Landgericht Oldenburg
Urt. v. 24.03.2004, Az.: 5 S 62/03

Darlegungslast und Beweislast für die Honorarforderung eines Rechtsanwalts; Folgen des Fehlens der Schriftform bei einer Honorarforderung; Bedeutung einer vorbehaltlosen Zahlung für die Heilung der Formvorschrift; Voraussetzungen für eine freiwillige und vorbehaltlose Leistung ; Gebührenberechnung nach § 89 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) ; Einstellung eines Strafverfahrens nach einem zivilrechtlichen Vergleich; Mitregelung von zivilrechtlichen Ansprüchen

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
24.03.2004
Aktenzeichen
5 S 62/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35456
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0324.5S62.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg - 07.01.2003 - AZ: E7 C 7508/02 (X)

Fundstelle

  • StraFo 2004, 399-400 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Ungerechtfertigte Bereicherung

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 10.03.2004
durch
...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 07.01.2003 - Az. E7 C 7508/02 - geändert:

  2. 2.

    Die Klage wird abgewiesen.

  3. 3.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

Der Beurteilung der Kammer liegen nach § 540 Abs. 1 ZPO die tatsächlichen Feststellungen zu Grunde, wie sie in dem angefochtenen Urteil enthalten sind.

2

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache selbst hat sie Erfolg. Das Amtsgericht hat den Sachverhalt rechtlich nicht genügend ausgeschöpft. Das Vorbringen des Beklagten war nicht als verspätet zurückzuweisen. Der Beklagte hatte bereits in der Klageerwiderung als Zeugen den Rechtsanwalt der Verletzten sowie diese selbst angeführt. Dieses Vorbringen ist auch nicht gemäß § 296 ZPO verspätet gewesen, da die Klageerwiderung zwar am 13.11.2002 nach Fristablauf vom 06.11.02 bei Gericht eintraf, die mündliche Verhandlung jedoch erst auf den 03.12.2002 anberaumt war, sodass die Zeugen noch rechtzeitig hätten geladen werden können.

3

Nachdem der Kläger den mangelnden Rechtsgrund für seine Zahlung vorgetragen hat, ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig für einen solchen. Er behauptet eine Honorarvereinbarung. Diese muss schriftlich erfolgen, § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Das ist hier unstreitig nicht geschehen. Die Formvorschrift kann jedoch durch vorbehaltlose Zahlung geheilt werden, § 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO. Eine solche Heilung vermag die Kammer hier nicht zu erkennen. Die Zahlung ist dann freiwillig und ohne Vorbehalt geleistet, wenn der Auftraggeber sie in dem Bewusstsein getätigt hat, dass er nicht so viel schulde. Der Anwalt muss den Auftraggeber auf das Übersteigen des gesetzlichen Anspruchs hingewiesen haben (Hartmann, Kostengesetze33 § 3 BRAGO Rn. 22). Auf Grund des Schreibens des Beklagten vom 23.12.1999 geht die Kammer davon aus, dass die Parteien über das Honorar gesprochen haben, der Beklagte aber noch nichts genaueres zur Höhe sagen konnte, weil ihm die Akte noch nicht vorlag. Der Beklagte kündigte demgemäß noch eine weitere Rücksprache diesbezüglich an. Dies spricht dafür, dass nach BRAGO abgerechnet werden sollte, da eine Unklarheit nur insoweit vorgelegen haben kann, dass es einen Unterschied macht, ob eine Vertretung innerhalb oder außerhalb eines Strafverfahrens vorgenommen wird (vgl. § 83, 84 BRAGO), vor welchem Gericht angeklagt wurde (§ 83 BRAGO) oder ob zivilrechtliche Ansprüche mitgeregelt werden (§ 89 BRAGO) und sich somit die Gebühren unterschiedlich berechnen. Wäre hingegen beim ersten Gespräch schon eine Stundenvereinbarung getroffen worden, dann wäre nur der Arbeitsaufwand ungewiss gewesen und nicht die Höhe des Stundensatzes, der auch ohne Blick in die Akte hätte vereinbart werden können. Die vom Beklagten übersandte Vorschussrechnung über 1.000,00 DM gibt keinen Aufschluss darüber, ob der Kläger hinreichend aufgeklärt wurde, sodass keine vorbehaltlose Zahlung auf eine Honorarvereinbarung angenommen werden kann. Zwar wendet der Beklagte ein, man sei nach der ersten Besprechung am 21.12.1999 von § 84 BRAGO ausgegangen, sodass eine Gebühr von 650,00 DM zzgl. Umsatzsteuer angefallen wäre und mit der Vorschussrechnung über 1.000,00 DM somit eine deutliche Überschreitung vorläge. Doch war der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits angeklagt (die Anklage vom 17.11.1999 ging Anfang Dezember 1999 bei Gericht ein), sodass § 84 BRAGO gar nicht zum Tragen gekommen wäre, sondern lediglich § 83 BRAGO.

4

Der Beklagte musste daher mangels anderweitiger Vereinbarung nach BRAGO abrechnen. Das Amtsgericht geht von Gebühren nach den §§ 83, 89 BRAGO aus. Das ist rechtsfehlerhaft, da eine Gebührenberechnung nach § 89 BRAGO einen Antrag im Verfahren nach §§ 403 ff. StPO (Adhäsionsverfahren) voraussetzt. Die Gebühreninstanz des § 89 BRAGO beginnt nämlich erst mit der Anhängigmachung des vermögensrechtlichen Anspruchs im Strafverfahren. Vorher ist der Anspruch im Strafverfahren im Sinne des § 89 BRAGO nicht "geltend" gemacht. Dieser Antrag ist von der Verletzten, der Zeugin Böttcher, nicht gestellt worden. Sofern der Verletzte seinen aus der Straftat erwachsenen, vermögensrechtlichen Anspruch nicht im Verfahren nach §§ 403 ff. StPO verfolgt, ist § 89 BRAGO somit überhaupt nicht anwendbar.

5

Die Gebühren nach der BRAGO richten sich danach, welchen Auftrag der Rechtsanwalt erhält. Die Wahrnehmung der Interessen des Klägers im Strafverfahren sollte der Beklagte unstreitig übernehmen.

6

Aus dem Ablauf der Geschehnisse und den vorgelegten Unterlagen ist zu ersehen, dass der Beklagte für den Kläger auch zur Abwehr der zivilrechtlichen Forderungen tätig geworden ist. Es spricht nichts dafür und wird auch von dem Kläger letztlich nicht behauptet, dass der Beklagte diese Tätigkeit gegen oder ohne den Willen des Klägers durchführte. Im Gegenteil war gerade auch die Klärung der zivilrechtlichen Ansprüche eine Voraussetzung für ein für den Kläger "unblutiges" Ende des Strafverfahrens, das ausdrücklich in seinem Interesse war. Denn der Abschluss des Vergleichs führte schließlich auch zur Einstellung des Strafverfahrens. Die Kammer geht demgemäß von einer Beauftragung auch hinsichtlich des zivilrechtlichen Anspruch aus. Streit herrscht zwischen den Parteien darüber, wie eine solche Tätigkeit des Rechtsanwalts abzurechnen ist.

7

Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese in Auftrag gegebene zivilrechtliche Tätigkeit kein Teil des Strafverfahrens, mag das Ergebnis der außergerichtlichen Vergleichsbemühungen letztlich auch im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs berücksichtigt worden sein und sich somit auch auf das Strafverfahren ausgewirkt haben. Dies vermag jedoch nichts an der Tatsache ändern, dass es sich um die klassische Wahrnehmung zivilrechtlicher Interessen zur Abwehr einer drohenden Zivilklage gehandelt hat. Es ist unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass der Verteidiger, der für seinen Mandanten zivilrechtlich tätig wird, nur deshalb hierfür kein Entgelt verlangen kann, weil sich das Ergebnis seiner Tätigkeit auch (positiv) auf die Strafverteidigung auswirkt. Der Mandant kann nicht erwarten, dass seine zivilrechtlichen Interessen allein deshalb gebührenfrei wahrgenommen werden, weil die insoweit (zusätzlich) geleistete Arbeit des Rechtsanwalts zugleich - seinem Interesse entsprechend - zur Einstellung des gegen ihn gerichteten Strafverfahren beiträgt.

8

Da es nicht zu einem Zivilprozess gekommen ist und der Beklagte auch keinen Prozessauftrag hatte, erhält der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit die Gebühren des § 118 BRAGO (Riedel/Sußbauer, BRAGO8, § 89 Rn. 7). Die seitens des Beklagten durchgeführte Gebührenberechung nach § 118 BRAGO (S. 9 des Schriftsatzes vom 13.11.2002) ist korrekt, sodass ein Rückforderungsanspruch des Klägers ausgeschlossen ist.

9

Er konnte insgesamt 6.553,10 DM geltend machen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht hinsichtlich des Gegenstandswertes zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zeugin Marion Böttcher ursprünglich über ihren Rechtsanwalt Günther Tegge ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 DM vom Kläger eingefordert hat. Die Zeugin Böttcher hat glaubhaft geschildert, dass man schließlich von dieser Forderung abgerückt sei und es eine Einigung mit dem Kläger auf Basis von 9.000,00 DM gegeben habe. Das Schreiben des Beklagten vom 17.05.2000, in dem von einem Zwischenergebnis von 10.000,00 DM die Rede ist, steht hierzu nicht im Widerspruch, da es lediglich die Vergleichssumme und nicht die Ausgangsforderung anspricht. Hinzu kommen 2.700,00 DM Honorar des Rechtsanwalt Tegge sowie 10.000,00 DM Vorbehalt wegen eventueller psychischer Dauerschäden, sodass sich ein Gegenstandswert von knapp 33.000,00 DM ergibt.

10

Dass neben der Geschäftsgebühr auch eine Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO entstanden ist, ist hinreichend belegt. In dem Schreiben des Rechtsanwalts Tegge an dem Beklagten vom 17.05.2000, das die vergleichsweise Einigung zum Gegenstand hat, wird ausdrücklich auf ein zuvor geführtes Telefonat und darin getroffene Vereinbarungen Bezug genommen. Darüber hinaus geht einem außergerichtlichen Vergleichsschluss notwendigerweise auch eine Besprechung mit dem Gegner über tatsächliche und rechtliche Fragen voraus, sodass der Anwalt in diesem Fall für seine Tätigkeit neben der Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO eine Geschäfts- und eine Besprechungsgebühr nach § 118 BRAGO verlangen kann (vgl. Hartmann, KostenG33, § 118 BRAGO Rn. 22).

11

Schließlich sind auch die Hebesätze der Rahmengebühren nicht zu beanstanden. Das Gericht hat insoweit ein Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer eingeholt, wonach der Ansatz der 10/10-Gebühr jedenfalls nicht unangemessen ist. Die Kammer tritt dieser Bewertung bei.

12

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708, 711 ZPO.

13

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der es an einer grundsätzlichen Bedeutung fehlt. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.