Landgericht Oldenburg
Urt. v. 24.07.2008, Az.: 9 O 929/08

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
24.07.2008
Aktenzeichen
9 O 929/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 54994
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung des jährlich am 1. April nachträglich zu zahlenden Erbbauzinses für das im Erbbaugrundbuch von L. Blatt 9691 eingetragene Erbbaurecht an dem im Grundbuch von L. Blatt 9690 eingetragenen Grundstück (der Flur 30, Flurstück 233/109, Gebäude und Freifläche, St. Str. 10 zur Größe von 1.105 qm) auf 1.350,00 EUR mit Wirkung ab dem 01.07.2007 zuzustimmen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 72 Prozent und der Beklagte 28 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung jeweils in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten um die Erhöhung des Erbbauzinses aus einem am 7. März 1956 geschlossenen Erbbauvertrag.

2

Die Rechtsvorgänger der Parteien vereinbarten in dem Erbbauvertrag die Überlassung eines Grundstücks von circa 1000 m² Größe Zweck Bebauung im Wege eines Erbbaurechtes. Die Vertragslaufzeit beträgt 99 Jahre. Das Grundstück lag im Außenbereich. Das zu errichtende Wohnhaus sollte von den Erbbauberechtigten bewohnt werden.

3

In § 6 des Vertrages ist nachträglich am 1. April eines jeden Jahres zu zahlender Erbbauzins ab 1. April 1956 von jährlich 15,00 DM festgelegt. Zu Erhöhungen des Erbbauzinses heißt es in § 10 des Vertrages, dass beide Vertragsteile eine Hinauf- oder Herabsetzung des Erbbauzinses in dem Verhältnis verlangen können, in dem sich vom 1. April bis zum 31.3. des folgenden Jahres der Durchschnittssatz der Landpachtzinsen des Grundstückseigentümers für langfristige Verpachtungen ändert.

4

Der Rechtsvorgänger des Beklagten zahlte von Anfang an einen auf 50,00 DM erhöhten Erbbauzins. Diese Beträge wurde ab 1977 auf 75,00 DM, ab 1982 auf 100,00 DM, ab 1994 auf 130,00 DM, ab 1996 auf 135,00 DM, ab 1998 auf 160,00 DM, ab 2001 auf 200,00 DM und ab 2003 bis 2004 auf 200,00 € erhöht. Schriftliche Vereinbarungen darüber gibt es nicht. Der Kläger hatte allerdings mit Schreiben vom 27.06.1998 eine Erhöhung auf 3.978,00 DM verlangt. Seit 2005 zahlt der Beklagte nur noch 81,81 € jährlich.

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Das Grundstück liegt inzwischen im beplanten Innenbereich. In dem seit 2006 gültigen Bebauungsplan ist der Bereich als „ Mischgebiet “ ausgewiesen. Die Wohnung ist vermietet. Der Kläger hält den gezahlten Erbbauzins für unangemessen niedrig. Die Grundlage etwaiger Erbbauzinserhöhungen gemäß § 10 des Erbbauvertrages sei entfallen. Das Grundstück habe durch den Erlass der Bebauungsplanes eine erhebliche Wertsteigerung erfahren, die bei einer Festsetzung des Erbbauzinses in Anlehnung an Pachtzinsen für langfristige Verpachtungen nicht mehr angemessen berücksichtigt werde. Außerdem habe sich der Zweck der Grundstücksüberlassung geändert. Das Grundstück sei für die Rechtsvorgänger des Beklagten und deren Nachfolger als Wohnstätte vorgesehen gewesen. Tatsächlich werde es jetzt durch Vermietung als Renditeobjekt genutzt. Eine angemessene Vergütung sei daher in Anlehnung an den üblichen Erbbauzins von drei Prozent des gegenwärtigen Grundstückswertes zu bemessen. In Anlehnung an die Bodenrichtwertkarte ergebe sich bei Abzug eines Erschließungskostenanteils von 20,00 € pro qm ein Bodenwert von 45,00 € pro qm. Ausgehend von einer Grundstücksgröße von 1000 Quadratmetern statt einer tatsächlichen Größe von 1.105 Quadratmetern ergebe sich ein jährlicher Erbbauzins von 1.350,00 €. Eine Anknüpfung an den Durchschnittssatz der Landpachtzinsen scheide auch schon deshalb aus, weil entsprechende Statistiken bei der Landwirtschaftskammer nicht mehr geführt werden. Wolle man dennoch an dem aktuellen Pachtzins anknüpfen, dann sei jedenfalls von den 3 1/3-fachen erzielbaren Pachtzins auszugehen, weil die Rechtsvorgänger der Parteien sich von Anfang an auf einen mehr als dreifach höheren Erbbauzins verständigt hätten, als dieser im Vertrag geregelt ist.

6

Der Kläger beantragt,

7

1. der Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung des jährlich zum 1.4. nachträglich zu zahlenden Erbbauzinses für das Erbbaugrundbuch von L. Blatt 9691 eingetragene Erbbaurecht an dem im Grundbuch von L. Blatt 9690 eingetragenen Grundstück (der Flur 30, Flurstück 233/109) auf EUR 1.350,-- mit Wirkung ab dem 01.04.1999 zuzustimmen,

8

2. der Beklagte wird hilfsweise verurteilt, einer Erhöhung des jährlich zum 1.4. nachträglich zu zahlenden Erbbauzinses für das im Erbbaugrundbuch vom L. Blatt 9691 eingetragene Erbbaurecht an dem im Grundbuch von L. Blatt 9690 eingetragenen Grundstück (der Flur 30, Flurstück 233/109, Gebäude und Freifläche, St. Str. 10 zur Größe von 1.105 qm) auf EUR 1350,-- mit Wirkung ab dem 01.07.2007 zuzustimmen,

9

3. äußerst hilfsweise im Falle des Unterliegens mit den Klageanträgen zu Ziffer 1. und Ziffer 2. wird der Beklagte verurteilt, mit Wirkung ab dem 01.07.2007 einer Erhöhung des jährlich am 1.4. nachträglich zu zahlenden Erbbauzinses für das im Erbbaugrundbuch von L. Blatt 9691 eingetragene Erbbaurecht an dem im Grundbuch von L. Blatt 9690 eingetragenen Grundstück (Flurstück 233/109, Flur 30, Gebäude- und Freifläche, St. Str. 10 zur Größe von 1.105 qm) auf EUR 166,67 zuzustimmen.

10

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Er hält die Erwägungen des Klägers über eine Anpassung des Erbbauzinses an den derzeitigen Grundstückswert für unangemessen. Ausgangspunkt jeglichen Preiserhöhungsverlangens sei die Bestimmung in § 10 des Erbbauvertrages. Danach sei ausschließlich an etwaige Erhöhungen der Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen anzuknüpfen. Eine etwaige Erhöhung des Erbbauzinses in Anlehnung an den Grundstückswert sei überdies unbillig, da diese weit über die seit Vertragsschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus gehe.

13

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage ist im Hilfsantrag zu Ziffer 2. begründet, soweit eine Erhöhung des Erbbauzinses mit Wirkung ab dem 01.04.2008 beansprucht wird. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

15

Die begehrte Anpassung des Erbbauzinses auf 1.350,00 EUR ist jedenfalls ab dem 1. Juli 2007 berechtigt. Der entsprechende Anspruch des Klägers folgt aus § 313 Abs. 1 BGB. Die zur Grundlage des Erbbauvertrages gewordenen Umstände haben sich nach Abschluss des Vertrages so unvorhersehbar geändert, dass eine Vertragsanpassung entsprechend der Regelung in § 10 des Vertrages eine erhebliche Äquivalenzstörung auslösen würde, die für den Kläger eine ungewöhnliche Härte bedeuten würde.

16

Geschäftsgrundlage der Vereinbarung der Parteien war die Schaffung preisgünstigen Wohnraums für die Rechtsvorgänger des Beklagten im Außenbereich zu den dortigen Bedingungen. Das für ein solches privilegiertes Vorhaben in Anspruch genommene Grundstück hätte anderweitig nicht als Bauland genutzt werden können. Insofern war es aus der Sicht der Beteiligten naheliegend, für etwaige Erhöhungen an der im Außenbereich langfristig erzielbaren Landpacht anzuknüpfen. Diese Verhältnisse haben sich in den Folgejahren zunächst auch nicht wesentlich geändert. Der gezahlte Erbbauzins orientierte sich weitgehend an den Pachtpreisen, wenn er auch in den Jahren 2003 und 2004 mit 200,00 € jährlich etwas höher ausgefallen sein dürfte.

17

Mit der Beplanung des Gebietes und der Ausweisung des Grundstücks als Bauland im Mischgebiet im Jahre 2006 haben sich die wertbildenden Faktoren für Grundstück und Wohnhaus wesentlich geändert. Das Grundstück könnte jetzt jederzeit unabhängig von jeglicher Privilegierung im Außenbereich als Baugrundstück verwertet werden. Es fällt damit nicht mehr nur als Teil einer landwirtschaftlich genutzten Fälle etwa im Rahmen eines Pachtverhältnisses aus. Eine weitere schwerwiegende Veränderung der bei Vertragsschluss geltenden Umstände liegt in der zwischenzeitlichen Vermietung des Hauses. Insofern wird das jetzt voll erschlossene Grundstück tatsächlich als Renditeobjekt genutzt. Der mögliche Ertrag liegt damit weit über dem Wohnvorteil einer Nutzung im Außenbereich.

18

Der üblich Erbbauzins liegt bei drei bis fünf Prozent des Grundstückswertes. Der Kläger rechnet mit einer Grundstücksgröße von 1000 m² und einem Grundstückswert auf der Basis der Bodenrichtwertkarte von 45,00 € pro qm. Der Beklagte hat diesen Grundstückswert ebenso wenig bestritten wie den zu Grunde gelegten üblichen Erbbauzins von drei Prozent des Grundstückswertes. Daraus ergibt sich ein angemessener Erbbauzins von 1.350,00 €. Dieser steht dem Kläger allerdings auf der Basis des Schreibens seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2007 erst mit Wirkung ab 01.04.2008 zu. Das folgt aus § 10 des Erbbauvertrages, wonach ein Verlangen auf Neufestsetzung jeweils zum 1.7. für den nach diesem Zeitpunkt fälligen Erbbauzins gestellt werden kann. Damit kommt eine Zustimmung zu der geförderten Erhöhung des Erbbauzinses erst zum 1. April des Folgejahres 2008 in Betracht.

19

Eine darüber hinaus gehende vorzeitige Erhöhung des Erbbauzinses auf der Grundlage des Schreibens des Klägers vom 27. Juni 1998 scheidet aus. Zu dem Zeitpunkt lag das Grundstück noch im Außenbereich. Die Störung der Geschäftsgrundlage war deshalb noch nicht so gravierend, dass eine Vertragsanpassung entsprechend dem Grundstückswert angemessen gewesen wäre. In dem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass in § 6 des Erbbauvertrages ausdrücklich kein prozentualer Anteil des Grundstückswertes in Bezug zu dem Erbbauzins genannt wird. Die entsprechende Passage in dem Formularvertrag ist ungültig gemacht worden.

20

Soweit der Beklagte eine etwaige Anpassung des Erbbauzinses an die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten knüpfen möchte, greift diese Erwägung nicht durch. In dem Anstieg der Lebenshaltungskosten würde sich der Planungsgewinn für das Grundstück und der damit verbundene potentiell höhere Mietertrag nicht angemessen widerspiegeln. Damit wäre der von den Vertragsparteien gewünschte faire Ausgleich der beiderseitigen vorrangig wirtschaftlichen Interessen weiterhin nicht gewährleistet.

21

Mit seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 15.07.2008 bestreitet der Beklagte erstmals die Aktivlegitimation des Klägers. Ob das angesichts der seit Jahren laufenden Verhandlungen zwischen dem Beklagten und dem Kläger wieder besseres Wissen erfolgt, kann dahin stehen. Der Vortrag ist verspätet. Zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO besteht keine Veranlassung.

22

Die Entscheidungen über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.