Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.07.2003, Az.: 11 K 111/99

Maßstab für die Zerlegung festgesetzter einheitlicher Gewerbesteuermessbeträge ; Unterhalt von Betriebsstätten in mehreren Gemeinden durch einen Gewerbetreibenden; Berücksichtigung reiner Lohn- und Gehaltsaufwendungen für überlassene Arbeitskräfte bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages; Dienstverhältnis bei Vergütungen an Arbeitnehmer, die an andere Unternehmen für die Überlassung von Arbeitskräften gezahlt werden ; Dienstverhältnis bei Arbeitnehmerüberlassung; Drittbezogener Arbeitseinsatz; Auslegung des Begriffs "unbillig" in § 33 Gewerbesteuergesetz (GewStG a.F.) beim Einsatz von Leiharbeitern

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.07.2003
Aktenzeichen
11 K 111/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 12814
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0703.11K111.99.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 18.02.2004 - AZ: IV S 1/04
BFH - 25.03.2004 - AZ: IV R 42/03

Fundstellen

  • DStR 2004, XII Heft 12 (Kurzinformation)
  • DStRE 2004, 471-474 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Gewerbesteuermessbetrag 1992 bis 1994

Amtlicher Leitsatz

Abweichender Zerlegungsmaßstab aus Billigkeitsgründen bei Beschäftigung überlassener Arbeitnehmer (keine Leiharbeiter)

Redaktioneller Leitsatz

Unterhält ein Gewerbetreibender mehrere Betriebsstätten in mehreren Gemeinden und setzt er geliehene Arbeitskräfte ein, kann eine Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F. zu einem unbilligen Ergebnis führen. Die Nichtberücksichtigung des dauerhaften Einsatzes von überlassenen Arbeitnehmern in wesentlicher Zahl führt zu einem atypischen Sachverhalt, der bei der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F. eine Unbilligkeit bei den benachteiligten Gemeinden bewirkt. Die Zerlegung hat dann nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG a.F. zu erfolgen. Als Zerlegungsmaßstab ist dafür der Aufteilungsmaßstab der gezahlten Arbeitslöhne einschließlich des Aufwands für die überlassenen Arbeitskräfte geeignet.

Tatbestand

1

Streitig ist, nach welchem Maßstab die Zerlegung der für die Klägerin festgesetzten einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre ... bis ... zu erfolgen hat.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Transport von Paketen und die Ausübung verwandter Geschäfte. Zu diesem Zweck unterhält sie Betriebsstätten in mehreren Städten und Gemeinden. Der Ort der Geschäftsleitung befindet sich in O.

3

Die Klägerin beschäftigte in den Streitjahren in erheblichem Umfang Arbeitnehmer ihrer Schwestergesellschaft (KG) mit Sitz in O. Beide Unternehmen gehören zur selben Firmengruppe und arbeiten wirtschaftlich sehr eng zusammen. Ausdruck hierfür ist unter anderem der einheitliche integrierte Güter- und Paketumschlag beider Unternehmen in der Betriebsstätte O.

4

In der Betriebsstätte H. wurden bereits seit 1976 Mitarbeiter der KG für Aufgaben der Klägerin eingesetzt, die deshalb auch alle Arbeitnehmer einstellte. Obwohl ... auf einem nahe gelegenen Grundstück eine neue Paketumschlagsanlage der Klägerin entstand, blieb es bei dieser Gestaltung zwischen den beiden Gesellschaften.

5

Anfang ... wurde bei der Klägerin und der KG beschlossen, aus betriebsverfassungsrechtlichen und organisatorischen Gründen die in den Standorten H. und O. beschäftigten Arbeitnehmer zentral bei der KG anzustellen. Mit Wirkung vom ... wurden die Arbeitsverträge der Beschäftigten des Paketumschlages der Klägerin in O. auf die KG übergeleitet. Diese Mitarbeiter arbeiteten aber weiterhin ausschließlich für die Klägerin. Der Aufwand für die Mitarbeiter wurde nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung den jeweiligen Kostenstellen der Gesellschaften zugerechnet, für die sie tätig waren. Der Aufwand der so ausschließlich für die Klägerin tätigen Arbeitnehmer wurde von der KG ohne Aufschläge an sie weiterberechnet. Schriftliche Verträge zwischen der Klägerin und der KG über die Überlassung der gewerblichen Arbeitnehmer und die Art der Weiterberechnung wurden nicht geschlossen, es bestanden hierüber mündliche Vereinbarungen.

6

Für die Klägerin stellte sich die Situation in den Betriebsstätten O. und H. in den Streitjahren wie folgt dar:

7

Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen mit der Klägerin Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen mit der KG, die ausschließlich bei der Klägerin eingesetzt werden Bei der Klägerin insgesamt beschäftigte Arbeitnehmer

8

1992.

O. 59 228 287
H. 50 136 186
Gesamtzahlen 109 364 473
9

1993

O. 62 229 291
H. 62 138 200
Gesamtzahlen 124 367 491
10

1994

O. 63 285 348
H. 63 160 223
Gesamtzahlen 126 445 571
11

Bezogen auf die Arbeitslöhne ergab sich folgendes Verhältnis:

DM DM DM
12

1992

O. 1.377.000 4.290.000 5.667.000
H. 1.540.000 4.578.000 6.118.000
Gesamtzahlen 2.917.000 8.868.000 11.785.000
13

1993

O. 1.601.000 4.424.000 6.025.000
H. 1.568.000 4.578.000 6.155.000
Gesamtzahlen 3.169.000 9.011.000 12.180.000
14

1994

O. 1.728.000 5.154.000 6.882.000
H. 1.693.000 5.373.000 7.066.000
Gesamtzahlen 3.421.000 10.527.000 13.948.000
15

Der Beklagte erteilte am ... Bescheide für die Streitjahre über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag. Dabei wurde der Gewerbesteuermessbetrag für 1992 in Höhe von ... DM, für 1993 in Höhe von ... DM und für 1994 in Höhe von ... DM festgesetzt. Die Verwaltungsakte wurden bestandskräftig.

16

Ebenfalls am ... erteilte der Beklagte Bescheide für 1992 bis 1994 über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags. Als Zerlegungsmaßstab wurde die von der Klägerin an die in den jeweiligen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslöhne zu Grunde gelegt. Auf die Betriebsstätten in O. und H. entfielen danach folgende anteilige Gewerbesteuermessbeträge:

17

...

18

Gegen den Zerlegungsbescheid 1994 legten die Stadt H. und die Stadt O. als an der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags beteiligte Gemeinden Einspruch ein. Die Klägerin erhob Einspruch gegen die Zerlegungsbescheide 1992 bis 1994. Die Rechtsbehelfe wurden zurückgewiesen.

19

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, als Zerlegungsmaßstab müsse auf die von ihr wirtschaftlich getragenen Arbeitslöhne zurückgegriffen, also auch die Summen einbezogen werden, die ihr von der KG weiterberechnet worden seien. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 29 Gewerbesteuergesetz (GewStG) müsse wirtschaftlich ausgelegt werden. Wirtschaftlich trete die KG nur als Zahlstelle für die Klägerin auf. Es könne letztlich bei dieser Betrachtung nicht darauf ankommen, dass die finanziellen Mittel der KG nicht im Voraus zur Verfügung gestellt, sondern im Nachhinein erstattet worden seien. Ein typisches Leiharbeitsverhältnis läge zwischen der KG und der Klägerin nicht vor. Der formalrechtliche Abschluss der Arbeitsverträge mit der KG dürfe nicht die Tatsache überdecken, dass die Arbeitnehmer in vollem Umfang der Klägerin zugeordnet worden seien.

20

Hilfsweise trägt die Klägerin vor, die Zerlegung müsse nach § 33 GewStG erfolgen, weil ansonsten ein unbilliges Ergebnis erzielt würde. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auf die Entgelte für Leiharbeiter abgestellt werden müsse, wenn in einer Betriebsstätte von erheblicher Bedeutung auf Dauer und ausschließlich Leiharbeiter eingesetzt würden und dadurch der Gemeinde, in der die Betriebsstätte unterhalten werde, vollständig das Gewerbesteueraufkommen entgehe. Diese Konstellation sei auch auf ihren Fall übertragbar, weil in erheblichem Umfang Leiharbeiter eingesetzt würden. Ein so hoher Anteil von Leiharbeitern in einem Unternehmen sei ein atypischer Sonderfall, der entsprechend zu würdigen sei. Aus ihrer Sicht ergebe sich ein offenbar unrichtiges Ergebnis auch mit Rücksicht auf die sich aus der beantragten Zerlegung im Verhältnis zu der vom Beklagten vorgenommenen Zerlegung erheblichen Ersparnis von Gewerbesteuer, weil nur so die tatsächlich in den Betriebsstätten eingesetzte Arbeit und die durch sie erzielte Wertschöpfung berücksichtigt würde. Den Lohnaufwand für den Auszubildenden, der in Osnabrück beschäftigt worden sei, habe sie mit jährlich 10.000,00 DM aus der Summe der an die KG erstatteten Beträge herausgerechnet.

21

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages für 1992 bis 1994 vom ... in Gestalt des Einspruchsbescheids vom ... zu ändern und die Zerlegungsanteile wie im Schriftsatz vom ... mit den entsprechenden Korrekturen festzustellen.

22

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.

24

Mit Beschluss vom ... wurden die Stadt O., die Stadt O., die Stadt B., die Stadt H., die Stadt B. und die Stadt H. zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage ist begründet.

26

Die Bescheide über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages für 1992 bis 1994 vom .... und der Einspruchsbescheid vom ... sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

27

Zwar können die an die KG erstatteten Lohnaufwendungen für die Arbeitnehmer, die in den Betriebsstätten der Klägerin eingesetzt wurden, nicht bei der Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz in der für die Streitjahre 1992 bis 1994 maßgeblichen Fassung (GewStG a.F.) berücksichtigt werden. Die Voraussetzungen für eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages in besonderen Fällen nach § 33 Abs. 1 GewStG a.F. liegen dagegen vor. Als Zerlegungsmaßstab sind die reinen Lohn- und Gehaltsaufwendungen für die überlassenen Arbeitskräfte zusätzlich zu berücksichtigen.

28

Unterhält ein Gewerbetreibender zur Ausübung seines Gewerbes Betriebsstätten in mehreren Gemeinden, so ist der einheitliche Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG a.F.). Zerlegungsmaßstab ist im Regelfalle das Verhältnis zwischen der Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu der Summe der Arbeitslöhne, die an die bei den Betriebsstätten in den einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F.). Als Arbeitnehmer sind dabei nur solche Personen zu berücksichtigen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) zu dem Unternehmen stehen, für das der zu zerlegende Steuermessbetrag festgesetzt worden ist

(Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 9. November 1965 I B 4/63, HFR 1966, 124; Urteil vom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 836; Abschn. 115 Satz 1 Gewebesteuerrichtlinien 1990 - GewStR -).

29

Keine Zahlungen von Arbeitslöhnen an Arbeitnehmer sind aber Vergütungen, die an andere Unternehmen für die Überlassung von Arbeitskräften gezahlt werden (BFH, Beschlüsse vom 3. Juli 1956 I B 114/54, n.v.; vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U, BStBl III 1958, 182; Urteil vom 26. Februar 1992 I R 16/90, a.a.O.; Abschn. 115 Satz 2 GewStR). Unter Berücksichtigung der zwischen der KG und den fraglichen Arbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträge und des Umstands, dass die Klägerin die fälligen Arbeitslöhne weder im Voraus an die KG, noch an die Arbeitnehmer direkt entrichtete, kann ein Dienstverhältnis zwischen der Klägerin und den von der KG überlassenen Arbeitnehmern nicht bejaht werden.

30

Nach § 1 Abs. 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Die Merkmale eines Dienst- oder gleich bedeutend Arbeitsverhältnisses werden nach Auffassung des BFH (Urteil vom 7. April 1972 VI R 58/69, BStBl II 1972, 643) zutreffend dahin umschrieben, dass ein solches Verhältnis dann vorliegt, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisung zu folgen verpflichtet ist. Ob diese Merkmale im Einzelfall vorliegen, ist unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen Verträge und ihrer wirtschaftlichen Umsetzung zu beurteilen

(vgl. BFH, Beschluss vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U, BStBl III 1958, 182; vom 2. April 1982 VI R 34/79, BStBl II 1982, 503; vom 1. April 1999 VII R 51/98, BFH/NV 2000, 46; vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41).

31

Gerade bei Dreiecksverhältnissen, z.B. in den Fällen einer Arbeitnehmerüberlassung, lässt sich allerdings anhand des lohnsteuerlichen Arbeitgeberbegriffs oftmals nicht eindeutig klären, ob der Verleiher oder aber der Entleiher als Arbeitgeber mit der Folge anzusehen ist, dass die Person, zu der der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht, unter Würdigung der wirtschaftlichen Gesamtumstände des Einzelfalls zu ermitteln ist. Die Rechtsprechung misst dabei der Feststellung, wer mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat, für den Regelfall eine Vermutungswirkung zu, die allerdings widerlegbar ist

(BFH, Urteile vom 21. Februar 1986 VI R 9/80, BStBl II 1986, 769; vom 17. Februar 1995 VI R 41/92, BStBl II 1995, 390; vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41).

32

In den Fällen eines drittbezogenen Arbeitseinsatzes kann diese Vermutung z.B. dadurch widerlegt werden, dass der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag verpflichtet wird, seine Arbeitsleistung direkt gegenüber dem Dritten zu erbringen, allein unter seiner Leitung tätig zu werden und seinen Weisungen zu folgen, und der Arbeitgeber ihn im Gegenzug von der Arbeit ihm gegenüber freistellt (BFH, Urteile vom 1. April 1999 VII R 51/98, BFH/NV 2000, 46; vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41). Zusätzlich wird in diesen Fällen von der Rechtsprechung aber verlangt, dass der formale Arbeitgeber entweder lediglich zu dem Zweck installiert wird, um die Gehaltszahlungen abzuwickeln (BFH, Beschluss vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U, BStBl III 1958, 182; Urteil vom 1. April 1999 VII R 51/98, a.a.O.) oder der Dritte den fälligen Lohn dem Arbeitnehmer im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar auszahlt (BFH, Urteile vom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 181 und vom 24. März 1999 I R 64/98, a.a.O.; vgl. ferner Urteil vom 12. September 1968 V 191/64, BStBl II 1968, 791). Derartige Umstände liegen im konkreten Fall aber nicht vor.

33

Nach dem Vortrag der Klägerin wurden die Arbeitsverträge mit ihren Arbeitnehmern zum ... umgestellt und die KG zivilrechtlich neue Arbeitgeberin. Die Arbeitnehmer wurden zwar in der Folgezeit weiterhin ausschließlich bei der Klägerin tätig und waren deshalb in ihren geschäftlichen Organismus integriert und sicherlich auch verpflichtet, ihren Weisungen zu folgen. Allein dieser Umstand genügt nicht, denn auch ein entliehener Arbeitnehmer ist beim Entleiher entsprechend seinen betrieblichen Erfordernissen dessen Leitung untergeordnet, in dessen Organismus voll eingegliedert und muss dessen Weisungen befolgen. Nach den Arbeitsverträgen konnten die Arbeitnehmer ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, z.B. auf Lohnzahlung oder Urlaubsgewährung, nur gegenüber der KG durchsetzen, sodass sie den gezahlten Lohn typischerweise als Frucht ihrer Arbeit für die KG empfunden haben (vgl. dazu BFH, Urteile vom 2. April 1982 VI R 34/79, BStBl II 1982, 502 und vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41). Klägerin, KG und Arbeitnehmer haben das vertraglich vereinbarte Dreiecksverhältnis in den Streitjahren auch tatsächlich durchgeführt, weil die KG als Vertragspartner der Arbeitnehmer die Löhne im eigenen Namen und für eigene Rechnung an sie auszahlte und auch die übrigen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, z.B. die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuerabzugsbeträge und der Sozialversicherungsbeiträge erfüllte.

34

Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich ein anderes Ergebnis auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U (BStBl III 1958, 182) ableiten. Dort hatte das Gericht ausgeführt, dass ein Unternehmen nicht als Arbeitgeberin angesehen werden könne, wenn es lediglich als Zahlstelle für andere Firmen arbeite. Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden dadurch, dass die Beschäftigten nicht in einem Dauerarbeitsverhältnis zum Unternehmen standen, sodass es den anderen Firmen nicht Arbeitskräfte zur Verfügung stellte, sondern sie nur als deren Erfüllungsgehilfe bei der Annahme und Entlohnung der für sie tätigen tageweise unselbstständig beschäftigten Arbeitnehmer unterstützte. Hinzu kam dort, dass die Firmen dem Unternehmen die erforderlichen Lohngelder im Voraus zur Verfügung gestellt hatten, sodass sich die Weiterleitung der Gelder an die Arbeitnehmer als deren Lohnzahlungen darstellte. Die KG ist aber im vorliegenden Fall nicht als Zahlstelle aufgetreten, weil sie durch die Zahlungen die eigenen Lohnverbindlichkeiten gegenüber ihren Arbeitnehmern getilgt hat und ihr die Klägerin im Nachhinein auf Grund der getroffenen mündlichen Absprache die entstandenen Gesamtlohnaufwendungen wegen der Überlassung ihrer Arbeitnehmer erstattet wurden. Dass die Höhe der Vergütung der Klägerin an die KG nur die reinen Lohn- und Gehaltsaufwendungen umfasste, rechtfertigt nicht die Annahme von Lohnansprüchen der Arbeitnehmer an die Klägerin (BFH, Beschluss vom 9. November 1965 I B 4/63, HFR 1966, 124; Urteil vom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 181).

35

Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Voraussetzungen für eine Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags in besonderen Fällen nach § 33 Abs. 1 GewStG a.F. erfüllt, da die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F. zu einem unbilligen Ergebnis führt. Der Begriff "unbillig" wird in § 33 GewStG a.F. als unbestimmter Rechtsbegriff verwendet, deshalb unterliegt die vom Beklagten getroffene Entscheidung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung.

36

Nach der Rechtsprechung des BFH ist § 33 Abs. 1 GewStG restriktiv auszulegen. Nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus dem Maßstab gemäß § 29 in Verbindung mit § 31 GewStG a.F. ergibt, rechtfertigt es, den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag nach einem abweichenden Maßstab zu zerlegen. Vielmehr darf dies nur geschehen, wenn das nach den allgemeinen Vorschriften ermittelte Zerlegungsergebnis bei objektiver Betrachtung für einen oder mehrere Beteiligte nicht hinnehmbar ist. Erforderlich ist, dass auf Grund der atypischen Umstände des Einzelfalls die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird, die nachteiligen Auswirkungen einer Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG a.F. also von wesentlicher Bedeutung sind

(vgl. BFH, Beschluss vom 12. Juli 1960 I B 47/59 S, BStBl III 1960, 386; Urteile vom 1. März 1967 I B 240, 241/62, BStBl III 1967, 324; vom 24. Januar 1968 I B 87/64, BStBl II 1968, 185; vom 9. Oktober 1975 IV R 114/73, BStBl II 1976, 173; vom 12. Mai 1992 VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191).

37

Im Streitfall führt die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die der Klägerin von der KG auf Dauer und in wesentlicher Zahl gegen Erstattung des Lohnaufwands überlassen werden, zu einem atypischen Sachverhalt, der für die betroffenen Städte H. und O. eine Unbilligkeit bewirkt.

38

Der Zweck der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags besteht darin sicherzustellen, dass gewerbesteuerpflichtige Unternehmen in allen Gemeinden, in denen sie sich betrieblich betätigen, zur Tragung der Kosten herangezogen werden, die durch ihre betriebliche Tätigkeit den Gemeinden entstehen. Dazu folgt aus der Heranziehung der Arbeitslöhne als dem grundlegenden Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F., dass nach Auffassung des Gesetzgebers vor allem die Angestellten und Arbeiter der Betriebsstätte die Gemeindelasten entstehen lassen, die durch die Erhebung der Gewerbesteuer abgegolten werden sollen.

39

Die durch die Arbeitnehmer ausgelösten Gemeindelasten bestehen aber im Wesentlichen aus den Arbeitnehmerfolgekosten, d. h. aus den Aufwendungen einer Gemeinde für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Altersheime u.a.m. für die dort wohnenden Arbeitnehmer. Eine Unbilligkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 GewStG a.F. ist deshalb dann denkbar, wenn eine Gemeinde, in der sich eine Betriebsstätte befindet, in erheblichem Umfang die so genannten Folgekosten zu tragen hat, ohne dass dies im Zerlegungsmaßstab zu Gunsten der Gemeinde Berücksichtigung findet (BFH, Urteil vom 26. August 1987 I R 376/83, BStBl II 1988, 201). In seiner Entscheidung vom 26 Februar 1992 I R 16/90 (BFH/NV 1992, 836) hat der BFH das Merkmal der Unbilligkeit beim Einsatz von Leiharbeitern dahingehend präzisiert, dass er einen atypischen Sachverhalt angenommen hat, wenn das Unternehmen in einer Betriebsstätte auf Dauer und ausschließlich Leiharbeiter in wesentlicher Zahl einsetzt, anstatt - wie sonst im Allgemeinen üblich - die eingesetzten Arbeitnehmer selbst zu beschäftigen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die betroffene Gemeinde das Verhalten des Steuerpflichtigen, das in einem solchen Fall zum vollständigen Ausfall der Gewerbesteuer für sie führt, nicht beeinflussen kann und auch sonst nicht zu verantworten hat. Bei der Wertung ist zu berücksichtigen, dass die eingesetzte Arbeit unabhängig vom Rechtsverhältnis der Arbeitskräfte zum Betrieb auf den vor allem für die Gewerbesteuer maßgebenden Gewerbeertrag von Einfluss ist. Dieser Rechtsgedanke manifestiert nach Ansicht des BFH auch in der Regelung des § 31 Abs. 5 GewStG a.F., nach der bei Personengesellschaften ein Unternehmerlohn für die in einem gewerblichen Unternehmen beschäftigten Unternehmen anzusetzen ist.

40

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze führt der dauerhafte Einsatz von überlassenen Arbeitnehmern in wesentlicher Zahl bei der Klägerin zu einem atypischen Sachverhalt, dessen Nichtberücksichtigung bei der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags eine Unbilligkeit bei den benachteiligten Gemeinden bewirkt. Die Rechtsprechung des BFH ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht so zu interpretieren, dass durch das Unternehmen in einer Betriebsstätte ausschließlich Leiharbeiter beschäftigt sein müssen und der Gemeinde dadurch das Gewerbesteueraufkommen vollständig entgehen müsste.

41

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die dauerhafte Überlassung der Arbeitskräfte für den gewerblichen Bereich durch die KG kein im Wirtschaftsleben üblicher Vorgang. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass Leiharbeitsverhältnisse im Allgemeinen durchaus üblich sind; dies folgt bereits aus dem Umstand, dass derartige Rechtsverhältnisse grundsätzlich durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG - rechtlich anerkannt sind. Allerdings begrenzt dieses Gesetz derartige Dreiecksverhältnisse auf einen Zeitraum von maximal 24 Monaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995, BGBl. I 158). Von dieser üblichen Konstellation weicht der konkrete Sachverhalt in mehrerer Hinsicht ab. Zum einen wurden die Arbeitnehmer der Klägerin nicht für eine zeitlich begrenzte Dauer überlassen. Zum Zweiten hat die überlassende KG der Klägerin nur die bei ihr angefallenen Kosten weiterberechnet. Ein Zuschlag für die durch die Verwaltung der Arbeitsverhältnisse entstehenden Verwaltungskosten und ein Gewinnzuschlag wurden nicht erhoben. Die KG hat die Arbeitnehmer nach den Wünschen der Klägerin ausgesucht und beschäftigt. Zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich sind die bei der KG entstehenden Lohnaufwendungen durchlaufende Posten, die KG verfolgt aus den Arbeitsverhältnissen mit den Arbeitnehmern keine eigenen wirtschaftlichen Interessen.

42

Der atypische Lebenssachverhalt führt bei den Städten H. und O. zu einer Unbilligkeit. Die gewerblichen Arbeitnehmer, die der Klägerin von der KG überlassen werden, tragen in erheblichem Umfang zum betriebswirtschaftlichen Ergebnis der beiden Betriebsstätten bei. Wie die Klägerin ausgeführt hat, beträgt ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft und der Anteil der für sie gezahlten Arbeitslöhne in den Streitjahre durchschnittlich 75 v.H. Berücksichtigt man die Anzahl der insgesamt in den beiden Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer und die Höhe der gezahlten Löhne, so handelt es sich zur Überzeugung des Senats um einen erheblichen Nachteil, den die beiden Gemeinden zu tragen haben, weil der Maßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F. die durch die gewerblichen Arbeitnehmer bewirkte Ertragskraft der beiden Betriebsstätten nicht abbildet.

43

Würde man dagegen die Rechtsprechung des BFH dahingehend interpretieren, dass in einer Betriebsstätte ausschließlich Leiharbeiter beschäftigt sein müssen, so würde man der von ihr nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden wertenden Betrachtungsweise nicht gerecht werden. Erforderlich ist zur Überzeugung des Senats vielmehr eine Wertung, die die Größenverhältnisse der fraglichen Betriebsstätten, das Maß der durch die eingesetzte Arbeit geschaffenen Ertragskraft und die durch sie ausgelösten Folgekosten zu Lasten der betroffenen Gemeinden einschließt. In der Literatur wird die Rechtsprechung des BFH so verstanden, dass eine überwiegende oder ausschließliche Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu einem unbilligen Ergebnis für eine Gemeinde führen kann (vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl. 2002, § 33 Rdnr. 3).

44

Die nachteiligen Auswirkungen einer Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG sind für die betroffenen Gemeinden Stadt H. und Stadt O. von erheblichem Gewicht. Bei den streitigen Betriebsstätten handelt es sich um Paketumschlagsanlagen, bei denen pro Streitjahr jeweils etwa 203 bzw. 308 Arbeitnehmer inklusive der überlassenen Kräfte beschäftigt waren. Der BFH hat bereits bei einer nicht berücksichtigten Zahl von 40 bis 50 nur als Leiharbeiter Beschäftigten pro Streitjahr und Betriebsstätte ein erhebliches Gewicht einer Betriebsstätte bejaht (BFH, Urteil vom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 836). Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe ist auch der Umstand, dass in den Betriebsstätten in H. und O. 152 bzw. 231 Arbeitnehmer unberücksichtigt bleiben, als erheblich anzusehen, zumal die bei einer Zerlegung unter Berücksichtigung des § 29 GewStG a.F. unberücksichtigt bleibenden Beschäftigten den weit überwiegenden Anteil aller dort Tätigen ausmachen.

45

Der von der Klägerin beanspruchten Zerlegung gemäß § 33 GewStG a.F. kann nicht entgegengehalten werden, die betroffenen Gemeinden erhielten einen Ausgleich für den Ausfall durch die Beteiligung an der Gewerbesteuer der KG, denn diese hat von der Klägerin keinen Gewinnaufschlag für die Überlassung der Arbeitskräfte verlangt (BFH, Urteil vom 26. Februar 1992 I R 16/90, a.a.O.).

46

Als Zerlegungsmaßstab nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG a.F., der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, ist der von der Klägerin vorgeschlagene Aufteilungsmaßstab der gezahlten Arbeitslöhne einschließlich des Aufwands für die überlassenen Arbeitskräfte geeignet. Die von der Klägerin vorgelegten Zahlen enthalten keine Erstattungen von Lehrvergütungen und steuerfreie Lohn- und Gehaltsanteile, die bei sinngemäßer Anwendung der §§ 31, 24 Abs. 2 und 3 GewStG a.F. bei der Zerlegung nicht zu berücksichtigen wären.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO), die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO sowie § 151 Abs. 1 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

48

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren dem Beklagten nach § 139 Abs. 4 FGO nicht aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Sachanträge gestellt und damit das Risiko vermieden haben, zu unterliegen und mit Kosten belastet zu werden.