Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.01.2001, Az.: 11 K 236/98
Anwendung der Tarifbegünstigung gem. § 32c Einkommensteuergesetz (EStG) auf gewerbliche Einkünfte i.S.v. § 4 Abs. 4 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.01.2001
- Aktenzeichen
- 11 K 236/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30944
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0124.11K236.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: IV B 27/08
Rechtsgrundlagen
- § 32c EStG
- § 4 Abs. 4 UmwStG
- § 14 S. 1 UmwStG
Verfahrensgegenstand
Feststellungsbescheid 1996
Keine Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. bei Übernahmegewinn gemäß § 4 Abs. 4 UmwStG
Tatbestand
Streitig ist die Anwendung der Tarifbegünstigung gemäß § 32c Einkommensteuergesetz (EStG) auf gewerbliche Einkünfte im Sinne von § 4 Abs. 4 Umwandlungsteuergesetz 1995 (UmwStG).
Der Kläger ist Kommanditist der H GmbH & Co. KG (KG), die im Wege einer formwechselnden Umwandlung zum 31. Dezember 1996 aus dem bislang in der Rechtsform einer GmbH geführten Unternehmen entstanden ist.
Mit Feststellungsbescheid vom 24. November 1997 stellte der Beklagte den auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil auf __ DM fest und versagte diesbezüglich die Anwendung der Tarifbegrenzung des § 32c EStG a.F.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 1999 änderte der Beklagte den ursprünglichen Feststellungsbescheid und erhöhte die auf den Kläger entfallenden gewerblichen Einkünfte um __ DM. Der Kläger hat den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Der Kläger ist der Auffassung, die Tarifbegrenzung sei insbesondere sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach deren Sinn und Zweck zu gewähren.
Weder § 4 noch § 18 UmwStG sei in der Aufzählung des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG a.F., der die Ausnahmen von der Tarifbegrenzung regele, enthalten. Zu Prüfen sei deshalb § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG a.F., der dem Wortlaut nach jedoch nicht erfüllt sei.
Zwar handele es sich bei dem hier streitigen Ergebnisanteil um "gewerbliche Einkünfte" in Form eines Gewinnanteil im Sinne von § 7 Gewerbesteuergesetz (GewStG). Dieser müsse jedoch auch "der Gewerbesteuer unterliegen", was vorliegend nicht der Fall sei. "Unterliegen" meine nicht notwendigerweise, dass die Gewerbesteuer tatsächlich erhoben werde. Maßgebend sei allein, dass es sich um gewerbliche Einkünfte handele, die dem Grunde nach der Gewerbesteuer unterlägen. Die "Nichterfassung" des Übernahmegewinns nach § 18 Abs. 2 UmwStG habe zwar zur Folge, dass keine Gewerbesteuer entstehe. Damit werde aber lediglich ein grundsätzlich der Gewerbesteuer unterliegender Gewinn von der Steuererhebung ausgenommen. "Nichterfassung" sei somit nicht gleichbedeutend mit "Steuerbefreiung". Wenn steuerbefreite Erträge zur Versagung des § 32c EStG a.F. führten, könne dies nicht für eine andere Terminologie gelten.
Auch werde in § 32c EStG a.F. i.V.m. § 7 GewStG nicht auf den "Gewerbeertrag", sondern auf den "gewerbesteuerlichen Gewinn" abgestellt. Vorliegend sei der Übernahmegewinn aber gerade Bestandteil des gewerbesteuerlichen Gewinns und werde erst auf einer nachfolgenden Stufe nach § 18 Abs. 2 UmwStG nichterfasst.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, die Ausnahmevorschrift des § 18 Abs. 4 UmwStG, wonach die Vergünstigung des § 18 Abs. 2 UmwStG rückwirkend aufzuheben sei, wenn innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung eine Veräußerung oder eine Aufgabe erfolge, bedinge ebenfalls eine Anwendung der Tarifermäßigung. Die Gewerbesteuerpflicht des Übernahmegewinns bestehe nämlich (zunächst) abstrakt fort.
Auch Sinn und Zweck der Tarifbegünstigung - die Begrenzung der hohen ertragsteuerlichen Grenzbelastung der Betriebe - sprächen für eine Gewährung im vorliegenden Fall.
Der Kläger beantragt,
den Feststellungsbescheid für 1996 vom 4. Oktober 1999 dahingehend zu ändern, dass der Übernahmegewinn nach § 4 UmwStG i.H.v. insgesamt __ DM als begünstigte Einkünfte i.S.d. § 32c EStG festgestellt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest, nach der der Übernahmegewinn nicht nach § 32c EStG a.F. tarifbegünstigt sei, weil er tatsächlich nicht gewerbesteuerlich zu erfassen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Feststellungsbescheid für 1996 vom 4. Oktober 1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der auf den Kläger entfallende Übernahmegewinn nach § 4 Abs. 4 UmwStG unterliegt nicht der Tarifbegrenzung des § 32c EStG a.F.
Eine Tarifbegrenzung kommt nach § 32c Abs. 1 und 2 EStG a.F. nur für gewerbliche Einkünfte in Betracht, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer unterliegen. Dies ist bei einem Übernahmegewinn im Sinne von § 4 Abs. 4 UmwStG, der im Falle der formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft gemäß § 14 Satz 1 UmwStG entsprechend anwendbar ist, nicht der Fall.
Zwar handelt es sich bei diesem speziellen Umwandlungsgewinn um gewerbliche Einkünfte. Diese "unterliegen" jedoch nicht - wie vom Gesetz gefordert - der Gewerbesteuer.
§ 7 GewStG definiert den Gewerbeertrag zunächst als den "nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, ..., vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge."
Dabei ist § 7 GewStG auch für Umwandlungsgewinne die grundlegende Vorschrift zur Ermittlung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag, da sich die Ermittlung des Gewerbeertrags zwar nach § 18 UmwStG richtet, jedoch die allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften gelten, soweit sie nicht durch § 18 UmwStG modifiziert bzw. ergänzt werden.
Der Übernahmegewinn ist dann allerdings durch § 18 Abs. 2 UmwStG ausdrücklich von der Gewerbesteuer ausgenommen. Hiernach ist er bei der Gewerbesteuer nicht "zu erfassen" und bleibt daher bei der Ermittlung der Gewerbesteuer von vornherein unberücksichtigt. Da der Übernahmegewinn somit nicht zum Gewerbeertrag gehört und demzufolge auch nicht der Gewerbesteuer unterliegt, ist die Vorschrift des § 32c EStG a.F. bereits ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar (so auch Gosch, StBP 1998, 194; vgl. auch FG Münster, Urteil v. 1. Dezember 1997 5 K 5860/96 F, EFG 1998, 1083; FG Köln, Urteil v. 2. September 1998 3 K 9994/97, GmbHR 1999, 310; im Ergebnis ebenso FG Hamburg, Urteil v. 26. Februar 1999, EFG 1999, Seite 647).
Die Formulierung des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG bezweckt, nur solche Gewinne zu erfassen, die auch tatsächlich der Gewerbesteuer unterliegen, folglich mit Gewerbesteuer belastet sind (BT-Drucks. 12/5016, 88). Angesichts des Ausnahmecharakters kann die Vorschrift nach Auffassung des Senats nur in dem Sinne verstanden werden, dass eine konkrete Belastung für die Anwendung erforderlich ist (so bspw. bereits Schmidt-Glanegger, 13. Auflage 1994, § 32c Anm. 5e vor 1995). Ob ein Gewinn nicht der Gewerbesteuer "unterliegt", weil er von dieser nach dem Gewerbesteuergesetz befreit oder aufgrund einer spezialgesetzlichen, die allgemeinen Regeln modifizierenden Sondervorschrift ausgenommen ist, kann deshalb kein Differenzierungskriterium sein.
Auch eine Unterscheidung zwischen "Gewinn" und "Gewerbeertrag" überzeugt aus diesem Grund nicht. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der ertragsteuerlichen Begünstigung in § 32c EStG und der verfahrensmäßigen Verselbstständigung von ertragsteuer- und gewerbesteuerrechtlichen Ermittlungsvorschriften muss nach Auffassung des Senats eine Gesamtbetrachtung erfolgen, ob ein Gewinn der Gewerbesteuer nach § 7 GewStG unterliegt (siehe auch Gosch a.a.O.). Durch das Zusammenspiel von § 18 UmwStG und den Vorschriften des GewStG ist dies in Bezug auf den Übernahmegewinn aber gerade nicht der Fall.
Der Bundesfinanzhof (BFH) versteht die Formulierung des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG ebenfalls in dem Sinne, dass die dortige Verweisung dazu dient, solche Gewinne von der Tarifbegünstigung auszuschließen, die zwar gewerbliche Einkünfte darstellen, aber gleichwohl der Gewerbesteuer sachlich nicht unterliegen (BFH-Urteil v. 1. März 2001 IV R 24/00, BStBl II 2001, 486). Zwar betrifft diese Entscheidung, unmittelbar die Frage, ob die Tarifbegrenzung für "gewerbesteuerbefreite" Einkünfte zu gewähren ist. Der BFH stellt - auch unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung - jedoch ausdrücklich darauf ab, dass es letztlich nicht zu einer "Ermittlung des Gewerbeertrags" nach § 7 GewStG kam und verdeutlicht in seinem Orientierungssatz zudem, dass die Entscheidung nicht auf (die in BT-Drucks. 12/5016, 88 beispielhaft genannten) Gewerbesteuerbefreiungen begrenzt ist.
An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass § 18 Abs. 2 UmwStG nicht in dem Ausnahmekatalog des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. aufgeführt ist.
Ein diesbezüglicher Verweis auf § 18 Abs. 2 UmwStG wäre nur erforderlich gewesen, wenn man in Bezug auf den Übernahmegewinn zunächst den Anwendungsbereich des § 32c EStG grundsätzlich für eröffnet sähe. Da dies nach dem Vorgesagten für den Übernahmegewinn i.S.v. § 4 Abs. 4 UmwStG von vornherein nicht der Fall ist, brauchte der Gesetzgeber § 18 Abs. 2 UmwStG demzufolge nicht in den Katalog des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. aufnehmen (ebenso FG Münster a.a.O.; FG Köln a.a.O.; Gosch a.a.O.).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht durch § 18 Abs. 4 UmwStG.
Danach unterliegt ein Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer, wenn der Betrieb innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung aufgegeben oder veräußert wird.
Bei § 18 Abs. 4 UmwStG handelt es sich um eine besondere "Missbrauchsregelung". Die Vorschrift bezweckt, eine Vermeidung der Gewerbesteuer auf den Liquidationsgewinn zu verhindern, die sich andernfalls durch (kurzfristige) Umwandlung einer Körperschaft in eine Personengesellschaft erreichen ließe. Ein Gewinn aus der Auflösung oder der Veräußerung des Betriebs der Personengesellschaft unterliegt deshalb - abweichend von den allgemeinen gewerbesteuerlichen Vorschriften - innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung der Körperschaft der Gewerbesteuer (Klingenberg in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 18 UmwStG 1995 Rz. 6).
Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers geht schon deshalb fehl, weil bei einem Verstoß gegen die Fünfjahresfrist des § 18 Abs. 4 UmwStG somit nicht - wie argumentiert - der Übernahmegewinn rückwirkend der Besteuerung unterzogen wird. Die Missbrauchsklausel des § 18 Abs. 4 UmwStG sieht vielmehr vor, dass der Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn ausnahmsweise selbst der Gewerbesteuer unterliegt. § 18 Abs. 4 UmwStG erfasst die stillen Reserven im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe, nicht im Zeitpunkt der Umwandlung (BMF v. 25. 3. 98, BStBl I 98, 268 , Tz. 18.07). Es kommt gerade nicht zu einer Nachversteuerung des Umwandlungsvorganges (Klingenberg in Blümich a.a.O., § 18 UmwStG 1995, Rz. 35). Aus der Vorschrift des § 18 Abs. 4 UmwStG lassen sich deshalb keine Gründe für eine Anwendung der Tarifbegrenzung auf den hier in Streit stehenden Übernahmegewinn herleiten.
Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck des § 32c EStG a.F. gegen eine Anwendung auf den Übernahmegewinn i.S.v. § 4 Abs. 4 UmwStG.
Ziel der Tarifbegrenzung war es, einen Ausgleich für die Gewerbesteuerbelastung zu schaffen. Wenn ein grundsätzlich der Gewerbesteuer unterliegender Gewinn aber von dieser bereits vollständig freigestellt ist, bedarf es nicht auch noch einer einkommensteuerrechtlichen Begünstigung in Form eines Entlastungsbetrages (FG Köln a.a.O.; Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32c EStG Anm. 32). Infolge der tatsächlichen Nichterfassung des Übernahmegewinns nach § 18 Abs. 2 UmwStG konnte es vorliegend gar nicht zu einem Zusammentreffen von Gewerbeertragsteuer und Einkommensteuerhöchstsatz kommen, das durch § 32c EStG a.F. gemildert werden sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.