Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.07.2003, Az.: 2 K 464/99

Qualifizierung von Einkünften als gewerblich; Vorliegen freiberuflicher Tätigkeit eines EDV-Beraters; Vergleichbarkeit mit Ingenieurwesen; Programmiertätigkeit bei Veränderung der Quellcodes; Erstellung von Pflichtenheften; Erfordernis planender und konstruktiver Tätigkeit; Fehlende Mitwirkung im Beweisverfahren; Erfordernis einer repräsentativen Tatsachengrundlage; Nachweis autodidaktisch erworbender, vergleichbar vertiefter Kenntnisse; Erfordernis des theoretischen Grundwissens

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.07.2003
Aktenzeichen
2 K 464/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 11338
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0702.2K464.99.0A

Fundstellen

  • BBK 2004, 439-440
  • EFG 2004, 206-207

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Bei einem EDV-Berater kommt eine freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG nur in Betracht, wenn die Tätigkeit überhaupt eine ingenieurmäßige Beschäftigung und Entwicklung (hier: mit Software) zum Gegenstand hat.

  2. 2.

    Die bloße Nutzung im Rahmen praktischer Tätigkeit erworbener beruflicher Kenntnisse im Bereich des Personalwesens zur Erbringung von Beratungsleistungen auf dem EDV-Gebiet gegenüber Kunden ist als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger die Einspruchsfrist eingehalten hat und ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt.

2

Der Kläger absolvierte 1972 eine Ausbildung zum Industriekaufmann und war danach bis 1994 als Angestellter im EDV-Bereich tätig. Seit 1994 ist er selbständig.

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Er beriet in den Jahren 1990-1997 verschiedene Unternehmen bei Problemen aus dem Anwendungsbereich elektronischer Datenverarbeitung. Er war darauf spezialisiert, Hilfestellung bei der Einführung bei den Standard-Softwareprogrammen PAISY und SAP-RP vor, bei und nach erstmaligem Einsatz zu geben. Seine Tätigkeit bestand in der Betreuung und Beratung bei der technischen Umsetzung der Software, die bei der Umstellung von Standardsoftware im Personalwesen (SAP-RP und PAISY) bei den Kunden des Klägers erforderlich wurde. Dafür hatte er vorhandene Unterlagen der Firma S ausgewertet und für sich ein Ablaufschema entwickelt, mit dem er die entsprechende Datenbank so umsetzen konnte, dass bei den Kunden der Systemwechsel, also das Upgrade auf eine neue Version der Software, möglich wurde. Ziel der Tätigkeit des Klägers war es u.a., dass seine Kunden Datenbanken, die sie mit der alten Version der Software nutzten, auch mit der neuen Version nach dem sog. Release-Wechsel nutzen konnten. Daneben schulte er die Systembetreuer in den jeweiligen Unternehmen, aber auch den Fachabteilungen (Personal).

4

Der Kläger erklärte im Rahmen seiner jeweiligen Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nachdem für die Streitjahre eine Außenprüfung durchgeführt worden war, erließ das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid und qualifizierte die Einkünfte des Klägers als gewerblich.

5

Das Finanzamt teilte dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10.07.1998 mit, dass der Gewerbesteuermessbescheid für die Streitjahre unmittelbar an den Kläger (persönlich) gesandt worden sei. Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 21.07.1998 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt setzte die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide daraufhin mit Bescheid vom 31.07.1998 aus.

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Tatsächlich gab die Gemeinde S die Bescheide erst am 19.08.1998 zur Post.

7

Mit Schreiben vom März 1999 wies das Finanzamt den Kläger darauf hin, dass er keinen zulässigen Einspruch eingelegt habe und regte an, den Einspruch zurückzunehmen. Der bereits vor Erlass der Bescheide erhobene Einspruch sei unzulässig. Der Klägerbevollmächtigte teile daraufhin im April 1999 unter Angabe der zeitlichen Abfolge mit, den Einspruch aufrecht zu erhalten. Das Finanzamt verwarf dennoch den Einspruch als unzulässig.

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Hiergegen richtet sich die Klage.

9

Der Kläger ist der Auffassung, der Einspruch sei fristgerecht eingelegt worden. Der Beklagte könne sich nicht erst im Rahmen der Einspruchsentscheidung auf eine angebliche Verfristung stützen.

10

Darüber hinaus sei die Berufung auf eine Verfristung treuwidrig. Das Finanzamt habe die Pflicht gehabt, die Zulässigkeit des Einspruchs zu prüfen. Es hätte die Anträge auf Aussetzung bei gewissenhafter Prüfung ablehnen müssen.

11

Im Übrigen ist der Kläger Auffassung, er übe eine freiberufliche Tätigkeit aus. Seine Tätigkeit sei der eines Wirtschaftsinformatikers vergleichbar.

12

Sein beruflicher Werdegang und seine Qualifikation entspreche der eines Diplom-Informatikers. Der Kläger legte hierzu diverse Belege vor, auf die verwiesen wird. Der Kläger habe während seines gesamten Ausbildungs- und Berufslebens bis zum heutigen Tag ein kontinuierliches Selbststudium betrieben. Es könne ihm - wie sich auch aus dem BFH-Urteil vom 07.11.1991 (BStBl. II 1993, 324) ergebe - nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich die Kenntnisse autodidaktisch erarbeitet habe. Der Kläger verfüge auch über den notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund.

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Auch entspreche seine ausgeübte berufliche Tätigkeit quantitativ und qualitativ einer Ingenieurstätigkeit, die der eines Diplom Wirtschaftsinformatikers vergleichbar sei. Der Kläger sei auf dem Gebiet der Systemtechnik tätig. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Projektbeschreibungen. Zwar habe er bei einigen Projekten auch Anwendungssoftware erstellt. Der Anteil der hierauf entfallenden Tätigkeit sei aber als viel geringer einzustufen als der, der auf die zu entwickelnde Systemsoftware entfalle. Der Kläger verweist auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.04.1994 (EFG 1994, 384), in der festgestellt worden sei, dass auch die Anpassung von Systemsoftware zur Systemsoftwareentwicklung zähle.

14

Darüber hinaus sei eine Gewerbebesteuerung wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig, da der Kläger im Wettbewerb zu diplomierten Bewerbern stehe, die nicht von der Gewerbesteuer erfasst würden.

15

Der Kläger beantragt (GA Bl. 2),

die Gewerbesteuermessbescheide 1994 - 1996 vom 19.08.1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31.05.1999 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Er ist weiterhin der Auffassung, die Einspruchsfrist sei versäumt.

18

Jedenfalls übe der Kläger keinen freien Beruf i.S.v. § 18 EStG aus. Seine Tätigkeit falle weder unter einen in § 18 EStG genannten Katalogberuf, noch übe er einen diesen Berufen ähnlichen Beruf aus. Vielmehr sei der Kläger als EDV-Berater tätig. Wie die Betriebsprüfung festgestellt habe, sei der Kläger ausschließlich auf dem Gebiet der Anwendungssoftware tätig gewesen. Er habe die Benutzer der Software-Produkte vor, bei und nach dem erstmaligen Einsatz betreut. Diese Tätigkeit sei - wie das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 06.08.1996 festgestellt habe (EFG 1997, 421) - typisch für EDV-Berater.

19

Das Gericht hat den Kläger unter Bezugnahme auf § 79b Abs. 2 FGO dazu aufgefordert, nachzuweisen, dass der Kläger auf dem Gebiet der Systemsoftware tätig war, insbesondere durch Vorlage der Auftragsbestätigungen und Auftragsbeschreibungen. Zu den weiteren Einzelheiten des Streitstandes wird gem. § 105 Abs. 3 FGO auf die Schriftsätze der Beteiligten.

Gründe

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Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht gewerbliche Einkünfte angenommen.

21

1.

Der Kläger übte keine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit aus. Insbesondere gehört zur freiberuflichen Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die selbständige Berufstätigkeit von Ingenieuren. Der Tätigkeit als freiberuflich werden jedoch nur berufstypische Tätigkeiten zugeordnet, d.h. solche, die zum Berufsbild eines der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Berufe gehören. Freiberuflich ist die Tätigkeit eines Ingenieurs aber nur dann, wenn er berufstypische Leistungen erbringt, d. h. solche, die zum Berufsbild eines der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Berufe gehören.

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a)

Der Kläger war in den Streitjahren nicht in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich tätig. Dahinstehen kann allerdings, ob die vom Kläger in den Streitjahren entfaltete Tätigkeit, die er im Einzelnen im Erörterungstermin beschrieben hat, dem Bereich der Systemsoftware, wie sie in der BFH-Rechtsprechung beschrieben worden ist, zuzurechnen ist, oder ob er schwerpunktmäßig beratend im Bereich der Anwendersoftware tätig war. Es kommt zunächst allein darauf an, ob die Tätigkeit überhaupt eine ingenieurmäßige Beschäftigung und Entwicklung mit Software zum Gegenstand hat, d.h. vornehmlich eine informations- bzw. elektrotechnische Herangehensweise tätigkeitsprägend ist. Hiervon abzugrenzen ist die Tätigkeit des EDV-Beraters, der neben Informationskenntnissen auch über Kenntnisse im jeweiligen Anwendungsbereich, z. B. der Betriebswirtschaftstechnik, Medizin oder Rechtswissenschaft verfügen muss, um die Beratungsleistung auf dem EDV-Gebiet für den Kunden zu erbringen (vgl. BFH-Urteil v. 07.12.1989, IV R 115/87, BStBl II 1990, 337).

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b)

Aufgrund seiner Tätigkeitsbeschreibungen im gerichtlichen Verfahren steht fest, dass der Kläger in den Streitjahren für verschiedene Firmen im Wesentlichen beratend tätig war. Der Kläger hat nach eigenem Vortrag während der Betriebsprüfung seine Tätigkeit als "Beratung bei der Einführung von Standard-Software (PAISY, SAP-RP) im Bereich des Personalwesens" beschrieben. Eigene Programme erstellte oder verkaufte der Kläger nicht. Sog. Pflichtenhefte, die die angezielten Funktionen der Software wiedergeben, hat der Kläger oder dessen Kunden nicht erstellt. Zwar hat er angegeben, die sog. Quellcodes verändert zu haben. Dieser Umstand begründet allerdings keine Programmiertätigkeit im Sinne eines Wirtschaftsinformatikers, da die Anpassung der Quellcodes der von SAP bzw. dem Hersteller gelieferten Tools zur Umwandlung der Daten/Datenbankstrukturen vorgegeben waren und keine besonderen Programmierkenntnisse erforderten. Der Kläger musste nur schlichte Eingaben in vorhandene Codes tätigen. Die Tätigkeit hatte damit keine ingenieurmäßige Beschäftigung und Entwicklung mit Software zum Gegenstand. Auch nach den Aufzeichnungen des Betriebsprüfers, die dieser anlässlich einer Erörterung mit dem Kläger gefertigt hat, installierte der Kläger Standard-Software-Programme im Bereich des Personalwesens, beriet und gab Hilfestellung bei der Einführung dieser Programme. Damit unterscheidet sich der Kläger wesentlich von einem Softwareentwickler, der sich - wie oben beschrieben - grundsätzlich ingenieurmäßig betätigt. Wesentlich für die Tätigkeit des Dipl. Informatikers ist es aber, technische Werke

  • zu planen,
  • zu konstruieren
  • und ihre Fertigung zu überwachen,

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mögen diese Werke auch nicht immer als körperliche Gegenstände in Erscheinung treten, sondern als Software nur aus dem Programm, dessen Beschreibung und dem maschinenlesbaren Programmträger bestehen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2001, 2 K 187/99, EFG 2001, 1449; FG Köln, EFG 2003, 536). Der Kläger nutzt hingegen seine - im Rahmen seiner praktischen Tätigkeit erworbenen beruflichen Kenntnisse im Bereich des Personalwesens, um Beratungsleistungen auf dem EDV-Gebiet gegenüber Kunden zu erbringen, bewegte sich also im wesentlichen im dritten Bereich einer Ingenieurstätigkeit, nicht aber in der Planung und der Konstruktion. Eine solche Tätigkeit ist nach wie vor als gewerblich zu qualifizieren, da sie nicht die Kenntnisse eines Ingenieurstudiums Wirtschaftsinformatik voraussetzt. Damit erfüllt er die vorstehend beschriebenen Kriterien einer ingenieurmäßigen technischen Software-Entwicklung nicht.

25

c)

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht - auch nicht aufgrund der gerichtlichen Ermittlungspflicht nach § 76 FGO - erforderlich. Nach den obigen Ausführungen steht fest, dass der Kläger sich nicht in einem für den Beruf des Ingenieurs (Wirtschaftsinformatikers) typischen Bereichs betätigt. Ein Sachverständigengutachten wäre darüber hinaus auch mangels ausreichender Tatsachengrundlage nicht zielführend. Der Kläger hat trotz der gerichtlichen Aufforderung nach § 79b FGO, Auftragsbestätigungen/-beschreibungen beizubringen keine weiteren Unterlagen übersandt und auch nicht innerhalb der Frist die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Dem Senat lagen lediglich zwei Arbeitsproben über Aufträge des Klägers vor. Dies reicht nicht aus, um einem Sachverständigen ein repräsentatives Bild über die in den Streitjahren vorgenommene Tätigkeit des Klägers zu vermitteln. Ein Sachverständigengutachten, welches auf einer derart unzureichenden Tatsachengrundlage beruhten würde, wäre aber ein absolut untaugliches Beweismittel. Der Senat kann diese Einschätzung auch ohne berufsspezifische Kenntnisse treffen, weil es keines besonderen beruflichen Sachverstandes bedarf, um beurteilen zu können, dass ein Sachverständigengutachten zur Frage der Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit der eines Wirtschaftsinformatikers nur dann Aussagekraft hat, wenn eine repräsentative Tatsachengrundlage vorhanden ist. Dies ist hier nicht der Fall. Damit könnte ein Sachverständiger selbst dann, wenn er - entgegen der Auffassung des Senats - die Meinung vertreten würde, der Kläger sei im Rahmen der beiden Arbeitsproben wie ein Wirtschaftsinformatiker tätig geworden, nicht aussagekräftig bekunden, wie die Tätigkeit des Klägers im Übrigen in den Streitjahren zu qualifizieren ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 30. März 1994, I R 54/93, BStBl II 1994, 864) trägt aber der Steuerpflichtige die Feststellungslast für das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 EStG. Das hat zur Folge, dass der Kl. Jedenfalls mangels Nachweis der Ausübung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit in den Streitjahren als Gewerbetreibender i. S. d. §§ 2 Abs. 1 GewStG und 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG anzusehen war. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens würde darüber hinaus eine Erledigung des Rechtsstreits verzögern und wird daher vom Senat als verspätet zurückgewiesen.

26

Darüber hinaus hat der Kläger seine Tätigkeit genau umschrieben. Er hat bereits nach seiner eigenen Umschreibung nicht selbst Werke (Software) geplant, konstruiert und die Fertigung überwacht, sondern durch seine Beratung die entwickelte Software aufgrund qualifizierter Kenntnisse für die Kunden einsetzbar gemacht.

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2.

Dem Klagebegehren ist der Erfolg auch deshalb zu versagen, weil der Kl. nicht über eine für den Beruf des Ingenieurs erforderliche vergleichbare Ausbildung verfügte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 9. Juli 1992, IV R 116/90, BStBl II 1993, 100 m.w.N.) muss die Ausbildung für den "ähnlichen" Beruf zwar nicht in einem förmlichen Ausbildungsgang erworben worden sein. Vielmehr genügt es, dass vergleichbare Kenntnisse im Wege des Selbststudiums erworben werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. November 1991, IV R 17/90, a.a.O.). Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule oder Fachschule, muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1989, IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73, unter b). Diesen Nachweis kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder auch durch eine Art Wissensprüfung führen (BFH-Urteile vom 26.06.2002, IV R 56/00, BStBl. 2002, 768, 4. Mai 2000, IV R 51/99, BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616; in BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769 [BFH 14.03.1991 - IV R 135/90]). Derartige autodidaktisch erworbene Kenntnisse hat der Kl. jedoch nicht ausreichend nachgewiesen. Die vom Kl. besuchten Weiterbildungsmaßnahmen sind für sich betrachtet nicht mit der breiten Ingenieursausbildung mit ihren natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern vergleichbar. Z.B. fehlen Angaben zu den Gebieten "Grundlagen", "Wahrscheinlichkeitsrechnung" und "Physikalische Grundlagen". Aber auch allein durch Belegen der Seminare konnte der Kläger nicht die notwendigen Kenntnisse im Bereich der Datenverarbeitung und Informatik nachweisen. Hinzutreten müssen hätte ein repräsentativer Nachweis durch Arbeitsproben bzw. Tätigkeitsbeschreibungen.

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Die Tätigkeitsweise des Klägers sind indes nicht geeignet, den Nachweis der erforderlichen theoretischen Kenntnisse anhand der vom Kl. erbrachten eigenen praktischen Arbeiten zu erbringen, der den Schluss gerechtfertigt hätte, seine theoretischen Kenntnisse entsprachen ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers. Der Kläger hat trotz der Fristsetzung nach § 79b FGO lediglich zwei Arbeitsproben zu den Gerichtsakten gereicht. Weitere Arbeitsproben hat er nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr. Dies reicht für eine sichere Beurteilung und Bewertung nicht aus. Es könnte z.B. sein, dass es sich um die beiden anspruchsvollsten Beispiele der Tätigkeit des Klägers handelt. Macht der Steuerpflichtige im Prozess geltend, er habe die erforderlichen Kenntnisse, muss er Tatsachen dazu vortragen, wie er die Kenntnisse erworben hat und inwieweit er sie in der Praxis einsetzt. Stehen diese Tatsachen nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts fest, muss das FG zwar grundsätzlich aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen, entsprechen. Die Beantragung eines Sachverständigengutachtens ersetzt aber nicht den erforderlichen Tatsachenvortrag zu den Umständen des Erwerbs der Kenntnisse und der praktischen Anwendung der erworbenen Kenntnisse (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 1994, IV B 112/93, BFH/NV 1995, 420). Da der Kläger aber lediglich einen kleinen Teilausschnitt seiner Tätigkeit belegen konnte, ist ein Sachverständigengutachten zum Kenntnisstand beim Kläger - ungeachtet der bereits nicht nachgewiesenen ingenieursmäßigen Tätigkeit - mangels ausreichender Tatsachengrundlage nicht einzuholen.

29

Eine im Wege eines Sachverständigengutachtens vorgenommene Wissensprüfung, in bei der Gutachter den Steuerpflichtigen examiniert, war ebenfalls nicht erforderlich. Eine solche müsste nur durchgeführt werden, wenn sie der Kläger beantragt hat (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.2002, IV R 56/00, BStBl. II 2002, 768). Dies ist nicht der Fall.

30

Die Anknüpfung an die Berufsausbildung ist auch mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren. Eine Gewerbebesteuerung des Klägers verstößt daher nicht gegen Verfassungsrecht.

31

3. Es kann daher dahinstehen, ob der Einspruch verspätet war. Für eine Unzulässigkeit des Einspruchs spricht allerdings, dass die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt regelmäßig Kenntnis des Steuerpflichtige vom Inhalt und der Begründung dieses Verwaltungsakts voraussetzt (BFH-Urteil vom 8. April 1983, VI R 209/79, BFHE 138, 154, BStBl II 1983, 551). Ob ein Ausnahmefall vorliegt, bei dem Steuerpflichtigen zwar nicht der Verwaltungsakt selbst, aber alle für die Entscheidung über die Rechtsbehelfseinlegung erforderlichen Umstände aufgrund einer schriftlichen Mitteilung des FA bekannt sind (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1983, VIII R 54/79, BFHE 137, 544, BStBl II 1983, 543; BFHE 138, 154, 156, BStBl II 1983, 551), ist vorliegend trotz vorheriger Zusendung des BP-Berichts zweifelhaft.

32

4.

Ein etwaiger Bekanntgabemangel - der aufgrund eines Verstoßes gegen § 122 Abs. 1 S. 3 AO durch Bekanntgabe an der angefochtenen Bescheide an den Kläger persönlich trotz Vollmachtsvorlage vorliegen dürfte - wäre jedenfalls geheilt (vgl. Urteil des BFH vom 08.12.1998, IX R 24/87). Der Klägerbevollmächtigte hat die angefochtenen Bescheide nach seinem Bekunden in der mündlichen Verhandlung am 24.08.1999 erhalten.

33

5.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Fragen, ob eine Abgrenzung zwischen Anwendungs- und Systemsoftware noch geboten ist, war nicht entscheidungserheblich.

34

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.