Landgericht Oldenburg
Urt. v. 26.01.2004, Az.: 1 O 3561/03
Ersatzansprüche eines Versicherers auf Grund eines Unfalls einer bei ihr Krankenversicherten in den Gaststättenräumlichkeiten der Beklagten; Haftung für die Unfallfolgen wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht; Pflichten zur Sicherung einer Treppenanlage; Überwiegendes Eigenverschulden des Geschädigten auf Grund der Erkennbarkeit der Treppe
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 26.01.2004
- Aktenzeichen
- 1 O 3561/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 35470
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2004:0126.1O3561.03.0A
Rechtsgrundlage
- § 116 SGB X
Fundstelle
- VersR 2005, 422 (red. Leitsatz)
In dem Rechtsstreit
hat die 1 .Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 04.12.2003
durch
Richter Herzog als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ersatzansprüche gem. § 116 SGB X auf Grund eines Unfalls der bei ihr krankenversicherten ... in den Gaststättenräumlichkeiten der Beklagten am 25.11.2001 geltend.
In der Absicht ihren Mantel aufzuhängen begab sich die Zeugin, die zurzeit des Unfalls 89 Jahre alt war, zur Garderobe der Beklagten. Dabei übersah sie eine nach unten führende kleine dreistufige Treppenanlage etwa auf Höhe der Mitte der Garderobenleiste und trat unbeabsichtigt in die Tiefe, wodurch sie zu Fall kam.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für die Unfallfolgen wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht. Als Betreiberin der Gaststätte hätte sie die Treppenanlagen so zu gestalten, dass bei deren Benutzung kein vermeidbarer Schaden entsteht. Indem die Beklagte ihrer Garderobenleiste teilweise über einer nach unten führende Treppe angebracht hat, habe sie fahrlässig eine Gefahrenquelle im Sinne einer "Fallgrube" geschaffen und damit ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Zeugin habe mit einer derartigen Treppenanlage nicht rechnen müssen, zumal nicht von ihr erwartet werden könne, dass sie gleichzeitig auf den Boden und auf die Garderobenanlage achtet. Die Beklagte hätte entweder eine Barriere vor dem Treppenabgang errichten, auf eine Garderobe über der Treppe verzichten, oder diese entsprechend der Höhe der jeweiligen Treppenstufen "abgetreppt" gestalten müssen
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.858,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass eine Verkehrsicherungspflichtverletzung nicht vorliege. Die Treppenstufen seien bei der auch von einem Gast zu verlangenden Aufmerksamkeit deutlich zu erkennen. Als Gast müsse man zunächst in Richtung der Treppenstufen gehen und sich dann dort halb umdrehen, um die Garderobe zu erreichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig jedoch nicht begründet.
I.
Ein Ersatzanspruch zu Gunsten der Klägerin kommt lediglich in Betracht, wenn eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten zu bejahen wäre. Eine solche könnte allenfalls darin gesehen werden, dass die Beklagte die Garderobenleiste zum Teil über dem ebenen Boden und zum Teil über der Treppe angebracht hat, sodass damit grundsätzlich die Gefahr eines Sturzes gegeben ist, sofern man beim Aufhängen der Garderobe die Treppenanlage übersieht. Aus den von beiden Parteien vorgelegten Fotos und Skizzen der Örtlichkeit ist jedoch zu ersehen, dass die Treppe beim Zugehen auf die Garderobe auch für die Geschädigte hinreichend deutlich zu erkennen war. Nach dem Vortrag der Klägerin hat sich die Geschädigte leicht schräg von der linken Seite der Garderobenleiste genähert (vgl. Skizzen Bl. 58 und 59 d.A.). Dies dürfte in etwa. dem Blickwinkel des Fotos Bl. 29 d.A. entsprechen (2. Farbfoto zum Schriftsatz der Beklagten vom 03,12.2003, DIN A4). Bei einer derartigen Annäherung an die Garderobenleiste hätte auch die Geschädigte erkennen müssen, dass im Bereich dieser Leiste eine Treppe auf die untere Ebene der Gaststätte führt. Für die Feststellung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ist dabei nicht individuell auf die Geschädigte, sondern auf den durchschnittlichen Gaststättenbesucher abzustellen. Es ist von jedem durchschnittlichen Besucher zu erwarten, dass sich dieser nicht mit einem "Tunnelblick", der starr auf den begehrten Kleiderhaken gerichtet ist, der Garderobe nähert, sondern dass er in der Lage ist, auch die nähere Umgebung in seinem Blickfeld zu erfassen. Es ist deutlich zu erkennen, dass sich direkt neben der Garderobe eine tiefer gelegene Ebene mit weiteren Sitzgelegenheiten befindet. Als die Geschädigte leicht versetzt auf die Garderobe zugegangen ist hätte sie dabei diese Ausgestaltung der Räumlichkeiten und auch das Vorhandensein der Treppe erkennen müssen, wenn sie einfach in Laufrichtung geradeaus schaut. Sofern sie dabei tatsächlich nur die Garderobe fixiert haben sollte, wäre dies als überwiegendes Selbstverschulden anzusehen, da grundsätzlich jeder Fußgänger auf den Weg vor ihm achten muss. Auf Grund der Erkennbarkeit der Treppe ist der Sturz der Geschädigten überwiegend selbst verschuldet worden, sodass selbst wenn man durch das Anbringen der Garderobenleiste zum Teil über der Treppe eine Verkehrspflichtverletzung als gegeben ansieht, eine Haftung der Beklagten vollständig hinter dem überwiegenden Eigenverschulden der Geschädigten zurücktritt.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidung beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO