Landgericht Oldenburg
Urt. v. 27.05.2004, Az.: 15 O 4335/03

Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Internationalen Übereinkommens zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen (IÜZ) insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Unabhängigkeit der kollidierenden Schiffe voneinander; Voraussetzungen einer Verjährung nach§ 7 Abs. 1 IÜZ

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
27.05.2004
Aktenzeichen
15 O 4335/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0527.15O4335.03.0A

Fundstelle

  • TranspR 2005, 368-370 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Regelungen des IÜZ sind nicht anwendbar, wenn die an der Kollision beteiligten Schiffe voneinander abhängig waren. Eine solche Abhängigkeit besteht bei einem Zusammenstoß zwischen Schiffen desselben Schleppzuges.

  2. 2.

    Die besondere Haftung aus einem Schleppvertrag beginnt mit der Übernahme der Schlepptrosse und endet mit dem Lösen der Verbindung.

In dem Rechtsstreit
hat die 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 29.04.2004
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen eines Unfalls, den das von der polnischen Fa betriebene Schiff am 28.10.2000 im Hafen von .... durch das von der Bekl. zu 1) betriebene und von dem Bekl. zu 2) geführte Schleppschiff an der Ruderanlage erlitten hat.

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Die Klägerin behauptet, sie sei Versicherer des beschädigten Schiffes und habe ihre Versicherungsnehmerin in Höhe von 53.326,54 EUR entschädigt. Dieser Betrag setze sich zusammen aus Arbeitskosten, Hafenkosten, Gutachterkosten, Kosten für Ersatzteile und Gebühren für die Klassifikationsgesellschaft. Kraft gesetzlichen Forderungsübergangs sei sie nun Forderungsinhaberin; i.ü. habe ihre Versicherungsnehmerin ihr den Anspruch abgetreten. Weiter habe sie entgangene Chartereinnahmen in Höhe von 102.879,00 EUR ersetzt. Es sei eine Zeitcharter von USD 8.050,00/Tag abgeschlossen gewesen, deren Beginn stillschweigend über den 25.10. hinaus verlängert gewesen sei; das Schiff sei vom 28.10.2000 bis 8.11.2000 "off hire" gewesen. Umgerechnet ergebe das den geltend gemachten Eurobetrag. Diese Berechnungsart entspreche § 244 Abs.2 BGB. Diesen Anspruch habe die Eigentümerin an sie abgetreten. Die Klägerin trägt vor, die Haftung der Beklagten ergebe sich aus den §§ 823 Abs.1 und 2 BGB und 511 S.2 HGB sowie aus Art. 3 I IÜZ, da beide Staaten, denen die beteiligten Schiffe angehörten, dem Internationalen Übereinkommen zur Einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen von 1910 beigetreten seien. Danach verjährten Ansprüche zwar innerhalb von 2 Jahren, so dass am 28.10.2002 Verjährung eingetreten wäre; diese sei aber unterbrochen gewesen. Zwischen den Reedereien der geschädigten Schiffe hätten vom 03.11.2000 bis zum 14.08.2002 per Telefax oder Telefon geführte Verhandlungen über Ansprüche aus dem Schadensereignis stattgefunden, so dass die Verjährung gehemmt gewesen und die Klage innerhalb der Verjährungszeit erhoben worden sei. Später trägt die Klägerin vor, das IÜZ sei nicht anwendbar, da es sich um eine Schiffskollision handele, die bei einem Manöver geschehen sei, das der Herstellung der Schleppverbindung gedient habe. Der von der Bekl. zu 1) betriebene und von dem Bekl. zu 2) gesteuerte Schlepper sei im Zuge der Assistenz für das andere Schiff mit diesem in Berührung gekommen, weil der Bekl. zu 2 ) die Strömung nicht richtig berücksichtigt habe.

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Die Klägerin beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von EUR 156.205,54 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2000 zu verurteilen,

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hilfsweise

die Beklagten zur Zahlung von USD 92.360,91 und EUR 21.781,04 und PLN 106.141,28, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2000, zu verurteilen.

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Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

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Die Beklagten behaupten, der Anspruch aus dem Unfallereignis sei verjährt, da die Verjährungsfrist nach Art. 7 I IÜZ 2 Jahre betrage und diese Frist bei Klageerhebung längst abgelaufen gewesen sei. Das gelte für alle Anspruchsgrundlagen, auch für § 823 BGB. Die Kollision habe sich nicht bei einem Manöver ereignet, das der Herstellung der Schleppverbindung oder der Übernahme der Schlepptrosse gegolten habe, sondern als der Schlepper den für das Schiff bestimmten Seelotsen an der Kaje habe absetzen wollen. Einen Schleppvertrag habe der Reeder des geschädigten Schiffes i.ü. nicht mit der Bekl. zu 1 ), sondern mit der xxx geschlossen gehabt. Nachdem der Agent des

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Reeders des xxx am 28.10.2000 gegenüber der Bekl. zu 1) Ansprüche angemeldet habe, habe ihre Versicherung mit Schreiben vom 03.11.2000 jegliche Verantwortung für den Schaden zurückgewiesen. Die von der Klägerin vorgelegte Korrespondenz zeige, dass diese nur einseitig von Seiten der Klägerin geführt worden sei; es existiere keine weitere Antwort von ihrer Seite. Dennoch sei am 26.8.2002 erneut angekündigt worden, dass Ansprüche in Kürze detailliert vorgelegt werden würden. Daraufhin habe ihr Vertreter am 3.9. noch einmal alle Ansprüche zurückgewiesen. Es habe also keine Verhandlungen gegeben. I.ü. bestreiten die Beklagten, dass die Klägerin Kaskoversicherer des Schiffseigners sei und dass die Klägerin aus einem Versicherungsvertrag 53.326,54 EUR erbracht habe. Der Betrag sei auch nicht in Euro zu zahlen, sondern ebenso wie die angeblich entgangene Charter in US-Dollar. Chartereinnahmen seien ohnehin nicht entgangen, weil als spätestes Datum für den

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Beginn der 25.10. vereinbart gewesen sei, das Schiff aber noch am 28.10. in xxx gewesen sei. Der Abtretungsvertrag sei nichtig, da auch Ansprüche abgetreten seien, die nicht dem Versicherungsvertrag unterlägen.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

11

Es kann dahin stehen, ob die Beklagten der Klägerin aus der Kollision der Schiffe schadensersatzpflichtig sind. Denn ein etwaiger Anspruch ist zumindest nach Art. 7 I IÜZ verjährt.

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Entgegen der in ihrem letzten Schriftsatz von der Klägerin vertretenen Ansicht ist das IÜZ hier anwendbar. Das IÜZ regelt die Voraussetzungen der Haftung der Reeder bei Kollisionen verschiedener voneinander unabhängiger Schiffe, wenn Schiffe unterschiedlicher Nationalitäten beteiligt sind, deren Länder dem Abkommen beigetreten sind. Das ist hier für beide beteiligten Schiffe der Fall; Polen und die Niederlande sind dem Abkommen beigetreten. Die Regelungen des IÜZ wären nur dann nicht anwendbar, wenn die Schiffe nicht unabhängig voneinander wären, wie es beispielsweise bei einem Zusammenstoß zwischen Schiffen desselben Schleppzuges der Fall ist (Rabe, Seehandelsrecht, 2. Aufl., § 735 HGB, Anm. A 2). Dann nämlich greift die besondere Haftung des Schleppvertrages ein. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Kollision hier aber nicht im Zusammenhang mit einem Schleppmanöver stattgefunden. Es mag zwar sein, dass es zu der Kollision gekommen ist, weil das Schiff einen Seelotsen an der Kaje absetzen wollte, und dass es sich dabei um den Seelotsen handelte, der das Motorschiff begleiten sollte. Mit dem Absetzen des Lotsen an Land hat aber der Schleppvorgang noch nicht begonnen. Es ist anerkannt, dass die besondere Haftung aus dem Schleppvertrag erst mit Übernahme der Schlepptrosse beginnt und mit dem Lösen der Verbindung endet (Rabe, a.a.O.). Hier hatte eine Übernahme der Trosse noch nicht stattgefunden; das Manöver war auch nicht dazu bestimmt, dem Seelotsen das Übersetzen auf das andere Schiff zu ermöglichen. Vielmehr ist ein Zusammenhang zwischen dem Manöver, das zur Kollision geführt hat, und einem Schleppvorgang nicht erkennbar. Die Klägerin hat auch nicht einmal dargelegt, dass zwischen den beteiligten Schiffen ein Schleppvertrag bestand, in dessen Durchführung es zu der Kollision gekommen wäre.

13

Gemäß Art. 7 Abs.1 IÜZ verjähren Ersatzansprüche in zwei Jahren von dem Ereignis ab. Diese Frist war bei Klageerhebung abgelaufen. Eine Hemmung oder Unterbrechung ist zwar nach Abs. 3 der Vorschrift möglich nach dem Recht des Gerichts, das mit dem Anspruch befasst ist. Die Voraussetzungen für eine Hemmung oder Unterbrechung nach deutschem Recht liegen aber nicht vor. Hier käme allenfalls eine Hemmung in Betracht, wenn die Parteien über den Anspruch verhandelt hätten. Das ist aber nicht dargelegt. Die Klägerin trägt zwar vor, es sei verhandelt worden. Der von ihr zur Substantiierung vorgelegte Schriftwechsel belegt das aber nicht. Die Klägerin hat danach mit Schreiben vom 28.10.2000 (Bl. 129, 130 d.A.) gegenüber der Bekl. zu 1) Ansprüche angemeldet, die bereits am 03.11.2000 (Bl. 122, 131 d.A.) durch die Verhandlungsführerin xxx zurückgewiesen worden sind. Der anschließende Schriftwechsel befasst sich mit Ansprüchen umgekehrten Rubrums, nämlich mit denen der Beklagten gegenüber der Klägerin. Auf Ansprüche der Klägerin geht keine der beiden Seiten in den folgenden Schreiben ein, bis die Klägerin schließlich erneut ihre Ansprüche mit Schreiben vom 26.08.2002 ( BI.113 d.A.) angemeldet hat. Diese sind mit Schreiben vom 03.09.2002 ( Bl. 132, 133 d.A.) nochmals zurückgewiesen worden, ohne dass sich aus beiden Schreiben irgendein Hinweis darauf ergäbe, dass in der Zwischenzeit Verhandlungen über den hier streitigen Schadensfall stattgefunden hätten. Ein länger dauerndes Verhandeln kann man deshalb nicht annehmen. Es könnte allenfalls für die Zeit zwischen der ersten Anmeldung des Anspruchs und deren Ablehnung vorliegen. Diese Zeitspanne ist aber zu kurz, um eine ausreichende Hemmungszeit zu begründen. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, es habe laufend telefonische Verhandlungen über den Anspruch gegeben. Das ist aber nicht genügend substantiiert. Sie nennt zwar die Stellen, die angeblich miteinander verhandelt haben, und benennt auch namentlich Zeugen. Zu dem Inhalt und dem Zeitpunkt der bestrittenen Gespräche trägt sie aber nichts vor. Es ist deshalb nicht ersichtlich, ob die Beklagten oder auch nur die Bekl. zu 1) sich mit einer Haftung überhaupt befasst haben, ob schon über die Höhe verhandelt wurde, welche Fragen noch offen waren usw. Eine Zeugenvernehmung hätte aus diesem Grund zu einer unzulässigen Ausforschung geführt. Darauf ist die Klägerin im Termin auch hingewiesen worden. Der Anspruch aus dem Ereignis vom 28.10.2000 war somit bei Einreichen der Klage am 31.12.2003 bereits verjährt.

14

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.