Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.01.2001, Az.: 2 K 817/98

Verlustrücktrag nach Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht wegen negativer Einnahmen aufgrund Nettolohnvereinbarung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.01.2001
Aktenzeichen
2 K 817/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 24228
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0117.2K817.98.0A

Fundstellen

  • DStRE 2001, 960-961 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2001, 1136
  • IWB 2001, 1085
  • NWB DokSt 2001, 1191
  • StLex 2002

Tatbestand

1

Streitig ist, in welcher Höhe ein Verlustrücktrag nach Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht wegen einer bestehenden Nettolohnvereinbarung zu berücksichtigen ist.

2

Der Kläger war im Streitjahr (1995) bei der T-GmbH beschäftigt. Sein Gehalt erhielt er aufgrund einer Nettolohnvereinbarung, nach der sämtliche Steuererstattungen im Wege der Abtretung dem Arbeitgeber zustanden.

3

Die unbeschränkte Steuerpflicht der Kläger endete durch den Wegzug nach Japan am 25. März 1995. Für die Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht gaben die Kläger eine Einkommensteuererklärung ab. Der Beklagte veranlagte die Kläger erklärungsgemäß. Aufgrund des ergangenen Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr 1995 ergab sich eine Erstattung an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 23.837,00 DM, die in 1997 abtretungsgemäß an den Arbeitgeber des Klägers ausgezahlt wurde.

4

Ende 1997 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr 1995. Sie wollten, dass die im Rahmen der Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber des Klägers abgetretenen und ausgezahlten Beträge als Verlustrücktrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Streitjahrs abgezogen werden. Es handele sich bei diesen Beträgen um negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die mangels anderer inländischer Einkünfte der Kläger in 1997 im Wege des Verlustrücktrags zu berücksichtigen seien. Da sich hierdurch wiederum eine Erstattung ergäbe, die zu einem erneuten Verlustrücktrag führen würde, sei deshalb im Wege eines Abtastverfahrens die Höhe des Verlustrücktrags zu ermitteln und die Einkommensteuer auf 594,00 DM festzusetzen.

5

Der Beklagte änderte in 1998 den Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs 1995. Er berücksichtigte dabei einen Verlustrücktrag aus 1997 nur in Höhe des in 1997 erstatteten Betrags von 23.837,00 DM. Aus dem neuen Bescheid ergab sich wiederum eine Erstattung (insgesamt 5.611,00 DM), die in 1998 ausgezahlt wurde. Eine weitere Berücksichtigung dieser Erstattung im Wege des Verlustrücktrags für das Streitjahr verweigerte der Beklagte.

6

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Kläger sind der Meinung, dass allein die Antragstellung noch in 1997 ausgereicht habe, damit die im Wege des Verlustrücktrags zu berücksichtigenden Beträge analog Abschnitt 122 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) hochgerechnet werden könnten. Die Kläger berufen sich dazu auf eine Verwaltungsanweisung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf, wonach es einem Steuerpflichtigen nicht angelastet werden dürfe, wenn sich allein aus verfahrenstechnischen Gründen ein aus der mehrfachen Berichtigung eines Einkommensteuerbescheids resultierender Verlustrücktrag ggf. steuerlich allein deshalb nicht mehr auswirkt, weil die Änderungsbescheide in verschiedenen Veranlagungszeiträumen ergehen. Auch hätte der Verlustrücktrag in 1997 bereits von Amts wegen durchgeführt werden müssen, da die Veranlagung der Kläger für das Streitjahr eine Pflichtveranlagung gewesen sei. Die erst nach Antragstellung verspätete Durchführung des Verlustrücktrags in 1998 gehe deshalb nicht zu Lasten der Kläger.

7

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1995 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 10. November 1998 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags in Höhe von 30.736,00 DM festzusetzen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, dass für die in 1998 an den Arbeitgeber zurückgezahlten Erstattungsbeträge ein Verlustrücktrag in das Streitjahr nicht möglich sei, da der Verlustrücktrag auf die beiden dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen Veranlagungszeiträume beschränkt sei. Eine Verwaltungsvereinfachung in analoger Anwendung des Abschnitts 122 LStR komme nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift wäre eine Hochrechnung der Erstattungsbeträge unter anschließender Durchführung eines einmaligen Verlustrücktrags nur möglich, wenn dadurch ein mehrfacher Verlustrücktrag innerhalb eines Kalenderjahrs vermieden würde. Da hier jedoch aus dem durch Verlustrücktrag aus 1997 geänderten Bescheid erst im Jahr 1998 erstattet wurde, sei eine Hochrechnung ausgeschlossen gewesen. Der Verlustrücktrag hätte erst nach Ablauf des Jahres 1997 durchgeführt werden können, da erst zu diesem Zeitpunkt feststand, dass in 1997 tatsächlich ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte entstanden sei. Dass sich ein Verlustrücktrag aus 1998 mangels positiver Einkünfte in 1996 nicht mehr auswirke, ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung und biete keinen Raum für Billigkeitsmaßnahmen, da der Gesetzgeber derartige Härten bei der Ausgestaltung des § 10 d Einkommensteuergesetz (EStG) bewusst in Kauf genommen habe.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht die Berücksichtigung eines (höheren) Verlustrücktrags für das Streitjahr abgelehnt. Denn ein Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 in das Streitjahr steht den Klägern nicht zu.

11

Zwar sind nach § 10 d Abs. 1 Satz 1 1. Hs. EStG Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen.

12

Ein Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 ist jedoch ausgeschlossen, weil ein berücksichtigungsfähiger Verlust nicht vorhanden ist. Denn die Kläger unterliegen hinsichtlich des Verlustabzugs Beschränkungen, da sie seit der Aufgabe ihres Wohnsitzes im Inland am 25. März 1995 nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sind und im Jahr 1997 inländische Einkünfte erzielten. Besteht aber im Verlustentstehungsjahr beschränkte Steuerpflicht, so sind Verluste aus diesem Jahr nur abzugsfähig, sofern sie die Voraussetzungen des § 50 EStG erfüllen.

13

Bei Einkünften, die dem Steuerabzug unterliegen, und bei Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 EStG ist nämlich nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG für beschränkt Steuerpflichtige ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten nicht zulässig. Nach Satz 2 dieser Vorschrift dürfen Einkünfte im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift bei einem Verlustabzug nicht berücksichtigt werden.

14

Die aufgrund der Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber abgetretenen Steuererstattungen sind (negative) Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Diese Einnahmen unterliegen als inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr.4 EStG der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG.

15

Diese inländischen Einkünfte des Klägers bleiben jedoch nach § 50 Abs.2 Satz 2 EStG bei einem Verlustabzug unberücksichtigt, da es sich insoweit um ihrer Art nach steuerabzugspflichtige Einkünfte handelt.

16

Die T-GmbH wäre als inländischer Arbeitgeber nach § 38 Abs.1 Nr.1, 39d EStG verpflichtet gewesen, im Falle positiver Einkünfte des Klägers einen Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Dass wegen der negativen Einkünfte ein Lohnsteuerabzug tatsächlich nicht vorzunehmen war, führt zu keinem anderen Ergebnis, da es für die Anwendung des § 50 Abs.2 EStG nur auf die Art der Einkünfte ankommt, nicht jedoch auf deren Höhe.

17

Diese Auslegung des § 50 Abs. 2 EStG entspricht dem Wortlaut des Gesetzes (so auch Hermann/Heuer/Raupach (H/H/R), EStG § 50 Anm.86) und dem für Arbeitslohn geltenden Bruttoprinzip des § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG. Sinn und Zweck dieses Bruttoprinzips ist nämlich nicht nur, eine Mindestbesteuerung sicherzustellen (so jedoch OFD Düsseldorf, S 2367 A St 122/St 1221 vom 27. März 2000, Steuereildienst 2000, 310 und OFD Hannover, S 2332 14 StH 212/S 2332 7 StO 211 vom 19. Februar 1998, Steuereildienst 1998, 203), sondern auch, beschränkt Steuerpflichtige mit ausschließlich steuerabzugspflichtigen inländischen Einkünften von der Veranlagung zur Einkommensteuer auszunehmen und die Steuer mit dem Steuerabzug abzugelten. So hat es der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 17. April 1996, I R 78/95, BStBl. II 1996, 571 unter Berufung auf § 50 Abs.2 Satz 2 EStG abgelehnt, in der Zeit der beschränkten Steuerpflicht gezahlte Schuldzinsen (Werbungskosten) gemäß § 10 d EStG zu berücksichtigen, da die maßgeblichen Einnahmen dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Der Rechtsauffassung, dass ein Verlustrücktrag nur für Werbungskosten, nicht jedoch für negative Einnahmen ausgeschlossen sei (vgl. o.g. Verwaltungsanweisungen), kann nicht gefolgt werden. § 50 Abs.2 Satz 2 EStG verwendet den Begriff der Einkünfte, der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG die Begriffe Einnahmen und Werbungskosten gleichermaßen umfasst.

18

Durch die Nichtberücksichtigung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit verbleibt im Jahr 1997 kein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte. Es steht somit auch kein rücktragsfähiger Betrag zur Verfügung, der im Streitjahr hätte berücksichtigt werden können. Dass der Beklagte trotzdem einen Verlustrücktrag berücksichtigt hat, führt zu keiner Änderung des angefochtenen Bescheids, da das Gericht an einer verbösernden Entscheidung gehindert ist.

19

Entgegen der Auffassung der Kläger rechtfertigt die von ihnen zitierte Verfügung der im Übrigen für das beklagte Finanzamt nicht zuständigen Oberfinanzdirektion Düsseldorf kein anderes Ergebnis. Bei der zitierten Regelung handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme. Ob die Versagung des Verlustabzuges unbillig ist, kann im anhängigen Verfahren, das allein die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zum Gegenstand hat, nicht geprüft werden. Die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung (§ 163 AO) oder einen Erlass (§ 227 AO) aus Billigkeitsgründen ist Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens (BFH-Urteil vom 18. November 1998, X R 110/95, BStBl. II 1999, 225), das hier noch nicht durchgeführt worden ist. Das Finanzamt hat im angefochtenen Bescheid, ebenso wie im Einspruchsbescheid erkennbar, nur über die Veranlagung der Kläger entschieden und keine Billigkeitswägungen angestellt.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO).