Landgericht Oldenburg
Urt. v. 27.04.2004, Az.: 1 O 3426/03
Sanierungspflichten am Gemeinschaftseigentum; Rücktritt wegen behaupteter erheblicher Mängel der Sanierungsarbeiten; Wirksamkeit eines im notariellen Vertrag vereinbarten Rücktrittsverbots; Im Rahmen eines Bauträgervertrages erbrachte Leistungen als Bauleistungen; Schadensersatz wegen nicht vertragsgemäß erbrachter Leistungen
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 27.04.2004
- Aktenzeichen
- 1 O 3426/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 35471
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0427.1O3426.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 19.08.2004 - AZ: 12 U 64/04
Rechtsgrundlagen
- § 280 BGB
- § 309 Nr. 8 b BGB
- § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB
- § 323 Abs. 1 BGB
- § 346 Abs. 1 BGB
- § 346 Abs. 2 BGB
- § 437 BGB
- § 440 BGB
- § 631 Abs. 1 BGB
- § 634 BGB
- § 636 BGB
Fundstellen
- BauR 2005, 764 (amtl. Leitsatz)
- BauR 2004, 1950-1951 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 18.3.2004
durch
die Richterin am Landgericht Rieckhoff als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 64 839,99 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2003 Zug um Zug gegen Erteilung von zwei Bewilligungen zur Löschung der auf dem Grundstück, Grundbuch von Friedrichshain, Blatt... N, Wohnung Nr. 18 (3. Obergeschoss) 39,63 qm nebst Keller in der..., 10245 Berlin, zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld mit einem Nennwert von 64 839,99 EUR und zur Löschung der auf dem vorgenannten Grundstück zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkung zu zahlen.
Weiter wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 2 222,26 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für die Klage auf 15 177,18 EUR, für die Widerklage auf 64 839,99 EUR und 2 222,26 EUR, insgesamt auf 82 239,43 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Mit notarieller Annahmeurkunde vom 15.1.2002 nahm die Klägerin das notarielle Angebot der Beklagten vom 26.9.2001 auf "Abschluss eines Kauf- und Renovierungsvertrages" bzgl. dort näher bezeichneten Wohneigentums in Berlin-Friedrichshain an. Der Kaufpreis betrug 156 500,00 DM. Die Klägerin verpflichtete sich, die Wohnung und das Gebäude gem. der Baubeschreibung zu renovieren. Wegen der Einzelheiten der insoweit übernommenen Verpflichtung wird auf die Baubeschreibung (Bl. 25 ff. GA) Bezug genommen.
Für die erbrachten Bauleistungen vereinbarten die Parteien die Geltung des BGB. Der Käufer sollte insoweit wegen eines Mangels zunächst einen Anspruch auf Nachbesserung haben. Bei fehlschlagender Nachbesserung konnte der Käufer die Minderung verlangen. Die Rückgängigmachung des Kaufvertrages (Wandlung) war jedoch ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kauf- und Renovierungsvertrag vom 26.9.2001 Bezug genommen.
Am 31.7.2002 erfolgte die Abnahme bezüglich des Sondereigentums der Beklagten. Insoweit wurde festgestellt, dass sich die Leistung bis auf die in der Anlage benannten Mängel in vertragsgemäßem Zustand befinde.
Auf den Kaufpreis zahlte die Beklagte 64 859,99 EUR, sodass noch ein Betrag in Höhe der Klageforderung offen steht.
Mit Schreiben vom 24.2.2003 forderte die Beklagte die Klägerin zur Beseitigung von näher bezeichneten Mängel bezüglich der Fassade und des Innenhofes auf.
Mit Schreiben vom 28.3.2003 forderte die Beklagte die Klägerin erneut zur Mängelbeseitigung auf.
Mit Schreiben vom 7.4.2003 forderte die Beklagte die Klägerin wiederum unter Fristsetzung auf den 24.4.2003 zur dort näher bezeichneten Mängelbeseitigung auf.
Mit Schreiben vom 2.5.2003 forderte die Beklagte die Klägerin unter Fristsetzung auf den 15.5.2003 zur Fertigstellung ihrer Arbeiten gem. der Baubeschreibung auf. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufes kündigte sie den Rücktritt vom Vertrag an.
Mit Schreiben vom 4.6.2003 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Klägerin zur Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises von 64 859,99 EUR bis zum 20.6.2003 auf.
Die Klägerin behauptet, ihre Arbeiten auch am Gemeinschaftseigentum ordnungsgemäß und vor der ausgesprochenen Kündigung erbracht zu haben. Die Hoffassade sei allerdings Ende des Jahres 2003 nochmals eingerüstet gewesen und die schadhaften Stellen seien dann beseitigt worden. Richtig sei, dass die Außenanlagen bisher noch nicht gesäubert und neu begrünt seien.
Sie meint, dass der erklärte Rücktritt durch die Beklagte in Leere gehe, da dies durch den Vertrag ausgeschlossen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie zu Händen ihrer Rechtsanwälte ..., zu Gunsten deren Konto bei der Raiffeisenbank ..., Bankleitzahl ..., Konto Nr. ... einen Betrag von 15 177,18 EUR nebst einer Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 21.10.2003 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt sie,
- 1.
die Klägerin zu verurteilen, an sie 64 839,99 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2003 Zug um Zug gegen Erteilung von zwei Bewilligungen zur Löschung der auf dem Grundstück, Grundbuch von Friedrichshain, Blatt... N, Wohnung Nr. 18 (3. Obergeschoss) 39, 63 qm nebst Keller in der ..., 10245 Berlin, zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld mit einem Nennwert von 64 839,99 EUR und zur Löschung der auf dem vorgenannten Grundstück zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkung zu zahlen.
- 2.
an sie weitere 2 222,26 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2003 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte rügt, dass die Klägerin ihren Sanierungspflichten am Gemeinschaftseigentum nicht fristgemäß nachgekommen sei. Neben den Mängeln am Außenputz und dem unaufgeräumten Innenhof sei zudem die Haustür nicht ausgetauscht worden, der Dachfirst sei unrenoviert und die Fenstergitter seien nicht gestrichen worden.
Wegen des zu Recht erklärten Rücktritts sei ihr ein Schaden in Höhe mindestens 2 222,26 EUR entstanden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet, die Widerklage ist demgegenüber begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 15 177,18 EUR aus dem Kauf- und Renovierungsvertrag vom 26.9.2001 / 15.1.2002 in Verbindung mit § 631 Abs. 1 BGB.
Die Werklohnforderung der Klägerin ist durch den wirksam erklärten Rücktritt der Beklagten gem. §§ 634, 636, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 und 2 BGB erloschen.
Für den Rücktritt wegen der behaupteten erheblichen Mängel der Sanierungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum ist die Beklagte auch ohne Zustimmung der Eigentümerversammlung prozessführungsbefugt (vgl. Werner Pastor, 9. Auflage, Rdnr. 486).
Die Beklagte durfte vom Vertrag gem. § 634 Nr. 3 BGB zurücktreten.
Das im notariellen Vertrag vom 26.9.2001/ 15.1.2002 vereinbarte Rücktrittsverbot ist wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 8 b bb BGB nichtig.
Die vorstehende Klausel unterliegt wegen § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB grundsätzlich der Inhaltskontrolle der § 305 ff BGB. Es handelt sich bei dem abgeschlossenen notariellen Vertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen, die nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und auf deren Inhalt die Beklagte als Verbraucherin auf Grund der Vorformulierung keinen Einfluss nehmen konnte.
Für den hier vorliegenden Bauträgervertrag konnte der Rücktritt nicht wirksam ausgeschlossen werden. Hier liegt eine Werkleistung im Sinne des § 309 Nr. 8 b BGB vor, bei der es sich jedoch nicht um eine Bauleistung im Sinne des § 309 Nr. 8 b bb BGB handelt, für die wiederum der Rücktritt ausgeschlossen werden kann. Nach ständiger Rechtssprechung sind die im Rahmen eines Bauträgervertrages erbrachten Leistungen keine Bauleistungen, vgl. BGH NJW 2002 Seite 511 ff. m.w.N., sodass die Beklagte grundsätzlich vom Vertrag zurücktreten konnte.
Die gem. §§ 636 und 323 Abs. 1 BGB für den Rücktritt erforderliche Fristsetzung liegt hier unzweifelhaft vor. Die Beklagte hat mit zahlreichen Schreiben, so vom 24.2.2003, 28.3.2003, 7.4.2003 und 2.5.2003 die Klägerin immer wieder zur Beseitigung der dort näher bezeichneten Mängel aufgefordert.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Werkleistungen der Klägerin im Zeitpunkt des von der Beklagten erklärten Rücktritts am 4.6.2003 hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums nicht der in dem Vertrag einbezogenen Baubeschreibung entsprachen, sondern Mängel aufwiesen. Die ergibt sich bereits aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 3.3.2004, in der sie hinsichtlich der dort bezeichneten Mängel erklärt, dass zumindest hinsichtlich der Außenanlagen und hinsichtlich der Hoffassade diese im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 4.6.2003 noch nicht fertig gestellt waren. Damit räumt sie konkludent ein, dass ihre Leistung im Zeitpunkt des erklärten Rücktritts insoweit nicht vertragsgemäß gewesen ist.
Dieses Eingeständnis wird auch nicht durch ihr Vorbringen in ihrem Schriftsatz vom 1.4.2004 entkräftet. Auch insoweit gesteht die Klägerin zu, dass bis heute die Außenanlagen nicht gesäubert und neu begrünt worden sind. Ebenfalls wird von ihr eingeräumt, dass die Hoffassade Ende des Jahre 2003 nachgearbeitet werden musste, da sie nachbesserungsbedürftig war. Bereits aus diesen beiden Punkten ergibt sich, dass die Klägerin ihren Verpflichtungen gem. der in den Vertrag einbezogenen Baubeschreibungen im Zeitpunkt des erklärten Rücktritts nicht nachgekommen ist. Einer weiteren Beweisaufnahme bedurfte es daher nicht mehr.
Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung der bisher geleisteten Kaufpreisraten in Höhe von 64 839,99 EUR Zug um Zug gegen Erteilung von 2 näher bezeichneten Löschungsbewilligungen gem. §§ 634, 636, 323 und § 346 BGB.
Wie bereits erörtert, konnte die Beklagte trotz der entgegenstehenden Vereinbarung vom Vertrag nach entsprechender Fristsetzung zurücktreten. Dass die gerügten Mängel im Zeitpunkt des Rücktritts vorlagen, steht, wie bereits erörtert, zur Überzeugung des Gerichts fest.
Weiterhin hat die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2 222,26 EUR gem. §§ 437, 440, 280 BGB wegen der nicht bzw. nicht vertragsgemäß erbrachten Leistungen der Klägerin. Die Beklagte hat die ihr insoweit entstandenen Kosten (Notarkosten, Gerichtskosten und Zinsschäden) schlüssig dargelegt. Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben.
Die jeweiligen Zinsansprüche ergeben sich aus § 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 709 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird für die Klage auf 15 177,18 EUR, für die Widerklage auf 64 839,99 EUR und 2 222,26 EUR, insgesamt auf 82 239,43 EUR festgesetzt.