Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.07.2003, Az.: 1 K 573/98
Hemmung des Eintritts der Feststellungsverjährung auf Grund einer Außenprüfung; Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens bei Betriebsaufspaltung; Änderung der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens; Stichtage für den Ablauf der Feststellungsfrist; Nachträgliche Erstellung einer fiktiven Arbeitsakte durch den Betriebsprüfer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 22.07.2003
- Aktenzeichen
- 1 K 573/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 12837
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0722.1K573.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 29.06.2005 - AZ: II R 44/03
Rechtsgrundlagen
- § 171 Abs. 4 AO 1977
- § 164 Abs. 4 AO 1977
- § 113a BewG
- § 171 Abs. 10 AO 1977
Fundstelle
- EFG 2003, 1591-1592
Verfahrensgegenstand
Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1987 - 01.01.1991
Amtlicher Leitsatz
Liegt eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 vor, so kann das FA einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheid auch in Bezug auf solche Besteuerungsgrundlagen ändern, die einheitlich und gesondert festgestellt wurden
Das Anteilsbewertungsverfahren beschränkt sich auf die gesonderte Feststellung der Höhe des Anteilswerts. Die aufteilende Zurechnung auf die Anteilseigner erfolgt erst im Vermögensteuerbescheid
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob der Eintritt der Feststellungsverjährung auf Grund einer Außenprüfung bei der Klägerin gehemmt wurde.
Der Geschäftsbetrieb der Klägerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestand im Wesentlichen in der Verpachtung einer Fabrikanlage an die E. GmbH (GmbH); außerdem hält sie die Beteiligung an der GmbH im Betriebsvermögen. Zwischen der Klägerin als Besitzunternehmen und der GmbH als Betriebsunternehmen liegt eine Betriebsaufspaltung vor.
Die Klägerin reichte Vermögensaufstellungen zur Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 01.01.1987 und 01.01.1988 jeweils im Jahre 1988, auf den 01.01.1989 und 01.01.1990 jeweils 1990 und auf den 01.01.1991 im Jahre 1991 ein. Die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens ergingen zunächst jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auf der Ebene der GmbH wurden Erklärungen über die gesonderte Feststellung nicht notierter Anteile an der GmbH auf den 31.12.1986 - 31.12.1990 in den Jahren 1988 - 1991 vorgelegt.
Mit Bescheid vom 29. November 1991 ergingen Bescheide des Finanzamts für Gbp über die Anordnung einer Außenprüfung für die GmbH und die Klägerin; in der Zeit vom 10. August 1992 bis zum 23. Juni 1993 fand eine Außenprüfung statt. Unstreitig ist in diesem Zusammenhang, dass Prüfungshandlungen bei der GmbH stattgefunden haben. Im Anschluss an die Prüfung der GmbH erließ der Beklagte unter dem Datum des 19. Mai 1994 geänderte Bescheideüber die Höhe des Anteilswerts an der GmbH auf den 31.12.1986 - 31.12.1990; dabei wurde der Anteilswert jeweils heraufgesetzt.
Für die Klägerin liegt eine eigene Betriebsprüfungsarbeitsakte vor. Darin ist der Beginn der Außenprüfung mit dem Datum des 10. August 1992 festgehalten. Unterbrechungen der Prüfung sind für den Zeitraum vom 13.August 1992 bis zum 14. September 1992 sowie vom 22. Dezember 1992 bis zum 4. Januar 1993 vermerkt. Am 6. November 1992 erfolgte eine Erweiterung der Prüfungsanordnung. In diesem Bescheid heißt es:"Die Außenprüfung hat bereits begonnen". Zu Beginn der Akte sind unter der Überschrift "GbR Allg." die geplanten Prüfungspunkte notiert. Weiterhin finden sich in der Akte u.a. Anfragen an Mitarbeiter der geprüften GmbH, in denen Belege betreffend die Lizenzgebühren, die von der GmbH an die Klägerin zu zahlen waren, angefordert wurden. Weiterhin werden die genannten Aufwendungen ebenso wie die an die Klägerin gezahlten Pachten zahlenmäßig festgehalten.
In dem Beschäftigungstagebuch des Prüfers ist für den Zeitraum vom 19. bis 22. und vom 25. bis 29. Januar 1993 als Name des geprüften Betriebes die Klägerin verzeichnet. Als Art der Tätigkeit sind die Prüfungsfelder Zusammenstellung Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung, Bankkonten, Investitionen und Pachtabrechnungen genannt.
Mit Bescheiden vom 30. Oktober 1996 (01.01.1987) und vom 25. September 1996 (01.01.1988 - 01.01.1991) änderte der Beklagte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin. Die Änderung betraf ausschließlich die Höhe des Anteilswerts der Anteile an der GmbH; insoweit wurden die Bescheide über die Höhe des Anteilswerts an der GmbH ausgewertet.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1988 - 01.01.1991 nicht mehr geändert werden könnten, da spätestens mit Ablauf des Kalenderjahres 1995 für sämtliche Bescheide Verjährung eingetreten sei. Es sei im Streitfall keine Hemmung der Verjährung nach§ 171 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) eingetreten. Zwar sei eine Prüfungsanordnung ergangen, diese bewirke für sich aber ebenso wenig wie das bloße Erscheinen des Prüfers beim Steuerpflichtigen die Hemmung der Verjährung. Erforderlich sei vielmehr, dass der Betriebsprüfer Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalles ernsthaft aufnimmt. Das sei im Falle der Klägerin jedoch nicht erfolgt, es sei lediglich bei der GmbH geprüft worden. Die Klägerin verfüge selbst über ein umfangreiches Rechnungswesen. Auf dieses hätten sich keine Prüfungshandlungen des Prüfers bezogen; es fehlten jegliche Aufzeichnungen über bei der Klägerin durchgeführte Prüfungshandlungen. Es seien lediglich Erkenntnisse, die sich aus der Prüfung bei der GmbH ergeben hätten, auch bei der Klägerin ausgewertet worden. Die Betriebsprüfungsarbeitsakte müsse erst nachträglich erstellt worden sein. Auf telefonische Nachfrage habe die Rechtsbehelfsstellen-Sachbearbeiterin erklärt, dass eine solche Arbeitsakte nicht existiere. Es stelle keine unmittelbare Prüfung bei der Klägerin dar, wenn beispielsweise im Rahmen der Prüfung der GmbH Pachtaufwendungen, die zu Einnahmen bei der Klägerin führten,überprüft würden. Es handele sich dabei lediglich um mittelbare Prüfungshandlungen, die nicht geeignet seien, die Hemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 4 AO auszulösen.
Die Änderungen der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens jedenfalls beruhten nicht auf eigenen Prüfungsfeststellungen im Rahmen einer Prüfung der Klägerin; vielmehr handele es sich allein um Folgeänderungen zur Änderung der Bescheide über die Höhe des Anteils nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften als Grundlagenbescheiden. In einem solchen Falle richte sich der Ablauf der Feststellungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 AO, sondern nach § 171 Abs. 10 AO als lex specialis. Die Jahresfrist für die Auswertung von Grundlagenbescheiden sei bei Änderung der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens jedoch längst verstrichen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1987 vom 30. Oktober 1996 sowie auf den 01.01.1988, 01.01.1989, 01.01.1990 und 01.01.1991 vom 25. September 1996 sowie die Einspruchsbescheide vom 2. September 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass infolge der engen Verzahnung der Klägerin und der GmbH es unmöglich gewesen wäre, die GmbH zu prüfen, ohne gleichzeitig Prüfungshandlungen bei der Klägerin vorzunehmen. Die Klägerin habe bis 1987 über kein eigenes Bankguthaben verfügt, der Zahlungsverkehr sei über Konten der GmbH abgewickelt worden. Es seien deshalb bei beiden Unternehmen die gegenseitigen Verrechnungskonten überprüft worden. Die Klägerin habe über einen beträchtlichen Bestand an Grundstücken und Gebäuden verfügt. In den Prüfungsfeldern "Grundstücke", "Gebäude" und "Außenanlagen" seien umfangreiche und zeitaufwändige Ermittlungen, u.a. Abgrenzungen zwischen Aktivierungen und Erhaltungsmaßnahmen, durchgeführt worden. Es seien in diesem Zusammenhang Wertgutachten vorgelegt worden, die der Prüfer in Ablichtung zu den Akten genommen habe. Allein schon darin sei eine Prüfungshandlung bei der Klägerin zu sehen. Da die Pachtzahlungen der GmbH gleichzeitig Pachteinnahmen der Klägerin darstellten, habe eine Aufgabe des Prüfers darin bestanden, diese miteinander abzugleichen. Bei welcher der Gesellschaften der Ausgangspunkt der Prüfung gelegen habe, sei insoweit unerheblich. Im Übrigen trete eine Ablaufhemmung für alle in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und -abschnitte auch dann ein, wenn die Prüfungshandlung sich nicht auf alle diese Steuerarten und -abschnitte beziehe.
Dass in den Änderungsbescheiden nur einheitlich und gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen ausgewertet worden seien, stehe der Änderung der Bescheide nicht entgegen. Die ursprünglichen Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens seien unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO ergangen. Auf Grund der durchgeführten Außenprüfung sei der Ablauf der Feststellungsfrist gem. § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen mit der Folge, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nach§ 164 Abs. 4 AO nicht entfallen sei. Seien die angefochtenen Bescheide auf Grund des Vorbehalts der Nachprüfung freiänderbar gewesen, so hätten auch die geänderten gemeinen Werte des Anteils an der GmbH berücksichtigt werden können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsprüfers L als Zeugen. Der Zeuge L hat sich dahingehend eingelassen, dass er zu Prüfungsbeginn das Anlagevermögen der Klägerin geprüft habe. Er habe zunächst die Entwicklung des Bestandes der Gebäude überprüft und dann im Rahmen einer Betriebsbesichtigung nachgeschaut, ob beispielsweise Anbauten errichtet worden seien. Da die von der Klägerin geleisteten Zahlungen über die Konten der GmbH gelaufen seien, habe er deren Konten daraufhin durchgeschaut, welche Kosten der Klägerin darin enthalten gewesen seien. Der Zeuge erklärte, er habe im Rahmen der Prüfung zunächst leere Blätter beschrieben und diese nachträglich nach Themenkreisen geordnet in der Betriebsprüfungsarbeitsakte abgeheftet, sodass diese nicht die Chronologie der Prüfung wiedergeben würde.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 19. Oktober 1998 (Kläger) und vom 2. Mai 2003 (Beklagter) auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Änderung der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1987 - 01.01.1991 mit Bescheiden 25. September und 30. Oktober 1996 stand nicht der Eintritt der Feststellungsverjährung entgegen.
Zum Zeitpunkt der Änderung der Bescheide im Jahre 1996 war zwar schon die reguläre Feststellungsfrist abgelaufen. Diese begann für die streitbefangenen Stichtage gem. § 181 Abs. 3 Satz 2 AO jeweils mit Ablauf des Jahres, in dem die Vermögensaufstellungen beim Beklagten eingereicht wurde, zu laufen, d.h. für den 01.01.1987 und 01.01.1988 mit Ablauf des 31.12.1988, für den 01.01.1989 und 01.01.1990 mit Ablauf des 31.12.1990 und für den 01.01.1991 mit Ablauf des 31.12.1991. Sie endete gem. §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 2 Nr. 2 AO mit Ablauf des 31.12.1992 für die Stichtage 01.01.1987 und 01.01.1988, des 31.12.1994 für den 01.01.1989 und 01.01.1990 und des 31.12.1995 für den 01.01.1991. Der Ablauf der Feststellungsfrist war jedoch gem. §§ 181 Abs. 1 S. 1, 171 Abs. 4 AO gehemmt.
Nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass auch bei der Klägerin eine Außenprüfung stattgefunden hat, mit der vor Ablauf der Feststellungsfrist auch für die am weitesten zurückliegenden Stichtage 01.01.1987 und 01.01.1988 am 31.12.1992 begonnen wurde. Die Klägerin hat keine überzeugende Begründung dafür geliefert, warum die Prüfung sich nicht auf die Klägerin erstreckt haben sollte. Selbst wenn die Rechtsbehelfsstellensachbearbeiterin dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin tatsächlich telefonisch mitgeteilt haben sollte, dass keine Betriebsprüfungsarbeitsakte existiere, liegt die Annahme weitaus näher, dass diese Auskunft unrichtig war, als dass der Betriebsprüfer nachträglich eine fiktive Arbeitsakte vonüber 200 Seiten Umfang, gefüllt mit umfangreichen Zahlenmaterial, erstellt haben sollte. Dies gilt vor allem auch angesichts des Umstandes, dass für die Prüfung organisatorisch ein anderes Finanzamt, nämlich das Finanzamt für Großbetriebsprüfung, zuständig war und dieses die Arbeitsakte möglicherweise zunächst nicht übersandt hatte. Dass die Klägerin tatsächlich geprüft worden ist, wird durch das Beschäftigungstagebuch des Prüfers belegt, dass unter bestimmten Daten konkrete Prüfungstätigkeiten für die Klägerin festhält. Es ist auch davon auszugehen, dass bereits im Jahre 1992 und damit vor Ablauf der Feststellungsfrist für die Stichtage 01.01.1987 und 01.01.1988 mit der Prüfung begonnen wurde. Der Zeuge L hat erklärt, dass er seine Prüfung gleich nach Beginn mit einerÜberprüfung der Wertansätze für das Anlagevermögen der Klägerin begonnen habe. Es gibt keinerlei Anhaltspunkt dafür, am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu zweifeln, zumal es gängiger Außenprüfungspraxis entspricht, erst das Anlagevermögen und danach die Betriebseinnahmen und -ausgaben zu überprüfen. Dass die Außenprüfung auf der Ebene der Klägerin im Ergebnis zu keinerÄnderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat, ändert nichts an der Tatsache, dass Prüfungshandlungen vorgenommen worden sind und so der Tatbestand einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO vorlag.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin war der Beklagte im Streitfall an der Änderung der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens nicht deshalb gehindert, weil sich die Änderung allein aus einem anderen Ansatz der Höhe des Anteilswerts der Beteiligung an der GmbH ergab und sich in diesem Falle die Ablaufhemmung allein nach § 171 Abs. 10 AO richtete.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass sie sich für ihre Rechtsauffassung auf eine Entscheidung des BFH berufen kann (Urteil vom 4. November 1992 XI R 32/91, BFHE, 170, 291, BStBl. II 1993, 425). Danach tritt die Hemmung der Festsetzungsfrist auf Grund einer Außenprüfung gem. § 171 Abs. 4 AO beim Steuerpflichtigen nicht hinsichtlich derjenigen Besteuerungsgrundlagen ein, die gesondert festgestellt werden. Käme im Streitfall allein der Tatbestand des § 171 Abs. 10 AO zur Anwendung, wären dieÄnderungsbescheide vom 25. September und 30. Oktober 1996 nach Eintritt der Feststellungsverjährung ergangen, weil die geänderten Bescheide über den Anteilswert der Anteile an der GmbH vom 19. Mai 1994 nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe bei der Klägerin ausgewertet wurden, wie es § 171 Abs. 10 AO voraussetzt.
Das Gericht folgt dieser Rechtsauffassung in den Fällen nicht, in denen der beim Steuerpflichtigen zu ändernde Bescheid noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (a) oder in denen es um den Ansatz von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften geht (b).
a)
Die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens waren zunächst jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO ergangen. Damit waren sie zunächst inhaltlich frei änderbar. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist vor Ergehen der Änderungsbescheide am 25. September und 30. Oktober 1996 auch nicht weggefallen. Zwar entfällt gem. § 164 Abs. 4 AO der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Im Streitfall ist auf der Ebene der Klägerin bis zum Ergehen der Änderungsbescheide keine Festsetzungsverjährung eingetreten, weil der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt war. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO umfasst von ihrem Umfang her jedoch die gesamte jeweils geprüfte Steuer, nicht nur die geprüften Sachverhalte (BFH Urteil vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE, 173, 487, BStBl. 1994, 377). Damit waren die angefochtenen Bescheide im Jahre 1996 noch in vollem Umfang änderbar, gleichgültig, aus welchem Grunde und in welchem Umfang. Aus § 171 Abs. 4 und 10 AO kann sich nichts anderes ergeben. Diese Rechtsvorschriften regeln nicht den Umfang der Änderbarkeit von Steuerbescheiden (wie§§ 164, 165, 173 ff AO), sondern nur den zeitlichen Rahmen, bis zu dem diese Änderungen vorgenommen werden können. Insofern bewirkt § 171 AO keine Einschränkung derÄnderungsbefugnis des § 164 AO.
(b)
Dass im Streitfall eine Änderung der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens noch möglich war, ergibt sich aber noch aus einem anderen Umstand. Das Gericht folgt der von Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz, § 113 a Rn. 8.1., vertretenen Auffassung, dass im Rahmen der Anteilsbewertung nach der Anteilsbewertungsverordnung im Gegensatz zu gesonderten Feststellungen nach§ 179 Abs. 2 AO nur die Höhe des Anteilswerts der Anteile an nichtnotierten Kapitalgesellschaften einheitlich und gesondert festgestellt wird, nicht aber eine aufteilende Zuordnung des Nennkapitals erfolgt. Diese wird erst auf der Ebene der Anteilseigner vorgenommen. Das lässt sich zum einen aus § 113 a BewG herleiten, wonach"der Wert" der in § 11 Abs. 2 bezeichneten Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften gesondert festgestellt wird. Es ist zweifelhaft, ob der Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage für die Anteilsbewertungsverordnung eine aufteilende Zurechnung der Anteile ermöglicht. Entscheidend gegen eine zurechnende Feststellung des Anteilswerts spricht jedoch der Umstand, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 4 Nr. 2 Anteilsbewertungsverordnung regelmäßig nur jene Anteilseigner am Feststellungsverfahren beteiligt werden, die einen Anteil von mindestens 5 v.H. des Nennkapitals halten und von der Kapitalgesellschaft dem Finanzamt benannt werden. Dies bedeutet, dass in der "Anlage Beteiligungsverhältnisse" die geringfügig Beteiligten nicht auftauchen. Über die Zurechnung von deren Anteilen kann deshalb ohnehin nicht im Anteilsbewertungsverfahren entschieden werden. Über die Zurechnung von Anteilen auf unterschiedlichen Ebenen zu entscheiden, je nachdem wie hoch deren Anteil am Nennkapital der Gesellschaft ist, erscheint aber nicht sachgerecht.
Diese Rechtsauffassung hat zur Folge, dass im Streitfall auf der Ebene der Klägerin hinsichtlich des Ansatzes der Anteile eine eigenständige Prüfung zu erfolgen hatte, weil ein Ansatz der Anteile ohne Entscheidung über die Zuordnung auf ein Rechtssubjekt - auch wenn diese Zuordnungsentscheidung im konkreten Fall unproblematisch war - gedanklich nicht möglich ist. Damit wurde aber nicht nur eine reine Folgeänderung im Sinne des §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO vollzogen. Wenn aber bei der Änderung des Ansatzes des Anteilswerts nicht ausschließlich gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen ausgewertet wurden, dann greifen die in dem Urteil des BFH vom 4. November 1992, a.a.O., genannten Gründe für ein Herausnehmen der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen aus dem Anwendungsbereich der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO nicht Platz.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.