Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.01.2001, Az.: 5 K 214/00
Arzt; Beleg; EG; Mitglied; Rechnung; Steuerleichterung; Umsatzsteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.01.2001
- Aktenzeichen
- 5 K 214/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40493
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 11.02.2002 - AZ: V B 53/01
Rechtsgrundlagen
- § 4 Nr 14 UStG
- Art 13A Abs 1 Buchst f EWGRL 388/77
- § 4 Nr 14 UStG
- § 4 Nr 14 UStG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Erstellung von Rechnungen durch ärztliche Abrechnungsstellen für ihre Mitglieder ist keine nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Leistung
Tatbestand:
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein kraft Verleihung. Sein Zweck besteht in der Wahrung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der in ihm zusammengeschlossenen Ärzte und Zahnärzte. Er leistet seinen Mitgliedern Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen, soweit es den Bereich der privatärztlichen Abrechnung betrifft und nicht mit Steuerberatung verbunden ist. Daneben umfasst die Tätigkeit des Klägers die Beratung seiner Mitglieder in Fragen des privatärztlichen Gebühren- und Vertragsrechts. Der Tätigkeitsbereich des Klägers ist ausschließlich auf die Rechnungserstellung der Privatarztpraxis begrenzt. Außerdem gewährt der Kläger seinen Mitgliedern auf die zur Abrechnung übergebenden Honorarforderungen Vorschüsse.
Der Kläger erhebt von seinen Mitgliedern kostendeckende Verwaltungsgebühren, deren Höhe sich im Wesentlichen an der Liquidationshöhe bemisst. Mit dem Verwaltungskostenbeitrag werden alle Leistungen des Klägers gegenüber seinen Mitgliedern abgegolten. Aus den vom Kläger vorgelegten Betriebsabrechnungsbögen für die einzelnen Streitjahre geht hervor, zu welchem Anteil die angefallenen Kosten auf die Rechnungserstellung einschließlich der Zahlungsabwicklung und der Rechenschaftslegung einerseits und auf die Gewährung von Vorschüssen andererseits entfallen.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1988 bis 1991 behandelte der Kläger die auf die Vorschussgewährung entfallenden Verwaltungskostenbeiträge als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 a Umsatzsteuergesetz (UStG). Seine übrigen Umsätze behandelte er als steuerpflichtig. Ab dem Streitjahr 1992 behandelte er daneben die im Zusammenhang mit der Rechnungserteilung erbrachten Leistungen als steuerfrei nach § 4 Nr. 14 UStG. In Höhe der darüber hinaus angefallenen Kosten sah der Kläger in den vereinnahmten Beiträgen Entgelte für eine steuerbefreite Kreditgewährung.
Bei der Durchführung der Umsatzsteuerveranlagungen folgte der Beklagten den Anträgen nicht. Für die Streitjahre 1988 und 1989 wurden die steuerpflichtigen Umsätze im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung um die vom Kläger errechneten Beiträge für eine Kreditgewährung erhöht. 1990 bis 1995 wurden Steuerfestsetzungen unter Einbeziehung der Umsätze für die die Steuerbefreiungen gemäß § 4 Nr. 8 a und § 4 Nr. 14 UStG beantragt worden waren, durchgeführt.
Hiergegen richten sich nach erfolglosen Einspruchsverfahren die Klagen. Mit den Klagen macht der Kläger für alle Streitjahre die Steuerbefreiung seiner Umsätze nach § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG und § 4 Nr. 8 a UStG geltend. Zur Begründung seiner Klagen trägt er vor, er, der Kläger, sei eine Gemeinschaft im Sinne des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG. Zwischen ihm und dem jeweiligen Arzt bestehe ein Auftrags- und Vertretungsverhältnis, wonach er, der Kläger, im Namen und Auftrag des Arztes handele. Die Honorarforderung des Arztes werde nicht an ihn abgetreten. Im gesamten Zeitraum bis zum Zahlungseingang behalte der Arzt die uneingeschränkte Herrschaft über seine Forderung und die damit verbundenen Daten. Damit behalte der Arzt auch eine persönliche, eigenverantwortliche Einflussnahme auf die von ihm, dem Kläger, erbrachte Leistung.
Bei den von ihm, dem Kläger, erbrachten Leistungen handele es sich auch nicht nur um die ärztliche Behandlung allgemein vorbereitende, unterstützende und ergänzende Verwaltungsleistungen. Durch die Einführung der GOÄ 1982 sei die Frage der Fälligkeit einer ärztlichen Honorarrechnung vollständig neu geregelt worden. Nach § 12 Abs. 1 GOÄ 1982 sei die Vergütung einer ärztlichen Leistung dann fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine der Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden sei. Damit sei die Erteilung einer gemäß § 12 Abs. 2 GOÄ 1982 spezifizierten Rechnung eine Hauptpflicht des Arztes im Rahmen seines Behandlungsvertrages, deren Erfüllung erst die Honorarforderung fällig werden lasse. Damit werde die Rechnung berufsrechtlich und steuerrechtlich wesentlicher Bestandteil einer privatärztlichen Leistung. Die Rechnungserstellung könne sowohl durch den Arzt selbst als auch durch eine Privatverrechnungsstelle erfolgen. Vorliegend werde praktisch die Tätigkeit des Arztes hinsichtlich der Rechnungsstellung lediglich an ihn, den Kläger, ausgelagert. Da nach der GOÄ 1982 die Erstellung einer privatärztlichen Rechnung wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Hauptleistung geworden sei, diene die Rechnungserstellung somit unmittelbar zur Ausführung der steuerbefreiten ärztlichen Umsätze.
Im Übrigen sei die Steuerbefreiung der von ihm, dem Kläger, ausgeführten Umsätze auch gemeinschaftsrechtlich geboten. Das ergebe sich aus Art. 13 der 6. EG-Richtlinie, der die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, von der Umsatzsteuer freistelle. Zur Begründung seiner Auffassung nimmt der Kläger außerdem Bezug auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. März 1998 (XI R 53/96) und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 10. November 1999 (II BvR 2861/93).
Soweit seine Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Vorschussgewährung auf die zur Abrechnung übergebenen Honorarforderungen entfalle, liege eine Kreditgewährung vor, die nach § 4 Nr. 8 a UStG steuerbefreit sei. Zwar werde für den einzelnen Vorschuss kein besonderer Zins gefordert. Dennoch könne nicht angenommen werden, dass die Vorschüsse ohne Gegenleistung des Mitglieds erfolgten. Das ergebe sich aus dem Prinzip der Selbstkostenermittlung. Nach den Geschäftsbedingungen entrichte das Mitglied an ihn, den Kläger, eine Vorauszahlung auf die gesamten Verwaltungskosten. Eine genaue Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten erfolge erst im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses. Zu diesem Zeitpunkt werde auch der Verwaltungskostenanteil ermittelt, der auf Vorschussgewährung entfalle. Die Gewährung von Vorschüssen sei auch nicht Bestandteil der Hauptleistung, da sie in den Geschäftsbedingungen bei der zusammenfassenden Beschreibung des Umfangs der von ihm zu erbringenden Dienstleistungen nicht angeführt worden sei. Sie sei jedoch auch nicht als nebensächlich anzusehen, weil sie für den einzelnen Arzt zu einer Vorfinanzierung seiner Honorarforderungen von rund vier bis sechs Wochen führe. Damit sei die Vorschussgewährung als Kreditgewährung umsatzsteuerlich als selbständige Leistung neben der eigentlichen Hauptleistung des Klägers einzustufen. Das auf die Leistung entfallende Entgelt sei anhand der Betriebsabrechnungsbögen zu ermitteln.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer
1988 um 1.289.718,65 DM,
1989 um 1.321.084,81 DM,
1990 um 1.481.185,91 DM,
1991 um 1.606.229,32 DM,
1992 um 1.771.029,20 DM,
1993 um 1.883.324,70 DM,
1994 um 2.060.392,86 DM,
1995 um 2.216.638,34 DM
herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist er auf seine Ausführungen in den Einspruchsbescheiden. Im Einzelnen vertritt er die Auffassung, eine unmittelbare Verwendung der Honorarabrechnung und Rechnungserteilung zu einer ärztlichen Tätigkeit liege nicht vor. Hinsichtlich der vom Kläger geleisteten Vorschüsse ergebe sich, dass ein Entgelt für die Vorschussgewährung nicht vereinbart worden sei. Daher lasse sich ein solches Entgelt auch nicht aus dem gesamten Verwaltungskostenbeitrag der Mitglieder herausrechnen. Zu bedenken sei insoweit, dass die Höhe des Beitrags sich nach der Höhe der abzurechnenden Honorarforderungen bemesse und für die Inanspruchnahme von Vorschüssen kein höherer Verwaltungskostenbeitrag berechnet werde. Im Übrigen nimmt er Bezug auf das Urteil des erkennenden Senats zum Jahr 1987 (Az.: 5 K 127/95) und den hierzu ergangenen Beschluss des BFH vom 30. Juni 1999 (5 B 14/99).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. ... sowie die Gerichtsakten.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind unbegründet.
Die mit der Rechnungserstellung verbundene sonstige Leistung des Klägers ist nicht umsatzsteuerbefreit.
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit u.a. als Arzt oder Zahnarzt. Nach Satz 2 der Vorschrift sind steuerfrei auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden. Eine unmittelbare Verwendung liegt nur dann vor, wenn die jeweilige Gemeinschaftsleistung selbst gegenüber den Patienten eingesetzt wird. Dagegen reicht es nicht aus, dass die Leistung der Gemeinschaft die ärztliche Behandlungsleistung lediglich ermöglicht. Verwaltungsleistungen, wie die Rechnungserstellung, erfüllen die vorgenannten Voraussetzungen deshalb nicht, weil sie die ärztliche Behandlung nur allgemein vorbereiten, unterstützen und ergänzen. Insoweit folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Beschluss des BFH vom 30. Juni 1999 V B 14/99, Urteile des BFH vom 15. September 1994 V R 34/93, BStBl II 1995, 214; vom 18. Oktober 1990 V R 35/85, UR 1991, 48).
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist durch die Einführung der GOÄ 1982 keine andere steuerrechtliche Beurteilung geboten. Die in § 12 GOÄ geregelte Fälligkeit der ärztlichen Vergütung, die an die Erstellung einer Rechnung geknüpft ist, macht die Rechnungserstellung dadurch nicht selbst zu einer ärztlichen Leistung. Das ergibt sich aus der GOÄ 1982 selbst. Nach § 4 Abs. 1 der GOÄ 1982 werden Gebühren als Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen definiert. Für Rechnungserteilung des Arztes sieht das Gebührenverzeichnis jedoch keine eigenständige Gebühr vor. § 4 Nr. 14 UStG begünstigt aber nur Umsätze durch ärztliche Tätigkeit, für die der Arzt deswegen einen Honoraranspruch erwirbt, nicht jedoch die Umsätze eines Arztes schlechthin (Beschluss des BFH vom 30. Juni 1999 V B 14/99). Aus § 4 Abs. 3 GOÄ 1982 ist herzuleiten, dass mit den Gebühren die Praxiskosten abgegolten sind. Die Rechnungserteilung und der damit verbundene Aufwand gehört aber zu den Praxiskosten.
Es ist auch nicht erkennbar, dass § 4 Nr. 14 UStG gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Art. 13 A Abs. 1 Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie sieht die Steuerbefreiung u.a. vor für die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen. Die Richtlinienbestimmung erfordert damit ebenso wie § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG die unmittelbare Verwendung der betreffenden Leistungen für einen steuerfreien Umsatz. Daran fehlt es aus den oben genannten Gründen im vorliegenden Fall.
Das Fehlen der insoweit erforderlichen Unmittelbarkeit ergibt sich schon daraus, dass der Kläger die von ihm ausgeführten Leistungen nicht gegenüber den Patienten, sondern gegenüber seinen Mitgliedern erbringt. Für das insoweit maßgebliche Leistungsaustauschverhältnis ist die zugrunde liegende schuldrechtliche Vertragsbeziehung maßgebend. Eine solche besteht aber zwischen dem Kläger und den Patienten seiner Mitglieder nicht.
Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 4. März 1998 (XI R 53/96) und des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1999 (II BvR 2861/93) führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidungen beinhalten lediglich die Aussage, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG nicht von der Rechtsform abhängt, in der der Unternehmer tätig wird. Für die Klagabweisung ist vorliegend aber nicht die Rechtsform des Klägers als eingetragener Verein maßgebend, sondern allein der Umstand, dass die von ihm ausgeführten Leistungen keine ärztlichen Leistungen darstellen.
Dem Kläger steht auch nicht die begehrte Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 a UStG zu. Nach dieser Vorschrift ist die Gewährung, die Vermittlung und Verwaltung von Krediten sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten umsatzsteuerbefreit. Die Steuerbefreiung setzt jedoch zwingend voraus, dass überhaupt eine steuerbare Leistung vorliegt. Hieran mangelt es im Streitfall. Dem Kläger stand für die Vorschussgewährung keine eigenständige Gegenleistung zu. Eine derartige Gegenleistung war auch nicht vereinbart. Die Mitglieder hatten dem Kläger gegenüber unabhängig davon, ob sie eine Vorschussgewährung in Anspruch nahmen, einen einheitlichen Verwaltungskostenbeitrag, der sich an der Summe der eingereichten Honorarforderungen orientierte, zu leisten. Nach Abschnitt III der Geschäftsbedingungen des Klägers ist ausdrücklich geregelt, dass auf den Vorschuss keine Zinsen berechnet werden. Damit fehlt es an der erforderlichen Entgeltlichkeit der Leistung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.