

3. Die Ausübung der übertragenen hoheitsrechtlichen Befugnisse durch die privaten Träger der Krankenhäuser und ihre Bediensteten erfolgt als ständige Aufgabe. Hierbei kommt es nicht darauf an, wie häufig grundrechtseinschränkende Maßnahmen im Maßregelvollzug und bei der Unterbringung psychisch Kranker angeordnet und durchgeführt werden müssen. Für dieses Tatbestandsmerkmal ist vielmehr entscheidend, ob die Aufgabe an sich nur vorübergehend anfällt oder auf unabsehbare Zeit wahrzunehmen ist. Es ist offensichtlich, dass Maßregelvollzug und Unterbringung psychisch Kranker auf unabsehbare Zeit wahrzunehmende öffentliche Aufgaben darstellen.

4. Die Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf die Beliehenen und ihre Bediensteten ist im Maßregelvollzug jedoch als Ausnahme von der Regel des Art. 60 Satz 1 NV gerechtfertigt, zumal alle wesentlichen Entscheidungen und die Grundstrukturen der Behandlung durch die staatliche Vollzugsleitung und den von ihr aufgestellten und verantworteten Behandlungs- und Eingliederungsplan des § 7 Nds. MVollzG vorgegeben werden. Auch die weitergehende Übertragung nahezu sämtlicher Eingriffsbefugnisse im Bereich der Unterbringung psychisch Kranker ist als Ausnahme von dem in Art. 60 Satz 1 NV statuierten Grundsatz der Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch Beamte zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat sich insoweit in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den sog. „niedersächsischen Weg“, nämlich die Ortsnähe der Unterbringung, die Vermeidung einer Stigmatisierung der Untergebrachten, die Durchlässigkeit zwischen dem Vollzug der Unterbringung und der Allgemeinpsychiatrie und auf die Qualitätsverbesserung der Behandlung durch eine weitgehende Integration des Untergebrachten in die spezialisierten Fachabteilungen der Allgemeinpsychiatrie berufen.

Art. 60 Satz 1 NV stellt die bei der Organisation der Verwaltung zu beachtende Regel auf, die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe Statusbeamten zu übertragen, und erlaubt hiervon Ausnahmen. Hinsichtlich des Umfangs der zulässigen Ausnahmen und der Anforderungen an ihre Rechtfertigung ist auf den durch Art. 60 Satz 2 NV verdeutlichten Zweck der Norm abzustellen, nämlich den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das staatliche Gewaltmonopol insoweit abzusichern, als der Einsatz von Statusbeamten auf Grund der besonderen Pflichtenstellung gegenüber ihren Dienstherren bei der Wahrnehmung von hoheitlichen Befugnissen gegenüber dem Bürger die Einhaltung der rechtstaatlich gebotenen Verfahren und die Wahrung der Grundrechte in besonderer Weise garantiert. Auf Grund dieser Zielsetzung sind ein rechtfertigender Gemeinwohlbelang für die Durchbrechung des in Art. 60 Satz 1 NV verankerten Strukturprinzips und eine Einzelbetrachtung der den Nichtbeamten übertragenen Befugnisse erforderlich.

Neben dem Schutz der Allgemeinheit (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nds. MVollzG) ist der Maßregelvollzug durch eine Mehrzahl von Zielen gekennzeichnet, die in § 2 Nds. MVollzG als „Grundsätze“ festgelegt sind. Nach Abs. 1 steht bei der Unterbringung die Heilung des Untergebrachten oder zumindest die Besserung seines gesundheitlichen Zustands im Vordergrund. Nach Abs. 2 soll der Vollzug der Unterbringung so weit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden und den Untergebrachten auf eine selbständige Lebensführung vorbereiten. Seine familiäre, soziale und berufliche Eingliederung soll gefördert werden. Mit dieser Zielsetzung weist der Maßregelvollzug gegenüber den hoheitsrechtlichen Aufgaben, die zum Kernbestand des Staates gehören und sich deshalb einer Übertragung auf Beliehene entziehen, Besonderheiten auf, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von dem in Art. 60 Satz 1 NV statuierten Grundsatz und damit eine funktionelle Teilprivatisierung zu rechtfertigen vermögen.

Der Gesetzgeber hat zur Begründung der Beleihung privater Krankenhausträger, die durch die Einrichtung der staatlichen Vollzugsleitung beschränkt wird, auf den besonderen „niedersächsischen Weg“ der organisatorischen und inhaltlichen Verzahnung von Allgemeinpsychiatrie und forensischer Psychiatrie verwiesen. Dieser Weg habe sich für Patienten und Mitarbeiterschaft in vielen Jahren bewährt, weil er zu einer verbesserten Behandlung der Untergebrachten geführt habe (vgl. Abg. Matthiesen, Nds. LT, Stenographischer Bericht über die 109. Sitzung am 24. Januar 2007, S. 12862). Ein erheblicher Investitionsstau bei den ehemaligen Landeskrankenhäusern und die verschärften Wettbewerbsbedingungen am Klinikmarkt hätten nach Prüfung aller Alternativen eine Veräußerung der allgemeinpsychiatrischen Kliniken des Landes nicht nur aus fiskalischen Gründen nahe gelegt. Zweifel an der dauernden Wettbewerbsfähigkeit eines Landeskrankenhauses herkömmlicher Art hätten im Ergebnis auch die Qualität des Maßregelvollzugs gefährdet. Diese Begründung begegnet angesichts des weiten Prognose- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und ist somit als rechtfertigender Gemeinwohlbelang zu werten.

Auch bei der Einzelbetrachtung der den Beliehenen und ihren Bediensteten verbleibenden Eingriffsbefugnisse erweist sich eine Ausnahme vom in Art. 60 Satz 1 NV niedergelegten Funktionsvorbehalt als gerechtfertigt.

Die Ausübung unmittelbaren Zwangs durch die Bediensteten unterliegt der Verantwortung und Aufsicht der Vollzugsleitung. Spielräume beim Vollzug von Anordnungen werden durch die gesetzlich bestimmte ständige Präsenz des sog. „14-er Teams“ eingeschränkt und kontrolliert. Die Anordnung weiterer Untersuchungen gemäß § 6 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nds. MVollzG und die Behandlungsmaßnahmen des § 8 Abs. 1 Nds. MVollzG sind durch den der staatlichen Vollzugsleitung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Nds. MVollzG vorbehaltenen Behandlungs- und Eingliederungsplan vorstrukturiert und begrenzt. Die Überwachung des Besuchs gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nds. MVollzG steht im Zusammenhang mit den weiteren der Vollzugsleitung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 15, 16 und 17 Nds. MVollzG vorbehaltenen Entscheidungen über die Einschränkung und Untersagung von Besuchen. Zudem kann die Vollzugsleitung mittels ihres Weisungsrechts nach § 5 a S. 3 Nds. MVollzG eingreifen, wenn durch eine Überwachungsmaßnahme die Vollzugsverantwortung oder der Behandlungserfolg gefährdet würde. Die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung des § 22 Satz 2 Nds. MVollzG, die allein Sicherheitsinteressen dient, ist dem Beliehenen ohne Anordnung der Vollzugsleitung nur bei Gefahr im Verzug gestattet. Dieser Fall kann also nur eintreten, wenn die Vollzugsleitung im Ausnahmefall nicht verfügbar ist. Unter diesen Voraussetzungen vermögen die Sicherheitsinteressen ebenfalls eine Ausnahme von der Regel des Art. 60 Satz 1 NV zu rechtfertigen.

Die Unterbringung psychisch Kranker ist durch eine ähnliche, in § 19 Abs. 1 und 2 NPsychKG festgelegte Zielsetzung wie der Maßregelvollzug gekennzeichnet. Stärker noch als dieser ist die Unterbringung psychisch Kranker von den Besonderheiten ärztlicher Versorgung und der Eigengesetzlichkeit eines Krankenhauses bestimmt. Wie die Niedersächsische Landesregierung vorgetragen hat, macht die Zahl der nach dem NPsychKG Untergebrachten nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtzahl der Patienten psychiatrischer Klinken aus. Überdies können die zwangsweise Untergebrachten jederzeit durch Erklärung das Rechtsregime der Unterbringung verändern und sich zur Behandlung freiwillig in der Klinik aufhalten, was ebenfalls ein hohes Maß an Durchlässigkeit innerhalb des Krankenhauses erfordert. Deshalb und aus sonstigen therapeutischen Gründen erscheint – wie auch von den Auskunftspersonen überzeugend vorgetragen worden ist – eine Absonderung der Patienten, die nach dem NPsychKG untergebracht sind, von den anderen Patientengruppen nicht angezeigt. Damit ist auch bei kleiner Patientenzahl im jeweiligen Krankenhaus die Behandlung in Fachabteilungen und kompatiblen Gruppen möglich. Der Vollzug in derzeit 26 Krankenhäusern gestattet überdies eine flächendeckend ortsnahe Behandlung. Die Ortsnähe dient dem Interesse der Untergebrachten, weil ihr Kontakt zum sozialen Umfeld während der Unterbringung nicht in Folge äußerer Umstände abreißt. Nicht zuletzt vermeidet die ortsnahe Unterbringung in einem Allgemeinkrankenhaus die Stigmatisierung der Untergebrachten, die

den Grund ihres Krankenhausaufenthaltes – anders als bei einer Unterbringung in einem zentralen Landeskrankenhaus, das auf den Unterbringungsvollzug spezialisiert wäre – geheim halten können. Diese Umstände sprechen entscheidend dafür, dass eine Ausnahme von der in Art. 60 Satz 1 NV aufgestellten Regel statthaft ist. Im Gegensatz zur Auffassung der Niedersächsischen Landesregierung kann demgegenüber die geringe Verweildauer, die bei nach dem NPsychKG Untergebrachten durchschnittlich 20 Tage beträgt, eine Ausnahme von dem in Art. 60 Satz 1 NV aufgestellten Grundsatz nicht rechtfertigen.

III.

Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 Nds. MVollzÄndG und Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) NPsychKÄndG sind jedoch mit dem in Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 NV niedergelegten Demokratieprinzip insoweit unvereinbar, als Bedienstete der privaten Krankenhausträger Grundrechtseingriffe vornehmen dürfen, ohne hierzu durch besondere Bestellung einer staatlichen Behörde legitimiert zu sein (1), und im Fall der Unterbringung psychisch Kranker keiner unmittelbar weisungsbefugten Fachaufsicht unterliegen (2). Die fehlende Legitimation der Bediensteten privater Krankenhausträger im Maßregelvollzug wird nicht durch die Aufsicht durch die Vollzugsleitung kompensiert (3).

1. Nach Art. 2 Abs. 1 NV geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird von diesem in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die staatlichen Organe und die für sie handelnden Organwalter bedürfen zur Ausübung von Staatsgewalt einer besonderen Legitimation, die sich auf die Gesamtheit der Bürger als Staatsvolk zurückführen lassen muss (BVerfG, Urteile vom 10. Dezember 1974 2 BvK 1/73, 2 BvR 902/73, BVerfGE 38, 258, 271; vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 71; Beschlüsse vom 15. Februar 1978 2 BvR 134, 268/76, BVerfGE 47, 253, 272 [BVerfG 15.02.1978 - 2 BvR 268/76]; vom 1. Oktober 1987 2 BvR 1178, 1179, 1191/86, BVerfGE 77, 1, 40 [BVerfG 01.10.1987 - 2 BvR 1178/86]; vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 66; vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 87).

Als Ausübung von Staatsgewalt, die der demokratischen Legitimation bedarf, stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar. Dies gilt gleichermaßen für Entscheidungen, die unmittelbar nach außen wirken, wie auch für solche, die nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schaffen, sowie für die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 73; BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 68; vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 87). Die Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen bedarf auch dann der für die Ausübung von Staatsgewalt erforderlichen demokratischen Legitimation, wenn sie nicht völlig unabhängig von anderen Organen der staatlichen Verwaltung erfolgen kann, sondern mit den Zuständigkeiten eines anderen Organs verschränkt ist. Entscheidungsbefugnisse können im Bereich der Verwaltung auch einem unbegrenzt weisungsabhängigen Amtsträger oder Organ zukommen. Das Mittel der Weisung kennzeichnet vor allem die zentralisierte und dekonzentrierte Verwaltung; die Zuständigkeiten der weisungsunterworfenen Organe verlieren dadurch ihren Charakter als Entscheidungskompetenzen nicht. Das gilt ebenso beim Bestehen von Selbsteintrittsrechten, Letztentscheidungs- oder Ab-änderungsrechten eines übergeordneten aufsichtsführenden Organs in Konfliktfällen. Solange und soweit derartige Befugnisse nicht ausgeübt werden, kommt die Entscheidungsgewalt des weisungsunterworfenen Amtsträgers zur Geltung; er übt insoweit, auch wenn er eine ihm bekannte allgemeine Haltung der Aufsichtsbehörde bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt, selbst staatliche Herrschaft aus (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 73).

Bei der Prüfung einer hinreichenden demokratischen Legitimation des konkreten Entscheidungsträgers unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwischen der organisatorisch-personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 72). Uneingeschränkte personelle Legitimation besitzt ein Entscheidungsträger, wenn er sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder dadurch erhalten hat, dass er durch einen seinerseits personell legitimierten, unter Verantwortung gegenüber dem Parlament handelnden Amtsträger oder mit dessen Zustimmung bestellt worden ist (ununterbrochene Legitimationskette; BVerfG, Urteile vom 24. Juli 1979 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95, 130 [BVerfG 24.07.1979 - 2 BvF 1/78]; vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 73; Beschlüsse vom 15. Februar 1978 2 BvR 134, 268/76, BVerfGE 47, 253, 275 [BVerfG 15.02.1978 - 2 BvR 268/76]; vom 1. Oktober 1987 2 BvR 1178, 1179, 1191/86, BVerfGE 77, 1, 40 [BVerfG 01.10.1987 - 2 BvR 1178/86]; vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 67; vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 87). Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird dagegen zweistufig vermittelt: zum einen durch die Bindung an das Gesetz (Art. 2 Abs. 2 2. Halbs. NV) und zum anderen durch Aufsicht und Weisung übergeordneter staatlicher Stellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 67; vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 89). Personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation stehen dabei in einem wechselbezüglichen Verhältnis, welches es ermöglicht, eine verminderte Legitimation des jeweils anderen Stranges auszugleichen. Sichergestellt sein muss nur ein bestimmtes Legitimationsniveau zur Sicherung einer effektiven demokratischen Legitimation (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 72; Beschlüsse vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 67; vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 87). Für den Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung durch Bundes- oder Landesbehörden fordert das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich die volle personelle Legitimation der entscheidenden Amtsträger (BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 67 f.; vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 87 f.).

Bei der Wahrnehmung von Aufgaben mit besonders geringem Entscheidungsgehalt in einem wenig bedeutsamen Bereich hält das Bundesverfassungsgericht eine geminderte Legitimation für möglich, wenn die Kompetenzen gegenständlich und ihrem Umfang nach eng begrenzt, die zu treffenden Entscheidungen inhaltlich im Ergebnis vorstrukturiert sind und die Entscheidungsträger einem umfassenden Evokations- oder Letztentscheidungsrecht eines übergeordneten Organs unterliegen (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 74; BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 70). Im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung – also der Übertragung bestimmter öffentlicher Aufgaben auf Verwaltungsträger, die über Entscheidungsbefugnisse in eigenen Angelegenheiten verfügen und zumeist körperschaftlich verfasst sind – erfährt der Grundsatz der personellen Legitimation insofern eine Durchbrechung, als die Entscheidungsträger aus den Reihen der Mitglieder gestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hält in solchen Fällen eine hinreichende demokratische Legitimation trotz fehlender personeller Legitimation für gegeben, wenn „die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt“. Begründet wird diese Ausnahme mit der Offenheit des Demokratieprinzips, die es ermögliche, auch die in ihm wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2002 2 BvL 5, 6/98, BVerfGE 107, 59, 91 f., 94).

Die angefochtenen Regelungen des NPsychKÄndG und des Nds. MVollzÄndG genügen diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, weil die für die beliehenen privaten Krankenhausträger handelnden Bediensteten über keinerlei demokratische Legitimation verfügen.

Durch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG n. F. kann juristischen Personen und Kommanditgesellschaften im Wege der Beleihung nicht nur der Vollzug der Unterbringung als öffentliche Aufgabe übertragen werden. Nach §§ 6 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, 8 Abs. 1, 20 Abs. 2 Satz 1 und 22 Satz 2 Nds. MVollzG haben die Bediensteten als Funktionsträger der beliehenen Gesellschaften hierbei die Befugnis zur Anordnung grundrechtseinschränkender Maßnahmen. Auch bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs treffen sie unter Beachtung von Weisungen der Vollzugsleitung nach § 18 Abs. 2 Satz 2 Nds. MVollzG n. F. Entscheidungen über Ausführung und Intensität der Maßnahmen im Einzelfall.

Im Bereich der Unterbringung psychisch Kranker hat sich das Land Niedersachsen – bis auf die in § 15 Abs. 2 NPsychKG n. F. vorgesehene Fachaufsicht und den Ausnahmefall des Selbsteintrittsrechts (§ 15 Abs. 3 NPsychKG n. F.) – aus der Anwendung des Gesetzes vollständig zurückgezogen. Eine präventive richterliche Kontrolle ist nur für den Fall vorgesehen, dass die untergebrachte Person über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig zusätzlich in ihrer Freiheit beschränkt wird (§ 17 Abs. 3 Satz 1 NPsychKG). Auch Psychiatrieausschuss und Besuchskommissionen, die wichtige Elemente einer externen Kontrolle verkörpern, bewirken nicht, dass das Land im täglichen Gesetzesvollzug präsent wäre. Die im Gesetz vorgesehenen Grundrechtseingriffe werden folglich von Bediensteten der mit der Aufgabe beliehenen juristischen Personen oder Kommanditgesellschaften sowohl angeordnet als auch durchgeführt. Dies folgt schon aus § 15 Abs. 1 Satz 3 NPsychKG n. F.. Danach sind nur Maßnahmen nach § 24 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG von der Übertragung auf eine juristische Person des Privatrechts oder eine Kommanditgesellschaft ausgeschlossen. Zudem begründen §§ 25 Abs. 4 Satz 1 und 26 Abs. 5 NPsychKG die sachliche Zuständigkeit der Krankenhausleitung bzw. der ärztlichen Leitung des Krankenhauses für die Anordnung bestimmter Maßnahmen. Es kann offen bleiben, wie die verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Übertragung staatlicher Aufgaben auf juristische Personen des Privatrechts und Kommanditgesellschaften im Wege einer Beleihung generell zu ziehen sind. In jedem Fall bedarf die Übertragung von Aufgaben, bei deren Wahrnehmung grundrechtseinschränkende Befugnisse ausgeübt werden, einer besonderen personellen Legitimation der natürlichen Personen, die diese Befugnisse für die beliehenen Gesellschaften tatsächlich ausüben. Eine derartige Legitimation der Bediensteten der privaten Krankenhausträger sehen die angegriffenen Vorschriften des Nds. MVollzÄndG und des NPsychKÄndG nicht bzw. nicht in verfassungsrechtlich ausreichender Weise vor.

Die fehlende personelle Legitimation der Bediensteten wird nicht dadurch ersetzt, dass die Krankenhausträger selbst mit dem Vollzug der Unterbringung psychisch Kranker und dem Maßregelvollzug beliehen sind. Die durch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG n. F. bzw. § 15 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG n. F. vermittelte ununterbrochene Legitimationskette reicht zwar vom Parlament als Gesetzgeber über die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für das zuständige Fachministerium und über die von diesem erlassenen Beleihungsakte bis zu den beliehenen Gesellschaften. Dann aber bricht die Kette ab, denn für die Bestellung der Geschäftsführer der Gesellschaften als deren gesetzliche Vertreter (§ 35 Abs. 1 Gmb11G bzw. §§ 125 Abs. 1, 170 11GB) ist die Gesellschafterversammlung nach § 46 Satz 1 Nr. 5 Gmb11G zuständig bzw. die vollhaftenden Gesellschafter üben die Vertretung grundsätzlich selbst aus (§§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 11GB). Die gesetzlichen Vertreter schließen vorbehaltlich einer anderen Regelung im Gesellschaftsvertrag in deren Namen die Arbeitsverträge ab und bestimmen so den Kreis der unselbständig Beschäftigten der Gesellschaft. Dass die Gesellschafter der privaten Krankenhausträger und deren Beschäftigte über keinerlei personelle demokratische Legitimation verfügen, ist offensichtlich.

Eine hinreichende personelle Legitimation der für die Beliehenen handelnden Personen wird auch nicht dadurch vermittelt, dass dem Fachministerium ein Einfluss bei der Auswahl der gesetzlichen Vertreter und der im Vollzug tätigen Angestellten der beliehenen Krankenhausträger zukäme. Die in § 3 a Abs. 1 Satz 1 Nds. MVollzG n. F. bzw. § 15 Abs. 2 Satz 1 NPsychKG n. F. verankerte Fachaufsicht, die eine Weisungsbefugnis gegenüber den Beschäftigen nur im Falle des Selbsteintrittsrechts einschließt (§§ 3 a Abs. 2 Satz 2 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 2 Satz 2 NPsychKG n. F.), erstreckt sich nach dem Wortlaut nur auf die Kontrolle der Recht- und Zweckmäßigkeit bei der Erledigung der übertragenen Aufgaben und die Wahrnehmung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen, nicht aber auf die Auswahlentscheidungen der Gesellschafterversammlung bzw. der Geschäftsführung bei der Anstellung der einzelnen Bediensteten. Soweit die beliehenen Gesellschaften nach §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 4 NPsychKG n. F. zu einer ausreichenden personellen Ausstattung der von ihnen betriebenen Einrichtung verpflichtet sind, kann das Fachministerium diese gesetzliche Vorgabe zwar im Beleihungsakt konkretisieren und entsprechende fachliche Anforderungsprofile an die zu besetzenden Stellen festlegen; ein darüber hinausgehendes Bestimmungsrecht bei der Besetzung der einzelnen Stellen oder eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der besonderen Sachkunde und Zuverlässigkeit der ausgewählten Personen sieht das Gesetz jedoch nicht vor.

Ein entsprechender Zustimmungs- und Bestellungsvorbehalt des Fachministeriums zur Anstellung der Bediensteten lässt sich auch nicht im Wege einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung der §§ 3 a Abs. 1 Satz 1 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 2 Satz 1 NPsychKG n. F. in das Gesetz hineininterpretieren. Bei dem im Gesetz verwandten Begriff der Fachaufsicht handelt es sich um einen juristischen Terminus mit feststehendem Bedeutungsinhalt, der einer über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung entgegensteht. Aus den inhaltlichen Konkretisierungen der fachaufsichtsrechtlichen Befugnisse des Fachministeriums in §§ 15 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 NPsychKG n. F., 3 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nds. MVollzG n. F. lässt sich überdies der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Fachaufsicht nicht untechnisch im Sinne einer allgemeinen Aufsicht des Fachministeriums über alle Entscheidungen der Beliehenen mit einem auch nur mittelbaren Bezug zur übertragenen Aufgabe verwendet hat (vgl. auch die Entwurfsbegründungen zum Nds. MVollzÄndG und zum NPsychKÄndG, Nds. LT-Drs. 15/3290, S. 10 f., 15/3290, S. 10 f.). Einer die Inhalte der Fachaufsicht erweiternden Interpretation stehen zudem Grundrechte der Gesellschaften bzw. ihrer Gesellschafter aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, da Beschränkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Gesellschafterrechte einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürften. Das vom Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht vorgebrachte Argument, eine Spezifizierung der Aufsichtsmittel gegenüber dem Beliehenen müsse durch das Gesetz nicht erfolgen, weil dieser in Bezug auf die übertragenen öffentlichen Aufgaben und Befugnisse der hierarchischen Weisungsgewalt wie eine nachgeordnete Behörde unterliege (Urteil vom 15. Januar 2002 St 1/01, LVerfGE 13, 209, 226 f.), kann demgegenüber nicht überzeugen. Der Beliehene ist als Privatperson und damit Träger von Grundrechten der Landesverwaltung nur angegliedert und keinesfalls ein Teil der unmittelbaren Landesverwaltung. Staatliche Einwirkungen auf die Entscheidungen der Beliehenen können daher – ähnlich wie bei den Kommunen als Trägern der Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 57 Abs. 1 und 4 NV – nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen.

Auch der Umstand, dass die privaten Krankenhausträger mit der Beleihung möglicherweise den Status einer Behörde i. S. d. § 1 Abs. 4 NVwVfG erlangen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nur staatliche Verwaltungsbehörden können ihre Bediensteten mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betrauen. Da juristische Personen des Privatrechts und Kommanditgesellschaften lediglich Zuordnungssubjekte für Rechte und Pflichten sind, reicht ihre Beleihung nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 1 Satz 2 NPsychKG n. F. jedenfalls dann nicht aus, wenn es sich bei den wahrzunehmenden Tätigkeiten der Bediensteten um grundrechtseinschränkende Maßnahmen handelt, wie sie im NPsychKG und Nds. MVollzG vorgesehen sind. Der Grundsatz einer ununterbrochenen personellen Legitimationskette erfordert in diesen Fällen vielmehr, dass die Personen, die die Grundrechtseingriffe tatsächlich anordnen und durchführen, hierzu durch einen besonderen Bestellungsakt einer staatlichen Behörde legitimiert sind.

Die Erforderlichkeit einer Bestellung durch staatliche Behörden betrifft sämtliche Bediensteten des Krankenhausträgers, die – auch im Notfall – Grundrechtseingriffe gegenüber den nach NPsychKG und Nds. MVollzG Untergebrachten oder dritten Personen anordnen oder durchführen. Erforderlich ist deshalb auch die besondere Bestellung einer Ärztin oder eines Arztes, der bzw. dem die Behandlung der untergebrachten Personen obliegt. Zwar ist wegen der weitgehenden Unterschiede zwischen dem Maßregelvollzug und der Unterbringung psychisch Kranker die Bestellung eines staatlichen Bediensteten – entsprechend der Vollzugsleitung nach § 5 a Nds. MVollzG n. F. – verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Allerdings müssen die Anordnungsbefugnisse auch für grundrechtseinschränkende Maßnahmen gegenüber untergebrachten psychisch Kranken in einer Leitungsperson gebündelt werden, die der Fachaufsicht ggf. berichten und der die Fachaufsicht Weisungen erteilen kann.

Die nach § 12 Abs. 3 NPsychKG vorgesehene Bestellung von Verwaltungsvollzugsbeamten genügt den dargelegten Anforderungen nicht und vermag die fehlende personelle demokratische Legitimation des Personals privater Krankenhausträger bei dem Vollzug der Unterbringung psychisch Kranker nicht auszugleichen. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsgrundverweisung auf § 50 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nds. SOG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 9 VollzBeaVO können für die Unterbringung psychisch Kranker Verwaltungsvollzugsbeamte bestellt werden. Personen außerhalb des öffentlichen Dienstes können ausnahmsweise bestellt werden, wenn zwischen ihrer hauptberuflichen Tätigkeit und der Vollzugsaufgabe ein enger Zusammenhang besteht und die Weisungsgebundenheit an die Verwaltungsbehörde gewährleistet ist (§ 2 Satz 2 VollzBeaVO). Dies ist nach den Vorschriften des NPsychKG gerade nicht der Fall, weil Weisungsrechte der Fachaufsichtsbehörde nur gegenüber dem Krankenhausträger als solchem bestehen. Überdies würde eine Bestellung durch die hierfür zuständigen Verwaltungsbehörden – nämlich die Landkreise und kreisfreien Städte – dazu führen, dass bestellende Behörde und Fachaufsichtsbehörde nicht identisch sind. Damit wäre die verfassungsrechtlich notwendige Bezogenheit von demokratischer Legitimation und Fachaufsicht nicht gewahrt.

Im Maßregelvollzugsgesetz ist demgegenüber die Bestellung von Vollzugsbeamten nicht vorgesehen, obwohl unmittelbarer Zwang nicht allein von Angehörigen der sog. „14-er Gruppe“ ausgeübt wird und auch weitere Grundrechtseingriffe – so in den Fällen der §§ 6 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, 8 Abs. 1, 20 Abs. 2 Satz 1, 22 Satz 2 Nds. MVollzG – von Bediensteten des privaten Trägers vorgenommen werden.

Beide Gesetze leiden daher unter dem generellen Mangel, dass die Bestellung von Bediensteten zu Verwaltungsvollzugsbeamten nicht und vor allem nicht in der Form vorgeschrieben ist, die einen Einfluss auf die Auswahl, die Prüfung der Sachkunde und Zuverlässigkeit sowie die Anleitung dieser Mitarbeiter durch die Fachaufsichtsbehörde ermöglicht bzw. voraussetzt. Sollte sich der Gesetzgeber des Modells der Bestellung von Verwaltungsvollzugsbeamten zur Gewährleistung einer hinreichenden demokratischen Legitimation bedienen, müssten im Gesetz die Voraussetzungen dieser Bestellung und deren Einbettung in eine effektive Fachaufsicht ausgeformt und festgelegt werden. Eine Bestellung durch die Beliehenen selbst vermag im Lichte des Demokratiegebots keinerlei personelle Legitimation zu vermitteln.

2. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die hinsichtlich der fachaufsichtsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf Beliehene zu stellen sind, sind nach den ihnen zugewiesenen Befugnissen zu bestimmen. Je genauer die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen ihre Entscheidungen inhaltlich vorprägen und je mehr die ihnen übertragenen Verwaltungskompetenzen rein technische oder doch entscheidungsarme Befugnisse enthalten, umso geringere Anforderungen sind an die Dichte der Aufsicht durch die übergeordnete staatliche Behörde zu stellen. Werden dagegen Aufgaben wahrgenommen, deren Erfüllung mit erheblichen Grundrechtseingriffen für die Betroffenen verbunden sind, und räumen die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen ein Handlungs- und/oder Auswahlermessen ein, ist die erforderliche effektive staatliche Aufsicht in der Regel nur dann gewährleistet, wenn die einzelnen Funktionsträger der Beliehenen unmittelbar der staatlichen Fachaufsicht unterworfen sind. Die Beleihung ist in diesem Bereich nur dann zulässig, wenn gesetzlich sichergestellt wird, dass der Fachaufsichtsbehörde gegenüber diesem Personenkreis ein unmittelbares Weisungsrecht zusteht, das ihr eine begleitende Aufsicht vor Ort ermöglicht.

Nach §§ 3 a Abs. 1 Satz 1 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 2 Satz 1 NPsychKG n. F. unterliegen die beliehenen Gesellschaften als Träger der psychiatrischen Krankenhäuser, der Entziehungsanstalten und der Krankenhäuser der Fachaufsicht durch das Fachministerium. Im Rahmen der Aufsicht sind die Gesellschaften verpflichtet, Auskunftsersuchen nachzukommen. Akteneinsichtnahmen zu gewährleisten, Weisungen zu befolgen und dem Ministerium und den Mitgliedern der Besuchskommissionen jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren (§§ 3 a Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 2 Satz 1 NPsychKG n. F.). Wenn die Gesellschaften einer Weisung innerhalb einer vom Ministerium gesetzten Frist nicht nachkommen, hat das Ministerium ein Selbsteintrittsrecht nach §§ 3 a Abs. 2 Satz 1 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 3 Satz 1 NPsychKG n. F., das auch Weisungen gegenüber den Bediensteten erlaubt (§§ 3 a Abs. 2 Satz 2 Nds. MVollzG n. F., 15 Abs. 3 Satz 2 NPsychKG n. F.). Soweit sich die Landesregierung in einzelnen Beleihungsverträgen weitergehende Weisungsrechte vorbehalten hat, genügen diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil derartige Befugnisse dem Gesetzesvorbehalt unterliegen.

Die fachaufsichtlichen Steuerungs- und Kontrollrechte werden im Maßregelvollzugsrecht durch § 5 a Nds. MVollzG n. F. ergänzt. Die Aufgaben der Vollzugsleitung sind nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Nds. MVollzG n. F. von der Beleihung ausgeschlossen und daher innerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung wahrzunehmen. Die Vollzugsleitung trägt die Verantwortung für die ärztlichen und pflegerischen Aufgaben des Vollzugs und ist gegenüber den Bediensteten der Einrichtungen weisungsbefugt. § 5 a MVollzG legt somit die ständige Aufsicht über den Maßregelvollzug in die Hände der Vollzugsleitung, die vor Ort ist und sowohl über unmittelbare Weisungsrechte, aber auch über faktische Weisungsmöglichkeiten gegenüber den Bediensteten des Beliehenen verfügt. Damit wird ein wirksames Maß an sachlich-inhaltlicher Legitimation durch eine begleitende, ortsnahe Fachaufsicht auch bei Maßnahmen erreicht, die dem „14-er Team“ nicht vorbehalten sind.

Demgegenüber vermittelt das NPsychKG in seinen – wenn auch gegenüber der Vorgängerfassung verbesserten – Regelungen zur Fachaufsicht dem Beliehenen und seinen Mitarbeitern keine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation, weil die aufsichtsrechtlichen Befugnisse des Fachministeriums in § 15 Abs. 2 und 3 NPsychKG n. F. hierfür nicht ausreichend sind. § 15 Abs. 2 NPsychKG n. F. ermöglicht nur Maßnahmen gegenüber den privaten Trägern der Krankenhäuser; Weisungen gegenüber ihren Bediensteten sind nur im Ausnahmefall des in § 15 Abs. 3 NPsychKG n. F. geregelten Selbsteintrittsrechts zulässig. Verfassungsrechtlich geboten ist jedoch ein Weisungsrecht gegenüber allen Bediensteten, die zur Wahrnehmung von Aufgaben beim Vollzug der Unterbringung psychisch Kranker zur Anordnung und Durchführung grundrechtseinschränkender Maßnahmen befugt sind. Überdies muss Gewähr dafür bestehen, dass die individuell bestellten Bediensteten jederzeit – ggf. über den für diesen Krankenhausbereich verantwortlichen Arzt, aber ohne Einschaltung des Krankenhausträgers – der Fachaufsichtsbehörde berichten können.

3. Die Regelungen über die Fachaufsicht nach dem Nds. MVollzG n. F. genügen somit zwar den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine sachlich-inhaltliche Legitimation, weil der staatlichen Vollzugsleitung eine Weisungsbefugnis auch unmittelbar gegenüber den Bediensteten zukommt (§ 5 a Satz 3 Nds. MVollzG) und damit eine begleitende staatliche Aufsicht vor Ort sichergestellt ist. Die durch die Fachaufsicht vermittelte sachlich-inhaltliche Legitimation im Bereich des Maßregelvollzugs vermag die fehlende personelle Legitimation der Bediensteten der privaten Krankenhausträger jedoch nicht auszugleichen. Eine effektive Fachaufsicht ist nach den oben dargelegten Grundsätzen nur geeignet, eine geminderte personelle Legitimation zu kompensieren, um insgesamt ein ausreichendes Legitimationsniveau zu erreichen. Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2002 (BVerfGE 107, 59, 94) nicht entgegen, weil das Gericht eine Durchbrechung des Grundsatzes personeller Legitimation nur für den Sonderfall einer Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Träger funktionaler Selbstverwaltung zugelassen hat; die dortigen Ausführungen sind auf die Konstellation der Beleihung einer juristischen Person des Privatrechts und einer Kommanditgesellschaft nicht übertragbar.

IV.

Der Staatsgerichtshof sieht von einer Nichtigkeitserklärung der angegriffenen Vorschriften nach § 34 Abs. 1 Satz 1 StGHG ab, weil durch eine Nichtigkeitserklärung der Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 Nds. MVollzÄndG und Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) NPsychKÄndG die Regelungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. MVollzG a. F. und des § 15 Abs. 1 Satz 1 NPsychKG a. F. wieder aufleben würden und sich dadurch der Rechtszustand in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht verbessern, sondern verschlechtern würde. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, durch eine Änderung des Nds. MVollzG und des NPsychKG eine Regelung zu treffen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der Zeitraum von zwei Jahren – bis zum 31. Dezember 2010 – erscheint hierfür angemessen.

C.

Das Verfahren ist nach § 21 Abs. 1 StGHG kostenfrei; Auslagen der Beteiligten werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 StGHG nicht erstattet.