Landgericht Oldenburg
Urt. v. 01.10.2008, Az.: 12 O 2350/08

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
01.10.2008
Aktenzeichen
12 O 2350/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 44193
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2008:1001.12O2350.08.0A

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat die 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 10.09.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Müller

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) haben es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250 000,- ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen auf dem Gebiet des Glückspielwesens im Internet für die Teilnahme im Lotto 6/49 zu werben und/oder werben zu lassen, wie nachstehend wieder gegeben:

    lg_oldenburg_2008-10-01_12-o-2350-08_abb001.jpg
  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

1

Die Verfügungsklägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung der im Tenor im einzelnen dargestellten Werbung.

2

Die Verfügungsklägerin bedient mit ihrem Produkt-Angebot Gewinn- und Glückspielinteressierte, insbesondere Lottointeressierte, die sich zu diesem Zweck an kurzfristigen Gesellschaften bürgerlichen Rechts, sog. "Winfonds" beteiligen können. Die Verfügungsbeklagte zu 1), bei der die Verfügungsbeklagte zu 2) als Geschäftsführern tätig ist, veranstaltet verschiedene Glückspiele in Niedersachsen. Im Zusammenhang mit dem Anstieg des Lotto-Jackpots fand sich auf der Homepage der Verfügungsbeklagten folgender Hinweis:

3
lg_oldenburg_2008-10-01_12-o-2350-08_abb002.jpg
4
5

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte zu 1) verstoße mit ihrer Werbung gegen § 5 GlüStV und damit gegen §§ 3, 4 Nr. 11 DWG. Als Mittbewerbern habe sie daher einen Unterlassungsanspruch.

6

Die Verfügungsklägerin beantragt,

  1. wie erkannt.

7

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

  1. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

8

Hilfsweise beantragt die Verfügungsbeklagte,

  1. Vollstreckungsschutz gemäß § 921 ZPO zu gewähren.

9

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die Verfügungsklägerin sei nicht aktivlegitimiert, da die Parteien nicht in einem konkreten Wettbewerb zueinander stünden. Zudem besitze die Verfügungsbeklagte nicht die erforderliche öffentlich-rechtliche Erlaubnis für ihre Tätigkeit. Die beanstandete Wettbewerbshandlung sei ferner nicht zu einer nicht nur unerheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung geeignet. Im Übrigen handele es sich bei dem beanstandeten Internetauftritt nicht um "Werbung" im Sinne des § 5 Abs. 3 GlüStV, da es sich lediglich um eine sachliche Information handele. Schließlich sei der Einwand der Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich, da sie mit ihrer eigenen Werbung selbst gegen Bestimmungen des GlüStV verstoße.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Der zulässige Verfügungsantrag ist begründet.

12

I.

Der Internetauftritt der Verfügungsbeklagten zu 1) ist nach § 5 Abs. 3 GlüStV verboten und verstößt damit im Verhältnis zur Verfügungsklägerin gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

13

1) Mit ihrem Internetauftritt verstößt die Verfügungsbeklagte zu 1) gegen das Werbeverbot im Internet gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV.

14

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 09.06.2005, I ZR 279/02) ist unter Werbung jede Äußerung im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes zu verstehen, die mit dem Ziel erfolgt, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Damit handelt es sich vorliegend um Werbung im rechtlichen Sinne. Durch die Verbindung der Schlagzeile "LOTTO: Samstag rund 12 Millionen Euro" mit der abgebildeten Frau wird der Bereich der - zulässigen - sachlichen Information verlassen. Die Abbildung der Frau, die ihre Hände vor das Gesicht hält, als könne sie ihr Glück kaum fassen, stellt einen Anreiz an den betreffenden Verkehrskreis dar, angesichts des erhöhten Jackpots selbst an der nächsten Ausspielung - eventuell gar mit erhöhtem Einsatz - teilzunehmen, um selbst in den Genuss eines entsprechend glücklichen Momentes zu gelangen. Diese Wirkung kann vom Vorsitzenden, der selbst dem angesprochenen Verkehrskreis angehört, aus eigener Sachkunde beurteilt werden. Die Absicht, einen entsprechenden Anreiz bei den Betrachtern des Internetauftrittes zu setzen, wird auch durch den Link deutlich, durch den man direkt zum Lottoschein gelangen kann.

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2) Der Verstoß gegen § 5 Abs. 3 GlüStV stellt einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar.

16

Die beanstandete Handlung ist nach § 3 UWG geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, das entsprechend der Ziele des Glückspielstaatsvertrages unter anderen dazu bestimmt war, Glückspiel- und Wettsucht bereits in der Entstehung zu verhindern. Angesichts der Zielsetzung hat das Werbeverbot auch eine marktregulierende Bestimmung, so dass zugleich ein Wettbewerbsverstoß vorliegt (§ 4 Nr. 11 UWG).

17

Mit diesem Wettbewerbsverstoß hat die Verfügungsbeklagte zu 1) versucht, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, mit dem auf der anderen Seite ein entsprechender Nachteil der Mitbewerber einhergeht, die sich an das Werbeverbot halten. Der Hinweis auf die fehlende Zulassung von Neukunden führt dabei zu keiner anderen Entscheidung. Das Werbeverbot soll dem Entstehen von Glückspiel- und Wettsucht entgegen wirken. Insofern gilt es gleichermaßen für das Auftreten gegenüber Alt- und etwaigen Neukunden. Im Übrigen ist der Internetauftritt für jedermann einsehbar. Somit richtet sich der Anreiz zur Teilnahme an der Ausspielung auch an nicht zugelassene Kunden, selbst wenn diese den Lottoschein nicht über das Internet ausfüllen können.

18

3) Die Parteien sind dabei Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, so dass die Verfügungsklägerin aktivlegitimiert ist. Denn zwischen den Parteien besteht vorliegend ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

19

a) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt voraus, dass sich die Beteiligten auf demselben sachlich, räumlich und zeitliche relevanten Markt betätigen. Dabei kommt es letztlich darauf an, ob aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die angebotenen Waren oder Dienstleistungen austauschbar sind. Dies ist vorliegend der Fall, auch wenn die Verfügungsklägerin nicht selbst Lottospiele durchführt. Beide Parteien "verschaffen den beworbenen Kunden die Möglichkeit der Teilnahme an einer (auch ein und derselben) Lottoausspielung mit der Chance auf einen dann auszuzahlenden Gewinn. In beiden Fällen erkauft sich der Kunde eine Gewinnchance. Lediglich die rechtliche Ausgestaltung der Teilnahme und die geschäftliche Konstruktion der Abwicklung der Spielbeteiligung sind unterschiedlich", wie das Oberlandesgericht Oldenburg auf Seite 10 des Urteils vom 18.09.2008 (1 W 66/08) in einem Parallelverfahren zwischen den Parteien zutreffend ausgeführt hat. Zur weiteren Begründung wird daher auf die entsprechenden Ausführungen des Oberlandesgerichts verwiesen.

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b) Für die Eigenschaft als Mitbewerber ist es dabei unbeachtlich, ob die Verfügungsklägerin eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis für ihre Tätigkeit besitzt; maßgebend ist allein das tatsächliche Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses. Die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen dienen zugleich dem Schutz der Allgemeinheit (§ 1 S. 2 UWG). Diesem Zweck würde es zuwider laufen, wenn Ansprüche wegen unlauterer Wettbewerbshandlungen allein dann gegeben wären, wenn sich der Anspruchsteller selbst gesetzestreu verhält (BGH, GRUR 2005, 519, 520).

21

4) Die Geltendmachung des Anspruches ist auch nicht vor dem Hintergrund des eigenen Werbeverhaltens der Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich, selbst wenn es ebenfalls einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellen könnte. Wie bereits ausgeführt soll mit dem Werbeverbot dem Entstehen der Glückspiel- und Wettsucht entgegen gewirkt werden, so dass es dem Interesse der Allgemeinheit dient. In diesem Fall ist der Einwand der "unclean hands" des Anspruchstellers in jedem Falle unbeachtlich ( BGH, GRUR 2000, 93, 94).

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5) Aufgrund des Wettbewerbsverstoßes ist die Verfügungsbeklagte zu 1) gemäß § 8 Nr. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Selbst wenn sich der Internetauftritt auf die nächste Lottoziehung am 23.08.2008 bezog, besteht Wiederholungsgefahr. Denn die Verfügungsbeklagte zu 1) vertritt die Ansicht, zu entsprechendem Verhalten berechtigt zu sein, so dass gleichlautende zukünftige Werbeauftritte nicht ausgeschlossen sind.

23

Die Haftung der Verfügungsbeklagten zu 2) gründet sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 31 BGB.

24

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es bei dem Erlass oder der Bestätigung einer einstweiligen Verfügung nicht.

25

Veranlassung, den Verfügungsbeklagten gemäß § 921 ZPO Vollstreckungsschutz zu gewähren, besteht nicht. Denn sie haben nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen im Falle der Vollziehung der einstweiligen Verfügung Nachteile drohen.

Müller