Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.01.2001, Az.: 9 K 234/99
Eigenheimzulage für Eigentumswohnung in einem Ferienhausgebiet und Wochenendhausgebiet
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.01.2001
- Aktenzeichen
- 9 K 234/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14645
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0124.9K234.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 1 S. 1 EigenheimZulG
Fundstellen
- DStRE 2001, 467-469 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2001, 482-483 (Volltext mit red. LS)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger 1997 erworbene Eigentumswohnung ein begünstigtes Objekt im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes ist und ihm deshalb Eigenheimzulage zu gewähren ist.
Der Kläger war im Streitjahr 1997 ledig. Er bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Durch Kaufvertrag vom 5. Juni 1997 erwarb er eine von zwei Eigentumswohnungen im Gebäude W. in R.. Der Kaufpreis betrug DM. Nutzen und Lasten gingen nach dem Kaufvertrag zum 20. November 1997 über. Seit 29. Dezember 1997 nutzt der Kläger die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken und ist dort seit dem 23. Dezember 1997 amtlich gemeldet.
Seinen Antrag auf Gewährung von Eigenheimzulage vom 29. Mai 1998 lehnte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ab, weil das Haus/die Wohnung in einem bauplanungsrechtlich als Sondernutzungsgebiet (Ferien- und Wochenendhausgebiet) ausgewiesenen Bereich liege.
Im Einspruchsverfahren bemühte sich der Kläger zunächst eine Bescheinigung der Samtgemeinde und des Landkreises zu erhalten, aus der hervorgehen sollte, dass das Grundstück dauerhaft bewohnt werden dürfe. Dem Kläger gelang es jedoch nicht, eine solche Bescheinigung zu erhalten. Er legte statt dessen dem FA ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 27. Mai 1975 (III A 77/74) vor, mit dem der Voreigentümer und Bauherr des ursprünglichen Einfamilienhauses die Anerkennung des Gebäudes als steuerbegünstigt im Sinne des II. Wohnungsbaugesetzes erstritten hatte.
Im Jahr 1973 hatte der Voreigentümer den Antrag auf Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung gestellt. Der Landkreis lehnte diesen Antrag ab, weil das Gebäude in einem ausgewiesenen Wochenendhausgebiet liege und in Wochenendhausgebieten liegende Wohnungen nicht als steuerbegünstigt anerkannt werden könnten. Der Voreigentümer hatte mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Gericht führte damals aus, dass das vom Voreigentümer errichtete Haus unstreitig im Geltungsbereich des Bebauungsplanes "W." der Gemeinde V. liege. Dass das Baugebiet als Wochenendhausgebiet ausgewiesen worden sei, stehe einer Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung aber nicht entgegen. Dem Voreigentümer sei nämlich entgegen dieser bauplanungsrechtlichen Lage die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses genehmigt worden. Maßgeblich für die baurechtlich zulässige Nutzung eines Hauses sei nicht die planungsrechtliche Lage, sondern die verbindliche Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde über die jeweilige Nutzung. Dass die Baugenehmigung eine Nutzung erlaube, die planungsrechtlich an sich nicht vorgesehen sei, stehe einer Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung nicht entgegen.
Der Einspruch des Klägers hatte trotz des vorgelegten Urteils aus dem Verwaltungsrechtsstreit des Voreigentümers keinen Erfolg.
Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, er könne zwar keine aktuelle Bescheinigung der zuständigen Behörden bekommen, dass die von ihm genutzte Wohnung zum dauerhaften Wohnen geeignet sei, doch müsse auf Grund der früheren Anerkennung als begünstigte Wohnung im Sinne des Wohnungsbaugesetzes steuerrechtlich heute die Konsequenz gezogen werden, die Wohnung als begünstigtes Objekt nach dem Eigenheimzulagengesetz anzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 10. August 1998 und der Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 1999 zu verpflichten, seinem Antrag auf Gewährung von Eigenheimzulage stattzugeben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner im Rechtsbehelfsverfahren vertretenen Auffassung, die vom Kläger bewohnte Wohnung erfülle nicht die Voraussetzungen des Eigenheimzulagengesetzes. Sie sei kein begünstigtes Objekt im Sinne dieses Gesetzes, da sie unstreitig in einem bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Sondernutzungsgebiet liege.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Ablehnung der Eigenheimzulage durch das FA ist rechtswidrig. Dem Kläger steht für die streitbefangene Wohnung die Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz zu.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind Ferien- oder Wochenendwohnungen nicht begünstigt.
Wohnungen in einem Sondernutzungsgebiet im Sinne von §§ 1 Abs. 2, 10 der Niedersächsischen Bauverordnung (Ferien- und Wochenendhausgebiete), die baurechtlich nicht dauernd bewohnt werden dürfen, sind nach dem Eigenheimzulagengesetz ausdrücklich nicht begünstigt (vgl. dazu Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 31. Mai 1995 X R 140/93, BFHE 178, 140; BStBl II 1995, 720, schon zu § 10e EStG). Auch nach dem Eigenheimzulagengesetz hängt die Begünstigung einer Wohnung davon ab, ob nach der verbindlichen Entscheidung der zuständigen Behörde die Dauernutzung der Wohnung baurechtlich genehmigt worden ist. Im Streitfall sind die Voraussetzungen dieser sich aus der Lage des Objekts ergebenden Einschränkungen nicht gegeben. Die Wohnung des Klägers ist trotz ihrer Lage in einem Sondernutzungsgebiet ein begünstigtes Objekt nach dem Eigenheimzulagengesetz. Sie ist keine Ferien- oder Wochenendwohung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist unter einer Ferien- und Wochenendwohnung eine Wohnung zu verstehen, die entweder baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden darf oder die sich auf Grund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Wohnen eignet (BFH, Urteile vom 28. März 1990 X R 160/88, BFHE 160, 481; BStBl II 1990, 815, und vom 31. Mai 1995, X R 140/93, BFHE 178, 140; BStBl II 1995, 720). Hinter dieser Einschränkung der Förderung steht die gesetzgeberische Absicht, solche Wohnungen von der Begünstigung auszuschließen, bei denen die Befriedigung des allgemeinen Wohnbedürfnisses nicht im Vordergrund steht (BFH, Urteil vom 18. November 1998 X R 110/95, BStBl II 1999, 225) und die nicht zur Linderung des zunehmenden Wohnraumbedarfs beitragen. Diese Einschränkungen treffen auf alle Wohnungen zu, die mit den materiellen Vorschriften des Baurechts nicht zu vereinbaren sind und deren Beseitigung die zuständige Behörde jeder Zeit fordern kann.
Im Streitfall ergeben sich aus der Bauweise des Hauses keine Bedenken gegen die Zuerkennung der Begünstigung nach dem Eigenheimzulagengesetz. Trotz der Lage in einem Ferien- und Wochenendhausgebiet ist die Wohnung zum dauernden Bewohnen geeignet und wird vom Kläger tatsächlich auch so genutzt. Es ist seine einzige Wohnung.
Die Wohnung verstößt offensichtlich auch nicht gegen materielle Vorschriften des Baurechts. Bei dieser Beurteilung kann es dahin stehen, ob die Lage des Gebäudes in einem Sondernutzungsgebiet und den sich daraus ergebenden Nutzungsbeschränkungen zu den bauplanungsrechtlichen Vorgaben im Widerspruch steht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Nutzung der Wohnung durch den Kläger bereits deshalb nicht materiell baurechtswidrig ist, weil die Baugenehmigungsbehörde dem Rechtsvorgänger die Errichtung und dauernde Nutzung des Gebäudes als Einfamilienwohnhaus genehmigt hatte.
Aus dem vorgelegten Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 27. Mai 1975 (III A 77/74) geht hervor, dass der Rechtsvorgänger des Klägers mit Antrag vom 27. Februar/6. März 1970 die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Bungalow mit Garage und Abstellraum beantragt hat. Mit Bauschein vom 21. Mai 1970 wurde dem Rechtsvorgänger die Erlaubnis erteilt für den "Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage in V., W.". Durch einen Nachtragsbauschein vom 14. Oktober 1970 wurde dem Rechtsvorgänger ferner die Erlaubnis zum Einbau einer Ölheizung in den Bungalow erteilt. Der Vorgänger hat entsprechend den Bauerlaubnissen das Haus errichtet und 1971 als Dauerwohnung bezogen. Das Verwaltungsgericht ging auf Grund dieser Bauerlaubnisse davon aus, dass dem Rechtsvorgänger die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses genehmigt worden war. Maßgeblich für die baurechtlich zulässige Nutzung eines Hauses sei die verbindliche Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde über die Nutzung.
Der erkennende Senat folgt den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts Braunschweig, die auch der späteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprechen, dass bei Wohnungen in Sondernutzungsgebieten der Nachweis der baurechtlich zulässigen Nutzung nur durch eine entsprechende Genehmigung der zuständigen Bau-Behörde erbracht werden könne (BFH, Urteile vom 13. Dezember 1995 X R 103/94, BFH/NV 1996, 536, und vom 18. November 1998 X R 110/95, BStBl II 1999, 225; vgl. auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 7. März 2000, EFG 2000, 673, nicht rechtskräftig; BFH-Az. X R 24/00). Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Streitfall die zuständige Baubehörde nicht die jederzeitige Beseitigung des Hauses oder eine Einschränkung der Nutzung fordern kann. Das Gebäude, in dem sich die Eigentumswohnung des Klägers befindet, erfüllt damit alle Voraussetzungen, die der Gesetzgeber für ein förderwürdiges Objekt im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes fordert.
Dem Kläger kann deshalb die Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz nicht versagt werden.
Die Berechnung der festzusetzenden Eigenheimzulage wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 151 Abs. 3 i.V. mit § 155 FGO und §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Der Senat hielt es für angebracht, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.