Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.01.2001, Az.: 4 K 180/97
Werbungskostenabzug bei Abgeordnetenentschädigung mit Abgeltungscharakter
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 31.01.2001
- Aktenzeichen
- 4 K 180/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14673
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0131.4K180.97.0A
Fundstellen
- EFG 2001, 1048-1049 (Volltext mit red. LS)
- NWB DokSt 2001, 1183
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger seine mandatsveranlassten Aufwendungen als Werbungskosten von seinen Abgeordnetenbezügen abziehen kann, soweit diese Aufwendungen die gewährten steuerfreien Aufwandsentschädigungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nds. Abgeordnetengesetz (Nds. AbgG) übersteigen.
Der Kläger war im Jahr 1995 (Streitjahr) u.a. Abgeordneter des Niedersächsischen Landtags (Nds. LT). In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er bei seinen Abgeordnetenbezügen durch das Mandat veranlasste Aufwendungen in Höhe von ..... DM als Werbungskosten geltend. Es handelt sich dabei um den Betrag, um den die mandatsbedingten Aufwendungen die nach § 7 Nds. AbgG gewährten Entschädigungen in Höhe von ..... DM übersteigen.
Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte entgegen der Handhabung in den Vorjahren - den begehrten Werbungskostenabzug unter Hinweis auf§ 22 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ab.
Dagegen richtet sich nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren die Klage. Das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG greife nicht. Die nach § 7 Nds. AbgG gewährten Aufwandsentschädigungen hätten keinen Abgeltungscharakter, so daß der überschießende Aufwand als Werbungskosten zu berücksichtigen sei. Im übrigen würden durch eine strikte Anwendung des Abzugsverbots des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG die Abgeordneten des Nds. LT im Vergleich zu Landtagsabgeordneten anderer Länder, wie zum Beispiel zu denen des Freistaates Bayern, wo weit höhere steuerfreie Aufwandsentschädigungen gewährt werden, ungleich stärker belastet.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einspruchsbescheid vom 26.02.1997 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 02.12.1996 in der Weise zu ändern, daß unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von ..... DM bei den sonstigen Einkünften die Einkommensteuer 1995 anderweitig festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner Entscheidung fest. Nach dem Erlass des Nds. Ministers der Finanzen vom 04.05.1994 S 2337 55 351 (DStR 1994, 825; FR 1994, 549) sei die Abzugssperre des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG ab 01.01.1995 auch auf steuerfreie Aufwandsentschädigungen der Abgeordneten des Nds. LT anzuwenden.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat zutreffend den vom Kläger begehrten Werbungskostenabzug bei seinen Abgeordnetenbezügen abgelehnt.
Die Bezüge aufgrund des Abgeordnetengesetzes des Bundes oder aufgrund der entsprechenden Gesetze der Länder unterliegen als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 4 Satz 1 EStG). Werden zur Abgeltung des durch das Mandat veranlassten Aufwandes Aufwandsentschädigungen gezahlt, so dürfen die durch das Mandat veranlassten Aufwendungen nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 22 Nr. 4 Satz 2 EStG). Diese Regelungen gelten seit dem 01.01.1978 auch für Entschädigungen an Abgeordnete des Nds. LT aufgrund des Nds. AbgG (§ 52 Abs. 22 a.F. i.V. mit§ 38 Nds. AbgG - Nds. GVBl 1978, 101 -).
Das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG korrespondiert systemgerecht mit der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 12 EStG. Während einerseits nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG die Aufwandsentschädigungen aufgrund der Abgeordnetengesetze des Bundes und der entsprechenden Gesetze der Länder steuerfrei sind, dürfen anderseits die durch das Mandat eines Abgeordneten veranlaßten und durch die Aufwandsentschädigung als abgegolten geltenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten abgezogen werden. In Konsequenz zu dieser Regelung geht § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG über das Abzugsverbot des§ 3 c EStG hinaus. Während nach der letztgenannten Vorschrift der Abzug nur verboten ist, soweit die Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen zusammenhängen, schließt § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG den Abzug jeglicher abgegoltener mandatsveranlasster Aufwendungen aus. Dies gilt unabhängig davon, ob die gewährten Aufwandsentschädigungen im Einzelfall die aufgewendeten Beträge der Art oder der Höhe nach deckt oder nicht (vgl. BFH BStBl II 1983, 601).
Das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG ist daher nur dann nicht anzuwenden, wenn der betreffende Abgeordnete nach den Abgeordnetengesetzen des Bundes oder der entsprechenden Gesetze der Länder keinen Anspruch auf Aufwandsentschädigung hat oder die zu beanspruchende Aufwandsentschädigung keinen Abgeltungscharakter hat (vgl. amtliche Begründung zum Entwurf des Abgeordnetengesetzes - BT-Drucks. 7/5531 S. 26 -).
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor; denn diese dem Kläger nach § 7 Nds. AbgG gewährten Aufwandsentschädigungen kommt Abgeltungscharakter für die mandatsveranlassten Aufwendungen zu.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nds. AbgG erhält der Abgeordnete monatlich eine pauschale Aufwandsentschädigung (ab Februar 1995: 1.870,00 DM, davor: 1.800,00 DM). Mit dieser Aufwandsentschädigung soll der betreffende Abgeordnete in die Lage versetzt werden, auch die vielfältigen, nur mit erheblichem Aufwand nachzuweisenden und zu berechnenden mandatsveranlassten Kosten, die nicht bereits nach den §§ 8 ff Nds. AbgG zu entschädigen oder mit Zuschüssen zu bedenken sind, zu tragen. Dazu gehören insbesondere die Unterhaltung eines Büros im Wahlkreis, die Beschäftigung einer Schreibkraft, die Öffentlichkeitsarbeit, sonstige Post- und Fernmeldegebühren, Fahrten in den Wahlkreis usw.
Nach der Begründung der Gesetzesvorlage zum Nds. AbgG der Fraktionen der CDU, SPD und FDP vom 09.02.1977 (Drucks. 8/2260) sollte die vorgesehene Aufwandsentschädigung nicht zur Abgeltung der Kosten gewährt werden; der betreffende Abgeordnete sollte vielmehr Aufwendungen, die über die Entschädigung hinausgehen, steuerrechtlich als Werbungskosten geltend machen können. Der hiernach beabsichtigte fehlende Abgeltungscharakter der Aufwandsentschädigung hat jedoch im dem Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden. Die in § 7 Abs. 1 Satz1 Nds. AbgG gewählte Art der Entschädigung durch eine Pauschale spricht für das Gegenteil. Bei einer Pauschale handelt es sich um einen Geldbetrag, durch den Aufwendungen, die sich aus verschiedenen einzelnen Positionen zusammensetzen, ohne Spezifizierung abgegolten werden (vgl. auch Brockhaus Enzyklopädie 1996 Pauschale: ... Geldbetrag, durch den eine Leistung, die sich aus verschiedenen einzelnen Posten zusammensetzt, ohne Spezifizierung (nach ihrem Durchschnittswert) abgegolten wird.). Eine Pauschale hat daher stets Abgeltungscharakter. Der Abgeltungscharakter einer Pauschale kann allerdings genommen werden, wenn das betreffende Gesetz die Möglichkeit des Verzichts auf die Pauschale vorsieht oder eine Regelung des Inhalts enthält, daß bei höheren Aufwendungen die Pauschale als Zuschuß anzusehen ist. Ein solche oder anderweitige ähnliche Regelung hat der Nds. Gesetzgeber jedoch nicht getroffen; er ließ es vielmehr bei der Pauschale bewenden.
Daß nach § 7 Abs. 2 Nds. AbgG auf Antrag bestimmte Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Beschäftigung einer Schreibkraft gewährt werden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Aufwendungen für die Beschäftigung einer Schreibkraft unterfallen der pauschalen Aufwandentschädigung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nds. AbgG. Der Zuschuß nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Nds. AbgG bildet lediglich eine besondere Entlastung innerhalb der pauschalen Aufwandsentschädigung des § 7 Abs. 1 Nds. AbgG, die die Klammer um sämtliche mandatsveranlasste Aufwendungen bildet, die nicht gesondert nach §§ 8 ff Nds. AbgG entschädigt oder mit Zuschüssen bedachten werden.
Bei Anwendung der dargestellten Grundsätze ergibt sich für den Streitfall, daß dem Kläger der geltend gemachte Werbungskostenabzug nicht zusteht. Denn die unstreitig § 7 Abs. 1 Nds. AbgG unterfallenden mandatsveranlassten Aufwendungen sind bereits mit der steuerfreien Aufwandsentschädigung abgegolten.
Aus dem Umstand, dass Abgeordnete anderer Bundesländer möglicherweise höhere pauschale Aufwandsentschädigungen erhalten als die Abgeordneten des Landes Niedersachsen, kann der Kläger nichts für sich herleiten. Es ist allein Sache des Gesetzgebers des einzelnen Bundeslandes, das Ob und das Wie der Entschädigung seiner Abgeordneten zu regeln. Aus dem Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG lässt sich eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung der Abgeordneten unter den Bundesländern nicht herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.