Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 17.02.2004, Az.: 4 A 17/03

Aserbaidschan; Islam; Moschee; Religion

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
17.02.2004
Aktenzeichen
4 A 17/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50576
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Einzelfall eines unwahren Vortrages, in Aserbaidschan wegen Werbung für den Islam politisch verfolgt worden zu sein.

Tatbestand:

1

Die Kläger legen keinerlei Identifikationsdokumente vor. Sie tragen vor, aserbaidschanische Staatsangehörige aserischer Volkszugehörigkeit islamischen Glaubens schiitischer Ausrichtung zu sein. Im Verwaltungsverfahren gaben die Kläger zu 1) und 2) an, zuletzt in der Q. -Straße 12/25 in R. gewohnt zu haben (Bl. 34 BA A). Die Klägerin zu 3) sei am . .2000 geboren. Die Kläger zu 1) und 2) geben an, Aserbaidschan zusammen mit ihrer Tochter am . .2002 verlassen und über Dagestan und Moskau sowie weitere ihnen nicht bekannte Länder mit einem Minibus am . .2002 nach Deutschland eingereist zu sein. Hierfür hätten sie 13.500 US-$ entrichtet. Am 22. Oktober 2002 beantragten sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

2

In einem schriftsätzlichen Asylantrag vom 25. Oktober 2002 tragen die Kläger vor, dass sie bei Rückkehr nach Aserbaidschan aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und ihrer "aktiven Mitgliedschaft in einer Moschee in R. " mit Verhaftung und menschenrechtswidriger Behandlung zu rechnen hätten. Die Kläger zu 1) und 2) seien bereits von den aserbaidschanischen Sicherheitsbehörden verhaftet worden. Ihnen werde vorgeworfen, für den Iran tätige Spione zu sein. Bei seiner Verhaftung habe insbesondere der Kläger zu 1) Folter erleiden müssen. Ihm sei der Unterkiefer gebrochen worden.

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Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem J. - Bundesamt - am 5. November 2002 gaben die Kläger zu 1) und 2) an: Sie gehörten seit 1994 (Kläger zu 1]) bzw. 1998 (Klägerin zu 2]) einer "Truppe" an, die ein- bis zweimal im Monat für den Islam "Werbung" betrieben und religiöse Versammlungen in Moscheen durchgeführt habe. Dabei hätten sie "praktisch Werbung" für die Religion gemacht und die Reden der Mullahs wiederholt. Sie hätten proklamiert, dass alle Religionen mit entsprechenden Freiheiten ausgestattet werden bzw. Anhänger aller Religionsgemeinschaften dort unter demokratischen Verhältnissen leben sollten. Nach Ausführung des Klägers zu 1) hätten die Frauen auf den Veranstaltungen gebeten, "auch für sie ein Grab auszuheben, wenn sie ihre Männer töten". Dies sei auch für sie der Anlass gewesen, in R. immer "aktiver" zu werden und zu proklamieren, dass "Freiheit auch immer seine Opfer braucht" (Bl. 42 BA A). In vom Kläger zu 1) verteilten Flugblättern sei dazu aufgerufen worden, für die Freiheit zu kämpfen. Jede Versammlung sei von der Polizei aufgelöst worden. In Aserbaidschan seien keine Versammlungen erlaubt, weil der Präsident annehme, dass man etwas gegen ihn unternehme. Auf einer solchen Versammlung mit 200 bis 300 Teilnehmern seien sie beide am 20. September 2002 erstmals zusammen mit 25 bis 30 anderen Versammlungsteilnehmern von der Polizei festgenommen und beschuldigt worden, gegen die aserbaidschanische Regierung Tätigkeiten zu unternehmen sowie Verrat gegen das Land und den Sturz des Präsidenten zu betreiben. Ihnen sei vorgeworfen worden, dass sie diese Versammlungen ständig wieder abhielten, obwohl die Polizei diese Versammlungen öfters auseinander gebracht hätte. Konkret habe man ihnen einen Verstoß gegen das Versammlungsverbot vorgehalten und dies als Verrat gewertet. Die Klägerin zu 2) sei nach einigen Stunden am gleichen Abend auf Drängen von Nachbarn zum Zwecke der Versorgung der Klägerin zu 3) freigelassen worden. Sie habe sich verpflichten müssen, den Ort nicht zu verlassen. Der Kläger zu 1) sei nach zwei Tagen „praktisch gegen Zahlung einer Kaution freigelassen“ worden (Bl. 44 BA A). Ihm sei zuvor vorgeworfen worden, ein Spion zu sein und den Staat verraten zu haben. Auch er habe sich verpflichten müssen, den Ort nicht zu verlassen. Er sei bereits 1995 bei einer Demonstration im Kieferbereich verletzt worden. Ihm sei angekündigt worden, dass er eine Vorladung zum Gericht erhalte. Bei Rückkehr nach Aserbaidschan hätten sie Angst vor erneuter Verhaftung und einer ungerechten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe.

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Die Asylanträge lehnte das Bundesamt mit einem Bescheid vom 5. Februar 2003 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - offensichtlich nicht vorliegen. Ebenso wurde festgestellt, dass auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Schließlich wurde den Klägern die Abschiebung nach Aserbaidschan oder einen anderen Staat angedroht, in den sie ausreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Zur Begründung wird ausgeführt, die Sachvorträge der Kläger seien nach Art und Weise nicht dazu geeignet, den Eindruck eines glaubwürdigen Verfolgungsschicksals zu vermitteln. Auffällig seien insbesondere die zahlreichen gravierenden Widersprüche, die bei einer vergleichenden Würdigung der Schilderungen der Kläger zu 1) und 2) offensichtlich würden. Bemerkenswert sei gewesen, dass die Klägerin zu 2) ständig in der Pluralform gesprochen habe, der Kläger zu 1) hingen die Verhaftung seiner Ehefrau nicht erwähnt hätte. Im Übrigen seien die Aussagen undetailliert. Es lägen auch keine Erkenntnisse dafür vor, dass muslimische Gemeinschaften in Aserbaidschan derartigen Kontroll- und Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt seien, wie sie die Kläger zu 1) und 2) glaubhaft zu machen versuchen. Außerdem bestünden Widersprüche zwischen dem schriftlichen Asylantrag und dem Vorbringen in der Anhörung. In letzterer hätte der Kläger zu 1) lediglich erwähnt, dass man ihm vorgehalten hätte, ein Spion zu sein, nicht jedoch ein Spion für den Iran. Außerdem sei im schriftlichen Asylantrag davon gesprochen worden, dass er seine Kieferverletzung bei einer Verhaftung erlitten, während er sie nach der Anhörung bei einer Demonstration erhalten hätte. Der Bescheid wurde am 6. Februar 2003 durch Einschreiben zur Post gegeben.

5

Mit ihrer am 17. Februar 2003 (einem Montag) beim Verwaltungsgericht Göttingen eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihre Anerkennung weiter. Sie wenden sich gegen eine mangelnde Sachaufklärung des Bundesamtes und eine falsche Bewertung ihres Asylvortrages. Sie hätten in der „S.“-Moschee in R. in der Nähe der U-Bahn-Station „T.“ einer „Bruderschaft“ angehört, die Propaganda gemacht und sich für Demokratie eingesetzt hätte. Der Kläger zu 1) habe innerhalb und außerhalb der Moschee gearbeitet. Auch habe er Flugblätter verteilt und sei in andere Moscheen gegangen, um die dortigen Besucher in die „S.“-Moschee einzuladen. Verhaftet worden sei die Klägerin zu 2) unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Versammlungsverbot, wegen Umsturzversuches und wegen Spionage. Dem Kläger zu 1) sei vorgehalten worden, mit den Versammlungen einen Umsturzversuch anzustreben und Kontakte zur Islamischen Iranischen Republik zu unterhalten. Für ihre Freilassung sei keine Kaution gefordert worden, jedoch hätten sie sich verpflichten müssen, nicht auszureisen.

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In der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2003 hat der Kläger zu 1) ausgeführt, dass er an Stress, schlechten Träumen, Kopfschmerzen, innerer Unruhe und Angst leide. Hierzu legte er eine Bescheinigung der Ärztin für Allgemeinmedizin - Psychotherapie U., V. vom 1. Oktober 2003 vor, die lautet:

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Der Kläger zu 1) „leidet m.E. an gesundheitlichen Störungen, die durch die Traumatisierung in Aserbaidschan ausgelöst sind. Ich bin der Meinung, dass er psychiatrisch begutachtet werden muss.“

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5. Februar 2003 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,

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hilfsweise

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dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Der Beteiligte hat sich nicht geäußert.

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Der Einzelrichter hat mit einem Beschluss vom 24. Februar 2003 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitbefangenen Bescheid des Bundesamtes angeordnet, soweit den Klägern zu 1) und 2) die Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht worden ist - 4 B 18/03 -.

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Gemäß Beschluss vom 2. Oktober 2003 hat das Gericht Beweis erhoben über die Fragen „(I.) Besteht in der „S.“-Moschee in R., die sich in der Nähe der U-Bahn-Station „T.“ befinden soll, eine islamische Vereinigung mit der Bezeichnung „Bruderschaft“, in der sowohl Männer als auch Frauen aktiv sind und die in der Öffentlichkeit auftritt? (II.) Bejahendenfalls: (1.) Welche Ziele verfolgt die „Bruderschaft“? Verfolgt sie demokratische Ziele oder handelt es sich um eine radikal-islamistische Vereinigung? (2.) Fand am 20.9.2002 im Anschluss an das Freitagsgebet ein Polizeieinsatz innerhalb der Moschee statt, bei dem ca. 40 Personen (Männer und Frauen) festgenommen wurden? (III.) Bejahendenfalls: (a.) Trifft es zu, dass den Festgenommenen ein Verstoß gegen das Versammlungsverbot, Umsturzversuch, Vorbereitung terroristischer Akte und Spionage für den Iran bzw. unerlaubte Kontakte mit dem Iran vorgeworfen wird? (b.) Mit welchen Strafen sind solche Vorwürfe verbunden? (c.) Ist es gängige Praxis in Aserbaidschan, dass Personen, die unter den vorgenannten Vorwürfen festgenommen wurden, spätestens nach 48 Stunden aus dem Polizeigewahrsam ohne Kautionsleistung, jedoch nach Dokumentenabnahme und nach Einforderung einer Verpflichtungserklärung, nicht das Staatsgebiet zu verlassen, entlassen und bis zu einer Gerichtsverhandlung auf freien Fuß gesetzt werden? (d.) Sind Verurteilungen von am 20.9.2002 Festgenommenen bekannt geworden? (e.) Kann ermittelt werden, ob die Kläger zu 1) und 2) zu den ursprünglich Festgenommenen gehören, gegen die in Abwesenheit weiter ermittelt wird oder gegen die ein Strafverfahren anhängig ist?“ durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2.1.2004 - 508-516.80/42159 - (Bl. 138 f. d.A.) verwiesen.

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In der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2004 hat der Einzelrichter einen weiteren Beweisantrag der Kläger abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

18

Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Gerichtsakten und des Verwaltungsvorganges des Bundesamtes, der dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen hat, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Klage muss der Erfolg versagt bleiben.

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1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte.

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Gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG genießen nur politisch Verfolgte Asylrecht. Hierauf kann sich gemäß Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG jedoch nicht berufen, wer aus einem Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Gemäß § 26 a Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit der Anlage I sind die Deutschland umgebenden Staaten solche sicheren Drittstaaten. Die Kläger sind nach den eigenen Angaben der Kläger zu 1) und 2) auf dem Landweg mit einem Minibus in das Bundesgebiet eingereist. Sie können sich deshalb nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG berufen. Die angestrebte Rückführbarkeit des Flüchtenden in den Drittstaat ist nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausschlussnorm (BVerwG, Urteil v. 7.11.1995, NVwZ 1996, S. 197 [BVerwG 07.11.1995 - BVerwG 9 C 73/95]; BVerfG, Urteil v. 14.5.1996, NVwZ 1996, S. 700). Den Klägern war es zumutbar, ihre Reise in dem Drittstaat zu unterbrechen und dort um Asyl nachzusuchen. Die Durchquerung eines sicheren Drittstaates sogar auf einem verschlossenen Lkw führt nicht zum Ausschluss der Drittstaatenregelung (BVerwG, Urteil vom 2.9.1997, NVwZ 1999, S. 313 [BVerwG 02.09.1997 - BVerwG 9 C 5/97]; VGH Mannheim, u.a. Urteil vom 29.7.1996 - A 12 S 1313/95 -; OVG Münster, Beschluss vom 13.12.1996, NVwZ 1997, S. 1143; OVG Koblenz, Urteil vom 18.4.1997 - 10 A 12075/ 96.OVG -). Die Einreise über einen sicheren Drittstaat beseitigt auch von vornherein die Möglichkeit der Zuerkennung von Familienasyl (BVerwG, Urteil vom 6.5.1997, BVerwGE 104, S. 347 = NVwZ 1998, S. 1190).

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2. Auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor.

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In den Schutz des Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG gelangt derjenige, der wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt ist oder solche Verfolgungsmaßnahmen begründet befürchtet. Ist der Schutzsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb des Heimatstaates unzumutbar, so erhält er den Abschiebungsschutz, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist. Ist der Schutzsuchende zum Zeitpunkt der Entscheidung vor Verfolgung hinreichend sicher, so ist die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nicht geboten. Hat der Schutzsuchende den Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Begehren nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht. Die Behauptungen des Ausländers müssen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände glaubhaft sein.

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Soweit die Kläger zu 1) und 2) geltend machen, in Aserbaidschan wegen ihrer islamischen Religionsausübung politisch verfolgt zu werden, liegt ein Abschiebungshindernis nicht vor. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass nur solche Maßnahmen asylrelevant sind, die sich gegen die Religionsausübung im häuslich-privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich, ferner gegen Gebet und Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen richten (BVerfG, Beschluss vom 25.11.1993 - 2 BvR 224/93 u.a. - juris mwN). An dieser Religionsausübung werden die Kläger zu 1) und 2) nicht gehindert. Entsprechend ist auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9.1.2003 - 508-516.80/3 AZE - (S. 10 f.) zu verstehen, in dem ausgeführt wird, dass die aserbaidschanische Verfassung die Religions- und Bekenntnisfreiheit garantiert. Es gibt keine Staatsreligion. Aserbaidschan ist ein laizistisches, aber vor allem in kultureller Hinsicht muslimisches Land (überwiegend Schiiten) und hat eine lange Tradition religiöser Toleranz (Zufluchtsort für Juden zur Zeit der Sowjetunion). Die Religionsausübung im engeren Bereich der Privatsphäre bleibt staatlicherseits unangetastet (Lagebericht S. 11). Zudem bekennen sich in Aserbaidschan 93% der Bevölkerung zum Islam (dtv-DER SPIEGEL-Jahrbuch 2003, S. 63 f.; Harenberg-aktuell 2003, S. 433).

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Ein Abschiebungshindernis liegt auch nicht wegen der von den Klägern zu 1) und 2) behaupteten staatlichen Verfolgung wegen ihres missionarischen Tätigkeit für eine „islamische Bruderschaft“ vor, die in der „S.“-Moschee ihren Treffpunkt hat, die wiederum ihren Standort in R. in der Nähe der U-Bahn-Station „T.“ hat. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass das von den Klägern zu 1) und 2) behauptete Verfolgungsschicksal frei erfunden ist. Das Gericht entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese ist geprägt durch die im vorliegenden Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2.1.2004 - 508-516.80/42159 - (Bl. 138-139 d.A.). Danach konnte das Auswärtige Amt anlässlich einer Befragung von regelmäßigen Besuchern der „S.“-Moschee und in der Moschee arbeitenden Personen, darunter dem Leiter der Moschee, Herrn A. W., keinen Beleg dafür erhalten, dass die „S.“-Moschee regelmäßiger Versammlungsort einer Vereinigung mit dem Namen „Islamische Bruderschaft“ ist. Auch die dem Auswärtigen Amt vom Gericht mitgeteilten Personalien der Kläger zu 1) und 2) waren den befragten Personen unbekannt. Danach ist erwiesen, dass der Vortrag der Kläger zu 1) und 2), sie gehörten zu einer „Bruderschaft“, die von der „S.“-Moschee in R. aus islamische Propaganda betreibt, nicht der Wahrheit entspricht. Ebenso widerlegt ist ihre Behauptung, sie seien wegen ihrer Zugehörigkeit zu der „Bruderschaft“ und den entsprechenden Versammlungen in der Moschee verhaftet worden. Das Auswärtige Amt hat mitgeteilt, dass nach Auskunft der aserbaidschanischen Behörden gegen Personen aus dem Umfeld der „S.“-Moschee nicht ermittelt wird. Ebenso wenig gibt es Belege für einen Polizeieinsatz innerhalb der Moschee, wie von den Klägern behauptet. Ferner hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Kläger sehr wahrscheinlich sogar über ihre Identität täuschen. Sie haben kein einziges Identitätsdokument vorgelegt und im Verwaltungsverfahren als Anschrift R., Q. -Straße 12/25 angegeben (Bl. 36 BA A). Die von den Klägern zu 1) und 2) angegebene Straße „Q.“ existiert nicht. Es gibt lediglich eine Siedlung im Stadtbereich R., die früher den Namen „X.“ trug, jetzt aber „Y.“ heißt. In dieser Siedlung existiert auch eine Hausnummer 12, an der jedoch eine Familie Z. wohnhaft ist. In der Siedlung Y., vormals X., sind die Namen der Kläger unbekannt.

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In dieses Bild eines unwahren Asylvortrages fügt sich ein, dass der Vortrag der Kläger zu 1), einerseits von aserbaidschanischen Behörden mit dem Vorwurf des Umsturzes und sogar der Spionage für den Iran konfrontiert worden zu sein, andererseits jedoch entweder am Festnahmetag (Klägerin zu 2]) bzw. 48 Stunden später (Kläger zu 1]) ohne Kautionsleistung wieder entlassen worden zu sein, nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2.1.2004 nicht mit der Praxis und den Ermittlungsvorschriften der aserbaidschanischen Strafverfolgungsbehörden zu vereinbaren und deshalb ebenfalls unglaubhaft ist. Denn es entspricht weder der Praxis noch den Ermittlungsvorschriften der aserbaidschanischen Strafverfolgungsbehörden, Personen, die unter entsprechend schwerwiegenden Vorwürfen wie Terrorismus und Umsturzversuch festgenommen werden, spätestens nach 48 Stunden aus dem Polizeigewahrsam ohne Kautionsleistung, jedoch nach Dokumentenabnahme und nach Einforderung einer Verpflichtungserklärung, nicht das Staatsgebiet zu verlassen, zu entlassen und bis zu einer Gerichtsverhandlung auf freien Fuß zu setzen. Die Behauptungen zu ihrer kurzfristigen Inhaftierung und Freilassung sind bezogen auf die von ihnen behaupteten Anklagevorwürfe, denen sie sich angeblich ausgesetzt sehen, auch deshalb unglaubhaft, weil für die Vorwürfe eines Verstoßes gegen das Versammlungsverbot, Umsturzversuch, Vorbereitung terroristischer Akte und Spionage für den Iran bzw. das Unterhalten unerlaubter Kontakte mit dem Iran nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4.1.2004 mit einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren belegt sind. Als Höchststrafe ist die Möglichkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe vorgesehen.

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Insgesamt ist deshalb der Vortrag der Kläger, die keinerlei Identifikationsurkunden vorlegen und darüber hinaus auch angeblich nicht wissen, durch welche Staaten sie seit dem Verlassen Moskaus gereist sind, um in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen, als widerlegt anzusehen. Vernachlässigt werden kann deshalb, dass sich der Kläger zu 1) nach der Beweisaufnahme zudem in Widersprüche verwickelt hat. Während er in seiner ergänzenden gerichtlichen Befragung am 2. Oktober 2003 noch ausgeführt hatte, er habe sowohl innerhalb als auch außerhalb der Moschee gearbeitet, habe Flugblätter verteilt und sei hierzu auch in andere Moscheen gegangen, um die dortigen Besucher einzuladen (Bl. 119 d.A.), hat er in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2004 ausgeführt, lediglich innerhalb seines Bekannten- und Freundeskreises eine Agitation betrieben zu haben, damit man den richtigen Weg findet (S. 2 der Niederschrift). Derart widersprüchliche Angaben zum Umfang seiner angeblichen Agitation für den Islam lassen nur den Schluss zu, dass eine solche überhaupt nicht stattgefunden hat.

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Die gegen die Auskunft des Auswärtigen Amtes gerichteten Angriffe der Kläger bleiben ohne Erfolg. Der amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes kommt wegen der besonderen Sachkunde und Souveränität des Amtes überragender Beweiswert zu, zumal sie sich ausweislich ihres Inhalts auf eigene Nachfragen bei Besuchern der „S.“-Moschee, dem Leiter der Moschee, aserbaidschanischen Behörden stützt sowie in der Siedlung „Y.“, vormals „X.“, ermittelt wurde. Soweit die Kläger den Inhalt der Auskunft in Zweifel ziehen, ist ihnen vorzuhalten, dass sie sich selbst auf das Beweismittel einer einzuholenden Auskunft des Auswärtigen Amtes für die Richtigkeit ihrer Tatsachenbehauptungen berufen hatten (Bl. 112, 120 d.A.). Wenn sie nunmehr geltend machen, Auskünfte des Auswärtigen Amtes hätten nur geringe Aussage- und Beweiskraft (S. 3 der Niederschrift vom 17.2.2004), verstoßen sie gegen das Verbot des venire contra factum proprium. Entsprechend verhält es sich mit dem Vorwurf, das Vorgehen des Auswärtigen Amtes, bei den aserbaidschanischen Behörden konkret nach den Klägern zu fragen, sei äußerst zweifelhaft, weil es sie einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben aussetze und es zudem nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass der Verfolgerstaat die Verfolgung zugeben würde (S. 3 der Niederschrift vom 17.2.2004). Auch insoweit verhalten sich die Kläger zu 1) und 2) widersprüchlich und können mit der Rüge nicht durchdringen, zumal sie in der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2003 die Behauptungen zum Gegenstand des (erfolgreichen) Beweisantrages gemacht hatten, sie seien missionarisch für die „S.“-Moschee tätig und ihnen sei im Rahmen ihrer Verhaftung am 20. September 2002 vorgeworfen worden, sie würden Landesverrat begehen (Bl. 120 d.A.). Eine entsprechende Überprüfung dieser unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen ist ohne Nachfragen in der Moschee und bei den aserbaidschanischen Behörden nicht möglich und war von den Klägern gewollt. Der späte Versuch des Klägers zu 1), das Gericht davon zu überzeugen, er habe nicht in der Hausnummer 12, sondern in der Hausnummer 14-25 gewohnt und die im Anhörungsprotokoll des Bundesamtes enthaltene Adressenangabe 12/25 beruhe auf einem Übersetzungsfehler, ist untauglich. Denn nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4.1.2004 sind die Namen der Kläger in der Siedlung und nicht nur im Haus Nr. 12 unbekannt.

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Eine eigene politische Verfolgung der dreijährigen Klägerin zu 3) ist bereits nicht vorgetragen.

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Die Asylantragstellung führt bei Rückkehr nach Aserbaidschan nicht zu politischer Verfolgung. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9.1.2003 (aaO, S.16) haben nach Kenntnis des Amtes aus Deutschland abgeschobene Rückkehrer keine Sanktionen zu befürchten. Die zahlreichen Rückkehrer in der Vergangenheit belegen, dass sich der Staat nicht für sie interessiert. Sie bleiben selbst dann in aller Regel unbehelligt, wenn sie durch Besitz eines deutschen Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Konvention eindeutig als politische Flüchtlinge zu identifizieren sind (Lagebericht S. 16).

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Nach alledem liegen die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht vor.

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3. Zu dem Hilfsantrag: Das Bundesamt hat auch zutreffend festgestellt, dass keine Abschiebungshindernisse im Sinne von § 53 AuslG vorliegen. Das Gericht hat dabei gemäß § 50 Abs. 3 AuslG nur zu überprüfen, ob eine Abschiebung nach Aserbaidschan als ausdrücklich bezeichnetem Zielstaat zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.12.2001, NVwZ 2002, S. 855). Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung als solcher bleibt gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 und 3 AuslG unberührt.

33

Es besteht kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 und 4 AuslG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK -. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden. Art. 3 EMRK schützt jedoch ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten. Denn der Begriff der Behandlung setzt ein geplantes, vorsätzliches und auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus (BVerwG, Urteil v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 - BVerwGE 99, S. 331 mwN; Urteil v. 18.4.1996, NVwZ-Beil. 1996, S. 58; Urteil v. 4.6.1996, InfAuslR 1996, S. 289). In Fällen der Abschiebung durch einen Vertragsstaat ist ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK nur dann in Betracht zu ziehen, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass der Abgeschobene im aufnehmenden Land einer von diesem Artikel verbotenen Behandlung unterworfen wird (BVerwG, Urteil v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 - aaO). Ferner kann grundsätzlich nur eine vom Staat ausgehende oder von ihm zu verantwortende Misshandlung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK sein. Nur ausnahmsweise können auch Misshandlungen durch Dritte eine unmenschliche Behandlung darstellen, sofern sie dem Staat zugerechnet werden können. Das ist der Fall, wenn er veranlasst, bewusst duldet oder ihnen gegenüber keinen Schutz gewährt, obwohl er dazu in der Lage wäre (BVerwG, Urteil v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 - aaO). Der Begriff der Gefahr, in der sich der Ausländer befinden muss, ist auch im Rahmen der Prüfung von § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK im Ansatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angelegter; das Element der Konkretheit der Gefahr für diesen Ausländer kennzeichnet jedoch das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation (BVerwG, Urteil v. 18.4.1996, aaO; Urteil v. 4.6.1996, aaO). Gegen eine Behandlung, die lediglich als möglich vorstellbar ist, besteht kein Abschiebungsschutz (BVerwG, Urteil v. 5.7.1994, NVwZ 1995, S. 391, 393 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]). Dass sich eine Vielzahl von Personen in derselben Situation befindet, schließt die Anwendung des § 53 Abs. 4 AuslG allerdings nicht aus, denn eine dem § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG entsprechende Einschränkung enthält § 53 Abs. 4 AuslG nicht (BVerwG, Urteil v. 4.6.1996, aaO).

34

In Anwendung dieser Grundsätze kann im Falle der Kläger kein Abschiebungshindernis i.S.v. § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK festgestellt werden, weil keinerlei Anzeichen dafür bestehen, dass sie in Aserbaidschan bedroht sind.

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Ferner besteht auch kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Beruft sich der Ausländer dagegen lediglich auf allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die nicht nur ihm persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe im Zielland drohen, soll der Abschiebungsschutz auch für den einzelnen ausschließlich durch eine - möglichst bundeseinheitliche - generelle Regelung nach § 54 AuslG gewährt werden (BVerwG, Urteile v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, S. 324; - 9 C 15.95 - aaO). § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. Satzes 2 der Vorschrift auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil v. 29.3.1996, NVwZ-Beil. 1996, S. 57; Urteile v. 18.4.1996 und 4.6.1996, jeweils aaO). Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2, 3, 4 und 6 Satz 1 AuslG zustehen, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Einzelfall Schutz vor der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Das ist dann der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren (BVerwG, Urteile v. 17.10.1995, 29.3.1996, 18.4.1996 und 4.6.1996, jeweils aaO). Für die Annahme einer konkreten Gefahr i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG genügt aber ebenso wenig wie im Asylrecht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr ist auch hier der Begriff der Gefahr i.S. dieser Vorschrift kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angelegte, wobei allerdings auch hier das Element der Konkretheit der Gefahr für diesen Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert (BVerwG, Urteile v. 17.10.1995, 29.3.1996, 18.4.1996 und 4.6.1996, jeweils aaO).

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Im Falle der Kläger kann aus dem bereits oben im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung von geltend gemachten Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 und 4 AuslG dargelegten Grund auch kein Abschiebungshindernis i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Gefahren, die in Aserbaidschan aufgrund der dortigen tatsächlichen Verhältnisse drohen, alle in Aserbaidschan aufhältigen Bürger treffen. Die entsprechenden Gefahren stellen sich mithin als allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG dar, die der gesamten Bevölkerung in Aserbaidschan drohen. Deshalb wird Abschiebungsschutz nur durch eine - hier nicht vorliegende - generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG gewährt. Das niedersächsische Innenministerium hat jedoch einen Abschiebestopp hinsichtlich aller in Niedersachsen aufhältiger aserbaidschanischer Staatsangehöriger nicht erlassen. Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG käme deshalb nur noch in Frage, wenn sich die Kläger in einer derartigen extremen Gefahrenlage befänden, dass sie im Falle ihrer Abschiebung nach Aserbaidschan sehenden Auges in den Tod geschickt würden. Davon kann bei den Klägern keine Rede sein. Ihnen ist eine Ausreise nach Aserbaidschan vielmehr zumutbar.

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Die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil dort die Behandlungsmöglichkeiten unzureichend sind, kann zwar kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, Urteil vom 2.9.1997, BVerwGE 105, S. 187 = NVwZ 1999, S. 311; Urteil vom 9.9.1997, InfAuslR 1998, S. 125), jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellen (BVerwG, Urteil vom 25.11.1997, BVerwGE 105, S. 383 = NVwZ 1998, S. 524). Auf die Frage, ob die Verschlechterung der Gesundheit durch die individuelle Konstitution des Ausländers bedingt oder mitbedingt ist, kommt es nicht an. Voraussetzung der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist allerdings, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers nach der Abschiebung in den Heimatstaat wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret wäre die Gefahr, wenn diese Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers in den Heimatstaat einträte, weil er dort nur auf unzureichende Behandlungsmöglichkeiten seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG, Urteil vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 -). Bei weit verbreiteten Erkrankungen wie AIDS kann hingegen eine Gefahr im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG vorliegen, die eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 54 AuslG erfordert (BVerwG, Urteil vom 27.4.1998, NVwZ 1998, S. 973). Dem gegenüber sind krankheitsbedingte Gefahren, die sich unabhängig von den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat allein als Folge der Abschiebung ergeben können, nicht vom Bundesamt, sondern von der Ausländerbehörde im Vollstreckungsverfahren zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 21.9.1999, NVwZ 2000, S. 206 [BVerwG 21.09.1999 - BVerwG 9 C 8/99]).

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Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medikamentöse Versorgung nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, Urteil vom 29.10.2002, AuAS 2003, S. 106, 107).

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Danach begründen die vom Kläger zu 1) auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2003 behaupteten Leiden, die er mit Stress, schlechten Träumen, Kopfschmerzen, innerer Unruhe und Angst beschrieb, kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, weil diese Zustände gewöhnliche Leiden darstellen, die auf der ganzen Welt vorkommen und auch in Aserbaidschan behandelbar sind. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9.1.2003 (aaO, S. 17) ist die Versorgung in Aserbaidschan mit Medikamenten aller Art gegen entsprechende Bezahlung möglich. Das ebenfalls in der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2003 vom Kläger zu 1) vorgelegte und im Tatbestand wiedergegebene Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin - Psychotherapie U., V., vom 1. Oktober 2003 besitzt keinerlei Aussagewert. Es enthält weder eine Diagnose, noch die Darstellung eines Behandlungsvorganges bzw. einer Therapie. Es beinhaltet lediglich eine unverbindliche Meinungsäußerung, die zudem auf der Annahme einer „Traumatisierung in Aserbaidschan“ beruht. Eine solche hat jedoch nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme in Aserbaidschan, die die Überprüfung der Angaben des Klägers zu 1) zum Gegenstand hatte, nicht stattgefunden.

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4. Die Abschiebungsandrohung, die keine Ermessensentscheidung darstellt, findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 AsylVfG.

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5. Nach alledem war die Klage abzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylVfG.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.