Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.07.2003, Az.: 6 K 14/00

Rechtmäßigkeit von Hinzurechnungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrages ; Anwendbarkeit der Ausnahme von dem Hinzurechnungsgebot hinsichtlich Miet- und Pactzinsen gemäß § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG ; Ausländerbenachteiligung im Fall der Hinzurechnungspflicht des § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG ; Übertragbarkeit der Eurowings-Entscheidung des EuGH auf einen Sachverhalt mit ausschließlichem Inländerbezug

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.07.2003
Aktenzeichen
6 K 14/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 12829
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0716.6K14.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 15.07.2005 - AZ: I R 21/04

Fundstellen

  • DStR 2004, X Heft 27 (Kurzinformation)
  • DStRE 2004, 897-898 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2003, 1644-1645
  • IWB 2004, 103 (Kurzinformation)
  • SJ 2004, 10-11
  • ZKF 2005, 46

Verfahrensgegenstand

Gewerbesteuermessbetrag 1993

Amtlicher Leitsatz

Keine generelle Europarechtswidrigkeit von Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 7 S. 1 und § 12 Nr. 2 S. 1 GewStG

Zusammenfassung

Gestritten wird im wesentlichen um die Frage, ob dem Gewinn einer GmbH aus Gewerbebetrieb bei der Ermittlung des Gewerbeertrages die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen ist, die dem das Betriebsgrundstück verpachtenden Gesellschafter geleistet wurden. Das Gericht hat diese Frage bejaht.

In seiner Begründung hat das Gericht die ins Feld geführte Eurowings-Entscheidung des EuGH im Streitfall für nicht einschlägig erklärt. Darauf, ob der Vermieter oder Verpächter im Ausland ansässig ist, kommt es nicht an. Denn im Fall der Hinzurechnungspflicht des § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG kommt eine Ausländerbenachteiligung nicht in Betracht, da die Hinzurechnung stets zu erfolgen hat, unabhängig von der Ansässigkeit des Vermieters. Nach dem Gerichtshof verstößt diese Praxis weder gegen das Gleichbehandlungsgebot des EGV noch gegen Art. 3 GG.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 7 S. 1 und § 12 Nr. 2 S. 1 GewStG.

2

Die Klägerin ist eine durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 16.12.1992 gegründete GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung, die Vermittlung und der Vertrieb von Erzeugnissen einer Bäckerei sowie der Handel mit Lebensmitteln ist. Am Stammkapital von 200.000,00 DM waren J mit 90.000,00 DM, U mit 38.000,00 DM, M mit 36.000,00 DM und A mit 36.000,00 DM beteiligt. Das wesentliche Anlagevermögen sowie das Betriebsgrundstück und die Einrichtungen in den Filialen hat die Klägerin von ihrem Gesellschafter J gepachtet. Die Pachtzinsen in Höhe von 504.000,00 DM berücksichtigte die Klägerin Gewinn mindernd.

3

Nach einer Außenprüfung rechnete der Beklagte die Hälfte der Pachtzinsen - einen Betrag von 252.000,00 DM - für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens dem Gewerbeertrag sowie die Teilwerte dieser Wirtschaftsgüter in Höhe von 1.165.798,00 DM beim Gewerbekapital hinzu und änderte den GewSt-Messbescheid durch Bescheid vom 05.07.1999 entsprechend.

4

Den Einspruch gegen den geänderten Bescheid wies der Beklagte durch Entscheidung vom 27.12.1999 als unbegründet zurück.

5

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Verminderung der Besteuerungsgrundlagen um die streitigen Hinzurechnungen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Hinzurechnungsvorschriften verstießen gegen Art. 49 EGV. Dies habe der EuGH in seiner Eurowings-Entscheidung (BStBl. II 1999, 851) festgestellt. Zwar unterscheide sich der Sachverhalt insoweit, als im Streitfall kein Auslandsbezug bestehe. Dies sei jedoch nicht entscheidungserheblich, weil bei reinen Inlandssachverhalten eine Inländerdiskriminierung vorliege. Diese Auffassung werde auch in der Literatur vertreten. Eine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten mit Auslandsbezug und reinen Inlandssachverhalten verstoße zudem gegen Art. 3 GG. Von einer unzulässigen Inländerdiskriminierung gehe auch das FG München (EFG 2001, 36) aus.

6

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Gewerbesteuermessbescheides vom 05.07.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.12.1999 den Gewerbesteuermessbetrag 1993 in der Gestalt herabzusetzen, dass die auf 9.385,00 DM herabzusetzen, dass die Hinzurechnung der hälftigen Miet- und Pachtzinsen in Höhe von 252.000,00 DM unterbleibt

analog bei der Ermittlung des Steuermessbetrags nach dem Gewerbekapital die Hinzurechnung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz in Höhe von 1.165.798,00 DM unterbleibt.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Entscheidung des EuGH sei lediglich auf Sachverhalte mit Auslandsbezug anzuwenden, da nur in diesen Fällen ein Verstoß gegen die in Art. 49 EGV normierte Dienstleistungsfreiheit vorliegen könne. Das FG Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 18.01.2001 (3 K 123/97) einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt dahingehend entschieden, dass sich aus dem Verstoß der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG gegen EU-Recht keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeit eines Gewerbesteuerbescheids, der ausschließlich inländische Sachverhalte berücksichtigt, ergeben.

Entscheidungsgründe

9

I.

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die hälftigen Miet- und Pachtzinsen sowie die Teilwerte der Wirtschaftsgüter zu Recht hinzugerechnet.

10

1.

Gemäß § 8 Nr. 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bei der Ermittlung des Gewerbeertrages die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen, die für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden und in fremdem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geleistet werden. Das gilt grundsätzlich jedoch nicht, soweit die Miet- und Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind (§ 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG). Diese Ausnahme von dem Hinzurechnungsgebot in § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG findet namentlich keine Anwendung, wenn der Vermieter oder Verpächter im Ausland ansässig ist. Dann nämlich können die Miet- oder Pachtzinsen bei ihm nicht der Gewerbesteuer unterworfen werden. Zu dieser Regelung hat der EuGH durch Urteil vom 26. Oktober 1999 (RS. C-294/97, DB 1999, 2246) entschieden, dass in dieser Verknüpfung der in § 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG enthaltenen Ausnahme mit der Ansässigkeit des Vermieters oder Verpächters im Ausland ein Verstoß gegen Art. 59 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV; jetzt Art. 49 EGV) liegt. Der EuGH-Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, in dem eine inländische Gesellschaft ein Flugzeug von einer irischen Kapitalgesellschaft leaste. Wegen der Auslandsansässigkeit der Leasinggeberin kam es zur Hinzurechnung der hälftigen Miet- und Pachtzinsen bei der inländischen Klägerin.

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2.

Die Entscheidung des EuGH ist im Streitfall jedoch nicht einschlägig. Hier geht es nicht um die in § 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG enthaltene Ausnahme von der Hinzurechnung der Miet- oder Pachtzinsen nach Satz 1 der Vorschrift. Vielmehr geht es um den Grundfall der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG (vgl. ebenso zur Rückausnahme in Satz 2 Halbsatz 2 BFH-Beschluss vom 01.10.1997 - I B 43/97, BFH/NV 1998, 352; FG München, EFG 2001, 36). Darauf, ob der Vermieter oder Verpächter im Ausland ansässig ist, kommt es nicht an. Denn im Fall der Hinzurechnungspflicht des § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG kommt eine Ausländerbenachteiligung nicht in Betracht, da die Hinzurechnung stets zu erfolgen hat, unabhängig von der Ansässigkeit des Vermieters. Im Grundfall der Regelung ist der Vermieter gerade nicht der Gewerbesteuerpflicht unterworfen, steht folglich einem im Ausland ansässigen Vermieter gleich.

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3.

Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt in der Hinzurechnung auch keine unzulässige Inländerdiskriminierung. Das Gleichbehandlungsgebot des EGV gewährt zwar grds. nicht nur das Recht auf gleiche Behandlung der Ausländer wie Inländer, sondern verbietet umgekehrt in seinem Anwendungsbereich grds. auch die Schlechterstellung von Inländern gegenüber EG-Ausländern. Jedoch ist diese umgekehrte Diskriminierung nur insoweit untersagt, wie der Inländer in ähnlicher Weise wie ein EG-Ausländer von Freizügigkeitsrechten Gebrauch macht, nicht aber generell, da der Inländer zunächst einmal der nationalen Gesetzgebung unterworfen ist (vgl. Oppermann, Europarecht, Rn. 1429).

13

Im Streitfall macht die inländische Klägerin weder von Freizügigkeitsrechten Gebrauch, da sowohl Mieter als auch Vermieter Inländer sind, die ihre Tätigkeiten im Inland entfalten, noch liegt ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor. Wie der Senat unter I. 2. ausgeführt hat, steht die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG mit Art. 59 EWGV (jetzt Art. 49 EGV) im Einklang.

14

4.

Die Hinzurechnung der hälftigen Miet- und Pachtzinsen verstößt ebenfalls nicht gegen Art. 3 GG. Hiervon geht auch der BFH in ständiger Rechtsprechung aus (vgl. bereits BFH Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70, BFHE 107, 468, BStBl. II 1973, 148). Ein Gleichheitsverstoß entsteht - entgegen der Ansicht der Klägerin - ebenfalls nicht durch die Europarechtswidrigkeit der Ausnahmevorschrift des § 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG. Durch die Hinzurechnung soll - dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer entsprechend - derjenige, der in seinem Betrieb fremde Vermögensgegenstände nutzt, dem gleichgestellt werden, der als Betriebsinhaber Eigentümer dieser Gegenstände ist. Es soll der volle Reinertrag aus dem Anlagevermögen erfasst werden, ohne dass es auf die bürgerlich-rechtliche Zugehörigkeit der einzelnen Teile des Anlagevermögens ankommt (siehe dazu Begründung zum GewStG 1936, RStBl 1937, 693 [696]). Wenn das Gesetz vorschreibt, dass die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen ist, so sind dafür sachgerechte Gründe zu erkennen. Diese Gründe gelten erst recht, wenn weitere Ausnahmen von der Hinzurechnung entfallen, weil diese europarechtswidrig sind. Ob der Gesetzgeber im Gegenzug möglicherweise denjenigen Vermieter, der gewerbesteuerpflichtig ist, aus verfassungsrechtlichen Gründen entlasten müsste, kann im Streitfall dahinstehen.

15

5.

Aus den oben genannten Gründen erfolgte auch die Hinzurechnung der Teilwerte gemäß § 12 Nr. 2 S. 1 GewStG zu Recht.

16

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.