Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 25.02.2004, Az.: 2 A 2322/02
Barunterhalt; Barunterhaltsanspruch; Düsseldorfer Tabelle; Heim; Heimunterbringung; Kindergeld; Kostenbeitrag; Nettoeinkommen; Pauschalbetrag; Schulden; Unterbringung; Unterhalt; Unterhaltsanspruch; Unterhaltsberechtigter; Unterhaltsrichtsatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 25.02.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 2322/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50952
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 94 Abs 2 S 1 SGB 8
- § 4 Abs 2 BSHG§76DV
- § 1610 Abs 1 BGB
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 18. März 2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 6. November 2002 werden insoweit aufgehoben, als der von der Klägerin für die Heimunterbringung ihres Sohnes M. zu erbringende Kostenbeitrag für die Zeit vom 8. Juni bis 30. Juni 2001 auf monatlich mehr als 522,40 DM (entspricht 267,10 Euro), für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001 auf monatlich mehr als 508,80 DM (entspricht 260,15 Euro) und für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2002 auf monatlich mehr als 260,15 Euro festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wehrt sich gegen die Erhebung eines Kostenbeitrages, den der Beklagte von ihr im Hinblick auf die Heimunterbringung ihres am geborenen Sohnes M. erhebt.
Die Klägerin ist kaufmännische Angestellte im Außendienst bei der Firma X., die chirurgische Geräte verkauft. Sie lebt mit ihrem Ehemann, Herrn W., mit dem sie seit 1995 verheiratet ist, in einer gemeinsamen Wohnung in A.. Der Vater von M., mit dem die Klägerin nicht verheiratet war, lebt in der Nähe von C.. Er leistet keine Unterhaltszahlungen, da er nicht leistungsfähig ist.
M. befand sich vom 8. Juni 2001 bis zum 4. August 2001 in der Diagnostikgruppe des S.. Seit dem 5. August 2001 war M. im SZ. untergebracht. Die hierfür entstandenen Unterbringungskosten übernahm der Beklagte nach § 34 SGB VIII aus Jugendhilfemitteln. Monatlich wendete er ca. 7.300 DM (entspricht 3.700 €) auf. Seit September 2001 wird das der Klägerin für ihren Sohn zustehende Kindergeld direkt an den Beklagten gezahlt.
Hintergrund der Heimunterbringung von M. waren seit Anfang 2000 auftretende familiäre Probleme zwischen M., seiner Mutter und seinem Stiefvater, die seit 1991 zusammen lebten. Diese eskalierten im März 2001, als M. von zuhause weg lief und nicht mehr zur Schule ging. Eine Rückkehr in den Haushalt der Klägerin war damals weder für M. noch für die Klägerin vorstellbar.
Mit Bescheid vom 18. März 2002 erhob der Beklagte von der Klägerin einen Kostenbeitrag. Diesen setzte der Beklagte für die Zeit vom 8. Juni bis 30. Juni 2001 auf 747,- DM monatlich, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2001 auf 765,- DM monatlich und ab 1. Januar bis 30. Juni 2002 auf 400,- € monatlich fest. Von diesen Beträgen brachte er das seit September 2001 direkt an ihn gezahlte Kindergeld in Abzug.
Bei der Berechnung des Kostenbeitrags ging der Beklagte von einem Nettoeinkommen der Klägerin in Höhe von 4.915,85 DM aus. Da die Klägerin über unregelmäßige monatliche Bezüge verfügte, mittelte der Beklagte den Jahresbruttolohn sowie die jeweiligen Beträge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträge. Dem lag eine Jahresentgeltabrechnung des Arbeitgebers der Klägerin zugrunde. Weitere Abzüge berücksichtigte der Beklagte nicht. So ließ er folgende, im wesentliche auf Schuldverbindlichkeiten beruhende, Zahlungen der Klägerin unberücksichtigt:
- Monatliche Leistungen der Klägerin an ihren Arbeitgeber für die Nutzung eines zur Verfügung gestellten Pkw in Höhe von 686,- DM, die jeweils direkt vom Bruttogehalt einbehalten wurden.
- Monatliche Zahlungen an die D.-bank in Höhe von 700,- DM.
- Monatliche Zahlungen von 500,- DM an das Finanzamt
- Monatliche Zahlungen von 140,50 DM an die I. AG und
- monatliche Zahlungen in Höhe von 200,- DM an Rechtsanwälte L. und Partner.
Diese Zahlungsverpflichtungen sind wie folgt entstanden:
- Die Klägerin erhielt von ihrem Arbeitgeber am 15. März 1999 einen auf Leasingbasis angeschafften Pkw. Der Arbeitgeber errechnete den geldwerten Vorteil dieses Fahrzeuges mit 838,- DM. Hiervon unterwarf er 151,- DM der Lohnsteuer. Den verbleibenden Vertrag von 686,- DM stellte ihr Arbeitgeber der Klägerin mit den monatlichen Gehaltsabrechnungen in Rechnung, so dass sich die Nettoeinnahmen der Klägerin um diesen Betrag verringerten.
- Die Zahlungen an die D.-bank resultieren aus einem fehlgeschlagenen Kauf eines Einfamilienhauses, den die Klägerin im Jahre 1995 beabsichtigt hatte und für den bereits ein notarieller Kaufvertrag abgeschlossen worden war. Die Bank hatte hierfür ein Darlehen zur Verfügung gestellt. Infolge der Nichtdurchführung des Darlehensvertrages war der Bank ein Schaden von 37.685,13 DM zzgl. 3.820,42 DM Bereitstellungszinsen entstanden, den sie gegenüber der Klägerin geltend machte. Die Klägerin zahlt hierauf die genannten 700,- DM monatlich ab.
- In den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998, in denen die Klägerin mit ihrem Ehemann gemeinsam zur Einkommenssteuer veranlagt worden war, entstanden Einkommenssteuernachforderungen in Höhe von 5.938,01 bzw. 5.447,00 DM zzgl. Nebenforderungen. Die Eheleute vereinbarten mit dem Finanzamt monatliche Abzahlungen in Höhe von 1.000,- DM. Die Klägerin nahm zunächst einen hierauf auf sie entfallenden Anteil in Höhe von 500,- DM an.
- Die Zahlungen an die I. AG beruhen auf einer Kreditbewilligung aus Februar 2000. Die Klägerin hatte einen Kredit in Höhe von 4.000,- DM aufgenommen, um Möbel und einen PC für ihren Sohn zu erwerben.
- Die Zahlungen an das Rechtsanwaltsbüro L. und Partner beruhen auf einer Rechtsvertretung für die Klägerin in einem Zivilprozess um die Fehlerhaftigkeit eines von der Klägerin im Jahre 1996 angeschafften Neuwagens, den die Klägerin verloren hatte. Die Gesamtforderung belief sich auf 4.622,50 DM einschließlich Zinsen.
Den gegen den Bescheid vom 18. März 2002 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2002 im wesentlichen unter Hinweis auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid zurück.
Am 6. Dezember 2002 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.
Zu deren Begründung macht sie geltend, ihr monatliches Nettoeinkommen betrage nicht 4.915,85 DM, sondern 3.350,- DM. Hiervon abzuziehen seien die Nutzungsvergütung für ihren Dienstwagen in Höhe von 686,- DM sowie sämtliche dargestellten Schuldverbindlichkeiten mit Ausnahme der nicht mehr geltend gemachten Steuerschulden. Sämtliche übrigen Schulden seien ihr allein zuzurechnen, da ihr Ehemann ihrem Sohn gegenüber nicht unterhaltspflichtig sei. Zusätzlich zu diesen Verbindlichkeiten bestehe eine finanzielle Belastung durch Zuzahlungskosten aufgrund einer zahnmedizinischen Behandlung im Februar bzw. April 2002. Die Gesamtaufwendungen dieser Behandlung belegt die Klägerin in Höhe von 2.352,02 DM (entspricht 1.202,57 €).
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18. März 2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 6. November 2002 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das von der Klägerin behauptete Nettoeinkommen in Höhe von 3.350,- DM sei in Anbetracht der vom Arbeitgeber der Klägerin übersandten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die Nutzungsvergütung für den Pkw habe er insoweit berücksichtigt, als er einen Abzug für berufsbedingte Aufwendungen vorgenommen habe. Weitere Beträge seien nicht abzugsfähig. Auch andere Kostenbeitragspflichtige könnten Pkw-Kosten nicht abziehen. Der fehlgeschlagene Hauskauf und die daraus resultierenden Verbindlichkeiten seien nicht zur berücksichtigen, weil es sich nicht um ein geschäftliches, sondern ein privates Missgeschick handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu einem Kostenbeitrag für die Heimunterbringung im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII ist gemäß § 94 Abs. 1 SGB VIII, abweichend von § 93 Abs. 2 bis 4 SGB VIII, § 94 Abs. 2 bis 4 SGB VIII.
In Anwendung des § 94 Abs. 2 SGB VIII hat der Beklagte den von der Klägerin zu leistenden Kostenbeitrag nicht in vollem Umfang zutreffend ermittelt.
Gemäß § 94 Abs. 2 S. 1 SGB VIII sind die Eltern in der Regel in der Höhe der durch die auswärtige Unterbringung ihres Kindes ersparten Aufwendungen zu den Kosten heranzuziehen, wenn sie, wie hier die Klägerin, vor Beginn der Hilfe mit dem Kind oder dem Jugendlichen zusammen lebten. Gemäß Satz 2 der Bestimmung sollen nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge für diese ersparten Aufwendungen festgelegt werden. Dies hat der Beklagte im Ansatz zutreffend getan. Denn es ist eine durch § 94 Abs. 2 S. 2 SGB VIII gedeckt Pauschalierung der ersparten Unterhaltsaufwendungen, wenn und soweit diese Beträge in Anlehnung an die „Düsseldorfer Tabelle“ ermittelt werden (BVerwG, Urteil vom 22.12.1998- 5 C 25.97 -, BVerwG, 108, 221, 226; OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.1999 - 4 L 4442/98 -, FEVS 51, 136; Urteil vom 07.03.2000 - 4 L 3100/99 -; Beschluss der erkennenden Kammer vom 01.07.2003 - 2 B 214/03 -, bestätigt durch Beschluss des OVG Lüneburg vom 11.08.2003 - 12 ME 321/03 -).
Für den nach der „Düsseldorfer Tabelle“ zu ermittelnden Barunterhaltsanspruch ist zunächst das Nettoeinkommen zu ermitteln. Auch dies hat der Beklagte im Wesentlichen zutreffend getan. Er hat in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG das vom Arbeitgeber bescheinigte Jahreseinkommen der Klägerin in Anbetracht der unregelmäßigen Gehaltshöhe zugrunde gelegt und diesen Betrag gezwölftelt. Insoweit ergibt sich der Betrag von 4.915,85 DM. Das von der Klägerin behauptete Nettoeinkommen in Höhe von 3.350,- DM monatlich lässt sich in Anbetracht der Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers der Klägerin nicht nachvollziehen. Gegenüber der Berechnung des Beklagten ergibt sich jedoch im Hinblick auf die Behandlung des Kindergeldes eine zu Lasten der Klägerin gehende Korrektur. Denn dieses stellt nach der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine zweckgleiche Leistung im Sinne von § 93 Abs. 5 SGB VIII dar, sondern ist bei der Berechnung des Kostenbeitrags als Einkommen des Kindergeldberechtigten, hier der Klägerin, zu berücksichtigen (Urteil vom 22.12.1998, a.a.O., Seite 231). Die auf zivilrechtlichen Erwägungen beruhende abweichende Ansicht „Gemeinsame Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 91 ff. KJHG der Arbeitsgemeinschaft der Landes/Jugendämter verschiedener Bundesländer, u. a. Niedersachsens, Stand 1. Januar 2003 (Tz 4.3) ist nicht näher begründet und lässt sich mit den Ausführungen in der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht in Einklang bringen. Sie ist auch zivilrechtlich nicht schlüssig, da § 1612b BGB, auf den dabei abgestellt wird, eine Erhöhung des bzw. eine Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch regelt, es hier jedoch gerade um die Ermittlung des Unterhaltsbetrages nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten geht. Diese wird bei einer kindergeldberechtigten Person auch durch den Bezug des Kindergeldes mitbestimmt. Folglich ist die Anwendung des § 1612b BGB bei der Ermittlung des Kostenbeitrages nach § 94 Abs. 2 SGB VIII systemwidrig.
Von diesem Betrag sind bestimmte Schuldverpflichtungen der Klägerin abzuziehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs und damit auch für die Festsetzung des Kostenbeitrages nach § 94 Abs. 2 SGB VIII Schuldverbindlichkeiten grundsätzlich zu berücksichtigen. Dies ergibt sich zum einen schon aus Anmerkung A 4 der „Düsseldorfer Tabelle“. So sehen es auch die „Gemeinsamen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Landes/Jugendämter verschiedener Bundesländer“ in Textziffer 3.2.3.1 sowie die Empfehlungen für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahre 2002, Textziffer 86 vor. Begründet liegt dies in der Regelung des § 1603 Abs. 1 BGB. Danach ist unterhaltspflichtig nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Ferner folgt aus § 1610 Abs. 1 BGB, dass sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen bestimmt, die sich von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil ableitet. Ausgehend hiervon hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeurteilt, dass Unterhaltsansprüchen kein allgemeiner Vorrang vor Forderungen anderer Gläubiger gegen den Unterhaltsschuldner zukommt. Andererseits dürfen die anderen Verbindlichkeiten auch nicht ohne Rücksicht auf die Unterhaltsinteressen getilgt werden. Es bedarf insoweit einer umfassenden Interessenabwägung zwischen den Belangen der einzelnen Betroffenen, die in erster Linie vom Tatrichter vorzunehmen ist. Hierbei werden als bedeutsame Umstände angesehen der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsverpflichteten von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld, seine Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wiederherzustellen und ggf. auch schutzwürdige Belange des Drittgläubigers. Auf Schulden, die leichtfertig, für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen sind, kann sich der Unterhaltsverpflichtete grundsätzlich nicht berufen (BGH, Urteil vom 25.11.1981 - IV b ZR 611/80 -, NJW 1982, 380 [BGH 07.10.1981 - IVb ZR 611/80]; Urteil vom 11.12.1985 - IV b ZR 80/84 -, MDR 1986, 392; Urteil vom 21.09.1994 - XII ZR 161/93 -, NJW - RR 1995, 129; Urteil vom 25.10.1995 - XII ZR 247/94 -, FamRZ 1996, 160).
Hiervon ausgehend sind die von der Klägerin noch geltend gemachten Verbindlichkeiten einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Maßgeblich hierfür ist zum einen, dass sämtliche Verbindlichkeiten zu einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem die Heimunterbringung des Sohnes der Klägerin und damit der Eintritt einer etwaigen Kostenbeitragspflicht für die Klägerin nicht absehbar war. Seinerzeit leistete die Klägerin ihrem Sohn Betreuungsunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Eine Absicht, den damals noch nicht absehbaren Barunterhaltsanspruch bzw. den dem Beklagten zustehenden Kostenbeitrag zu vermindern und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben kann deshalb nicht angenommen werden.
Des weiteren handelt es sich keineswegs um luxuriöse Aufwendungen, die den Schuldverpflichtungen zugrunde liegen, sondern um solche, die die Klägerin auch im Interesse ihres Sohnes getätigt hat.
Dies gilt zunächst für die Aufwendungen in Höhe von monatlich 686,00 DM, die die Klägerin für die Nutzung eines PKW an ihren Arbeitgeber leistet. Dieses Fahrzeug hat der Arbeitgeber der Klägerin geleast und es ihr für berufliche Zwecke ebenso wie für private zur Verfügung gestellt. Die Klägerin entrichtet an ihren Arbeitgeber in der genannten Höhe anteilige Leasingraten, nämlich in der Höhe, die auf die berufliche Nutzung entfällt. Hätte die Klägerin selbst das Fahrzeug geleast, wären ihr entsprechende Leasingverbindlichkeiten entstanden. Anlass für dieses Leasing wäre, wie es auch für die tatsächliche Zahlung der Aufwendungen an den Arbeitgeber ist, die berufliche Tätigkeit der Klägerin gewesen, die hierbei auf die Benutzung eines Pkw angewiesen ist. Die Anschaffung des Pkw hätte damit der Erzielung von Arbeitseinkommen gedient und auf diese Weise den Lebensstandard der Familie und damit auch ihres Sohnes finanziert. Folglich wären diese Verbindlichkeiten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.1995, a.a.O.). Die Nutzung des Fahrzeuges ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht eine Privatangelegenheit der Klägerin, die bei der Bemessung des Kostenbeitrags nicht zu berücksichtigen wäre. Auch der Höhe nach bestehen aus Sicht der Kammer keine Bedenken, die Verbindlichkeit unterhaltsrechtlich anzuerkennen. Denn es ist zu bedenken, dass die Klägerin beruflich bedingt viel mit dem Wagen fährt und ihr Kundenkreis im wesentlichen aus Ärzten und Professoren besteht. Es ist deshalb sowohl unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten als auch aus geschäftlicher Sicht sachlich geboten, ein Fahrzeug der gehobenen Preisklasse zu nutzen.
Auch die aus dem gescheiterten Kauf eines Einfamilienhauses resultierenden Verbindlichkeiten gegenüber der D.-bank sind unterhaltsrechtlich relevant. Diese 1996 entstandenen Aufwendungen sollten der gemeinsamen Schaffung eines Familienheimes dienen. Dies erscheint wirtschaftlich vernünftig und der Umstand, dass der Kauf letztlich gescheitert ist, kann der Klägerin unterhaltsrechtlich nicht entgegengehalten werden.
Unabhängig davon, ob die Aufnahme des Kredites bei der I. AG umzugsbedingt ist, was zwischen den Beteiligten umstritten ist, mindern auch die hieraus stammenden Verbindlichkeiten das Nettoeinkommen der Klägerin. Sie beruhen auf einer Kreditaufnahme im Februar 2000. Unwidersprochen sollte der Kredit in Höhe von 4.000,00 DM zur Anschaffung von Gebrauchsgegenständen für M. dienen. Die Aufwendungen liegen damit auch im Interesse des Unterhaltsberechtigten und sind berücksichtigungsfähig.
Dieses Interesse lässt sich nicht in gleicher Weise für die Rechtsanwaltskosten bejahen, was indes nicht dazu führt, dass die entsprechenden monatlichen Verpflichtungen in Höhe von 200-, DM unterhaltsrechtlich Irrelevant wären. Denn es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Klägerin diese Aufwendungen ohne sachlichen Grund und unter Verletzung des Gebotes wirtschaftlicher Lebensführung (vgl. zu diesem Kriterium die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter, a.a.O.) getätigt hätte. Der Versuch, zivilrechtliche Ansprüche gerichtlich durchzusetzen und hierfür die Hilfe eines Anwalts in Anspruch zu nehmen, erscheint sachgerecht und vernünftig. Folglich müssen die Verbindlichkeiten bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden.
Die aus den Jahren 1997 und 1998 stammenden Einkommensteuerschulden macht die Klägerin ausdrücklich nicht mehr einkommensmindernd geltend. Dies erscheint in Anbetracht der nach § 268 der Abgabenordnung naheliegenden Freistellung von diesen Schulden sachgerecht.
Keine Berücksichtigung können angebliche Verbindlichkeiten aus einer Anfang 2002 vorgenommenen Zahnbehandlung finden. Denn die Klägerin hat lediglich die Gesamtaufwendungen nachgewiesen, nicht aber den auf sie entfallenden Selbstbehalt und auch nicht den Umstand, dass sie auf die Schuldsumme Abzahlungen geleistet hat.
Keine Berücksichtigung können angebliche Verbindlichkeiten aus einer Anfang 2002 vorgenommenen Zahnbehandlung finden. Denn die Klägerin hat lediglich die Gesamtaufwendungen nachgewiesen, nicht aber den auf sie entfallenden Selbstbehalt und auch nicht den Umstand, dass sie auf die Schuldsumme Abzahlungen geleistet hat.
Es ergibt sich danach folgende Berechnung des maßgeblichen Nettoeinkommens:
Basisbetrag ausgehend von der Berechnung des Beklagten | 4.915,85 DM | |
Zuzüglich Kindergeld (bis 31.12.01 270.- DM, ab 1.1.02 154,- €) | 270,00 DM | |
Nettoeinkommen | 5.185,85 DM | |
Abzüglich Entgelt für die PKW-Nutzung | 686,00 DM | |
Abzüglich Verbindlichkeit D.-bank | 700,00 DM | |
Abzüglich Verbindlichkeit I. Agk | 140,50 DM | |
Abzüglich Verbindlichkeit L. und Partner | 200,00 DM | |
bereinigtes Nettoeinkommen | 3.459,35 DM | |
Abzüglich berufsbedingte Aufwendungen (5 % des Betrages, | ||
Anm. 3 der Düsseldorfer Tabelle) | 172,96 DM | |
maßgebliches Nettoeinkommen | 3.286,38 DM |
Wegen der Erhöhung des Kindergeldes ab 1. Januar 2002 beträgt das bereinigte Nettoeinkommen ab diesem Zeitpunkt 3.490,55 DM (entspricht 1.784,69 Euro), wovon für berufsbedingte Aufwendungen ein Betrag von 174,53 DM (entspricht 89,24 Euro) abzuziehen ist. Dies ergibt ein maßgebliches Nettoeinkommen ab dem 1. Januar 2002 in Höhe von 3.316,02 DM (entspricht 1.695,45 Euro).
Das so ermittelte maßgebliche Nettoeinkommen führt nach der „Düsseldorfer Tabelle“ Stand: 01.07.1999 zu einer Einstufung in die Einkommensgruppe 4 und nach der Tabelle Stand: 01.07.2001 zu einer Einstufung in die Einkommensstufe 3.
Diese Einstufung bedarf einer Korrektur. Denn die „Düsseldorfer Tabelle“ weist nach ihrer Anmerkung 1 monatliche Unterhaltsrichtsätze aus, bezogen auf einen gegenüber einem Ehegatten und 2 Kindern Unterhaltspflichtigen. Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind Ab- oder Zuschläge in Höhe eines Zwischenbetrages oder durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen (vgl. auch BVerwG, a.a.O., Seite 228; BGH, Urteil vom 25.10.1995, a.a.O.). Da die Klägerin nur ihrem Ehegatten und ihrem Sohn gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, hält die Kammer mit dem Beklagten eine Einstufung in die nächst höhere Einkommensstufe für gerechtfertigt. Dies ist je nach Tabelle die Stufe 5 bzw. die Stufe 4. Dies führt bei Unterhaltsberechtigten im Alter zwischen 12 und 17 Jahren, wie dem Sohn der Klägerin, in Anwendung der „Düsseldorfer Tabelle“ nach dem Stand 1. Juli 1999 zu einem monatlichen Unterhaltsanspruch von 653,- DM und nach der „Düsseldorfer Tabelle“ Stand 1. Juli 2001 zu einem solchen in Höhe von 636,- DM.
Weiter muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Düsseldorfer Tabelle davon ausgeht, dass Unterhaltspflichtiger und Unterhaltsberechtigter nicht zusammenleben, das Zusammenleben vor Beginn der Hilfe aber gerade Voraussetzung für die Anwendung des § 94 Abs. 2 SGB VIII ist. Deshalb hat der Beklagte von den nach der Tabelle ermittelten Unterhaltsbeträgen gemäß der Verwaltungspraxis in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Heranziehung zu den Kosten und zur Überleitung von Ansprüchen nach dem SGB VIII (NDV 1993, Seite 46 f.) einen Abschlag von 20 % vorgenommen. Dies führt in Anwendung der Düsseldorfer Tabelle nach dem Stand 1. Juli 1999 zu einem von der Klägerin zu leistenden Kostenbeitrag von 522,40 DM (653,- DM - 30,60 DM) und in Anwendung der Düsseldorfer Tabelle Stand 1. Juli 2001 zu einem solchen von 508,80 DM (636,- DM - 127,20 DM), entspricht 260,15 Euro, monatlich.
Eine weitere Korrektur ist nicht vorzunehmen. Insbesondere darf auf den so ermittelten Kostenbeitrag nicht noch, wie dies der Beklagte getan hat, ein hälftiger Kindergeldanteil aufgeschlagen werden. Das Kindergeld findet nach dem Dargelegten ausschließlich Berücksichtigung bei der Bemessung des Nettoeinkommens des Unterhaltsberechtigten. Die abweichende Regelung in Tz. 4.3.2.2 der Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter geht rechtsirrig nach wie vor davon aus, dass es sich bei dem Kindergeld um eine zweckbestimmte Leistung handelt. Auf den Kostenbeitrag ist das ab dem 1. September 2001 dem Beklagten direkt zugeflossene Kindergeld anzurechnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO und berücksichtigt das Maß des jeweiligen Obsiegens.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.