Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.01.2001, Az.: 11 Ko 22/00
Ermittlung des Streitwerts im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.01.2001
- Aktenzeichen
- 11 Ko 22/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 24229
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0119.11KO22.00.0A
Tatbestand
Dem Erinnerungsführer und Beklagten (dem Finanzamt - FA -) sind in dem Hauptsacheverfahren wegen einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellung für 1992 die Verfahrenskosten auferlegt worden, nachdem er die zwischen den Beteiligten zunächst streitige, von der Klägerin und Erinnerungsgegnerin (Eg.) begehrte Gewinnminderung für 1992 um ... DM anerkannt hatte und die Beteiligten den Rechtsstreit daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.
Durch Beschluss der Urkundsbeamtin vom 8. November wurden die vom FA zu erstattenden Kosten auf ... DM festgesetzt. Die Festsetzung ging von einem Streitwert von ... DM aus, das sind 50 v.H. der im Streit stehenden Gewinnminderung. Der Bevollmächtigten der Eg., deren Zuziehung im Vorverfahren das Gericht für notwendig erklärt hatte, wurde für ihre dortige Tätigkeit eine Geschäftsgebühr von 5,5/10 nach diesem Streitwert, mithin ... DM, zuerkannt. Die Bevollmächtigte hatte in ihrer Gebührenrechnung vom 15. August 2000 die Geschäftsgebühr auch in dieser Höhe angegeben, hatte jedoch in der Spalte "Streitwert" eine volle Gebühr (10/10) eingesetzt.
Wegen der weiteren Ermittlung der zu erstattenden Aufwendungen wird auf den Beschluss vom 8. November 2000 (Bl. 80-82 der Gerichtsakte zu 11 K 352/96) verwiesen.
Gegen den ihm am 16. November 2000 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat das FA am 21. November 2000 Erinnerung eingelegt, der die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen hat. Mit der Erinnerung macht das FA geltend, dass der Streitwert zu hoch festgesetz sei. Der Gewinn aus der Beteiligung an der Eg. stelle die einzigen Einkünfte ihres Kommanditisten dar. Wegen der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen der Gewinnminderung sei es daher angebracht, lediglich einen Streitwert von ... DM, das sind 33 v.H. der im Hauptsacheverfahren streitigen Gewinnminderung, anzusetzen. Die Geschäftsgebühr im Vorverfahren dürfe außerdem nur mit 5,5/10 angesetzt werden.
Das FA beantragt,
unter Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 8. November 2000 die an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf ... DM herabzusetzen.
Gründe
Die Erinnerung ist zulässig, aber nur im erkannten Umfang begründet.
Das FA rügt zu Recht die Höhe des der Kostenfestsetzung zugrunde liegenden Streitwerts. Allerdings kommt seine Herabsetzung nicht in dem vom FA beantragten Umfang in Betracht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) für die Kostenfestsetzung maßgebliche Streitwert nach der vermutlichen einkommensteuerlichen Auswirkung zu schätzen. Dabei sind grundsätzlich 25 v.H. des streitigen Gewinns anzusetzen. Je nach den im Feststellungsverfahren erkennbaren einkommensteuerlichen Auswirkungen kann auch ein anderer, der progressiven Besteuerung Rechnung tragender Prozentsatz in Betracht kommen (BFH-Beschluss vom 23. Juni 1993 VIII S 17/91, m.w.N.). Dabei dürfen jedoch die konkreten steuerlichen Folgen, die sich für den oder die Betroffenen ergeben, nicht ziffernmäßig berechnet werden. Denn der Streitwert ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG "nach Ermessen" zu bestimmen. Es soll vermieden werden, dass das Gericht nur zur Bestimmung des Streitwerts die an die streitige Feststellung anknüpfenden Steuern ermittelt (BFH/NV 1986, 554; 1990, 181; 1994, 895).
Bei der Ermittlung des im Einzelfall anzuwendenden, den Satz von 25 v.H. übersteigenden Pauschalsatzes verfährt die Rechtsprechung nicht einheitlich. Das Finanzgericht Nürnberg hat in dem Beschluss vom 25. März 1985 VI 309/84 (EFG 1985, 413) hierzu eine auf der Splitting-Tabelle und der Berücksichtigung geschätzter Sonderausgaben beruhende Streitwert-Tabelle entwickelt, nach der bei einem im Streit stehenden Gewinnanteil von mehr als 120.000,00 DM ein pauschaler Satz von 50 v.H. des Gewinnanteils als Streitwert anzunehmen sein soll. Auf diesen Erwägungen beruht auch die Festsetzung durch die Urkundsbeamtin in dem hier zu entscheidenden Verfahren.
Der BFH hat demgegenüber, ohne die Methode der Bestimmung des Pauschsatzes näher auszuführen, auch bei deutlich höheren streitigen Gewinnanteilen einen Pauschsatz von unter 50 v.H. angewandt (vgl. die Nachweise in der Erinnerungsschrift vom 21. November 2000). Andererseits hielt der BFH in dem Beschluss vom 25. August 1966 IV 3/54, BStBl III 1966, 611, die Anwendung eines höheren Prozentsatzes schon dann für erforderlich, wenn der Gewinnanteil eines Gesellschafters 15.000,00 DM übersteigt. Schließlich hat der BFH entschieden, dass in Fällen, in denen bereits im Verfahren über den einheitlichen Feststellungsbescheid erkennbar ist, dass sich einkommensteuerliche Auswirkungen nicht ergeben, der Streitwert i.d.R. mit 1 v.H. des streitigen Gewinnanteils anzusetzen ist (BFH-Urteil vom 11. März 1982 IV R 46/79, BStBl II 1982, 542).
Der Senat teilt die Auffassung, dass der Streitwert in Verfahren wegen einheitlicher Gewinnfeststellungen grundsätzlich mit 25 v.H. zu bestimmen ist, und dass dieser Regelsatz entsprechend der im Feststellungsverfahren erkennbaren mutmaßlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen veränderbar ist. Er geht allerdings mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs davon aus, dass für das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren solche Umstände außer Betracht bleiben müssen, die sich nur durch die Beiziehung der Einkommensteuerakten der betroffenen Personen zuverlässig bestimmen und überprüfen lassen (BFH-Beschluss vom 23. Februar 1978 IV E 2/78, BStBl II 1978, 435).
Nach dem Vorstehenden beruft sich das FA zu Recht darauf, dass die in der Streitwert-Tabelle das Finanzgerichts Nürnberg genannten Pauschsätze auf mittlerweile nicht mehr zutreffenden Steuertabellen beruhen. Die Bestimmung des im Einzelfall anzuwendenden Pauschsatzes hat nach Auffassung des Senats vielmehr unter Berücksichtigung des im jeweiligen Streitjahr geltenden Einkommensteuertarifs zu erfolgen. Dabei sind nach dem Vorstehenden jedoch weder geschätzte Sonderausgaben zu berücksichtigen, noch kann der Pauschsatz ausschließlich auf der Grundlage des Splitting-Tarifs bestimmt werden. Auch der unstreitig verbleibende Gewinn hat danach, ebenso wie etwaige andere Einkünfte der betroffenen Personen, außer Betracht zu bleiben.
Im hier zu entscheidenden Rechtsstreit hat die Entscheidung offensichtlich Auswirkungen auf die Höhe der Einkommensteuer des Kommanditisten der Eg. Der Streitwert ist daher zu bestimmen, indem zunächst die Höhe der Einkommensteuer ermittelt wird, die sich bei Ansatz des im Streit stehenden Gewinnanteils als zu versteuerndes Einkommen nach dem Grundtarif und nach dem Splitting-Tarif ergibt, und dann der Mittelwert aus den beiden so bestimmten Beträgen gebildet wird (vgl. auch Gräber/Ruban vor § 135 Rz. 35 Stichwort Einheitliche Gewinnfeststellung unter b) Einzelfälle: Gewinnhöhe). Der sich danach im Streitfall ergebende Streitwert ist, wie die folgende Berechnung zeigt, höher als der sich nach dem Regelsatz von 25 v.H. ergebende Streitwert:
Streitiger Gewinnanteil: | ... DM |
---|---|
Einkommensteuer hieraus | |
nach § 32a Abs. 1 EStG 1992 | ... DM |
nach § 32a Abs. 5 EStG 1992 | ... DM |
Mittelwert | ... DM |
Anteil des Mittelwerts am streitigen Gewinnanteil | 37 v.H. |
Der Streitwert ist demnach für das Vorverfahren wie auch für das Klageverfahren mit ... DM anzusetzen.
Wegen des Ansatzes der Geschäftsgebühr für das Vorverfahren hat das FA verkannt, dass lediglich der Umfang der Gebühr von der Bevollmächtigten falsch bezeichnet war, während der angesetzte Betrag tatsächlich und zutreffend nur 5,5/10 einer Gebühr nach dem dort angenommenen Streitwert ausmachte. Die Angaben im Kostenfestsetzungsbeschluss sind im Übrigen auch zum Anteil der Gebühr zutreffend.
Nach alledem ermitteln sich die vom FA der Eg. zu erstattenden Aufwendungen wie folgt:
- Einspruchs- und Klagestreitwert | ... DM |
---|---|
1. Vorverfahren | |
- Geschäftsgebühr (5,5/10) §§ 40, 41 Abs. 1 - 6 StBGebV | ... DM |
- Post- und Telekommunikationsdienstleistungen § 16 StBGebV | ... DM |
2. Klageverfahren | |
- Prozessgebühr §§ 114, 31 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 BRAGO, 45 StBGebV | ... DM |
- Zwischensumme | ... DM |
- Übertrag | ... DM |
- Verhandlungsgebühr §§ 114, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO, 45 StBGebV | ... DM |
- Post- und Telekommunikationsdienstleistungen § 26 Satz 2 BRAGO, § 45 StBGebV | ... DM |
Reisekosten § 28 Abs. 1 und 2 BRAGO | ... DM |
- zusammen | ... DM |
- davon zu Lasten des Beklagten (100 v.H.) | ...DM |
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).