Landgericht Oldenburg
Urt. v. 07.07.2004, Az.: 10 S 209/04

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
07.07.2004
Aktenzeichen
10 S 209/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42775
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0707.10S209.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Jever - AZ: 5 C 888/03

in dem Rechtsstreit

...

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2004

durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Jever vom 05.02.2004 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von  280 € abwenden, sofern nicht die Beklagte vor Beginn der Zwangsvollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

  5. 5.

    Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin macht im Urkundsverfahren restlichen Mietzins geltend.

2

Die Parteien schlossen unter dem 03.06.2003 einen Mietvertrag über Wohnraum zu einer monatlichen Mete von 660,00 €, wobei ein Betrag von 162,00 € auf Nebenkosten entfiel. Für den Monat November 2003 zahlte die Beklagte unter Berufung auf angebliche Mängel der Mietsache insgesamt lediglich einen Betrag von 169,80 €.

3

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe ihren Anspruch auf den restlichen Mietzins durch Vorlage des Mietvertrages ausreichend bewiesen und könne ihn daher im Wege des Urkundsprozesses geltend machen.

4

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 490,20 € nebst 5 Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2003 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

6

hilfsweise,

7

ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

8

Das Amtsgericht hat die Kläger als unzulässig abgewiesen, gleichzeitig aber die Berufung zugelassen. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass bei Zulassung des Urkundsverfahrens die Schutzvorschriften zu Gunsten des Mieters unterlaufen würden. Zur weiteren Begründung wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen weiter verfolgt. Dabei beruft sie sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.03.1999 (NJW 1999, 1408), die allerdings einen gewerblichen Mietvertrag betrifft.

10

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Jever vom 05.02.2004 zur Geschäftsnummer 5 C 888/2003 die Beklagte zu verurteilen, an sie 490,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 05.11.2003 zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

13

Das Amtsgericht hat die Klage im Urkundsverfahren zu Recht als unzulässig abgewiesen. Jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - bei einem Vertrag über die Miete von Wohnraum substantiiert Mängel vorgetragen werden, ist die Geltendmachung rückständiger Mietzinsansprüche im Urkundsverfahren nicht statthaft.

14

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Verfolgung von Mietzinsansprüchen im Wege des Urkundsprozesses grundsätzlich zulässig. Die oben bereits bezeichnete Entscheidung aus dem Jahre 1999 ist jedoch zu einem gewerblichen Mietverhältnis ergangen. Mit den Besonderheiten des Wohnraummietverhältnisses musste sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung nicht auseinander setzen. Von daher ist die Zulässigkeit des Urkundsverfahrens im Bereich der Mietverhältnisse über Wohnraum umstritten.

15

Die Kammer folgt der Ansicht, nach der ein Urkundsprozess jedenfalls dann nicht statthaft ist, wenn der Mieter substantiiert Mängel der Mietsache geltend macht und sich daher auf Mietminderung beruft. Dies folgt aus den Besonderheiten der gesetzlichen Regelung der Wohnraummiete. Zwar sind die gesetzlichen Regelungen über die Mietminderung bei gewerblicher Miete und Wohnungsmiete deckungsgleich; im Gegensatz zur gewerblichen Miete sind jedoch bei der Wohnraummiete zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen unwirksam (§ 536 Abs. 4 BGB). Dies gilt für sämtliche Vereinbarungen, die das Minderungsrecht auch nur mittelbar berühren. Insgesamt soll dem Mieter nach dem Willen des Gesetzgebers eine rasche Anpassung des Mietzinses an einen verschlechterten Zustand der Mietsache ermöglicht werden.

16

Von daher werden die Vorfälligkeitsklausel und eine bloße Aufrechnungsbeschränkung durch die Vereinbarung der Obliegenheit des Mieters zur vorherigen Ankündigung der Aufrechnung für zulässig gehalten, da sie lediglich zu einer nicht nennenswerten zeitlichen Verzögerung der Anpassung des Mietzinses führen.

17

Das Ziel des Gesetzgebers zu einer möglichst raschen Anpassung des Mietzinses bei Mängeln der Mietsache wird bei Durchführung eines Urkundsprozesses tangiert. Wenn der Mieter die Miete wegen Mängeln der Miete mindert und der Vermieter die rückständige Miete im Wege des Urkundsprozesses geltend machen könnte, hätte der Mieter die Möglichkeit zu widersprechen. Da der Mieter seinen Vortrag zur Mietminderung in der Regel nicht durch im Urkundsprozess zugelassene Beweismittel wird beweisen können, würde ein Vorbehaltsurteil zu Gunsten des Vermieters ergehen, aus dem dieser vollstrecken könnte. Der Frage der Minderungsbefugnis würde erst im anschließenden Nachverfahren nachgegangen werden. Dies hätte zur Folge, dass der Mieter trotz vorhandener Mängel zunächst den vollen Mietzins zahlen müsste. Hierdurch würde die starke Rechtsstellung des Mieters aus § 536 Abs. 4 BGB unterlaufen. Da diese starke Rechtsstellung des Mieters nicht über den Umweg des Prozessrechts umgangen werden darf, ist die Durchführung des Urkundsprozesses dann unzulässig, wenn sich der Mieter substantiiert auf Mängel der Mietsache beruft (vgl. ebenso Blank in NJW 2000,1083,1086 m. w. N.), was vorliegend der Fall ist.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 4 ZPO § 711 ZPO.

19

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Frage der Statthaftigkeit des Urkundsprozesses bei Fällen der vorliegenden Art grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist.