Landgericht Oldenburg
Urt. v. 17.09.2004, Az.: 2 O 935/04

Unwirksame Sicherungsabtretung einer noch nicht vollständig entstandenen Forderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens; Forderung aus Werklieferungsvertrag wegen Aufmontierens eines Krans auf einen LKW; Fälligkeit oder Bedingungseintritt nach Insolvenzeröffnung; Mehraktiger Rechtserwerb und Wertschöpfungsgedanke

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
17.09.2004
Aktenzeichen
2 O 935/04
Entscheidungsform
Schlussurteil
Referenz
WKRS 2004, 38976
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0917.2O935.04.0A

...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
durch
die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin
auf die mündliche Verhandlung vom 17.09.2004
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 62.292,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2004 zu zahlen.

Der Kläger trägt 41 %, die Beklagte trägt 59 % der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Durch Teilurteil vom 08.06.2004 hat das Landgericht die Klagforderung, die insgesamt auf 105.850,72 EUR lautete, in Höhe eines Betrages von 43.558,72 EUR nebst Zinsen abgewiesen. Auf den Tatbestand des Teilurteils (Blatt 96 folgende Akte) wird Bezug genommen.

2

Hinsichtlich des Baues und der Lieferung eines Tirre Kranes Euro 222 für die Firma ... (siehe Rechnung vom 07.01.2004, Blatt 14 der Akte) hat der Kläger nun weiter vorgetragen und mitgeteilt, dass diese Rechnung über 62.292,00 EUR am 12.01.2004 von der Bestellerin beglichen wurde. Der von der Klägerin fertiggestellte Kran seinach dem 02.01.2004 auf einen LkW der Bestellerin montiert worden und ihr übergeben worden. Aus einem beigefügten Arbeitsstundennachweis (Anlage K 37) ist ersichtlich, dass in der Zeit vom 05.-08.01. insgesamt 35,5 Arbeitsstunden geleistet worden seien. Bei den dort aufgeführten Arbeitsstunden handle es sich um die Montage des Kranes auf den LkW, was in den Positionen M 42 und M 50 (Blatt 16 der Akte) in der oben genannten Rechnung aufgeführt ist. Die TÜV-Abnahme und Zulassung des veränderten LkW's sei ebenfalls Teil des ursprünglichen Werkvertrags gewesen und am 08.01.2004 erledigt worden (Anlage K 38 und K 39). Zusätzlich zum ursprünglich vereinbarten Werkumfang sei am 06.01.2004 noch eine Parametrierung (Einstellung) am Fahrzeug erfolgt (Anlage K 40), welche der Bestellerin ebenfalls in Rechnung gestellt worden sei, desgleichen die Betankung des Fahrzeugs (Anlage K 41). Am 22.01.2004 sei noch das Kranprüfbuch mit der Konformitätserklärung übergeben worden (Anlage K 42).

3

Die Einzelteile des Krans seien nach vorläufiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung des Klägers bestellt worden. Der Kläger räumt ein, dass die Montage der wesentlichen Bauelemente des Krans im Dezember 2003 erfolgt sei, was sich auch aus der Anlage K 45 ergibt.

4

Die Beklagte bestreitet den Klagvortrag pauschal mit Nichtwissen und ist der Meinung, dass es nicht auf die endgültige Entstehung der Forderung der Gemeinschuldnerin gegenüber der Firma ... ankomme, sondern dass eine Differenzierung nach der Wertschöpfung vor dem 02.01. bzw. nach dem 02.01.2004 zu erfolgen habe.

5

Die Parteien verhandelten mit den bisherigen Anträgen abzüglich der Beträge, durch die bereits durch Teilurteil vom 06.08.2004 entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe

6

Die Beklagte hat den vereinnahmten Betrag von 62.292,00 EUR auszukehren, da dieser Betrag ungeschmälert der Masse zuzufließen hat und von der Beklagten nicht durch die Sicherungsabtretung vom 15.01.2002 erworben worden ist. Eine Aufrechnung oder Verrechnung mit Gegenforderungen ist nicht zulässig.

7

Der Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Firma ... aus dem zugrunde liegenden Werklieferungsvertrag über den genannten Kran ist erstnach dem 02.01.2004, dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entstanden.

8

Gemäß §91 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworden werden, und zwar auch dann nicht, wenn keine Verfügung des Gemeinschuldners und keine Individualvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Da hier die Werklohnforderung erst nach dem 02.01.2004 entstanden ist, konnte sie nach dem Wortlaut des §91 InsO nicht mehr von der Beklagten erworben werden.

9

Die Regelung in §91 InsO dient der Sicherung der Aktivmasse und ergänzt insoweit auch den §81 der Insolvenzordnung; die Norm erfasst jeden Rechtserwerb an Massegegenständennach Eröffnung, gleichwohl auf welchem Rechtsvorgang er beruht (siehe Eickmann, Insolvenzrecht, 2. Auflage, 2001, §91 Rd-Nr. 1 ff.).

10

Ein Differenzierung aufgrund der hier schon vor dem 02.01.2004 erfolgten Wertschöpfung hat nicht zu erfolgen und wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung offenbar auch nicht vorgenommen.

11

Allerdings wird die Einordnung eines mehraktigen Rechtserwerbs zum Teil als problematisch dargestellt, jedoch spricht auch Eickmann (a.a.O., Rd-Nr. 12-14) sich dafür aus, dass eine Forderungsabtretung, wenn sie - wie hier - vor Insolvenzeröffnung erfolgte, nur dann wirksam ist, wenn lediglich die Fälligkeit der Forderung in die Zeit nach Eröffnung der Insolvenz fällt. Wenn also nur eine Bedingung in die Zeit nach Insolvenzeröffnung fällt, im übrigen aber die Forderungen zuvor bereits entstanden ist, so sei eine Abtretung wirksam, §161 BGB. Entsteht aber die Forderung durch Wirksamwerden ihrer Rechtsgrundlagen erst nach Eröffnung, so sei die vor Eröffnung vorgenommene Zession nach§91 InsO unwirksam.

12

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass die Beklagte die Forderung nicht erworben hat, da am 02.01.2004 weitaus mehr als nur eine Bedingung zur Entstehung der Forderung fehlte.

13

Auch Kroth (Braun, InsO, §91 Rd-Nr. 14 und 15) vertritt den Standpunkt, dass es auf den Zeitpunkt der Entstehung einer Forderung ankommt. Wenn diese Forderung vor Insolvenzeröffnung abgetreten und entstanden ist, so ist diese Abtretung "insolvenzfest", während dann, wenn auch nur ein einziger, zur Vollendung des Rechtserwerbs erforderlicher Akt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, der gesamte Erwerbsvorgang nach §91 InsO unwirksam ist; wobei Ausnahmen nur über§878 BGB gemacht werden oder dann, wenn lediglich der Bedingungseintritt wie zum Beispiel die Fälligkeit nach Verfahrenseröffnung liegen.

14

Auch danach ist entscheidend, wann hier die Werklohnforderung gegen die ... entstanden ist. Von der Konstruktion einer mit wachsender Wertschöpfung entstehenden Anwartschaft an der Forderung wird also abgesehen. Auf das Verhältnis der Wertschöpfung vor oder nach Eröffnung kommt es also nicht an.

15

Soweit bei Palandt (BGB, 62. Auflage, §398 Rd-Nr. 11) ausgeführt wird, dass die Abtretung künftiger Forderungen gegenüber den Insolvenzgläubigern gemäß §91 InsO unwirksam ist, es sei denn, dass der Rechtsgrund der Forderung bereits besteht, die Rechtsstellung des Zessionars also zu einem Anwaltsschaftsrecht erstarkt war, zitiert er dazu die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in NJW 55, 544, wo jedoch auch eine Differenzierung nach der Wertschöpfung allein nicht vorgenommen wird.

16

Dem steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.02.2001 (WM 2001, 1470 [BGH 22.02.2001 - IX ZR 191/98] "Schiffsbauentscheidung") nicht entgegen. In der dortigen Entscheidung ging es um die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung des Bestellers mit Gegenforderungen, die im Zusammenhang mit einem Werklieferungsvertrag bestanden. Der Bundesgerichtshof hat dort Werkverträge mit Werklieferungsverträgen über unvertretbare Sachen gleichgestellt und diese andererseits von Kaufverträgen oder Verträgen über vertretbare Sachen abgegrenzt. Er führt aus:

"Dass die Leistungen der Auftragnehmers bei einem Werkvertrag kontinuierlich in Folge gesetzlichen Eigentumsübergangs (etwa gemäß §946 BGB) in das Eigentum des Auftraggebers übergehen, während bei einem Werklieferungsvertrag das Werk im Allgemeinen ... bis zur Ablieferung im Eigentum des Auftragnehmers verbleibt, fällt nicht entscheidend ins Gewicht.

Anders als bei einem Kaufvertrag oder einem Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen steht beim Werklieferungsvertrag über einen nicht vertretbare Sache - ähnlich wie bei einem Werkvertrag - die entgeltliche Schöpfung des Werkes gerade für den Besteller im Vordergrund ..., mögen auch über Eignung und Besitzverschaffung als weitere Hauptpflichten hinzutreten."

17

Diese Entscheidung ist also auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Bei dem bestellten Tirre-Kran Euro 222 dürfte es sich auch um eine vertretbare Sache handeln. Da hier die Forderung gegen die Firma ... erst nach der Montage des Kranes entstanden ist, konnte die Beklagte keine Rechte daran erwerben. Obwohl dieses Ergebnis nicht unbedingt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entspricht, lässt der Gesetzeswortlaut eine Differenzierung nach den Zeitpunkten der Wertschöpfung nicht zu.

18

Allerdings hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass nach dem 02.01.2004 noch Arbeiten an dem Kran erfolgt seien. Angesichts der Vielzahl der vorgelegten Belege genügt dieses Bestreiten den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nicht. Eine weitere Beweisaufnahme zu dieser Frage war insbesondere nach Vorlage der Arbeitsblätter (K 37) nicht erforderlich, worauf die Parteien auch hingeweisen wurden.

19

Auch aus den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 22.09.2004 ergibt sich nicht anderes. Der Gegenschluss dahin, dass alle (Teil-)Leistungen, die vor Eröffnung erbracht wurden,nicht der Masse vergütet werden, sondern de Absonderung usw. unterliegen, wird vom Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung vom 25.04.2002 nicht gezogen.

20

Auch aus der Tatsache, dass hier das Warenlager "mit wechselndem Bestand" zur Sicherheit übereignet worden war, führt zu keiner anderen Entscheidung. Im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs durfte der Kläger über das Warenlager verfügen (Anlage B 1, Ziff. 2.11.1. dort) und dies führt zu keinen Sonderrechten der Beklagten.

21

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §92, 709 ZPO.