Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.07.2003, Az.: 10 K 305/98
Zeitpunkt der Versteuerung von Zinsen auf Bausparkonto; Vertraglich vereinbarte Verfügungsbeschränkung; Auswirkungen einer Novation; Bestehen freier Dispositionsbefugnis der Parteien
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.07.2003
- Aktenzeichen
- 10 K 305/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 14358
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0717.10K305.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
- § 11 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 607 Abs. 2 BGB
Fundstellen
- BBV 2004, 6
- DStR 2003, XIV Heft 51-52 (Kurzinformation)
- DStRE 2004, 16-18 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 1772-1774
- NWB 2003, 3583
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Es steht dem Zufluss von auf besonderen Bonuskonten gutgeschriebenen Zinsboni bei Bausparverträgen nicht entgegen, dass diese nicht gesondert ausgezahlt, sondern bei Fälligkeit nur den Bonuskonten und nicht (wie die Guthabenzinsen) den Bausparkonten gutgeschrieben werden.
- 2.
Zinsen, die bei der Fälligkeit dem Bausparguthaben zugeschlagen werden, erhöhen das Guthaben und sind deshalb in verzinsliche Vereinbarungsdarlehen umgewandelte Zinseinnahmen. Damit sind die Zinsen auch zugeflossen.
- 3.
Für die auf gesonderten Zinsbonuskonten gutgeschriebene Zinsboni gilt Entsprechendes, denn auch in diesem Fall erfolgt eine Schuldumwandlung in ein - allerdings unverzinsliches - Vereinbarungsdarlehen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der von ihrer Bausparkasse jährlich einem besonderen Bonuskonto zugeschriebene Zinsbonus bereits in dem Kalenderjahr, für das er gewährt wird, oder erst im Zeitpunkt der bei Beginn der Auszahlung des Bausparguthabens vorzunehmenden Übertragung vom Bonus- auf das Bausparkonto zu versteuern ist.
Die Kläger unterhalten bei der Bausparkasse ....... drei Bausparverträge, zwei davon nach Tarif 7, für die sie einen Zinsbonus in Höhe von 80 v.H. der Guthabenzinsen von 2,5 v.H. des Guthabens in Anspruch nehmen.
Nach dem Inhalt der zugrundeliegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bausparverträge (ABB 7) wird das Bausparguthaben mit 2,5 v.H. verzinst (§ 6 Abs. 1 ABB 7) und kann der Bausparer durch schriftliche Mitteilung an die Bausparkasse, die bei dieser vor der ersten Auszahlung nach Zuteilung eingehen muss, rückwirkend ab Vertragsbeginn einen Zinsbonus in Höhe von 40 v.H. oder 80 v.H. der Guthabenzinsen wählen, wodurch sich der Zinssatz für das Bauspardarlehen erhöht (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ABB 7), und zwar von 4,6 v.H. (ohne Zinsbonus) auf 5,5 v.H. bei Zinsbonus 40 v.H. und 6,4 v.H. bei Zinsbonus 80 v.H. (§ 20 Abs. 1 ABB 7).
Die Zinsen und der Zinsbonus werden nicht gesondert ausgezahlt (§ 6 Abs. 3 ABB 7).
Bei Kündigung des Bausparvertrages vor Zuteilung wird der Zinsbonus nicht gewährt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ABB 7).
Nach § 6 Abs. 3 ABB 7 sind die Zinsen und der Zinsbonus jeweils am Ende des Kalenderjahres, bei Beginn der Auszahlung aus dem Bausparguthaben zu diesem Zeitpunkt fällig und werden die Zinsen dem Bausparkonto, der Zinsbonus einem Bonuskonto zu den vorgenannten Fälligkeitsterminen gutgeschrieben; bei Beginn der Auszahlung aus dem Bausparguthaben wird der Zinsbonus vom Bonuskonto auf das Bausparkonto übertragen und wird gleichzeitig ein etwa auf dem Bonuskonto ausgewiesener Zinsabschlag auf Kapitalertragssteuern für Zinsbonusgutschriften dem Bausparkonto belastet.
In den Erläuterungen zum Kontoauszug der Bausparkasse war u.a. darauf hingewiesen, bei Tarif 7 werde in der Steuerbescheinigung auch der Zugang, gegebenenfalls auch Rückgang des Zinsbonus ausgewiesen, der ungeachtet der Gutschrift auf dem Bausparkonto (erst mit Ende der Verzinsung) von Anfang an zu versteuern sei.
Nach den der Steuererklärung beigefügten Kontoauszügen der Bausparkasse waren im Streitjahr auf den drei Bausparkonten insgesamt 4.228,49 DM Zinsen gutgeschrieben, die die Kläger auch in die Anlage KSO eintrugen. Die auf den beiden Bonuskonten (Verträge nach Tarif 7) insgesamt mit 2.735,72 DM ausgewiesenen Zinsbonus-Zuwächse führten die Kläger dagegen nicht in der Anlage KSO auf.
Der Beklagte erhöhte die erklärten Einnahmen aus Kapitalvermögen um die Zinsboni.
Der hiergegen erhobene Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage vertreten die Kläger weiterhin die Auffassung, die Zinsboni seien noch nicht zugeflossen und deshalb noch nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die Beträge auf den Bonuskonten stünden dem Bausparer noch nicht zur Verfügung. Die Bonuskonten würden rein statistisch und nur für den Fall geführt, dass der betreffende Sparer bei Zuteilung des Bausparvertrages sich für eine bestimmte Zinsalternative entscheide. Entscheide sich der Bausparer für den höheren Darlehenszins, werde der Betrag auf dem Bonuskonto auf dem Bausparkonto gutgeschrieben und reduziere damit das Bauspardarlehen; nehme der Bausparer dagegen für das Bauspardarlehen den geringeren Darlehenszins in Anspruch, entfalle das Guthaben auf dem Bonuskonto ersatzlos. Da dem Bausparer die Beträge auf den Bonuskonten somit erst kraft besonderer Entscheidung und erst im Zeitpunkt der Zuteilung des Bausparvertrages zustünden, könne eine Besteuerung des Zuwachses mangels Zuflusses nicht in Betracht kommen.
Entscheidend sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ob die Kläger frei über die Zinsen verfügen könnten. Nur wenn kraft freier Vereinbarung die Verfügbarkeit ausgeschlossen sei, stehe dies dem Zufluss nicht entgegen. Die freie Verfügbarkeit müsse dabei im Zeitpunkt der Vereinbarung der Verfügungsbeschränkung gegeben sein. Hieran fehle es, weil die Bausparkasse das Behaltendürfen lediglich für die spätere Zukunft in Aussicht stelle, der Bonus bei Kündigung des Vertragsverhältnisses entfalle.
Die rein statistische Bedeutung des Guthabens auf dem Bonuskonto ergebe sich eindeutig daraus, dass die Angaben zum Bonuskonto außerhalb des eigentlichen Kontoauszuges gemacht würden und das Guthaben auf diesem Konto im Gegensatz zu den Zinsen für das Bausparguthaben nicht mit verzinst werde.
Verfügbar sei dieses Guthaben erst bei Zuteilung des Bausparvertrags mit der dann erfolgenden Gutschrift auf dem Bausparkonto.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für 1995 vom 14.05.1997 sowie des Einspruchsbescheids vom 11.05.1998 die Einkommensteuer für 1995 nach einem um 2.735,00 DM geringeren zu versteuernden Einkommen festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, die Zinsboni seien im Streitjahr zugeflossen. Der Begriff des Zuflusses setze nicht das Behaltendürfen voraus. Eine eventuelle Rückzahlung führe im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung zu einem Abfluss und lasse nicht etwa den früheren Zufluss wieder (rückwirkend) entfallen. Für den Zufluss sei nicht ausschlaggebend, dass die Kläger nicht ohne Weiteres über die Zinsen verfügen konnten; in der freien Vereinbarung des Bauspartarifs und der getroffenen Entscheidung für den Zinsbonus liege eine vorzeitige Verfügung. Die Entscheidung für den Zinsbonus sei nicht etwa erst im Zeitpunkt der Zuteilung möglich, sie müsse nur spätestens vor der ersten Auszahlung nach Zuteilung schriftlich mitgeteilt sein. Die Kläger hätten diese Entscheidung bereits getroffen gehabt, und zwar für den Zinsbonus von 80 v.H.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
1.
Wie die Zinsen auf das Bausparguthaben gehören, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG die von der Bausparkasse mit einem bestimmten vom-Hundert-Satz auf die Guthabenzinsen zu zahlenden Zinsboni zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, da sich diese gleichfalls als Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens (Bausparguthaben) zur Nutzung erweisen.
2.
Der Beklagte hat die auf die (den Bausparkonten gutgeschriebenen) Guthabenzinsen entfallenden und auf besonderen Bonuskonten gutgeschriebenen Zinsboni zu Recht bereits im Streitjahr als Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasst, da sie den Klägern zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Dem steht weder entgegen, dass sie (wie die Guthabenzinsen) nicht gesondert ausgezahlt, sondern bei Fälligkeit nur den Bonuskonten und nicht (wie die Guthabenzinsen) den Bausparkonten gutgeschrieben worden sind, noch dass sie dem Kapital nicht zugeschlagen und nicht mit verzinst worden sind, noch dass gemäß §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 1 der dem Vertragsverhältnis mit der Bausparkasse zugrundeliegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bausparverträge (ABB 7) bei Kündigung der Bausparverträge vor Zuteilung ein Zinsbonus nicht gewährt wird.
a)
Zinsen, die bei Fälligkeit, wie es bei Bausparverträgen als Teil des Bausparvertrages üblicherweise vereinbart ist, dem Bausparguthaben zugeschlagen werden, erhöhen das Guthaben (Kapital) und sind deshalb in - verzinsliche, da sie fortan mit verzinst werden - Vereinbarungsdarlehen (§ 607 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) umgewandelte Zinseinnahmen und damit zugeflossen. Dies gilt jedenfalls bei einer vertraglich vorab vereinbarten Verfügungsbeschränkung als Folge der im Interesse des Steuerpflichtigen liegenden Umwandlung der Zinsen in Kapital (BFH-Urteil vom 08.12.1992 VIII R 78/89, BFHE 169, 442, BStBl II 1993, 301).
Für die den Bausparkonten der Kläger gutgeschriebenen und fortan als Kapital mit verzinsten Bausparzinsen ist dieses zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
b)
Aus denselben Gründen sind entgegen der Meinung der Kläger aber auch die Zinsboni durch die bei ihrer Fälligkeit erfolgten Gutschriften auf den gesonderten Zinsbonuskonten bereits zugeflossen, obwohl sie dort nur angesammelt und nicht dem Kapital auf den Bausparkonten zugeschlagen und nicht mit verzinst werden. Denn auch in diesem Fall ist eine Schuldumwandlung (Novation) in ein, nun aber eben unverzinsliches Vereinbarungsdarlehen (§ 607 Abs. 2 BGB) erfolgt.
Allerdings führt nicht jede Novation auch zum Zufluss, sondern nur dann, wenn sie sich auch als Ausdruck der wirtschaftlichen Verfügungsmacht als Voraussetzung des Zuflusses darstellt, was regelmäßig zu bejahen ist, wenn die Schuldumschaffung im Interesse des Gläubigers und nicht des Schuldners liegt (vgl. BFH-Urteile vom 14.02.1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 24.03.1993 X R 55/91, BFHE 171, 499 [BFH 04.05.1993 - VIII R 7/91], BStBl II 1993, 499; vom 07.12.1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825).
Zwar wird das Interesse des Bausparers regelmäßig darauf gerichtet sein, die Boni wie die Bausparzinsen stehenzulassen, also dem Kapital zuzuschlagen, damit das Bausparguthaben möglichst schnell anwächst, weniger aber, auf diesen Teil seines Guthabens keine Zinsen zu erhalten. Auf der anderen Seite muss man jedoch die von den Klägern gewählte Bausparvariante in ihrer Gesamtheit sehen. Die Regelung, dass die Entscheidung für den Bonus auch noch nach Zuteilung bis zur Auszahlung des Bausparguthabens getroffen werden kann, dann der Zufluss in jedem Fall in voller Höhe im Auszahlungsjahr eintritt (mit der Folge der Versteuerung des Gesamtbonus im Auszahlungsjahr), erhellt, dass dieser Tarif danach berechnet ist, dass nur der Zinsbonus und nicht noch Zinsen auf diesen gewährt werden. Die Möglichkeit, sich schon früher für den Zinsbonus zu entscheiden, der dann jährlich fällig wird und durch Novation zufließt, liegt damit im alleinigen Interesse des Bausparers, der hierdurch unter Ausschöpfung des Sparerfreibetrags mögliche Steuervorteile erlangen kann. Aus der Novation ergeben sich für die Bausparkasse dagegen keine feststellbaren Vorteile, sodass es aus deren Sicht auch allein bei der Variante der Auszahlung des Zinsbonus mit dem Bausparguthaben hätte bleiben können.
Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass die Novation auch hinsichtlich der Zinsboni im Interesse der Kläger liegt und diese deshalb bei Fälligkeit mit Gutschrift auf dem Bonuskonto zugeflossen sind.
c)
Davon abgesehen ist die Interessenlage der Vertragspartner als Indiz für den Verlust bzw. die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ohnehin von geringerer Bedeutung, wenn beide ein annähernd gleichwertiges Interesse an der Novation haben. Sie ist insbesondere dann von geringer Bedeutung, wenn die Novation im Vorhinein vereinbart wird; denn in diesem Fall stellt sie sich als Bestandteil einer Gesamtheit aller zum Ausgleich von gegenläufigen Interessen ausgehandelten Vertragsbedingungen dar. Es kommt dann lediglich darauf an, ob die Novation Ausdruck der freien Dispositionsbefugnis der Vertragsbeteiligten über den geschuldeten Geldbetrag ist (vgl. BFH-Urteile vom 24.03.1993 X R 55/91 und vom 07.12.1999 VIII R 8/98, a.a.O.)
Dafür, dass dieses nicht der Fall gewesen sein könnte, ist nichts ersichtlich.
d)
Dem Zufluss steht auch nicht entgegen, dass nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ABB 7 bei Kündigung des Bausparvertrags vor Zuteilung der Zinsbonus nicht gewährt wird, mithin die auf den Bonuskonten gutgeschriebenen Bonuszinsen verfallen. Einnahmen fließen auch dann zu, wenn noch nicht zweifelsfrei feststeht, ob sie endgültig dem Empfänger verbleiben. Eine Rückzahlungsverpflichtung hebt den Zufluss der betreffenden Einnahmen nicht auf. Stellt sich später heraus, dass der Empfänger den ihm zunächst zugegangenen Wert nicht endgültig behalten darf, sondern in einem späteren Veranlagungszeitraum zurückgewähren muss, so ist dieser Vorgang einkommensteuerrechtlich nach § 11 EStG erst in dem späteren Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 29.04.1982 IV R 95/79, BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.