Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.07.2003, Az.: 1 K 341/00

Rechtsschutz gegen fehlerhafte Feststellung des Einheitswertes bei Land- und forstwirtschaftlichen Vermögen; Ermittlung des Ertragswertes bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen; Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher und gärtnerischer Nutzung im Falle des Gemüseanbaus; Bewertungsmäßige Zuordnung von Kopfkohl, Pflückerbsen und Pflückbohnen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.07.2003
Aktenzeichen
1 K 341/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 12819
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0708.1K341.00.0A

Fundstelle

  • EFG 2003, 1760-1761

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Gemüsebau bildet grds. einen Teil der gärtnerischen Nutzung. Dazu zählt auch der Anbau von Möhren.

  2. 2.

    Der Umstand, dass angebautes Gemüse nicht für Zwecke des menschlichen Verzehrs abgesetzt, sondern entweder im eigenen Betrieb oder durch Veräußerung an Dritte als Tierfutter verwertet wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Für die Abgrenzung der einzelnen Nutzungen sind das Produkt und die Pflanzenart entscheidend, nicht hingegen die Intensität des Anbaus, der Anbaumethode oder der Verwendungszweck.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob bei der Ermittlung des Einheitswerts eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Anbau von Möhren der landwirtschaftlichen oder der gärtnerischen Nutzung zuzuordnen ist.

2

Der Kläger ist Landwirt und baut auf einer Fläche von durchschnittlich...ha Futtermöhren an. Durch Einheitswertbescheid vom 2. März 2000 führte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) auf den 1. Januar 1999 eine Wertfortschreibung durch und stellte den Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers auf 152.700,00 DM fest. Bei der Ermittlung dieses Betrages ordnete das FA den Möhrenanbau der gärtnerischen Nutzung zu und ermittelte dafür einen Vergleichswert von 23.656,00 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einheitswertbescheid (Bl. 19/20 der Einheitswertakte zum Aktenzeichen ...) Bezug genommen.

3

Mit dem am 10. März 2000 gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, dass der Möhrenanbau der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen sei. Gemäß Abschnitt 6.07 Nr. 1 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewR L) gehöre der Anbau von Kopfkohl, Pflückerbsen und Pflückbohnen nach landwirtschaftlicher Anbaumethode im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge zur Hauptkultur. Dies müsse auch bei Möhren gelten, die zwar nicht ausdrücklich genannt seien, jedoch in die gleiche Kategorie einzuordnen seien. Unterstützend wies er auf Abschnitt 1.08 BewR L hin.

4

Durch Einspruchsbescheid vom 7. August 2000 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es wies darauf hin, dass die von dem Kläger angebauten Möhren nach Auskunft des amtlichen gärtnerischen Sachverständigen als Gemüse anzusehen seien, weil es sich dabei nicht um eine Sorte handele, die im Bundessortenregister ausdrücklich als Futtermöhre verzeichnet sei. Damit falle ihr Anbau gemäß § 40 Abs. 2 und § 48 a Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) unter die gärtnerische Nutzung i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BewG. Wie der Anbau und der Absatz im einzelnen vor sich gehe, sei ebenso unerheblich wie der Verwendungszweck, für den die Früchte bestimmt seien. Lediglich bei einigen Kohlarten sowie bei Erbsen und Bohnen hänge die Zuordnung zur gärtnerischen Nutzung nach Abschn. 6.07 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewR L von der sich aus der Anbaumethode ergebenden Intensitätsstufe - nicht aber von dem Verwendungszweck - ab. Bei den in dem Klammerzusatz aufgezählten Gemüsearten handele es sich nicht um eine beispielhafte, sondern um eine abschließende Aufzählung, mit der der Richtliniengeber der geringeren Ertragsfähigkeit dieser Gemüsearten Rechnung getragen habe. Da die Möhre in dieser Aufzählung nicht enthalten sei, müsse sie der gärtnerischen Nutzung zugerechnet werden. Schließlich spiele es auch keine Rolle, dass der Kläger den Möhrenanbau nach eigenen Angaben auf von Jahr zu Jahr wechselnden Flächen betreibe. Denn der Einheitswert werde nicht für eine bestimmte Fläche, sondern für einen bestimmten Betrieb festgestellt.

5

Hiergegen richtet sich die am 22. August 2000 erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass die von ihm angebauten Futtermöhren eine ähnlich geringe Ertragsfähigkeit wie einige Kohlarten aufweise und deshalb ebenso wie diese der Intensitätsstufe 1 zuzuordnen sei. Die Möhren würden zum Teil an die von ihm selbst gehaltenen Pferde und Rinder verfüttert und im übrigen als Pferdefutter verkauft. Die Ertragsfähigkeit des Möhrenanbaus sei damit nicht höher als die von Futterrüben. Die für den Möhrenanbau genutzte Fläche von...ha zuzüglich anteiliger Hof- und Gebäudefläche sei daher mit dem für die landwirtschaftliche Nutzung geltenden Vergleichswert anzusetzen. Daraus ergebe sich ein Wert von 7.725,00 DM anstelle der bisher angesetzten 23.656,00 DM.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Einheitswertbescheids vom 2. März 2000 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 7. August 2000 den Einheitswert auf den 1. Januar 1999 auf 136.800,00 DM festzustellen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er hält an der seiner Einspruchsentscheidung zugrunde liegenden Auffassung fest.

Gründe

9

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat den Einheitswert auf den 1. Januar 1999 zutreffend festgestellt.

10

Gemäß § 36 Abs. 1 BewG ist der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Ertragswert zugrunde zu legen, der für die einzelnen Nutzungen durch ein vergleichendes Verfahren ermittelt wird (§ 37 Abs. 1 BewG). Dabei werden die Unterschiede der Ertragsfähigkeit der gleichen Nutzung in den verschiedenen Betrieben durch die gemäß § 38 BewG ermittelten Vergleichszahlen ausgedrückt, während den Unterschieden der Ertragsfähigkeit der verschiedenen Nutzungen durch die in § 40 Abs. 2 BewG für die einzelnen Nutzungen bzw. Nutzungsteile festgelegten Ertragswerte Rechnung getragen wird.

11

Im Streitfall hat das FA bei der Anwendung dieses vergleichenden Verfahrens den von dem Kläger betriebenen Möhrenanbau zu Recht nicht der landwirtschaftlichen Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BewG), sondern der gärtnerischen Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BewG) zugeordnet und bei der Ermittlung des Einheitswerts einen Vergleichswert für Gemüsebau angesetzt.

12

Wie sich aus dem Wortlaut der §§ 40 Abs. 2, 48 a Satz 1 Nr. 2 und 59 Abs. 2 BewG ergibt, bildet der Gemüsebau grundsätzlich einen Teil der gärtnerischen Nutzung. Unter Gemüse sind nach allgemeinem Sprachgebrauch alle pflanzlichen Nahrungsmittel mit Ausnahme des Obstes und der Grundnahrungsmittel Getreide und Kartoffel zu verstehen, die roh oder nach besonderer Zubereitung der menschlichen Ernährung dienen können. Dazu zählen auch die von dem Kläger angebauten Möhren.

13

Der Umstand, dass dieser die von ihm gewonnenen Früchte tatsächlich nicht für Zwecke des menschlichen Verzehrs absetzt, sondern entweder im eigenen Betrieb oder durch Veräußerung an Dritte als Tierfutter verwertet, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Wie der erkennende Senat schon wiederholt entschieden hat, ist für die Abgrenzung der einzelnen Nutzungen das Produkt und die Pflanzenart, nicht hingegen die Intensität des Anbaus, der Anbaumethode oder der Verwendungszweck entscheidend (Urteile vom 22. November 1974 I 34/72, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1975, 238, und vom 6. Juni 1989 I 383/84, EFG 1989, 558). Dies ergibt sich aus § 36 Abs. 2 Satz 1 BewG, wonach bei der Ermittlung des Ertragswerts von der Ertragsfähigkeit auszugehen ist. Diese hängt aber nicht davon ab, wie ein bestimmtes Produkt tatsächlich verwertet wird, sondern wird dadurch bestimmt, welche Verwertungsmöglichkeiten es seiner Art nach eröffnet. Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger Möhren anbaut, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind und auch für diesen Zweck abgesetzt werden könnten.

14

Auch aus Abschnitt 1.08 Abs. 2 bzw. Abschnitt 6.07 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BewR L kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Möhrenbau im Streitfall der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen ist. Nach diesen Verwaltungsregelungen soll der Anbau von Kopfkohl (Weiß-, Rot- und Wirsingkohl), Pflückerbsen und Pflückbohnen nach landwirtschaftlicher Anbaumethode im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge als Hauptkultur zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Ob dies mit dem Gesetz in Einklang steht - vgl. dagegen Senatsurteil in EFG 1989, 558 -, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Aufzählung der dort genannten Gemüsearten hat ersichtlich abschließenden Charakter. Der Umstand allein, dass der Möhrenbau ebenso wie der Anbau der in den Richtlinienvorschriften genannten Gemüsearten im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge auf wechselnden Flächen vorgenommen wird, rechtfertigt es nicht, den Anwendungsbereich der Verwaltungsregelung über ihren klaren Wortlaut hinaus auszudehnen. Offenbar ging der Richtliniengeber nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nur im Fall von Kopfkohl, Pflückerbsen und Pflückbohnen von einer im Vergleich zu anderen Gemüsearten so stark verminderten Ertragsfähigkeit aus, dass er unter bestimmten Voraussetzungen eine Zuordnung zur landwirtschaftlichen Nutzung für geboten hielt. Der Senat verfügt über keine Erkenntnisse, die diese Einschätzung als unzutreffend erscheinen lassen.

15

Hiernach ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)abzuweisen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, nach welchen Gesichtspunkten die Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher und gärtnerischer Nutzung vorzunehmen ist, hat grundsätzliche Bedeutung.