Staatsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 17.01.2008, Az.: StGH 1/07

Kleine Anfrage; Landtag; Zusatzfrage; Auskunftspflicht von Landesministern; Auskunftsrecht von Abgeordneten; Organstreitigkeit

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
17.01.2008
Aktenzeichen
StGH 1/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 55142
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Umfang der Auskunftspflicht eines Landesministers bei Zusatzfragen von Abgeordneten im Rahmen einer Kleinen Anfrage.

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller macht geltend, die Landesregierung habe sein Recht auf Auskunft gemäß Art. 24 Abs. 1 NV dadurch verletzt, dass der Umweltminister als Mitglied der Landesregierung in der 114. Plenarsitzung des Landtages vom 8. März 2007 zwei Zusatzfragen des Antragstellers nicht beantwortet habe.

In der 114. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages vom 8. März 2007, die unter Tagesordnungspunkt 37 die Kleinen Anfragen zur mündlichen Beantwortung behandelte, trug der Abgeordnete Dürr folgende Anfrage der Abgeordneten Bode, Dürr und Rickert (FDP) vor:

Niedersächsische Kernkraftwerke für den Klimaschutz

Der aktuelle Bericht des UN-Klimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) unterstreicht die Prognose einer weiteren Erderwärmung.

Nach Auffassung des IPCC haben die von den Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen, vor allem von CO², daran einen entscheidenden Anteil. Unter führenden Industrienationen besteht Einigkeit darüber, dass möglichst effektiv gehandelt werden muss. Ein solches effektives und schnelles Handeln ist nicht nur die sicherste, sondern den Experten des IPCC zufolge auch die kostengünstigste Methode, von Menschen verursachte Veränderungen des Weltklimas zu minimieren. Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 23. Februar 2007 berichtet, sehen die Autoren des IPCC-Berichts in der Nutzung der Kernenergie eines von mehreren erforderlichen Mittel, um den CO² Ausstoß zu verringern und damit die Erderwärmung in Grenzen zu halten.

 In Niedersachsen sind zurzeit drei Kernkraftwerke in Betrieb. Zwei dieser Kraftwerke, Emsland und Grohnde, gehören laut einem Bericht der Nordwest-Zeitung in der Ausgabe vom 22. Februar 2007 zu den zehn produktivsten Kernkraftwerken weltweit. Das dritte niedersächsische Kraftwerk, Unterweser, hat die Liste der besten Zehn nur knapp verpasst.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1.Wie viel CO² konnte im Vergleich zu einer Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen durch die drei niedersächsischen Kernkraftwerke eingespart werden?
2.Wie bewertet sie die Stromproduktion in Kernkraftwerken vor dem Hintergrund des Klimawandels?

3. Besteht nach Ansicht der Landesregierung die Möglichkeit, auf die weitere Nutzung der Kernenergie zu verzichten, ohne den Klimawandel zu verstärken?

An diese Frage schloss sich die Antwort des Umweltministers an. Danach wurden von Abgeordneten Zusatzfragen gestellt und vom Minister beantwortet. An sechster Stelle stellte der Antragsteller Zusatzfragen. Der Stenografische Bericht des Niedersächsischen Landtages - 15. Wahlperiode - 114. Plenarsitzung vom 8. März 2007 gibt dazu wieder:

Andreas Meihsies (GRÜNE):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon etwas skurril, wenn eine Partei, namentlich die FDP, sich hier vorne hinstellt und uns erzählen will: Die Zeitschiene ist zu kurz; wir müssen schnell handeln - eine Partei, die Jahrzehnte die Alternativen in der Energieversorgung blockiert und behindert hat, meine Damen und Herren. Das ist schon skurril.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Das ist doch Quatsch! Sie wissen, dass das Quatsch ist!)

- Herr Dürr, Sie wissen ganz genau, auf welchen Ebenen Sie die Umsetzung der Alternativen politisch verhindert haben. Sie sind der Letzte, von dem wir uns erzählen lassen, dass es jetzt kurz vor zwölf ist.

(Christian Dürr [FDP]: Bei uns war das schon Thema, da gab es die Grünen noch gar nicht! Da hatten Sie noch keine Ahnung von Umwelt! Sie haben heute noch keine Ahnung von Umwelt!)

Herr Dürr, Sie haben einen entscheidenden Fehler gemacht. Sie haben in der Anfrage eine falsche Quelle zitiert. Die HAZ hat sich auf eine Diskussion im IPCC-Bericht bezogen, wo es heißt, Alternativen gebe es nur durch Atomenergie. Zwei Tage später sagte einer der Autoren des IPCC-Berichts, Herr Otmar Edendorfer, es sei eine Geisterdebatte, dass Atomenergie die Alternative zur CO²- Problematik darstelle. Die Atomenergie, sagte er in der ARD am 23. Februar, könne keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten; sie werde in Zukunft nur ein Nischendasein führen. - Richtig ist das, was Herr Edendorfer sagt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Präsident Jürgen Gansäuer:

Herr Kollege, Sie müssen jetzt die Frage stellen. Die eine Minute ist überschritten. Andreas Meihsies (GRÜNE):

Jetzt komme ich zu meiner Frage: Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass die Atomenergie zwischen 70 und 80 Milliarden Euro Steuersubventionen erhalten hat? Wenn ja, wie können Sie das begründen? Und ist Ihnen bekannt, dass die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2002 gesagt hat, um die Reduktion des CO²- Ausstoßes um 50 % hinzubekommen, müssten allein in Deutschland 50 bis 70 AKWs installiert werden? Wenn ja, wie viele AKWs wollen Sie in Niedersachsen aus dieser Tranche denn übernehmen? - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Präsident Jürgen Gansäuer:

Das waren zwei Fragen. - Herr Minister!

Hans-Heinrich Sander, Umweltminister:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes darf ich für die Landesregierung die Feststellung treffen, dass es im Jahr 1994 eine Bundesregierung aus CDU und FDP gab, die diese erneuerbaren Energien durch die Verabschiedung des Stromeinspeisungsgesetzes auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von den GRÜNEN - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

Meine Damen und Herren, allein an dieser Tatsache sehen Sie, Herr Jüttner, dass CDU und FDP im Grunde die Parteien waren, die dieses auf den Weg gebracht haben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Da müssen wir aber dankbar sein!)

Sie wollen natürlich ein anderes Etikett. Ich sage Ihnen auch hier eines voraus: So wie Sie daran gescheitert sind, die Frage der Kindergärten endlich zu lösen, werden Sie als SPD bei dieser Bundesregierung auch in der Frage der Energiepolitik scheitern, weil nämlich jetzt Frau Merkel Ihnen vormacht, wie man richtige Klimaschutzpolitik betreibt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Enno Hagenah [GRÜNE]: Wo bleiben denn die Antworten, Herr Minister?)

Es folgten noch weitere Zusatzfragen anderer Abgeordneter.

Am 26. April 2007 ist die diesem Verfahren zugrunde liegende Antragsschrift des Antragstellers beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof eingegangen. Am selben Tage fand die 116. Plenarsitzung des Landtages statt. In deren Verlauf wurde außerhalb der Tagesordnung die Beantwortung von Zusatzfragen zu Frage 1 in der Fragestunde der 114. Plenarsitzung behandelt. Der Stenografische Bericht der 116. Plenarsitzung enthält dazu - auszugsweise - folgende Aufzeichnungen:

Vizepräsidentin Astrid Vockert:

...„Herr Minister Sander hat sich nach § 78 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. Bevor ich Tagesordnungspunkt 28 aufrufe, erteile ich ihm das Wort. Bitte schön, Herr Minister Sander!

Hans-Heinrich Sander, Umweltminister:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte unter Bezugnahme auf § 78 Abs. 3 eine Erklärung abgeben. Wie ich gestern der Presse entnehmen konnte, beschuldigt mich der Kollege Meihsies, zwei seiner Fragen aus der Fragestunde in der 114. Plenarsitzung am 8. März 2007 nicht beantwortet zu haben. Zur Wahrung seiner Rechte soll er sich an den Niedersächsischen Staatsgerichtshof gewandt haben. Wie die Staatskanzlei soeben noch einem meiner Mitarbeiter mitgeteilt hat, liegt dort noch keine Post vor.

Lassen Sie mich zur Sache Folgendes sagen: Es ist richtig, dass ich die Fragen nicht beantwortet habe. Damit Sie alle wissen, worum es geht, darf ich diese Fragen hier noch einmal verlesen. Die Fragen des Abgeordneten Meihsies lauteten: „Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass die Atomenergie zwischen 70 und 80 Milliarden Euro Steuersubventionen erhalten hat? Wenn ja, wie können Sie das begründen? Und ist Ihnen bekannt, dass die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2002 gesagt hat, um die Reduktion des CO²-Ausstoßes um 50 % hinzubekommen, müssten allein in Deutschland 50 bis 70 AKWs installiert werden? Wenn ja, wie viele AKWs wollen Sie in Niedersachsen aus dieser Tranche denn übernehmen?“ Meine Damen und Herren, wenn Sie genau hingehört haben, werden Sie bemerkt haben, dass ich nicht zwei, sondern sogar vier Fragen nicht beantwortet habe. Die Fragen des Kollegen Meihsies habe ich aufgrund der Art und Weise des Vortrages und der Reaktion im Plenum im Bereich der Rhetorik angesiedelt und bin deshalb nicht ernsthaft davon ausgegangen, dass eine konkrete Antwort wirklich erwartet wurde.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN)

Nun im Einzelnen zu den Fragen. Ja, mir ist bekannt, dass die Atomenergie subventioniert worden ist und dass es in diesem Zusammenhang auch die Behauptung gibt, dass es sich um 70 bis 80 Milliarden Euro handeln soll. Zur zweiten Frage betreffend die Begründung der Subventionen. Für diese Frage ist die Landesregierung der falsche Adressat. Wie wir aber wissen, hat sich die Politik in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts von der Kernenergie große Beiträge zur Lösung von Zukunftsproblemen versprochen, genauso wie wir uns diese heute von den Subventionen für die erneuerbaren Energien versprechen. Nun zu Frage 3, die sich auf die Aussage der Enquete-Kommission bezieht, in Deutschland müssten 50 bis 70 Atomkraftwerke gebaut werden. Herr Kollege Meihsies, diese Aussage der Enquete- Kommission ist mir nicht bekannt. Wenn es sie dennoch geben sollte, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese Aussage zur Verfügung stellen würden. Da ich im März davon ausgegangen bin - das tue ich auch heute noch -, dass es diese Aussage nicht gibt - ich habe ein Mitglied der Enquete-Kommission diesbezüglich heute noch befragt -, konnte ich auch diese Frage nur als Rhetorik einordnen. Schließlich zur Frage 4: Wie viele Atomkraftwerke würde Niedersachsen übernehmen? Herr Kollege Meihsies, diese Frage stellt sich nicht, weil es die von Ihnen behaupteten Aussagen der Enquete-Kommission gar nicht gibt. Selbst wenn es anders wäre, würde sich das Land Niedersachsen aus ökonomischen Grünen nicht als Standort anbieten. Das hängt mit der Lastenverteilung in der Nähe der Kraftwerke mit Bezug auf die Verbrauchsschwerpunkte zusammen. Herr Kollege Meihsies, ich möchte Ihnen persönlich sagen, dass Sie vor mir keine Angst zu haben brauchen.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei den GRÜNEN)

Sie können mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, wenn Sie irgendeine Frage haben, die Sie beantwortet haben möchten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Meihsies, Sie brauchen dabei noch nicht einmal einen Anwalt einzuschalten, der unter Umständen ja mit teurem Geld bezahlt werden muss. Herr Kollege Meihsies, abschließend zu Ihnen und zu den Grünen noch dies: Ich bin nicht nur der Umweltminister für CDU und FDP, sondern der Umweltminister für alle Niedersachsen und somit auch für die Grünen.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Antragsteller macht geltend, der Umweltminister habe seine in der 114. Plenarsitzung vom 8. März 2007 gestellten Zusatzfragen nicht beantwortet und damit das in Art. 24 Abs. 1 NV verankerte Auskunftsrecht der Abgeordneten verletzt. Die Fragen hätten den Anforderungen der Geschäftsordnung entsprochen und seien vom Präsidenten des Landtags nicht beanstandet worden. Der Minister habe keine Ausführungen zur Sache gemacht und auch nicht auf den Hinweis des Abgeordneten Hagenah, der auf die fehlende Beantwortung aufmerksam gemacht habe, reagiert.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Landesregierung in der Landtagssitzung vom 8. März 2007 durch die Antwort, die Umweltminister Hans-Heinrich Sander auf die erste und die zweite Zusatzfrage des Antragstellers zu der kleinen Anfrage der Abgeordneten Bode, Dürr und Rickert gegeben hat, ihre Auskunftspflicht aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung verletzt hat.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hält den Antrag für unzulässig. Dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Es habe zwischen den Beteiligten zu keiner Zeit Streit darüber bestanden, dass die Zusatzfragen hätten beantwortet werden müssen. Der Umweltminister habe jedoch zunächst davon ausgehen können, die Zusatzfragen in der 114. Plenarsitzung ausreichend beantwortet zu haben. In der Landtagssitzung vom 8. März 2007 habe der Antragsteller ein Fehlen der Antwort auch nicht beanstandet. Er hätte seinem Begehren auf parlamentarischem Wege Nachdruck verleihen können. Außerdem habe der Minister nach Art der Frage davon ausgehen können, dass es sich lediglich um rhetorische Fragen gehandelt habe, die keiner Antwort bedürften. Als er dann aus der Presse erfahren habe, dass der Antragsteller ihm die fehlende Beantwortung einer Frage vorwerfe, habe er die Frage unverzüglich im Plenum vom 26. April 2007 beantwortet. Schließlich sei die Antwort auf die Zusatzfragen vor Rechtshängigkeit des Verfahrens gegeben und damit der Anspruch des Antragstellers erfüllt worden. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Die Landesregierung habe die Fragen ohne schuldhaftes Zögern, mithin unverzüglich, und vollständig beantwortet.

II.

Der Antrag ist zurückzuweisen.

Es bestehen schon Zweifel an der Zulässigkeit des Antrages, nachdem der Minister für Umwelt die Zusatzfragen des Antragstellers in der 116. Plenarsitzung des Landtages beantwortet hat. Nach Beantwortung der Fragen dürfte es am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers fehlen, den Sachverhalt zur verfassungsrechtlichen Prüfung zu stellen, zumal die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung zur Beantwortung der Zusatzfragen nicht in Abrede gestellt hat. Ob der Antrag schon mangels Zulässigkeit abzulehnen ist, kann aber offen bleiben.

Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Die Landesregierung hat die Rechte des Antragstellers auf Auskunft gemäß Art. 24 Abs.1 NV nicht verletzt.

Zusatzfrage 1

Die erste Zusatzfrage des Antragstellers lautete:

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass die Atomenergie zwischen 70 und 80 Milliarden Euro Steuersubventionen erhalten hat? Wenn ja, wie können Sie das begründen?

Die Antragsgegnerin hat ihre Auskunftspflicht hinsichtlich dieser Frage nicht verletzt, weil die Zusatzfrage mangels Sachzusammenhangs keiner Beantwortung durch die Landesregierung bedurfte.

Die Zusatzfrage des Antragstellers ging über den Gegenstand der Kleinen Anfrage hinaus. Gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Landtages müssen Zusatzfragen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Diesen Anforderungen wird die erste Zusatzfrage des Antragstellers nicht gerecht. Die Anfrage der Abgeordneten Bode, Dürr und Rickert hatte den Zusammenhang zwischen CO²-Belastung und Kernenergie zum Gegenstand, und zwar zum einen die Einsparung von CO²-Ausstoß durch Einsatz von Kernkraftwerken, zum anderen die Bewertung des Einsatzes von Kernkraftwerken im Hinblick auf den Klimawandel und drittens, ob die Landesregierung die Möglichkeit sehe, auf die Kernenergie zu verzichten, ohne dass dies den Klimawandel verstärke. Die Kleine Anfrage betraf damit allein die umweltpolitische und naturwissenschaftliche Frage nach der Auswirkung des Einsatzes von Kernkraftwerken auf die CO²-Belastung. Demgegenüber hat der Antragsteller die Frage gestellt, in welchem Umfang eine Subventionierung von Kernkraftwerken stattgefunden habe. Damit war ein anderer Gegenstand als der Zusammenhang von Kernenergie und CO²-Belastung angesprochen. Die Subventionierung von Energieerzeugung betrifft die finanz-, wirtschafts- und umweltpolitische Fragestellung des Einsatzes staatlicher Finanzmittel für die Förderung der Kernenergieerzeugung. Um diesen Gegenstand ging es in der Ursprungsfrage nicht. Es ist für die Zulässigkeit der Zusatzfrage nicht ausreichend, dass sie generell auch das Thema Kernenergie betraf. Bei einer derart weiten Auslegung der Geschäftsordnung würde die Regelung in § 47 Abs. 5 GO-LT leer laufen. Das Ziel der Geschäftsordnung ist es, Zusatzfragen im Interesse der Einhaltung der Tagesordnung und der Beantwortung der angemeldeten mündlichen Anfragen in der zur Verfügung stehenden Zeit einzugrenzen. Eine im Sinne der GO unzulässige Frage verlässt zugleich den Schutzbereich des Art. 24 NV. Das Auskunftsrecht betrifft nur die nach den parlamentarischen Regeln zugelassenen Fragen. Es ist nicht ersichtlich, das die GO des LT das Recht der Abgeordneten, Zusatzfragen zu stellen, in unverhältnismäßiger Weise eingrenzt. Die GO ist im Gegenteil vielmehr darauf ausgerichtet die Beantwortung von zur Sache gehörenden Anfragen zu sichern (§§ 47 Abs. 5 Satz 3, 45 Abs. 2 Satz 1 GO-LT).

Zusatzfrage 2

Die zweite Zusatzfrage des Antragstellers lautete:

Und ist Ihnen bekannt, dass die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2002 gesagt hat, um die Reduktion des CO²- Ausstoßes um 50 % hinzubekommen, müssten allein in Deutschland 50 bis 70 AKWs installiert werden? Wenn ja, wie viele AKWs wollen Sie in Niedersachsen aus dieser Tranche denn übernehmen?

Die Antragsgegnerin hat ihre Auskunftspflicht auch hinsichtlich dieser Frage nicht verletzt. Diese Zusatzfrage hat sie beantwortet.

Ob die zweite Zusatzfrage überhaupt eine Auskunftspflicht der Landesregierung ausgelöst hat, ist durch den erheblichen Anteil politischer Äußerung in rhetorischer Frageform in Zweifel gezogen.

Der hohe Stellenwert des Fragerechts der Abgeordneten (vgl. BVerfGE 57,1,5; BVerfGE 13, 123,125) gebietet die Prüfung, ob neben der politischen Äußerung noch ein hinreichendes Informationsbegehren zu erkennen ist. Parlamentarische Fragen und Zusatzfragen werden vielfach zugleich politische Wertungen und Äußerungen enthalten, ohne dass damit stets die Zulässigkeit als Anfrage oder Zusatzfrage entfällt. Die zweite Zusatzfrage war darauf angelegt, dass der Umweltminister darauf antworten solle, ob die Landesregierung in Niedersachsen weitere Kernkraftwerke errichten lassen wolle. Die damit angestrebte Auskunft über die Einstellung zur Kernenergie ging über eine allein rhetorische Zuspitzung hinaus und war neben der eigenen politischen Wertung des Fragenden auch noch auf eine Informationserteilung gerichtet und einer Sachbeantwortung zugänglich.

Der Antragsteller hat jedoch mit der Art und Formulierung der Fragestellung eine irrtümliche Wertung der Frage des Antragstellers als rhetorische Frage herbeigeführt, die als politische Äußerung in Frageform verstanden werden konnte. Der sachliche Fragegehalt der zweiten Zusatzfrage war durch den hohen Anteil rhetorischer Frageform verdeckt. Liegt eine parlamentarische Anfrage wie hier auf der Grenze zur als rhetorische Frage formulierten politischen Äußerung, bedarf es der Klarstellung durch den Fragenden, dass er eine Antwort erwarte oder mit der gegebenen Antwort sein Informationsbedürfnis nicht hinreichend befriedigt worden sei. Frage und Antwort lagen hier insgesamt so nah am politischen Meinungsaustausch, dass es einer solchen Klarstellung durch den Fragesteller bedurfte. Der erste Frageteil, ob dem Minister die Aussage der Enquete-Kommission des Bundestages bekannt sei, ist dabei nicht als die eigentliche Zusatzfrage, sondern lediglich als einleitender Satz zu werten. Erst der zweite Fragesatz „Wenn ja, wie viele AKWs wollen Sie in Niedersachsen aus dieser Tranche denn übernehmen?“ stellt den maßgeblichen Frageteil dar. Der Antragsteller zielte darauf, eine Aussage der Landesregierung zur weiteren Nutzung der Kernenergie in Niedersachsen zu erlangen.

Seine Frage hat er indessen nicht in diesem Sinne deutlich gestellt, sondern sie mit einer Aussage über die Anzahl notwendiger weiterer Kernkraftwerke verbunden. Da der Minister sich schon in seiner Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten Bode, Dürr und Rickert ausführlich dazu geäußert hatte, dass die Landesregierung Kernenergie als ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz ansieht, lag es nahe, seine Äußerung als nur eine in eine Frageform gekleidete, zugespitzte politische Aussage, mithin eine rhetorische Frage zu bewerten. Bei einer rhetorischen Frage kommt es dem Fragesteller nicht auf Gewinnung einer Information, sondern darauf an, in Frageform seine eigene Auffassung kund zu tun. Indem der Antragsteller seine Zusatzfrage mit der von der gesetzlichen und politischen Realität entfernten Aussage verbunden hat, dass sonst „50 bis 70 AKWs“ installiert werden müssten, hat er seine Bewertung offenbart, dass der Einsatz der Kernenergie keine nennenswerte Verminderung der CO²-Belastung bewirken könne. Der sachliche Frageanteil trat dadurch für einen außenstehenden Betrachter in den Hintergrund.

Mit Rücksicht hierauf erfüllt die Beantwortung in der 116. Plenarsitzung des Landtags vom 26. April 2007 die Voraussetzungen einer gem. Art. 24 Abs. 1 NV unverzüg-

 lichen und vollständigen Beantwortung. Eine noch fortbestehende Unvollständigkeit der Auskunft ist weder vom Antragsteller geltend gemacht noch ersichtlich.

Die Beantwortung der zweiten Zusatzfrage geschah zwar nicht unmittelbar im Anschluss an die Fragestellung, ist aber noch als unverzügliche Beantwortung zu bewerten. Durch einen Interpretationsirrtum, der seinen Grund in der Frageformulierung hatte, konnte sich der Minister in der 114. Plenarsitzung vom 8. März 2007 berechtigterweise zunächst der Beantwortungspflicht enthoben sehen. Erst durch die spätere Klarstellung, dass der Antragsteller ernsthaft eine Antwort erwarte, hat der Antragsteller diesen Irrtum aufgelöst. Diese vom fragenden Abgeordneten selbst vorzunehmende Klarstellung hat der Antragsteller erst nach der Plenarsitzung vom 8. März 2007 mit Einreichung seiner am 26. April 2007 beim StGH eingegangenen Antragsschrift vorgenommen. Die Landesregierung hat nach dieser Klarstellung in der 116. Plenarsitzung vom 26. April 2007 die Zusatzfrage unverzüglich beantwortet.

Eine Verletzung der parlamentarischen Auskunftspflicht ist danach nicht gegeben. Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist gem. § 21 Abs. 1 StGHG kostenfrei. Auslagen der Verfahrensbeteiligten werden gem. § 21 Abs. 2 S. 2 StGHG nicht erstattet.