Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 02.02.2004, Az.: 4 A 216/03
Armenien; Aserbaidschan; Dialysepflicht; Krankheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 02.02.2004
- Aktenzeichen
- 4 A 216/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50579
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 53 Abs 6 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Nierenversagen mit chronischer Dialysepflicht begründet bei einer armenischen Staatsangehörigen kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, weil diese Erkrankung in Armenien behandelbar ist und zudem kostenfrei erfolgt.
Tatbestand:
Die Klägerin trägt vor, am . .1970 in Q. /heutiges Aserbaidschan geboren und aserbaidschanische Staatsangehörige armenischer Volkszugehörigkeit christlichen Glaubens zu sein. Sie spricht lediglich russisch und armenisch. Die aserbaidschanische Sprache beherrscht sie nicht. Sie behauptet, bis 1988 in Aserbaidschan gelebt und dann nach R. /Armenien verzogen zu sein. Dort habe sie 1995 einen Hochschulabschluss als S. erworben und 1996 ihren Ehemann E. F. geheiratet, der wie sie aserbaidschanischer Staatsangehöriger armenischer Volkszugehörigkeit sei. 1999 seien sie nach T. /Russland gezogen und 2002 nach R. /Armenien zurückgekehrt. Armenien hätten sie 2003 verlassen und bis Juni 2003 in U. sowie anschließend in V. /jeweils Russische Föderation gewohnt. Dort lebe ihre Mutter und versorge sie beiden gemeinsamen Kinder. Am . .2003 sei sie mit ihrem Ehemann von V. aus mit einem Lkw in das Bundesgebiet eingereist. Durch welche Staaten sie dabei gekommen sei, wisse sie nicht. Am 10. Oktober 2003 beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Den Asylantrag ihres Ehemannes lehnte das J. - Bundesamt - mit einem Bescheid vom 1. September 2003 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorliegen. Ebenso lägen auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vor. Schließlich wurde dem Ehemann die Abschiebung nach Armenien oder einen anderen Staat, in den er einreisen könne oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Hiergegen hat der Ehemann beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage mit dem Ziel erhoben, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Einen vorläufigen Rechtsschutzantrag des Ehemannes hat das Verwaltungsgericht Oldenburg mit einem Beschluss vom 30. September 2003 abgelehnt - W. -. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen.
Die Klägerin machte im Rahmen ihrer eigenen Anhörung vor dem Bundesamt am 16. Oktober 2003 geltend: Ihr Ehemann habe sich in Armenien für die Partei „ Ardarutjun Daschink “ (Schreibweise nach den Angaben des Ehemannes der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 2.2.2004) eingesetzt. Deshalb werde er von Mitgliedern der „ Daschnak Tütin “ verfolgt. Nachdem ihr Ehemann Armenien verlassen hätte, sei sie als Ehefrau im Dezember 2002 bedroht worden. In Aserbaidschan könne sie wegen ihrer armenischen Volkszugehörigkeit nicht leben. Außerdem habe sie Probleme mit ihren Nieren.
Den Asylantrag der Klägerin lehnte das Bundesamt mit einem Bescheid vom 3. November 2003 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorliegen. Ebenso lägen auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vor. Schließlich wurde auch der Klägerin die Abschiebung nach Armenien oder einen anderen Staat, in den sie einreisen könne oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hätte. Es handele sich bei ihr in Wahrheit nicht über eine aserbaidschanische, sondern um eine armenische Staatsangehörige.
Mit ihrer am 7. November 2003 beim Verwaltungsgericht Göttingen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. In der von Amts wegen beigezogenen Ausländerakte findet sich ein nicht unterschriebener Arztbrief des X. krankenhauses Y. in Z. vom . .2003, aus dem hervorgeht, dass bei der Klägerin ein Nierenversagen unklarer Ätiologie und eine histologische Immunkomplexnephritis vorliege. Es bestehe seit . .2003 eine chronische Dialysepflicht mit drei Blutreinigungen/wöchentlich. Im Klageverfahren hat sie eine ärztliche Bescheinigung des Dialysezentrums AA. vom . ,2003 vorgelegt, nach der sie seit . .2003 an einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz erkrankt ist und an drei Tagen in der Woche (Montag, Mittwoch, Freitag) in dem Zentrum dialysiert werde.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. November 2003 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,
hilfsweise
dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beteiligte hat sich nicht geäußert.
Der Einzelrichter hat einen vorläufigen Rechtsschutzantrag der Klägerin mit einem Beschluss vom 18. November 2003 - AB. - abgelehnt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises D., die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage gegen die Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag ist offensichtlich unbegründet. Im Übrigen ist sie (einfach) unbegründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Dies drängt sich auf.
Auf Familienasyl kann sich die Klägerin nicht berufen, weil der Asylantrag ihres Ehemannes mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2003 bestandskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Dies folgt aus den Gründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 30. September 2003 - W. - (Entscheidungsabdruck S. 6), aus denen sich ergibt, dass der Ehemann nur insoweit beim Verwaltungsgericht in Oldenburg Klage gegen den ihn betreffenden Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2003 erhoben hat, als es um die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG geht.
Der Klägerin selbst steht kein eigener Asylanspruch zu. Gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG genießen nur politisch Verfolgte Asylrecht. Hierauf kann sich gemäß Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG jedoch nicht berufen, wer aus einem Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Gemäß § 26 a Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit der Anlage I sind die Deutschland umgebenden Staaten solche sicheren Drittstaaten. Die Klägerin ist nach ihren eigenen Angaben auf einem Lkw ins Bundesgebiet eingereist. Sie kann sich deshalb nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG berufen. Die angestrebte Rückführbarkeit des Flüchtenden in den Drittstaat ist nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausschlussnorm (BVerwG, Urteil v. 7.11.1995, NVwZ 1996, S. 197 [BVerwG 07.11.1995 - BVerwG 9 C 73/95]; BVerfG, Urteil v. 14.5.1996, NVwZ 1996, S. 700). Der Klägerin war es zumutbar, ihre Reise in dem Drittstaat zu unterbrechen und dort um Asyl nachzusuchen. Die Durchquerung eines sicheren Drittstaates sogar auf einem verschlossenen Lkw führt nicht zum Ausschluss der Drittstaatenregelung (BVerwG, Urteil vom 2.9.1997, NVwZ 1999, S. 313 [BVerwG 02.09.1997 - BVerwG 9 C 5/97]; VGH Mannheim, u.a. Urteil vom 29.7.1996 - A 12 S 1313/95 -; OVG Münster, Beschluss vom 13.12.1996, NVwZ 1997, S. 1143 [OVG Nordrhein-Westfalen 13.12.1996 - 25 A 6103/96 .A]; OVG Koblenz, Urteil vom 18.4.1997 - 10 A 12075/ 96.OVG -).
Dessen ungeachtet scheidet eine Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte auch aus weiteren Gründen offensichtlich aus. Das Bundesamt geht in dem Bescheid vom 3. November 2003 mit zutreffenden Erwägungen davon aus, dass die Klägerin über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hat und es sich bei ihr in Wahrheit nicht um eine aserbaidschanische, sondern um eine armenische Staatsangehörige handelt. Die Kammer folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG der in dem Bescheid vom 3. November 2003 vom Bundesamt auf Seite 3 ff. hierzu mitgeteilten Gründe und macht sie sich zu eigen. Der Asylantrag ist auch deshalb gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG bereits von Gesetzes wegen als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte kirchliche Heiratsurkunde ebenfalls nicht die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit der Klägerin belegt, zumal diese ebenfalls in Armenien ausgestellt worden ist.
Aber auch dessen ungeachtet besteht ein Asylanspruch offensichtlich nicht.
In den Schutz des Asylgrundrechts gelangt nämlich nur derjenige, der wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt ist oder solche Verfolgungsmaßnahmen begründet befürchtet. Ist der Schutzsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb des Heimatstaates unzumutbar, so genießt er Asyl, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist. Ist der Schutzsuchende zum Zeitpunkt der Entscheidung vor Verfolgung hinreichend sicher, so ist die Zuerkennung von Asyl geboten. Hat der Schutzsuchende den Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Begehren nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht. Die Behauptungen des Ausländers müssen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände glaubhaft sein.
Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin offensichtlich nicht gegeben, weil ihr Vortrag, in Armenien wegen der politischen Aktivität ihres Ehemannes von Mitgliedern einer anderen Partei bedroht worden zu sein, derart vage und unsubstantiiert dargestellt worden ist, dass er als nicht der Wahrheit entsprechend behandelt werden muss. Dessen ungeachtet hat auch das Verwaltungsgericht Oldenburg das Asylvorbringen des Ehemannes nicht als asylerheblich angesehen. Dieser Bewertung des Verwaltungsgerichts Oldenburg wird ausdrücklich beigetreten.
Danach kann dahingestellt bleiben, dass die Klägerin, unterstellt, sie wäre tatsächlich aserbaidschanische Staatsangehörige armenischer Volkszugehörigkeit in Nagorny-Karabach eine inländische Fluchtalternative hätte (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 12.12.2002, NordÖR 2003, S. 175 Ls; VGH Kassel, Urteil vom 30.5.2003, AuAS 2003, S. 180 Ls; OVG Thüringen, Urteil vom 22.7.2003 - 2 KO 155/03 -; erkennende Kammer, Urteil vom 2.10.2003 - 4 A 26/03 -). Ebenso kann dahingestellt bleiben, dass die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 AsylVfG aufgrund ihres mehrmonatigen Aufenthalts in der Russischen Föderation - dem Wohnort ihrer Mutter und ihrer Kinder - dort ersichtlich vor politischer Verfolgung sicher war und deshalb nicht als Asylberechtigte anzuerkennen ist.
Auch wegen ihres Asylantrages hat die Klägerin bei Rückkehr nach Armenien nicht mit politischer Verfolgung zu rechnen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11.4.2001 an das VG Ansbach - 508-516.80/37402 -).
2. Danach liegen auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vor.
3. Zu dem Hilfsantrag: Das Bundesamt hat auch zutreffend festgestellt, dass keine Abschiebungshindernisse im Sinne von § 53 AuslG vorliegen. Das Gericht hat dabei gemäß § 50 Abs. 3 AuslG nur zu überprüfen, ob eine Abschiebung nach Armenien als ausdrücklich bezeichnetem Abschiebezielstaat zulässig ist. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung als solcher bleibt gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 und 3 AuslG unberührt.
Es besteht kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 und 4 AuslG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK -. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden. Art. 3 EMRK schützt jedoch ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten. Denn der Begriff der Behandlung setzt ein geplantes, vorsätzliches und auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus (BVerwG, Urteil v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 - BVerwGE 99, S. 331 mwN; Urteil v. 18.4.1996, NVwZ-Beil. 1996, S. 58; Urteil v. 4.6.1996, InfAuslR 1996, S. 289). In Fällen der Abschiebung durch einen Vertragsstaat ist ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK nur dann in Betracht zu ziehen, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass der Abgeschobene im aufnehmenden Land (hier: Armenien) einer von diesem Artikel verbotenen Behandlung unterworfen wird (BVerwG, Urteil v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 - aaO). Ferner kann grundsätzlich nur eine vom Staat ausgehende oder von ihm zu verantwortende Misshandlung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK sein. Nur ausnahmsweise können auch Misshandlungen durch Dritte eine unmenschliche Behandlung darstellen, sofern sie dem Staat zugerechnet werden können. Das ist der Fall, wenn er veranlasst, bewusst duldet oder ihnen gegenüber keinen Schutz gewährt, obwohl er dazu in der Lage wäre (BVerwG, Urteil v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 - aaO). Der Begriff der Gefahr, in der sich der Ausländer befinden muss, ist auch im Rahmen der Prüfung von § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK im Ansatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angelegter; das Element der Konkretheit der Gefahr für diesen Ausländer kennzeichnet jedoch das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation (BVerwG, Urteil v. 18.4.1996, aaO; Urteil v. 4.6.1996, aaO). Gegen eine Behandlung, die lediglich als möglich vorstellbar ist, besteht kein Abschiebungsschutz (BVerwG, Urteil v. 5.7.1994, NVwZ 1995, S. 391, 393 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]). Dass sich eine Vielzahl von Personen in derselben Situation befindet, schließt die Anwendung des § 53 Abs. 4 AuslG allerdings nicht aus, denn eine dem § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG entsprechende Einschränkung enthält § 53 Abs. 4 AuslG nicht (BVerwG, Urteil v. 4.6.1996, aaO).
In Anwendung dieser Grundsätze kann im Falle der Klägerin kein Abschiebungshindernis i.S.v. § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK festgestellt werden, weil keinerlei Anzeichen dafür bestehen, dass der armenische Staat - wie bereits oben ausgeführt - gegen die Klägerin vorgeht oder Misshandlungen durch Dritte dulden wird. Insbesondere kann sich die Klägerin über § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 8 EMRK nicht auf einen Schutz des Familienlebens hier in der Bundesrepublik Deutschland berufen, da § 53 Abs. 4 AuslG nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1997, NVwZ 1998, S. 526 [BVerwG 11.11.1997 - BVerwG 9 C 13/96]) und ihr Ehemann ebenfalls ausreisepflichtig ist.
Ferner besteht auch kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat (hier: Armenien) abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Beruft sich der Ausländer dagegen lediglich auf allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die nicht nur ihm persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe im Zielland drohen, soll der Abschiebungsschutz auch für den einzelnen ausschließlich durch eine - möglichst bundeseinheitliche - generelle Regelung nach § 54 AuslG gewährt werden (BVerwG, Urteile v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, S. 324; - 9 C 15.95 - aaO). § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. Satzes 2 der Vorschrift auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil v. 29.3.1996, NVwZ-Beil. 1996, S. 57; Urteile v. 18.4.1996 und 4.6.1996, jeweils aaO). Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2, 3, 4 und 6 Satz 1 AuslG zustehen, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Einzelfall Schutz vor der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Das ist dann der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren (BVerwG, Urteile v. 17.10.1995, 29.3.1996, 18.4.1996 und 4.6.1996, jeweils aaO). Für die Annahme einer konkreten Gefahr i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG genügt aber ebenso wenig wie im Asylrecht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr ist auch hier der Begriff der Gefahr i.S. dieser Vorschrift kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angelegte, wobei allerdings auch hier das Element der Konkretheit der Gefahr für diesen Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert (BVerwG, Urteile v. 17.10.1995, 29.3.1996, 18.4.1996 und 4.6.1996, jeweils aaO).
In Anwendung dieser Grundsätze kann im Falle der Klägerin aus dem bereits oben im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung von geltend gemachten Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 und 4 AuslG dargelegten Grund auch kein Abschiebungshindernis i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Gefahren, die in Armenien aufgrund der dortigen tatsächlichen Verhältnisse drohen, alle in Armenien aufhältigen Bürger treffen. Die entsprechenden Gefahren stellen sich mithin als allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG dar, die der gesamten Bevölkerung in Armenien drohen. Deshalb wird Abschiebungsschutz nur durch eine - hier nicht vorliegende - generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG gewährt. Das niedersächsische Innenministerium hat jedoch einen Abschiebestopp hinsichtlich aller in Niedersachsen aufhältiger armenischer Staatsangehöriger nicht erlassen. Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG käme deshalb nur noch in Frage, wenn sich die Klägerin in einer derartigen extremen Gefahrenlage befände, dass sie im Falle ihrer Abschiebung nach Armenien sehenden Auges in den Tod geschickt würde. Davon kann bei der Klägerin keine Rede sein. Ihr ist eine Ausreise nach Armenien vielmehr zumutbar.
Die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil dort die Behandlungsmöglichkeiten unzureichend sind, kann zwar kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, Urteil vom 2.9.1997, BVerwGE 105, S. 187 = NVwZ 1999, S. 311; Urteil vom 9.9.1997, InfAuslR 1998, S. 125), jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellen (BVerwG, Urteil vom 25.11.1997, BVerwGE 105, S. 383 = NVwZ 1998, S. 524). Auf die Frage, ob die Verschlechterung der Gesundheit durch die individuelle Konstitution des Ausländers bedingt oder mitbedingt ist, kommt es nicht an. Voraussetzung der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist allerdings, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers nach der Abschiebung in den Heimatstaat wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret wäre die Gefahr, wenn diese Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers in den Heimatstaat einträte, weil er dort nur auf unzureichende Behandlungsmöglichkeiten seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG, Urteil vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 -). Bei weit verbreiteten Erkrankungen wie AIDS kann hingegen eine Gefahr im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG vorliegen, die eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 54 AuslG erfordert (BVerwG, Urteil vom 27.4.1998, NVwZ 1998, S. 973). Dem gegenüber sind krankheitsbedingte Gefahren, die sich unabhängig von den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat allein als Folge der Abschiebung ergeben können, nicht vom Bundesamt, sondern von der Ausländerbehörde im Vollstreckungsverfahren zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 21.9.1999, NVwZ 2000, S. 206 [BVerwG 21.09.1999 - BVerwG 9 C 8/99]).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medikamentöse Versorgung nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, Urteil vom 29.10.2002, AuAS 2003, S. 106, 107).
Danach begründet das bei der Klägerin bestehende Nierenversagen unklarer Ätiologie mit chronischer Dialysepflicht als solches kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, weil diese Erkrankung in Armenien behandelbar ist und zudem kostenfrei erfolgt. Nach dem Bericht der Deutschen Botschaft in Eriwan vom 21.11.2002 - RK 516.80/I/Dialyse - wird in Armenien Patienten, bei denen eine Niereninsuffizienz festgestellt wird, nach der Notfallbehandlung über das Gesundheitsministerium eine kostenfreie Dialysebehandlung zugeteilt (s. auch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 1.4.2003 - 508-516.80/3 - S. 16). Es wurden zum Zeitpunkt der Berichterstattung ca. 150 bis 160 Patienten in fünf medizinischen Einrichtungen dialysiert. Es gibt nach wie vor freie Kapazitäten in unterschiedlicher Höhe in den Krankenhäusern. Es existieren in Eriwan vier Dialysestationen und in Gyumri eine. Es ist für die Patienten aus den Regionen ortsüblich, sich zur Behandlung in die Dialysezentren zu begeben. Zum Zeitpunkt der Erkenntnisgewinnung durch die Botschaft waren in Armenien in den fünf Dialysestationen 60 Geräte in Betrieb. Von allen fünf Stationen wurde bestätigt, dass die Dialyse kostenlos erfolgt. Die Deutsche Botschaft in Eriwan kann nach ihrem Bericht bei ausreisepflichtigen Dialysepatienten eine Anschlussbehandlung vermitteln. Es hat sich nach dem Botschaftsbericht als sehr hilfreich erwiesen, den Kliniken eine Zusage zur Kostenübernahme für einen bestimmten Zeitraum der Reintegration zu geben (drei bis sechs Monate), um es dem Betreffenden zu ermöglichen, sich um einen Platz unter dem armenischen Gesetz der kostenfreien Versorgung im staatlichen Auftrag zu bemühen.
4. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34, 36 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. §§ 50, 51 Abs. 4 AuslG. Die Klägerin ist nicht als Asylberechtigte anerkannt und besitzt auch keine Aufenthaltsgenehmigung.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG gerichtskostenfrei.