Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 25.02.2004, Az.: 2 A 2318/02

Hausrat; Möbel; Umzug; Unterstellkosten

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.02.2004
Aktenzeichen
2 A 2318/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50623
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Unterstellkosten für die Einlagerung von Gegenständen bei einer Spedition für den Zeitraum vom 16.02.2000 bis zum 25.02.2004 aus Sozialhilfemitteln.

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Die Klägerin erhält seit März 1991 vom Beklagten, in dessen Namen und Auftrag hier die Stadt E. handelt, laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt.

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Am 16.02.2000 sprach sie aus eigener Veranlassung beim Sozialamt vor und teilte mit, sie sei zum 31.01.2000 aus ihrer Wohnung in der K. in E. ausgezogen, habe allerdings noch keine neue Wohnung gefunden. Ihre „Möbel“ - tatsächlich handelte es sich um vier Umzugskartons mit Büchern, Kleidung und Ordnern mit persönlichen Unterlagen - habe sie mit Hilfe eines Lastentaxis bei einer Spedition untergestellt. Die Klägerin zog sodann am 21.02.2000 in eine 1-Zimmer-Wohnung in der L. Str. ein. Nachdem zunächst eine Bearbeitung ihres am 16.02.2000 geäußerten Anliegens durch das Sozialamt unterblieben war, stellte die Klägerin unter dem 05.02.2001 und sodann - über ihren Prozessbevollmächtigten - nochmals am 12.03.2001 schriftlich einen Antrag auf Übernahme der Unterstellkosten. Die Klägerin hatte bislang trotz entsprechender Aufforderung gegenüber dem Sozialamt nicht angegeben, welche Gegenstände sie bei der Spedition eingelagert hatte. Deshalb erfolgte mit Bescheid vom 13.05.2002 zunächst eine vorläufige Leistungsversagung nach § 66 SGB X.

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Nachdem die Klägerin die fehlenden Angaben mit ihrem Widerspruch vom 06.06.2002 gegen diesen Bescheid nachgeholt und erstmals angegeben hatte, eingelagert seien Bücher, Ordner mit persönlichen Unterlagen und Kleidung, lehnte die Stadt E. mit Bescheid vom 08.07.2002 den Antrag auf Übernahme der Unterstellkosten mit der Begründung ab, die eingelagerten Gegenstände deckten keinen sozialhilferechtlich relevanten Bedarf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2002 zurück.

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Die Klägerin hat am 04.12.2002 Klage erhoben. Sie trägt vor, die Einlagerung der Gegenstände sei notwendig gewesen, weil sie damals übereilt aus der Wohnung in der K. habe ausziehen müssen. Dem Sozialamt sei bekannt gewesen, welche Gegenstände eingelagert worden seien. Der Allgemeine Sozialdienst der Stadt E. habe nämlich ihre Wohnung am 06.01.2000, also kurz vor dem Auszug, aufgesucht und dabei festgestellt, dass die Wohnung bis auf ein Bett unmöbliert gewesen sei. Möbel hätte sie also gar nicht einlagern können. Zudem hätte sie Frau M. vom Sozialamt über alles informiert.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Stadt E. vom 08.07.2002 und des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2002 zu verpflichten, der Klägerin die bei der Spedition N. für den Zeitraum vom 16.02.2000 bis jetzt angefallenen Einlagerungskosten für vier Umzugskartons als Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor: Die Klägerin habe am 16.02.2000 der Sachbearbeiterin im Sozialamt ausdrücklich nur die Einlagerung von Möbeln mitgeteilt. Dass tatsächlich andere Gegenstände eingelagert worden seien, habe die Klägerin erst in ihrem Schriftsatz vom 06.06.2002 erwähnt. Von einem übereilten Auszug könne nicht die Rede sein, die Klägerin hätte seit längerem vorgehabt, aus der K. auszuziehen. Ein sozialhilferechtlich relevanter Bedarf der Klägerin an den eingelagerten Gegenständen sei nicht erkennbar. Schließlich gehörten die streitbefangenen Kosten zu den Umzugskosten im weiteren Sinne, eine vorherige Zustimmung des Sozialamtes zum Umzug habe es indessen nicht gegeben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 2 A 2239/02 sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Stadt E. (Beiakten A - D zum Verfahren 2 A 2239/02) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Im Ergebnis zu Recht hat die Stadt E. mit Bescheid vom 08.07.2002 die Übernahme der ab dem 16.02.2000 der Klägerin entstandenen Unterstellkosten abgelehnt. Denn die Klägerin konnte weder nachweisen, dass das Sozialamt im streiterheblichen Zeitraum überhaupt hinreichende Kenntnis im Sinne von § 5 BSHG von der Art der eingelagerten Gegenstände hatte noch hatte sie einen (neuen) sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf.

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Gemäß § 5 BSHG setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für ihre Gewährung vorliegen (sog. "Kenntnisgrundsatz"). Hierbei handelt es sich um eine vom Gesetz gezogene zeitliche Grenze des Sozialhilfeanspruchs, die es ausschließt, einen vor dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens entstandenen Bedarf sozialhilferechtlich zu berücksichtigen (Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.04.1992 - 5 C 12.87 -, FEVS 43, 59, 62 f. und vom 23.06.1994 - 5 C 26.92 -, FEVS 45, 138, 140 ff; jeweils mit weiteren Nachweisen). "Bekanntwerden" im Sinne der Vorschrift des § 5 BSHG verlangt eine auf die Voraussetzungen für die Hilfegewährung bezogene, inhaltlich qualifizierte Kenntnis, so dass ein berechtigter Anlass zum Tätigwerden, insbesondere zur Aufnahme weiterer Nachforschungen für das Sozialamt besteht. Dieses Kenntnis im Sinne von § 5 BSHG muss sich inhaltlich darauf erstrecken, dass bei dem Hilfe Suchenden ein sozialhilferechtlich erheblicher und konkret einzugrenzender Bedarf vorliegt und dass der Hilfe Suchende diesen Bedarf nicht durch den Einsatz eigener Mittel, insbesondere von Einkommen und Vermögen decken kann. Die Art, in der dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen diese Kenntnis vermittelt werden muss, ist nicht vorgegeben. Hierfür kann auch allein mündliches Vorbringen eines Hilfe Suchenden genügen (Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 21.04.1997 - 5 PKH 2.97 -, a.a.O.).

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In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze ist dem Sozialamt der Stadt E. der streitbefangene Hilfebedarf der Klägerin nicht während seines Bestehens, also nicht rechtzeitig bekannt geworden. Sozialhilferechtlich notwendig - dies liegt auf der Hand - kann die Einlagerung von Hausrat und anderen persönlichen Gegenständen nur solange sein, wie der Hilfeempfänger nicht über eigene ausreichende Unterstellmöglichkeiten verfügt. Die Klägerin hat bereits am 21.02.2000 ihre neue und zur Unterbringung der untergestellten Gegenstände auch genügend große Wohnung in der L. Straße in E. bezogen. Mit Einzug in diese Wohnung, also bereits fünf Tage nach ihrer Vorsprache im Sozialamt, entfiel somit jeglicher gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend zu machende Unterstellbedarf. Zu diesem Zeitpunkt wusste das Sozialamt noch nicht, welche Gegenstände die Klägerin eingelagert hatte. Sie hatte am 16.02.2000 bei ihrer persönlichen Vorsprache im Amt nämlich angegeben, Möbel bei der Spedition eingelagert zu haben. Dies war indessen objektiv falsch. Von Umzugskartons mit Büchern, Kleidung und persönlicher Habe war demgegenüber damals noch nicht die Rede. Dies stellte die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 06.06.2002 (also über zwei Jahre nach Befriedigung ihres Bedarfs) klar. Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, ihre Wohnsituation, also auch das Fehlen von Möbeln außer dem Bett, hätte dem Sozialamt aufgrund eines im Dezember 2000 durchgeführten Hausbesuchs doch bekannt sein müssen. Diese Argumentation übersieht bereits, dass das Sozialamt nicht wissen konnte, ob die Klägerin  nicht in der Zeit zwischen dem Hausbesuch und dem Auszug am 31.01.2000 ihren Hausstand komplettiert hatte. Ferner kann die Klägerin nicht damit gehört werden, für den Hilfeanspruch sei es doch unerheblich, welche einzelnen Gegenstände im Falle einer Wohnungslosigkeit eingelagert wurden, weil doch ihr gesamter Hausstand habe eingelagert werden müssen. Denn ein Hilfeempfänger hat nicht für das Unterstellen jeglicher  Gegenstände einen Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Nds. OVG hat in seinem Beschluss vom 04.12.2000 (4 M 3681/00, NJW 2001, 1155f), dessen Begründung sich die Kammer anschließt, den Anspruch konkretisiert und ausgeführt, dass die Kosten der Lagerung von Mobiliar und Hausrat den Kosten der Unterkunft zuzurechnen seien, was ihre Übernahme aus Mitteln der Sozialhilfe deshalb nach § 15 a BSHG grundsätzlich ermögliche. Voraussetzung für eine Kostenübernahme sei aber, dass die Aufbewahrung der Gegenstände nach deren Art und Menge und hinsichtlich der Kosten sozialhilferechtlich angemessen und die Lagerung auch notwendig ist. Dies trifft zwar für Möbel in der Regel zu, nicht aber generell für „Kleidung, Bücher und persönliche Unterlagen“. Die Klägerin hätte dem Sozialamt vor Beauftragung der Spedition mitteilen müssen, welche Gegenstände sie einzulagern gedenke und welchen Inhalt die Umzugskartons hätten (dies hat die Klägerin - ohne dass es darauf rechtlich noch ankäme - im Übrigen auch nicht gegenüber dem Gericht vorgetragen), um eine Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen zu ermöglichen.

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Unabhängig davon und selbständig die Entscheidung tragend hat die Klage aber auch dann keinen Erfolg, wenn man mit der Klägerin davon ausgehen würde, dass bis zum Einzug in die neue Wohnung am 21.02.2000 ein Hilfebedarf grundsätzlich vorgelegen hätte. Denn der streitbefangene Bedarfszeitraum ist bereits vom ablehnenden Bescheid der Stadt E. vom 23.02.2000 erfasst und abschließend (zu Lasten der Klägerin) beschieden worden. Insoweit wird auf das bei der Kammer anhängige Verfahren 2 A 2239/02 gleichen Rubrums, insbesondere auf das Urteil vom 25.02.2004 Bezug genommen. Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung überreichten Rechnung der Spedition N. vom 14.03.2000 rechnete diese nämlich die Unterstellkosten gegenüber der Klägerin monatlich ab, so dass die kompletten Unterstellkosten für Februar 2000 Regelungsgegenstand des Bescheides vom 23.02.2000 geworden sind.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.