Landgericht Oldenburg
Urt. v. 20.05.2008, Az.: 1 O 3385/07

Anspruch eines Insolvenzverwalters gegen einen Berater des insolventen Unternehmens auf Rückzahlung von Beraterhonorar

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
20.05.2008
Aktenzeichen
1 O 3385/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 53783
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2008:0520.1O3385.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Oldenburg - 21.11.2008 - AZ: 11 U 48/08
BGH - 08.07.2010 - AZ: IX ZR 225/08

In dem Rechtsstreit
...
Kläger
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Insolvenzanfechtung
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 8.04.2008 durch den Richter am Landgericht Deuster als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 155.454,96 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 95.954,96 € seit dem 14.08.2007 und aus 59.500,00 € seit dem 28.12.2007 zu zahlen.

  2. 2.)

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. 3.)

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.)

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  5. 5.)

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf bis 170.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der....

Der Beklagte schloss mit der..., die alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin ist, am 12.01.2005 einen Beratervertrag, wobei für die Beratertätigkeit ein monatliches Honorar von 10.000,00 € zzgl. MWSt. vereinbart wurde. Gemäß einer Zusatzvereinbarung vom 30.08.2006 trat auch die Insolvenzschuldnerin den Verpflichtungen aus diesem Vertrag gegenüber dem Beklagten bei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen des Beratervertrags (vgl. Bl. 20-23 d.A.) sowie der Zusatzvereinbarung (vgl. Bl. 51 d.A.) Bezug genommen. Für den laufenden Geschäftsbetrieb wurden der Insolvenzschuldnerin unter dem 17.10.2005 von einem Bankenpool Kredite in einem Gesamtvolumen von 4,571 Mio. eingeräumt. Diese Kredite waren bis zum 31.05.2007 befristet und durch eine entsprechend befristete Bürgschaft des Landes Niedersachsen gesichert. Um den 31.01.2007 herum bestellte der Beklagte - was seitens des Klägers mit Nichtwissen bestritten wird - in Fernost Fahrradteile zu einem Kaufpreis von 84.054,96 €, die er an die Insolvenzschuldnerin weitergab. Dabei trat der Beklagte gegenüber den Herstellern selbst als Importeur auf und gab dann die Teile an die jetzige Insolvenzschuldnerin ohne Gewinnaufschlag weiter.

Die Insolvenzschuldnerin hatte ihrerseits Forderungen gegen die .... Dieser Firma trat der Beklagte mit insgesamt sechs gleichlautenden Abtretungserklärungen, datiert zwischen dem 20.03.2007 und dem 20.06.2007, seine Honorarforderungen aus dem o.a. Beratervertrag für die Monate Januar bis Juni 2007 in Höhe von jeweils 11.900,00 € ab, "um wiederum Rechnungen der [...] ... [...] an die ... in Lage/Lippe gegenrechnen zu lassen." Unter dem 20.06.2007 trat der Beklagte zudem seine Forderung gegenüber der Insolvenzschuldnerin aus den Lieferungen der Fahrradteile in Höhe von 84.054,96 € an die ... ab. Auf die in der Akte befindlichen Ablichtungen sämtlicher Forderungsabtretungen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen (vgl. Bl. 84 - 90 d.A.).

Unter dem 30.05.2007 erhielt der Beklagte direkt von der Insolvenzschuldnerin gemäß des Kassenbuchs 5 x 11.900,00 €, unter dem 20.06.2007 weitere 11.900,00 € und 84.054,96 €, wobei der Beklagte offenbar nunmehr in dem nachgelassenen, am 29.04.2008 eingegangenem Schriftsatz bestreiten will, dass er selbst diese Zahlungen erhielt.

Bereits ab dem Frühjahr 2007 war über die Fortgeltung der Landesbürgschaft des Landes Niedersachsens über den Fristablauf vom 31.05.2007 hinaus verhandelt worden. Letzlich blieben diese Verhandlungen erfolglos, so dass die Bürgschaft und in der Folge auch die Kredite keine Verlängerung erfuhren. Auf Antrag des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin vom 28.06.2007 eröffnete das Amtsgericht Bersenbrück, Az. 9 IN 45/07, am 8.08.2007 das Insolvenzverfahren. Mit Schreiben vom 13.08.2007 forderte der Kläger den Beklagten zur Rückführung von 95.954,96 € auf.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Zahlungen an den Beklagten eine inkongruente Deckung darstellten und gemäß § 131 InsO anfechtbar seien.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 155.454,96 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 59.500,00 € seit dem 30.06.2007 und aus einem Betrag in Höhe von 95.954,96 € ab dem 20.06.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat zunächst seine Klage auch auf eine weitere Zahlung in Höhe von 13.100,00 € erstreckt. Nachdem der Beklage sich an diese in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 8.04.2008 nicht erinnern konnte und der Beklagtenvertreter darauf hin die Zahlung aus "anwaltlicher Vorsorge" bestritt, hat der Kläger insoweit im Interesse der Herbeiführung einer zügigen Entscheidung die Klage zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils der Zinsen begründet.

Der Kläger hat aus §§ 143, 131 Abs. 1 Nr. 1, 129 InsO einen Anspruch auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten Zahlungen über 155.454,96 €.

Der Beklagte hat am 30.05.2007 59.500,00 € (4 x 11.900,00 €) und am 20.06.2007 84.054,96 € sowie weitere 11.900,00 € erhalten. Soweit der Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vortragen lässt, für die Forderungsabtretungen von der Insolvenzschuldnerin keine Beträge erhalten zu haben, steht zur Überzeugung des Gerichts das Gegenteil fest. Zunächst ist dieser Vortrag widersprüchlich. Die Zahlungen waren zu keinem Zeitpunkt streitig. Der Beklagte selbst hat in der Klageerwiderung ausführlich zu dem Hintergrund der einzelnen vereinnahmten Beträge Stellung genommen. In seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat er die streitgegenständlichen Zahlungen mit keiner Silbe in Abrede gestellt. Lediglich den weiteren Betrag über 13.100,00 €, auf den sich die danach erfolgte Klagerücknahme bezieht, konnte er nicht zuordnen, ohne dass er selbst diese Zahlung an sich ausschließen konnte. Hinzutritt, dass die Entnahmen gemäß der Kassenbücher exakt den Beträgen entsprechen, die Gegenstand der Abtretungserklärungen zugunsten der Firma ... waren. Schließlich hat der Beklagte zumindest die Zahlungen vom 20.06.2007 auf den Forderungsabtretungen unter dem Satz "Geld bar erhalten" auch noch mit seiner Unterschrift quittiert. Nach alledem steht für das Gericht fest, dass der Beklagte die Zahlungen zu Lasten der Insolvenzschuldnerin erhalten hat. Der entgegengesetzte Vortrag in dem nachgelassenen Schriftsatz ist zur Überzeugung des Gerichts unwahr, wobei es vor dem Hintergrund, dass der Beklagte persönlich in der mündlichen Verhandlung gar keinen Hehl aus diesen Zahlungen gemacht hat, zu seinen Gunsten davon ausgeht, das dieser Vortrag nicht auf Arglist, sondern auf ein weiteres Missverständnis auf Beklagtenseite zurückzuführen ist.

Die erfolgten Zahlungen stellen anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der §§ 129ff. InsO dar. Es handelt sich jeweils um inkongruente Deckungen im Sinne des § 131 InsO. Von einer solchen ist auszugehen, wenn der Gläubiger die erlangte Befriedigung zum Zeitpunkt der Leistung nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (vgl. Eickmann u.a., InsO, 4. Aufl., § 131 Rn. 7). Vorliegend kann unterstellt werden, dass die Honorarforderungen und auch die Kaufpreisforderung für die Fahrradteile grundsätzlich bestanden, denn jedenfalls konnte der Beklagte keine Befriedigung in der Art beanspruchen. Er hatte nämlich keinen Anspruch darauf, dass seine Ansprüche letztlich durch gleichzeitige Verrechnung von Ansprüchen der Insolvenzschuldnerin gegenüber Dritten, hier der..., befriedigt werden. Gerade dies war hier aber der Fall, denn die den Auszahlungen an den Beklagten zugrunde liegenden Ansprüche standen nach den Forderungsabtretungen nicht mehr ihm, sondern der ... zu, so dass Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen diese durch die Auszahlungen erloschen. Eine Befriedigung auf diese Art konnte der Beklagte jedenfalls nicht beanspruchen. Dies reicht zur Annahme einer inkongruenten Deckung aus.

Nichts anderes ergäbe sich, wenn man die Entnahmen des Beklagten in Anbetracht der zuvor erfolgten Abtretung als solche der ..., vertreten durch den Beklagten, ansehen würde. Dann wäre nämlich die in der nächsten juristischen Sekunde anzunehmende Weitergabe der Zahlungen durch die ... an den Beklagten selbst anfechtbar. Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen setzt nämlich nicht voraus, dass der Insolvenzschuldner an diesen beteiligt ist (vgl. Eickmann u.a., InsO, 4. Aufl., § 129 Rn. 24). Auch bei Annahme einer solchen Konstruktion wäre die Befriedigung des Beklagten inkongruent, da er keinen Anspruch darauf hatte, dass seine Forderungen gerade in dieser Art und Weise, nämlich durch einen Dritten, erfüllt wurden.

Die Zahlungen erfolgten ab dem 30.05.2007 und damit allesamt innerhalb der Monatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, so dass es weiterer subjektiver Voraussetzungen nicht bedarf.

Im Übrigen dürfte hier auch sowohl auf Seiten der Insolvenzschuldnerin als auch auf Seiten des Beklagten bei den Zahlungen eine Gläubigerbenachteilungsabsicht auf der Hand liegen, so dass die Anfechtbarkeit der Zahlungen bei Annahme einer kongruenten Deckung aus § 133 InsO folgte. Der Beklagte kannte als Berater sämtliche Geschäftsabläufe der Insolvenzschuldnerin. Ihm war die Befristung der Kredite bis zum 31.05.2007 bekannt und er kannte den Stand der Verhandlungen über die Bürgschaft des Landes Niedersachsen. Zum Zeitpunkt der ersten Zahlungen am 30.05.2007 war eine Verlängerung der Landesbürgschaft nicht erreicht worden, so dass der Beklagte wusste, dass eine Befristung der Kredite über den 31.05.2007 hinaus nicht erfolgen würde. Wenn er dann einen Tag vor sowie nach Ablauf der Frist der Kredite Zahlungen entgegennimmt, drängt sich nach Auffassung des Gerichts auf, dass der Beklagte in Anbetracht der Höhe des verlorenen Kreditrahmens zumindest die Möglichkeit, dass aufgrund der Zahlungen andere Gläubiger benachteiligt werden, billigend in Kauf genommen hat. Ein derartiger Eventualvorsatz genügt für die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes (vgl. Eickmann u.a., InsO, 4. Aufl., § 133 Rn. 10).

Als Rechtsfolge muss der Beklagte gem. § 143 InsO die an ihn geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 6 x 11.900,00 € und 84.054,96 € zur Insolvenzmasse zurückgewähren.

Der Zinsanspruch folgt hinsichtlich eines Teils von 95.954,96 € aus §§ 286, 288 BGB. Insoweit ist der Beklagte durch die unstreitige Aufforderung vom 13.08.2007 in Verzug geraten. Im Übrigen folgt der Zinsanspruch aus §§ 288, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 ZPO, 709 ZPO. Dabei war der auf den zurückgenommenen Teil entfallende Betrag relativ geringfügig und veranlasste keine höheren Kosten (Gebührensprung bei 155.000,00 €), so dass entsprechend des Rechtsgedankens des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dem Beklagten die gesamten Kosten auferlegt worden sind.

Deuster