Landgericht Oldenburg
Urt. v. 28.01.2004, Az.: 12 O 1961/03

Anspruch auf Unterlassung einer beanstandeten Werbung; Gewinnbenachrichtigung über eine Reise mit Kautionsvereinbarung; Folgen eines Verstoßes einer Werbung gegen ein Gesetz; Forderungen des Reiseveranstalters auf "Zahlungen ... auf den Reisepreis"; Bedeutung einer Übergabe eines Sicherungsscheins; Auslegung des Begriffs des Reisepreises; Notwendigkeit der Übergabe eines Sicherungsscheins für eine Kaution

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
28.01.2004
Aktenzeichen
12 O 1961/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35455
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0128.12O1961.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
NULL

Fundstelle

  • VuR 2004, 191-192

Verfahrensgegenstand

Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens

In dem Rechtsstreit
hat die 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 01.10.03
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXXXX sowie
die Handelsrichterin XXXXX und
den Handelsrichter XXXXX
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagten wird untersagt,

    1. a)

      von Reiseteilnehmern, die eine Reise, beispielsweise an den Plattensee, gewonnen haben, vor Reiseantritt eine Kaution in Höhe von 100,00 EUR zu verlangen, ohne diese im Gegenzug durch Aushändigung eines Sicherungsscheins abzusichern;

    2. b)

      zu behaupten, die Kaution verfalle ersatzlos, wenn die Reise nicht angetreten werde.

  2. 2.

    Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an dem Geschäftsführer, angedroht.

  3. 3.

    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.900,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Reiseveranstalterin und verschickte im April 2003 eine Gewinnbenachrichtigung an Frau XXXX XXXXXX mit folgendem auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:

"... vielen Dank für Ihre bei XXXXXXXXXx gebuchte Reise zum Urlaubsziel: Plattensee. Wir haben für Sie gebucht:

... Der offene Reisepreis beträgt 0,00 Euro....

Leider kommt es immer wieder vor, dass die Urlaubsreise fest gebucht wird, aber am Tag der Abreise niemand da ist....

Wie haben uns daher entschlossen - auch im Interesse der anderen Reisegäste - eine Kaution zu erheben, die Sie selbstverständlich bei Reiseantritt erstattet bekommen. Näheres entnehmen Sie bitte dem beigefügtem Schreiben..."

2

In diesem mit "Kautions-Gutschein" überschriebenen Schriftstück heißt es:

"... Wir müssen daher eine Kaution in Höhe von 100,-- Euro einfordern. ...Die Kaution verfällt, wenn die Reise nicht angetreten wird..."

3

Der Kläger behauptet, Frau XXXXX habe von der Beklagten keinen Sicherungsschein erhalten. Er hält diese Werbung für wettbewerbswidrig, weil einerseits wegen der Kautionszahlung gemäß § 651k Abs. 4 BGB die Übergabe eines Sicherungsscheins erforderlich sei und andererseits die Beklagte nicht ausdrücklich darauf hinweise, dass auch die Möglichkeit bestehe, bei Nichtantritt der Reise einen geringeren Schaden als 100,00 EUR nachzuweisen.

4

Der Kläger beantragt,

der Beklagten zu untersagen, von Reiseteilnehmern, die eine Reise, beispielsweise an den Plattensee, gewonnen haben, vor Reiseantritt eine Kaution in Höhe von 100,00 EUR zu verlangen, ohne diese im Gegenzug durch Aushändigung eines Sicherungsscheins abzusichern und / oder zu behaupten, die Kaution verfalle ersatzlos, wenn die Reise nicht angetreten werde;

der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten) anzudrohen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie hält ihr Verhalten für zulässig, weil die Zahlung einer Kaution von § 651k Abs. 4 BGB nicht erfasst werde. Auf die Möglichkeit, dass ein geringerer Schaden nachgewiesen werden könne, werde in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen; das sei ausreichend. Im Übrigen habe es der Kunde selbst in der Hand, ob er die Kaution zurückerhalte oder nicht.

7

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die vorgetragenen Inhalte der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

8

Die Kammer hat gemäß Beschluss vom 08. Oktober 2003 Beweis durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage der Frau XXXX XXXX erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben der Zeugin vom 23. November 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist zulässig und begründet.

10

I.

1.

Der Kläger ist berechtigt (aktivlegitimiert), den Unterlassungsanspruch in diesem Verfahren geltend zu machen. Dies folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG und ist zwischen den Parteien nicht streitig.

11

2.

Die Beklagte ist verpflichtet, die beanstandete Werbung zu unterlassen, denn ihr Verhalten ist unlauter (§ 1 UWG), weil es gegen § 651k Abs. 1 BGB verstößt und irreführend (§ 3 UWG), weil dem Reisegewinner vorgespiegelt wird, die Kaution verfalle bedingungslos.

12

a)

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass Frau XXXXX keinen Sicherungsschein bekommen hat. Sie hat dies in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 23. November 2003 bestätigt und die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit und Verlässlichkeit ihrer Aussage zu zweifeln.

13

Nach § 651k Abs. 4 BGB dürfen Reiseveranstalter "Zahlungen ... auf den Reisepreis" nur fordern, wenn ein Sicherungsschein übergeben wird. Der Wortlaut dieser Vorschrift passt hier zwar nicht unmittelbar, weil der Reisepreis "0,00 EUR" beträgt, der Sinn und Zweck dieser Regelung trifft aber auch diesen Fall. Das Motiv des Gesetzgebers ist es unter anderem, den Reisenden vor dem Insolvenzrisiko des Reiseveranstalters zu schützen und die Erstattung gezahlter Beträge zu sichern. Diese Bestimmung ist so auszulegen, dass sie zum Schutz des Verbrauchers ein Ergebnis vorschreibt, das die Verleihung eines Rechts an den Reisenden umfasst, mit dem nicht nur seine Rückreise, sondern allgemein auch die Erstattung gezahlter Beträge gesichert werden soll (EuGH WM 1998, 2517 [EuGH 01.12.1998 - C 410/96]; BGH WM 2000, 975). Auch der von der Beklagten überreichte Sicherungsschein sichert die Erstattung nicht nur des Reisepreises selbst, sondern auch weitere "notwendige Aufwendungen, die dem Reisenden infolge Zahlungsunfähigkeit ... für die Rückreise entstehen". Schon dies zeigt, dass der Begriff des Reisepreises weit auszulegen ist und z.B. auch Versicherungsprämien sowie Unterbringungskosten auf den Sicherungsschein zu erstatten sind. Dann aber erfordert auch die von der Beklagten verlangte und von den Kunden zu zahlende Kaution zwingend die Übergabe eines Sicherungsscheins. Auch insoweit ist der Reisende vor einer möglichen Insolvenz des Reiseveranstalters zu schützen; bezogen auf dieses Risiko hat er es eben nicht selbst in der Hand, ob er die Vorleistung zurückerhält oder nicht, wie es die Beklagte meint.

14

In der Missachtung des § 651k Abs. 4 BGB, der die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr begründet, liegt gleichzeitig ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG (BGH a.a.O.).

15

b)

Dadurch, dass die Beklagte mit ihrem "Kautions-Gutschein" bei den Empfängern unmissverständlich den Eindruck erweckt, die gezahlten 100,00 EUR seien unwiederbringlich verloren, wenn die Reise nicht angetreten werde, verstößt sie gegen § 3 UWG, denn sie führt den Verbraucher durch diese Aussage über geschäftliche Verhältnisse in die Irre.

16

Der Kunde hat immer die Möglichkeit, die Behauptung dieses pauschalierten Schadens dadurch zu entkräften, dass er keine oder zumindest eine erheblich geringere Vermögenseinbuße seines Vertragspartners nachweist. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss er über diese Möglichkeit ausdrücklich hingewiesen werden, § 309 Ziff. 5 b) BGB. In ihren "Reise- und Geschäftsbedingungen" erteilt die Beklagte ausweislich ihrer Ziffer 6. b) diesen Hinweis auch in allgemeiner Form. Er steht aber im Zusammenhang mit der Zahlung des eigentlichen Reisepreises und die Kaution wird nicht erwähnt. Wenn nun vor diesem Hintergrund in dem Kautions-Gutschein formuliert wird: "... Wir müssen daher eine Kaution in Höhe von 100,- Euro einfordern. ...Die Kaution verfällt, wenn die Reise nicht angetreten wird...", muss der Kunde den Eindruck gewinnen, er habe keine Chance, diesen Betrag auch nur teilweise zurückzubekommen. Das ist unzutreffend, irreführend und daher von der Beklagten zu unterlassen.

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II.

Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 709 ZPO.

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