Landgericht Oldenburg
Urt. v. 30.05.2008, Az.: 2 S 127/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 30.05.2008
- Aktenzeichen
- 2 S 127/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 44209
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2008:0530.2S127.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg/Oldenburg - 25.01.2008 - AZ: E8 C 8078/07 (IV)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 30.05.2008 durch die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 25.01.2008 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2 500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgericht Oldenburg ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die 2 500,- EUR zurückzuerstatten, die die Klägerin ihr ihm Rahmen eines sogenannten Schenkkreises am 10.04.2003 übergeben hat.
Bei diesem Schenkkreis, den die Beteiligten wegen der verwendeten Symbole als "Herzschenkkreis" bezeichneten, handelt es sich um ein Schneeballsystem, welches nach Art einer Pyramide organisiert ist. Diese Pyramide mit den Namen und Telefonnummern der Beteiligten wird auf einem sogenannten Chart dargestellt in der Form, dass an der Spitze, von einem Herzen umrahmt, der Name der Person aufgeführt ist, der sich in der Nehmerposition befindet. Auf der zweiten Stufe stehen, immer umrahmt von Herzen, 2 Personen, auf der dritten Stufe dann 4 und auf der vierten und letzten Stufe sind 8 Plätze mit Geberpositionen aufgeführt. Die auf der 4 Stufe stehenden Mitspieler leisten ihre sogenannte Schenkungen an die Person, die an der Spitze der Pyramide steht. Bei dem hier fraglichen Herzschenkkreis war es so, dass eine Position auf Stufe 4 mit 5 000,- EUR bewertet wurde. Es war möglich, anteilige Positionen zu erwerben. Sobald die Person an der Spitze der Pyramide sämtliche Zuwendungen von den auf der vierten Stufe stehenden Spielern erhalten hat, scheidet sie aus dem Spiel aus und alle Personen rücken eine Stufe auf. Der Kreis wird hälftig geteilt. Zur Fortsetzung des Spiels müssen nunmehr Personen gefunden werden, die gegen Zahlung eines entsprechenden Betrages in die Geberposition, also die vierte Stufe der Pyramide, einrücken.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin am 10.04.2003 der Beklagten einen Betrag von 2 500,- EUR zugewendet hat. Die Klägerin hat die begleitenden Umstände geschildert und auch den damals gefertigten sogenannten Chart vorgelegt, aus welchem sie eine Vielzahl von Namen und Telefonnummern der seinerzeit einem Spiel beteiligten Damen ergibt. Dort ist erkennbar, dass die Beklagte, gemeinsam mit der Mitspielerin ..., sich die Geberposition an der Spitze der Pyramide teilte, während der Name der Klägerin sich auf der 4 Stufen der Pyramide befindet. Der Name der vom Gericht vernommenen Zeugin ... befindet sich ebenfalls auf der vierten Stufe dieser Pyramide.
Trotz Vorhalts dieses Charts und trotz Schilderung der Begleitumstände hat die Beklagte erklärt, sich nicht an die näheren Umstände erinnern zu können. Sie bestreitet mit Nichtwissen, von der Klägerin den genannten Betrag erhalten zu haben. Sie habe an diversen Schenkkreisen teilgenommen und mehrfach Geld erhalten, welches sie andererseits aber auch wieder eingesetzt habe.
Zwar ist es schwer vorstellbar, dass die Beklagte wirklich nicht mehr weiß, ob sie jemals von der Klägerin 2 500,- EUR erhalten hat. Andererseits liegt der Vorfall 5 Jahre zurück und die Beklagte hat offensichtlich mehrfach an derartigen Schneeballsystemen teilgenommen und war auch in mehreren Positionen an dem Schenkkreis hier beteiligt, denn wie sich aus dem überreichten Chat (Bl. 171, 172 d.A.) ergibt, findet sich ihr Name nicht nur an der Spitze der Pyramide, sondern auch auf der dritten Stufe der Pyramide findet sich 2 × der Name Doris, wobei offenbar einmal 1/3einer Position und einmal eine hälftige Position erworben wurde. Insofern ist es belegt, dass die Beklagte erhaltenes Geld auch wieder eingesetzt hat und/oder andere Personen "gesponsert" hat, d.h. anderen Personen das Geld zum Erwerb einer Position zur Verfügung gestellt hat. Somit ist es möglich, dass die Beklagte heute nicht mehr den Überblick über ihre damaligen Geschäfte hat, so dass ein Bestreiten mit Nichtwissen ausnahmsweise zulässig ist.
Jedoch hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Klagvortrag zutreffend ist. Die Zeugin ..., die ebenfalls an dem Schenkkreis teilgenommen hat, hat in jeder Hinsicht glaubhaft ausgesagt, dass sie sich genau an den Vorfall vom 10.04.2003 erinnern könne. Diese Zeugin hat anschaulich geschildert, dass an diesem Tag die beiden Inhaberinnen der Spitzenposition, also die Beklagte und ..., sowohl von ihr als auch von der Klägerin jeweils 5 000,00 EUR erhalten haben. Aus der Geldübergabe sei ein Ritual gemacht worden, in dem sich alle beteiligten Damen im Kreis aufstellten, die Empfängerinnen stellten sich in die Mitte, das Lied der Sängerin Hildegard Knef "Für mich soll's rote Rosen regnen" wurde gespielt und das Geld wurde, verpackt in einer herzförmigen Pappschachtel übergeben. Die Zeugin konnte sich auch noch daran erinnern, dass die von der Klägerin übergebenen Pappschachtel passenderweise mit Rosen bedruckt war, sogleich geöffnet wurde und dass der Inhalt, nämlich 10 Scheine zu je 500,- EUR allseits bestaunt wurde.
Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Zeugin ... eventuell ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits insofern hat, als auch sie bei dieser Gelegenheit Geld gegeben hat und evt. ebenfalls ein Rückforderungsanspruch haben könnte. Anhaltspunkte dafür, dass sie aus diesem Grunde in irgendeiner Weise die Unwahrheit sagt, haben sich nicht ergeben. Vielmehr hat diese Zeugin anschaulich und widerspruchsfrei die damaligen Vorfälle geschildert.
Außerdem wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, angesichts des präzisen Vertrags zu Ort und Zeit und zu den Beteiligten weitere Damen gegenbeweislich dafür zu benennen, dass die Behauptungen der Klägerin nicht zutreffen. Dies hat sie nicht getan.
Somit ist davon auszugehen, dass die Beklagte, gemeinsam mit ..., an diesem Tag 5 000,- EUR von der Klägerin erhalten hat. Da die Beklagte und Frau ... wie das überreichte Chat zeigt, sich hälftig in der Empfängerposition befanden, kann ohne weitere daraus gefolgert werden, dass beide sich das Geld hälftig geteilt haben, auch wenn die Zeugin dazu keine Angaben machen konnte.
Nach allgemeiner Meinung und auch nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes, der das Gericht sich anschließt, ist ein solches Schneeballsystem sittenwidrig, § 138 BGB, und die geschlossenen Verträge sind nichtig. Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, § 812 I Satz 1, 1. Alternative BGB, ein Anspruch auf Rückgewähr der geleisteten "Schenkung" zu. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich daraus, dass dieses Schneeballsystem darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder (meist) einen sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muss, weil angesichts der Vervielfältigungsfaktors in absehbarer Zeit keine neuen Mitglieder mehr geworben werden können. Auch führt die Anwerbung neuer Mitglieder zu einer unschönen Kommerzialisierung der Beziehungen in den Familien- und Bekanntenkreisen der Teilnehmer. Dies verstößt gegen die guten Sitten, so dass die Klägerin ihre Leistung ohne Rechtsgrund erbracht hat und zurückfordern kann.
Der Bereicherungsanspruch scheitert entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht an § 817 Satz 2 BGB. Danach wäre bei einem Verstoß gegen die guten Sitten eine Rückforderung dann ausgeschlossen, wenn dem Leistendem gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Hier hat auch die Klägerin selbst an dem sittenwidrigen Schenkkreis teilgenommen, wobei ihr möglicherweise die Sittenwidrigkeit bekannt war. Darauf kommt es jedoch nicht an. Selbst wenn die Klägerin die Sittenwidrigkeit kannte oder hätte erkennen müssen, so steht die Konditionssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht entgegen, da dies eine Fortsetzung des sittenwidrigen Spiels fördern würde. Die Initiatoren eines solchen Spiels würden zum Weitermachen geradezu eingeladen, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder ungeachtet der sozialschädlichen Abreden behalten dürften.
Der Bundesgerichtshof hat bereits am 10.11.2005 entschieden, dass jedenfalls die Initiatoren derartiger Spiele auf Rückerstattung in Anspruch genommen werden können und dass ihnen § 817 Satz 2 BGB nicht entgegengehalten werden kann. Im Zuge der weiteren Rechtssprechung hat der Bundesgerichtshof eine Beschränkung auf die Initiatoren eines solchen Kreises fallen gelassen und auf den Schutzzweck der Regelung abgestellt dahin, dass eine Fortsetzung dieser Schneeballsysteme weitmöglichst unterbunden werden soll. Es geht darum, diesen sittenwidrigen Zustand zu verhindern und nicht zu perpetuieren. Selbst wenn also die Klägerin die Sittenwidrigkeit kannte, kann sie den gezahlten Betrag zurückerhalten.
Auch andere Erwägungen aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB stehen dem nicht entgegen. So könnte ein Rückforderungsanspruch ausgeschlossen sein, wenn der Rückfordernde die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs zur seiner eigenen Absicherung ausnutzt, also z.B. zu dem Zeitpunkt Gelder zurückfordert, an dem er weiterhin an Schenkkreisen teilnimmt oder aber Gelder zurückfordert, obwohl er bereits selbst im erheblichen Maße beschenkt wurde und diese Zahlungen selber zurückhält. Anhaltspunkte für derartige Sachverhalte wurden hier nicht vorgetragen und sind auch hier nicht ersichtlich.
Die Forderung ist wegen Verzugs mit 5 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen § 286, 288 BGB.
Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10 ZPO.