Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 04.02.2004, Az.: 3 B 33/04

Laufbahn; Laufbahnzwischenprüfung; Prüfungsrecht; Spickzettel; Täuschungsversuch; Voraussetzung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
04.02.2004
Aktenzeichen
3 B 33/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50561
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Täuschungsversuch (hier: Klausur in Zwischenprüfung für Laufbahn im gehobenen Dienst).

Vorläufiger Rechtsschutz durch § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 Abs. 1 VwGO.

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig als zur Zwischenprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst im Polizeivollzugsdienst Niedersachsen zugelassen zu behandeln und seine am I. 2003 gefertigte Klausur im Studienfach J. inhaltlich zu bewerten.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer ggf. nachfolgenden Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16./17. September 2003 hinsichtlich der Feststellung des Nichtbestehens der Zwischenprüfung und deren sofortiger Vollziehung angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der bei sachdienlicher Auslegung seines Begehrens nach vorläufigem Rechtsschutz sich ergebende Antrag des Antragstellers,

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die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig als zur Zwischenprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst im Polizeivollzugsdienst Niedersachsen zugelassen zu behandeln und seine am I. 2003 gefertigte Klausur im Studienfach J. inhaltlich zu bewerten, und gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und eine ggf. nachfolgenden Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16./17. September 2003 hinsichtlich der Feststellung des Nichtbestehens der Zwischenprüfung und deren sofortiger Vollziehung anordnen,

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hat Erfolg.

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Das Begehren des Antragstellers macht vorliegend nur Sinn, wenn die von ihm - nach seinem Vorbringen - ohne bewussten Täuschungsversuch gefertigte streitbefangene Klausur im Bereich K. auch inhaltlich bewertet wird, denn nur bei Vorliegen einer begründeten Bewertung kann beurteilt werden, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der vom Antragsteller angefochtene Bescheid über die Feststellung des Nichtbestehens der Wiederholung der Zwischenprüfung rechtswidrig ist, und dass eine Neubescheidung zur Feststellung des Bestehens der Zwischenprüfung führt. Soweit der Antragsteller begehrt hat, ihm die kurzfristige Wiederholung der bemängelten Prüfungsleistung zu gestatten, bleibt dafür bei sachdienlicher Auslegung seines Begehrens kein Raum, denn nach seinem Vorbringen hat er jedenfalls subjektiv keinen Täuschungsversuch begangen, so dass die von ihm gefertigte Klausur - wenn auch objektiv bei verständiger Würdigung der Umstände ein mehr als unerheblicher Einfluss des beanstandeten Verhaltens des Antragstellers auf die streitbefangene Prüfungsleistung ausgeschlossen werden kann - diese Prüfungsleistung grundsätzlich zunächst einmal als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden muss. Die (vorläufige) Zulassung zu einer (erneuten) Wiederholung dieses Prüfungsteils kommt deshalb vorliegend nicht in Betracht.

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Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil die von der Antragsgegnerin angenommene Täuschungsabsicht des Antragstellers anlässlich der am L. 2003 gefertigten Klausur nach Ansicht der Kammer bei summarischer Prüfung nicht nachgewiesen ist.

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Ein Täuschungsversuch i. S. d. § 26 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahnen des gehobenen Polizeivollzugsdienstes (APVOgehDPol vom 11.03.1993, Nds. GVBl. S. 73) liegt vor, wenn ein Prüfungsteilnehmer bewusst gegen Prüfungsbedingungen verstößt, um sich auf diese Weise einen unberechtigten Vorteil für die Erbringung seiner Prüfungsleistung zu verschaffen. Ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit zuwider (Niehues, Prüfungsrecht, 3. Aufl., RdNr. 143, 144 m.w.N.). Somit setzt er in objektiver Hinsicht eine Verletzung einer Regel voraus, die von den Prüfungsteilnehmern zu beachten ist. In subjektiver Hinsicht bedarf es zum einen der Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Regelverletzung ergibt. Zum anderen muss die Regelverletzung mit dem Vorsatz begangen werden, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Es ist unerheblich, ob das regelwidrige Vorgehen zu dem bezweckten Erfolg führt oder überhaupt geeignet ist, diesen Erfolg herbeizuführen. Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (Niehues, aaO, RdNr. 148 m.w.N.).

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Die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Täuschungsversuchs liegt bei der Prüfungsbehörde bzw. dem für die Leitung der Prüfung zuständigen Prüfungsorgan. Allerdings können die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Täuschungsversuchs durch den Beweis des ersten Anscheins bewiesen werden, wenn sich aufgrund der feststehenden Tatsachen bei verständiger Würdigung der Schluss aufdrängt, dass der Prüfungsteilnehmer getäuscht hat. So kann je nach den Umständen des Einzelfalles mit den Mitteln des Anscheinsbeweises sowohl der Nachweis einer Regelverletzung als auch der Nachweis des Täuschungsvorsatzes geführt werden (BVerwG, Urt. v. 20.2.1984, Buchholz, 421.0, Nr. 196; Niehues, aaO, RdNr. 149). Spricht der erste Anschein für das Vorliegen einer Regelverletzung oder des Täuschungsvorsatzes, so ist es Sache des Prüfungsteilnehmers, die Schlussfolgerung, auf der dieser Anschein beruht, zu entkräften. Hierfür reicht es nicht aus, die Denkmöglichkeit eines dem Anschein nicht entsprechenden Ablaufs aufzuzeigen. Vielmehr muss der Prüfungsteilnehmer nachvollziehbar und in sich stimmig die Tatsachen schildern und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufs ergibt. Gelingt dies, so obliegt der Prüfungsbehörde der sog. Vollbeweis (Prütting, in: Münchner Kommentar, ZPO, § 286, RdNr. 47 ff., 64; Greger in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., vor § 284, RdNr. 29 jwls. mit Nachw. zur st. Rspr. des BGH; zu Vorstehd. ausführl.: OVG Bautzen, Beschluss vom 30.04.2003 - 4 BS 40/03 - zitiert nach Juris).

8

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten bemerkte der aufsichtführende Polizeioberkommissar M. am Tag der ersten Klausur im Rahmen der Zwischenprüfung im Studienfach K. am I. 2003 genau 11 Minuten nach Beginn der Klausur auf dem Tisch des Antragstellers den bei der Prüfungsakte befindlichen Zettel, der „farblich augenscheinlich nicht zu den zugelassenen/ausgehändigten Arbeitsmaterialien gehörte“. Ebenfalls übereinstimmend haben die Beteiligten angegeben, dass der dem Antragsteller zugeloste Tisch sich in unmittelbarer Nähe zu dem Platz des Aufsichtsführenden befunden hat, welcher angab, den Zettel habe er deutlich sehen können. Aus dem Aufgabenblatt für die streitbefangene Klausur ergibt sich unter Ziffer 2, dass die Prüflinge zu dem unter Ziffer 1 zu beurteilenden Sachverhalt die erforderlichen Sofortmaßnahmen unter Voranstellung der taktischen Ziele treffen sollten, was exakt der Inhalt des bei dem Antragsteller vorgefundenen Zettels ist, der offensichtlich hinsichtlich eines dem Klausurfall ähnlichen Sachverhaltes (nächtliche Schlägerei in einem Parkgelände) gefertigt worden ist. Nach ebenfalls übereinstimmenden Angaben der Beteiligten vermerkte daraufhin der Aufsichtsführende auf der bisher vom Antragsteller lediglich mit 7 Zeilen Text in Stichworten beschriebenen Seite 1 der Klausur durch seine Paraphe und einen kurzen Strich den Punkt, ab welchem dem Antragsteller bei der weiteren Bearbeitung dieser Zettel nicht mehr vorlag.

9

Obwohl damit hinreichend feststeht, dass der Antragsteller diesen Zettel für die von ihm im weiteren Verlauf gefertigte Klausur nicht zu Täuschungszwecken tatsächlich einsetzte, weil erst kurze Zeit der Bearbeitungsdauer verstrichen war und der Antragsteller zudem nicht mit der Aufgabe 2, sondern mit der Bearbeitung der Aufgabe 1 begonnen hatte, für welche der Zettel nicht relevant war, besteht grundsätzlich ein Erfahrungssatz dahingehend, dass jeder Prüfling, der einen „Spickzettel“ in die schriftliche Prüfung nimmt, weiß, dass er, wenn dieser bei ihm gefunden wird, grundsätzlich damit rechnen muss, dass die Prüfung wegen eines Täuschungsversuchs für nicht bestanden erklärt wird, und zwar unabhängig davon, ob ihm die Benutzung dieses Täuschungsmittels nachgewiesen werden kann oder nicht (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 27.01.1992 - 11 A 10544/91 -, zitiert nach Juris). Allerdings kann das Mitführen eines unerlaubten Hilfsmittels nur dann als Täuschungsversuch angesehen werden, wenn der Prüfling es bei der Anfertigung der Klausur benutzen will, um sich einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen (OVG Berlin, Beschluss vom 14.09.1983 - 7 S 315.83 -, zitiert nach Juris). Mithin begeht ein Prüfungsteilnehmer einen Täuschungsversuch, wenn er gegen eine Regel des Prüfungsverfahrens bewusst, also mit dem Vorsatz verstößt, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen, wobei der Nachweis des sogenannten Täuschungsvorsatzes nach den Regeln des Anscheinsbeweises erbracht werden kann (vgl. OVG Bautzen, aaO.; VGH Mannheim, Beschluss vom 11.07.1995 - 9 S 551/95 -, zitiert nach Juris).

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Vorliegend erbringt der Umstand, dass der Antragsteller für die Klausur im Bereich K. den Sofortmaßnahmenkatalog einschließlich der Aufstellung der taktischen Ziele in Form einer Übersicht auf seinem Tisch liegen hatte, in der Tat den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass es sich dabei nicht um ein während der Klausurbearbeitung gefertigtes Konzept (was der Antragsteller auch nie behauptet hat), sondern (objektiv) um eine vorbereitete und daher unzulässige Arbeitshilfe handelt.

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Aufgrund der glaubhaften Darlegungen des Antragstellers in diesem besonderen Einzelfall i. V. m. der hier gegebenen besonderen Sachverhaltskonstellation ergibt sich jedoch für die Kammer die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufs, nämlich dergestalt, wie in ihn der Antragsteller schildert. Den sich aus den tatsächlichen Umständen ohnehin nur ansatzweise ergebenden Anschein, mit Täuschungsvorsatz gehandelt zu haben, hat der Antragsteller glaubhaft entkräftet. Für diese Beurteilung durch die Kammer ganz wesentlich ist der (objektive) Umstand, dass der bei dem Antragsteller aufgefundene Zettel mit der Aufstellung zu Sofortmaßnahmen und taktischen Zielen sich - wie der Aufsichtsführende in seinem Protokollvermerk selbst vermerkt - farblich sehr deutlich von den Unterlagen unterscheidet, die den Prüflingen, und mithin auch dem Antragsteller, für die Bearbeitung ihrer Klausuren zur Verfügung gestellt wurden. Farbgestaltung und Aufbau sprechen vielmehr deutlich für die Behauptung des Antragstellers, es handele sich bei diesem Zettel nur um eine Zusammenstellung zur Wiederholung des klausurrelevanten Stoffes. Es erscheint für die Kammer nahezu ausgeschlossen, dass ein Prüfling, der durch Mitnahme einer solchen Unterlage bewusst täuschen will, sich durch das Mitführen eines dermaßen leicht als unzulässiges Hilfsmittel zu identifizierenden Zettels der Gefahr einer Entdeckung aussetzt. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller wusste, dass es sich um seine letzte Chance, nämlich die Wiederholung seiner Zwischenprüfungsklausuren, handelt. Hinzu kommt, dass er einen Sitzplatz in unmittelbarer Nähe zum Aufsichtsführenden zugelost bekam, so dass es schlechterdings nicht nachvollziehbar wäre, wenn er einen solchen auffälligen Zettel bei seinen Unterlagen auf dem Tisch beließe und ihn offensichtlich auch nicht besonders zu verbergen trachtete, denn nach 11 Minuten hatte der Aufsichtsführende diesen Zettel bereits entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller mit der Bearbeitung der vom Inhalt des Zettels abgedeckten Prüfungsaufgaben zudem noch gar nicht begonnen und hätte mithin erst recht Grund gehabt, diesen Zettel zu verbergen. All das ist nicht geschehen. Außerdem hat der Antragsteller nicht etwa - wie er aus der Erfahrung mit den Klausuren für seinen ersten Versuch der Zwischenprüfung wissen musste - versucht, die einbehaltene Aufstellung besser zu „tarnen“, etwa indem er sie handschriftlich auf weiße, linierte Doppelbögen geschrieben hätte oder die Aufstellung durch Ausdruck auf einem weißen (und nicht wie Kopierpapier grau-braunen) DIN A4-Blatt so zu gestalten versucht hat, dass sie bei flüchtigem Hinsehen als zur Klausuraufgabe gehörig hätte angesehen werden können.

12

Somit ist auch nicht ansatzweise ein über das Vorhandensein dieses auffälligen Zettels hinausgehender Umstand ersichtlich, der für das Vorliegen irgend einer Täuschungsabsicht des Antragstellers spricht. Demgegenüber erscheint es der Kammer nach der in sich stimmigen, nachvollziehbaren und insgesamt glaubhaften Schilderung des Antragstellers weitaus überwiegend wahrscheinlich, dass er sich in der Tat in der Aufregung bei seiner letzten Chance, die Zwischenprüfung zu bestehen, unmittelbar vor dem Prüfungsbeginn noch einmal mit dem Stoff der anstehenden Prüfung vertraut gemacht hat und angesichts der im Zusammenhang mit der Platzwahl und der im Vergleich zu anderen Prüfungen recht frühen Ausgabe der Doppelbögen entstehenden Unruhe unter den 25 Prüflingen und im Prüfungsraum insgesamt (grob) fahrlässig nicht mehr des Umstands bewusst war, dass er den von ihm vor dem Beginn der Klausur genutzten „Lernzettel“ noch mit den bereits verteilten Doppelbögen auf seinem Tisch liegen hatte.

13

Angesichts dieser Schilderung der ernsthaften Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufs obliegt der Antragsgegnerin der Vollbeweis für die Täuschungsabsicht des Antragstellers; wegen der vorstehend im Einzelnen geschilderten objektiven Umstände und der vom Prüfungstag an konsequenten und unveränderten Einlassung des Antragstellers zu der bei ihm gerade fehlenden Täuschungsabsicht ist für die Kammer im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin diesen Beweis führen kann.

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Fehlt es mithin am Vorliegen eines Täuschungsversuchs i. S. v. § 26 Abs. 1 APVOgehDPol, ist die Entscheidung über die Bewertung der streitbefangenen Klausur des Antragstellers mit null Punkten ebenso zu Unrecht erfolgt wie die durch Bescheid vom 16. September 2003 dem Antragsteller bekannt gegebene Feststellung des Nichtbestehens der Zwischenprüfung und die Tags darauf erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Feststellung.

15

Nach dem gefundenen Ergebnis kann die Kammer offen lassen, ob der Prodekan der Antragsgegnerin bei der Bewertung der streitbefangenen Klausur mit null Punkten den Anforderungen der Regelung in § 26 Abs. 1 APVOgehDPol, die über § 10 Abs. 5 APVOgehDPol anwendbar ist, genügt hat. Nach diesen Vorschriften kann die Fachhochschule nämlich nach der Schwere der Verfehlung die Wiederholung einer oder mehrerer Prüfungsleistungen anordnen oder für eine oder mehrere Prüfungsleistungen die Note „ungenügend“ (Rangpunkt 0) erteilen oder die Prüfung für nicht bestanden erklären. Dem bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Schriftstück vom 16. September 2003 (Bl. 8 Beiakte A) ist lediglich zu entnehmen, dass der Prodekan der Antragsgegnerin das Ergebnis der streitbefangenen Klausur auf „ungenügend“ (0 Punkte) festgesetzt hat, da der Antragsteller während des Schreibens einen eng beschriebenen Zettel mit lösungsrelevanten Inhalt auf dem Tisch liegen gehabt habe. Auch wenn § 10 Abs. 5 APVOgehDPol die Befugnis hinsichtlich der Entscheidung bei Täuschungshandlungen gemäß § 26 Abs. 1 dieser Verordnung auf die „Fachhochschule“ - und damit wohl auch dem Prodekan als Leiter des Standortes - überträgt, lässt sich weder dieser in der Prüfungsakte enthaltenen Entscheidung noch der Mitteilung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vom 16. September 2004 (Bl. 23 Gerichtsakte) eine hinreichende Begründung dahingehend entnehmen, dass sich die „Fachhochschule“ der unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten des § 26 Abs. 1 APVOgehDPol auch nur ansatzweise bewusst gewesen ist. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass bereits aufgrund des Gesprächs des Antragstellers mit dem Prodekan am I. 2003 für letzteren diese Entscheidung feststand, ohne dass bis zur schriftlichen Dokumentation der Entscheidung schließlich am 16. September 2003 durch den Prodekan die umfangreichen Unterlagen und Einlassungen unter anderem des Antragstellers noch bei der Bewertung des Vorfalls und den Möglichkeiten seiner Sanktionierung in irgend einer Form Berücksichtigung gefunden haben. Ein (erforderlicher) Abwägungsprozess über die Art der Sanktionierung ist den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Dies gilt auch hinsichtlich des unter dem 27. September 2003 gefertigten Protokolls der Sitzung des Prüfungsausschusses am 16. September 2003 (Beiakte A), das zum einen lediglich über „die Entscheidung der Fachhochschule“ berichtet, die Klausur des Antragstellers mit null Punkten zu bewerten. Für die Kammer ist zum anderen nicht nachvollziehbar, worauf die Antragsgegnerin ihr Vorbringen im gerichtlichen Verfahren (Bl. 45 Gerichtsakte) stützt, der „Prüfungsausschuss“ habe nach Abwägung der vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten für die Klausur „die Note ‚ungenügend’ (0 Punkte) festgesetzt“.

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Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ergibt sich bereits daraus, dass dem Antragsteller allein mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den streitbefangenen Bescheid nicht geholfen ist, denn durch den immer weiter fort schreitenden Zeitablauf kann er wegen der fehlenden Qualifikation nicht am weiteren Ausbildungsbetrieb teilnehmen. Überdies werden vorliegend keine vollendeten Tatsachen geschaffen, denn - sollte sich in einem möglicherweise noch notwendigen Hauptsacheverfahren ergeben, dass die Antragsgegnerin doch einen Vollbeweis für die Täuschungsabsicht des Antragstellers führen kann - kann im Einklang mit § 26 Abs. 3 APVOgehDPol eine möglicherweise vom Antragsteller inzwischen bestandene Abschlussprüfung nachträglich für nicht bestanden erklärt werden.

17

Auch die Voraussetzungen für die Anordnung aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer ggf. nachfolgenden Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16./17. September 2003 hinsichtlich der Feststellung des Nichtbestehens der Zwischenprüfung und deren sofortiger Vollziehung liegen nach den vorstehenden Ausführungen vor.

18

Der vom Antragsteller angefochtene Bescheid des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses der Antragsgegnerin vom 16. September 2003, der zusammen mit der am darauf folgenden Tag vom Präsidium der Antragsgegnerin nachgeschobenen Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser „Entscheidung“ Streitgegenstand ist, erweist sich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im gegenwärtigen Zeitpunkt unter besonderer Berücksichtigung des Akteninhalts und des Vorbringens des Antragstellers als voraussichtlich rechtswidrig. Die von der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 3 VwGO formell ordnungsgemäß begründete Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist deshalb zu suspendieren und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. einer Klage des Antragstellers gegen diesen Bescheid wiederherzustellen. Bei einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Vollzug des angefochtenen Bescheides und dem Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt letzteres, denn bei summarischer Prüfung erweist sich der streitbefangene Bescheid als rechtswidrig.

19

Die - gesonderte - Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Präsidium der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. September 2003 bezieht sich auf den Bescheid des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bei der Antragsgegnerin vom 16. September 2003, mit welchem dem Antragsteller zum einen mitgeteilt wurde, dass seine Klausur im Fach K. mit null Punkten bewertet worden ist, und der zum anderen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 APVOgehDPol feststellte, dass der Antragsteller die Zwischenprüfung nicht bestanden habe. Die dieser Feststellung zugrunde liegende, für das Nichtbestehen der Prüfung allein ausschlaggebende Bewertung der Klausur im Fach K. mit null Punkten wegen Vorliegens eines Täuschungsversuchs hält aller Voraussicht nach einer Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren nicht stand. Die gemäß §§ 10 Abs. 5, 26 Abs. 1 APVOgehDPol zuständige Antragsgegnerin hat nach Auffassung der Kammer zu Unrecht das Vorliegen eines Täuschungsversuchs angenommen und die betreffende Prüfungsleistung demgemäß zu Unrecht mit null Rangpunkten bewertet, denn dem Antragsteller ist es – wie bereits dargelegt - gelungen, glaubhaft zu machen, dass er subjektiv keine Täuschungsabsicht hatte. Damit kann auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung keinen Bestand haben, wobei offen bleiben kann, ob für die „gestuft“ erlassenen Bescheide vom 16. und 17. September 2003 die jeweiligen Verfasser zuständig waren.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.